"Abgleiten in die Prostitution"

Beiträge betreffend SW im Hinblick auf Gesellschaft bzw. politische Reaktionen
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Donald
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"Abgleiten in die Prostitution"

Beitrag von Donald »

Hallo,

in Deutschland wird zur Zeit eine Verschärfung des Sexualstrafrechts diskutiert, bei der u.a. das Schutzalter für den § 182 StGB ("Sexueller Mißbrauch von Jugendlichen"), der u.a. "sexuelle Handlung gegen Entgelt" verbietet, von 16 auf 18 Jahre hochgesetzt werden soll.

Ich selber stehe dem Gesetzentwurf ingesamt kritisch gegenüber und versuche seit einem Jahr, mit einem Weblog zu einer sachlichen Diskussion beizutragen, Argumente zu sammeln und über den Fortgang der Maßnahme zu berichten. Ich bin da mehr oder weniger zufällig drauf gekommen und ansonsten weder beruflich oder privat mit Sexualpolitik befasst.

Das Gesetz ist umstritten, es ging am Ende des letzten Jahres kurz durch die Medien, was auch auch in diesem Forum Erwähnung fand.

Was die Anhebung des Schutzalters bei §182 StGB angeht, befürchten die Kritiker, dass der Staat nach der Änderung unnötig in übliche sexuelle Beziehungen von gleichaltrigen Jugendlichen eingreift, da der bisher tatbestandlich relevante Altersunterschied zwischen Täter (über 18 Jahre) und Opfer (unter 16 Jahre) aufgegeben wird.

Nach den öffentlichen Proteste ließ eine angesäuerte Justizministerin in einer Presserklärung u.a. folgendes verlauten:
Deswegen ist die Bundesjustizministerin einigermaßen verärgert darüber, dass das sicherlich legitime Ansinnen der Bundesregierung, sich erstens europarechtskonform zu verhalten und zweitens das legitime Interesse zu verfolgen, Kinder und Jugendliche vor dem Abgleiten in die Prostitution zu bewahren, durch solcherlei Beispiele in der Öffentlichkeit diskreditiert wird.
Ich habe nun die Hoffnung, in diesem Forum vielleicht fachliche Hinweis dazu zu bekommen, wie realistisch die hier angedeutete Laufbahn eigentlich wirklich ist - und zwar erstmal unabhängig von der Wertung, die in "Abgleiten" und "bewahren" zu Ausdruck kommt.

Also, gibt es bei den Sexworkern überhaupt in nennenswerten Umfang Biografien, die mit "sexuellen Handlungen gegen Entgelt" im Alter von 16 oder 17 Jahren begonnen haben? Falls sich das jemand sogar zu eigen macht, wüsste ich natürlich auch gerne, wir die (oder auch der) Betroffene das im Nachhinein sieht und ob sie ein entsprechendes Strafrechtliches verbot für sinvoll hält.

Abgesehen von dieser konkreten Frage, ob das Anheben des Schutzalters von 16 auf 18 Jahre bei §182 StGB tatsächlich Karrieren im Sexgewerbe verhindern würde, interessieren mich natürlich auch sonstige Bemerkungen der Forumsteilnehmer. Wie empfindet ihr die Wortwahl "Abgleiten in die Prostitution" - treffend oder verletzend? Oder was immer euch auch sonst noch zu dem Gesetzentwurf einfällt. Hintergrundinformationen und die Gesetzestexte findet ihr in meinem Blog http://schutzalter.twoday.net/.

Gruß
Donald

Hanna
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Beitrag von Hanna »

hallo Donald,

danke für Dein Engagement in dieser Sache. Gibt es dazu einen besonderen d.h. biographischen Grund?
Bezüglich des Alters findest Du hier viele Hinweise von unter 18jährigen, die sich in der Prostitution betätigen. Viele davon sind Migrantinnen, labile Mädels oder drogensüchtig.
Meine persönliche Meinung: Niemand sollte SW werden unter 21-23 Jahren und ohne vorher eine abgeschlossene Berufsausbildung zu haben. Das Geld ist sonst zwar leicht verdient aber genauso leicht wieder ausgegeben. Eine Ausnahme mache ich bei Studentinnen, die ein Zubrot brauchen. Das ist oft die einzige Chance in vernünfiger Zeit sein Studium zu absolvieren, wenn man nicht von Papa gesponsort wird >>>siehe das Thema "mes cheres etudes", aber auch Micha Ebner in Berufsratgeber für Huren.

die formulierung "hineingleiten" das klingt so nach "halb zog er sie, halb fiel sie hin" wahrsch. eher selten. Für die meisten ist das entweder ein vorsätzlicher Entschluß (nach mehr oder weniger innneren Kämpfen und aus den verschiedensten Motiven) oder durch Druck von außen.

ansonsten bin ich dafür, daß die Altersgrenze für Sex bei 14 Jahren bleibt. Die Menschen werden heute früher geschlechtsreif als vor 50 Jahren.

beste Grüße
Hanna
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Zwerg
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Beitrag von Zwerg »

Hi Donald!

Vielen Dank für Deinen Beitrag - ich persönlich kann die Redewendung "abgleiten in die Prostitution" verstehen, aber nicht für gut heißen, da sie eine Wertung in sich birgt, die zumeist von Außenstehenden negativ besetzt gemeint ist.

Bzgl. Deiner Fragestellung ist etwas eigenartiges passiert: Ich selbst habe in den letzten Monaten sehr intensive Gespräche mit SexarbeiterInnen auch über das Thema "Einstieg" geführt. Und bis Vorgestern habe ich nicht ein einziges Mal gehört, dass Jemand "zur Sexarbeit" durch Geschenke erzogen wurde. Soll heißen, dass der von Dir hinterfragte Fall eingetreten ist.

Vorgestern jedoch hatte ich ein Gespräch mit einer ehemaligen SexarbeiterIn wo genau dies beschrieben wurde - und in Folge dessen ein "nicht zu Rande kommen" mit dem Kunden. Ich wage zu behaupten, dass es nicht die Norm ist (und ich glaube doch mittlerweile einen recht guten Überblick über die Beweggründe von SexarbeiterInnen vermittelt bekommen zu haben (wofür ich auch außerordentlich dankbar bin)) - Wahrscheinlich verhält es sich so, wie mit der Legende von der "missbrauchten SexarbeiterIn" - als Kind missbraucht und deshalb abgerutscht - auch dies kann ich definitiv bestreiten. Es gibt auch SW`s, die Missbrauch erlebt haben - keine Frage - aber ich denke nicht mehr, als Frauen bzw. Männer in anderen Berufen auch.

Liebe Grüße aus Wien

Christian

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Donald
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Beitrag von Donald »

Danke für eure Antworten! Ich würde mich freuen, wenn noch mehr kämen!
Hanna H. hat geschrieben:hallo Donald,

danke für Dein Engagement in dieser Sache. Gibt es dazu einen besonderen d.h. biographischen Grund?
Nein, überhaupt nicht. Ich bin wirklich sehr zufällig darauf gekommen ( nachdem die Vermutung, die neuen Regelungen zur Kinderpornografie könnten sich bald nach US-Vorbild auch auf private Urlaubsbilder vom Strand auswirken in ein FKK-Forum gespült wurde, in dem ich mich als FKK-Anhänger bewege...).

Es haben mich an dem Gesetz mehrere Sachen auf Anhieb irritiert (Religionsmoral statt Rechtsgüterschutz, EU-Ministerrat statt parlamentarischer Demokratie, Populismus statt Sachlichkeit). Es ist sicher nur eines von vielen totalitären Gesetzen, die in der Zeit der großen Koalition über den Tisch gehen, nicht mal das schlimmste, aber (nur) bei diesem Gesetz war es so, dass die öffentliche und parlamentarische Wahrnehmung Anfangs gleich Null war. Es sollte ohne einen einzigen Pressebericht ohne eine Aussprache oder Information im Bundestag abgenickt werden. Über den anderen Schäuble/Zypries-Quatsch vom Abschuss von Passagiermaschinen über Parallelwelt Heiligendamm bis zur Vorratsdatenspeicherung wurde immerhin öffentlich debattiert.

Anfänglich noch keineswegs komplett gegen das Gesetz eingestellt, sondern nur skeptisch, wollte ich dazu beitragen, dass auch dieser wichtige Entscheidung erst nach eingehender Befassung mit der Sache getroffen wird. Daher meine Petition, die ja sogar erfüllt wurde.
Meine persönliche Meinung: Niemand sollte SW werden unter 21-23 Jahren und ohne vorher eine abgeschlossene Berufsausbildung zu haben. Das Geld ist sonst zwar leicht verdient aber genauso leicht wieder ausgegeben.
Da stimme ich zu. Ich erhoffe mit hier ja mehr eine möglichst sachliche und wertungsfreie Bestandsaufnahme über die tatsächliche Verleitung zur Prostitution in den Fällen, die sich nach §182-als und §182-neu unterscheiden und wollte daher auch nicht gleich mit meiner Meinung dazu überfallen. Anyway, ich selber habs vor kurzem mal so formuliert:
Das hat ganz entschieden etwas mir moralischer Verurteilung von Prostitution (oder allgemein Sexualität zu tun). Ebenso die suggestive Formulierung des BMJ, man wolle Kinder und Jugendliche vor einem "Abgleiten in die Prostitution" bewahren. Natürlich ist das Prostitutionsgewerbe äußerst problematisch und riskant und auch ich würde das keinem Jugendlichen guten Gewissens als Beruf empfehlen. Dennoch ist die propagierte Wertung (Prostitution ist "unten") auch wenig sachdienlich.
Hanna H. hat geschrieben:Eine Ausnahme mache ich bei Studentinnen, die ein Zubrot brauchen. Das ist oft die einzige Chance in vernünfiger Zeit sein Studium zu absolvieren, wenn man nicht von Papa gesponsort wird >>>siehe das Thema "mes cheres etudes", aber auch Micha Ebner in Berufsratgeber für Huren.
Soll übrigens in Deutschland sehr viel weniger üblich sein, als zB in Frankreich, habe ich hier vor kurzem gelesen.

Ist zwar für meine Frage zu §182 irrelevant, weil Studentinnen ja volljährig sind, aber ein interessantes Thema. Selbstbestimmte junge Frauen, die ihr Leben in die Hand nehmen, oder ungerecht benachteiligte, die ihre Bildung nur noch mit einem Job finanzieren können, der ihnen zuwider ist?
die formulierung "hineingleiten" das klingt so nach "halb zog er sie, halb fiel sie hin" wahrsch. eher selten. Für die meisten ist das entweder ein vorsätzlicher Entschluß (nach mehr oder weniger innneren Kämpfen und aus den verschiedensten Motiven) oder durch Druck von außen.
Könnte man es so sagen, dass Prostitution, wenn es nicht wirklich selbstbestimmte Berufswahl ist, in erster Linie aus wirtschaftlicher oder sozialer Not entsteht?

Diesen Menschen würde man allerdings durch eine Kriminalisierung ihrer "Kunden" wohl auch nur recht bedingt helfen. Der §182 ist auch so formuliert, dass es eben nicht erst auf die gewerbliche Prostitution zielt (zb. wiederholt, mit wechselnden Partnern zu denen keine Beziehung besteht, gegen Geld) sondern schon auf die allerersten Anzeichen von "Sex gegen Entgelt" - auch zb. im Rahmen einer festen Beziehung.

Bei freier, informierter, selbstbestimmten Berufswahl geht es den Staat m.M. nach schlicht nichts mehr an. Das sehen die Politiker zum Teil zwar anders, aber wenigstens nach außen müssen sie eine legitime Begründung konstruieren.
ansonsten bin ich dafür, daß die Altersgrenze für Sex bei 14 Jahren bleibt. Die Menschen werden heute früher geschlechtsreif als vor 50 Jahren.
Die Altersgrenze von § 176 StGB, wird in dieser Runde immerhin noch nicht direkt angetastet. Andererseits wird bei der Heraufsetzung der Altersgrenze von "Kinderpornografie" schon jetzt ein Wertungswiderspruch geschaffen (Die Darstellung ist verboten, die eigentliche Handlung aber legal), der die wahrscheinlich bald auch noch folgende Änderung in diesem Bereich erleichtert.
Zwerg hat geschrieben:Bzgl. Deiner Fragestellung ist etwas eigenartiges passiert: Ich selbst habe in den letzten Monaten sehr intensive Gespräche mit SexarbeiterInnen auch über das Thema "Einstieg" geführt. Und bis Vorgestern habe ich nicht ein einziges Mal gehört, dass Jemand "zur Sexarbeit" durch Geschenke erzogen wurde. Soll heißen, dass der von Dir hinterfragte Fall eingetreten ist.
Ob du deine Schätzungen zum Thema "Einstieg" beziffern könntest? Du kennst bis jetzt also einen Fall, bei dem der Einstieg über ein "Delikt" nach §182-neu erfolgte. Einer von wie vielen ist das denn? Kannst du eine Strichliste oder so etwas machen?

Außer dass ich hier die interessierten Fachleute und Profis selber frage, wäre ich natürlich auch für Hinweise aus Studien oder andere Quellen dankbar, in denen das vielleicht schon beleuchtet wurde.

Gruß
Donald

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Zwerg
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Beitrag von Zwerg »

Donald hat geschrieben:Ob du deine Schätzungen zum Thema "Einstieg" beziffern könntest? Du kennst bis jetzt also einen Fall, bei dem der Einstieg über ein "Delikt" nach §182-neu erfolgte. Einer von wie vielen ist das denn? Kannst du eine Strichliste oder so etwas machen?
Ist natürlich mit Vorbehalt zu verstehen, da man nicht sagen kann in wie weit die Frauen und Männer mit welchen ich gesprochen habe dies 1. selbst so sehen und 2. auch selbst realisiert haben (falls es doch so wäre). Zahlen zu nennen ist relaitv einfach. Ich selbst habe mehr als 100 SexarbeiterInnen verifiziert (soll heißen, dass ich persönlichen Kontakt und zumindest ein Gespräch, welches die Sexarbeit der verifizierten Person zum Inhalt hatte, geführt).

Man kann natürlich jetzt anführen, dass die Frauen und Männer welche auf sexworker.at mitschreiben professionell sind. Also die Jenigen die kurzzeitig oder mal nebenbei durch Sexarbeit Geld verdienen bleiben außen vor. Mit ein Grund warum wir hier nicht von Prostitution, sondern von Sexarbeit sprechen. Sich selbst prostituieren ist streng genommen schnell getan und dies nicht nur in Bezug auf Sexarbeit.

Die Frage ob Sexarbeit ein selbstbestimmter Beruf ist, oder durch wirtschaftliche Not entsteht halte ich eher für nicht zielführend. Ich glaube der Großteil der arbeitenden Bevölkerung würde wirtschaftliche Not verspüren, wenn er nicht arbeiten würde.

Natürlich ist bedingt durch die relativ niedrige Einstiegsschwelle Sexarbeit verlockend. Nur die Jenigen die einsteigen um das schnelle Geld zu verdienen merken sehr schnell, dass die Klischees nicht stimmen. Liegt wahrscheinlich daran, dass man Folgendes aus den Köpfen der "Otto-Normalverbraucher" nicht raus bekommt: Die Einbildung besagt: 10 Minuten Arbeit = viel Geld verdient. Kein normaler Mensch würde jedoch zum Beispiel den Beruf des Arztes auf die 2 Minuten der Diagnose reduzieren. Professionelle Sexarbeit beginnt mit Bildung (hört sich für Außenstehende unglaublich an, aber es ist so) - geht mit Vorbereitungshandlung weiter (Werbung, Annoncen, Auswahl der Kleidung, Styling, Arbeitsplatzbestimmung, Ausarbeitung des Angebotes, Fotos, Spielzeug, Internetauftritt.....) - auch der Termin selbst und die Nachbereitung findet nicht so statt, wie sich dies Viele vorstellen.

Bezüglicher der Altersgrenze in Bezug auf Sexarbeit habe ich eine sehr zwiespältige Meinung. Natürlich sehe ich sehr wohl die Problematik, komme jedoch nicht umhin nicht nachvollziehen zu können warum man Jemanden zum Beispiel (in Österreich ab 16) ein Wahlrecht zubilligt, ihn aber auf der anderen Seite für unfähig hält über seine eigene Sexualität zu entscheiden. Beachte das Wahlrecht beinhaltet ein Entscheiden über die Sexualität Anderer! Weiters glaube ich nicht wirklich, dass ein zu hoch angesetztes Schutzalter eine einzige SexarbeiterIn abhält diesen Beruf zu ergreifen. Es wird nur ein weiterer Graubereich geschaffen und zwar genau dort (bei der EinsteigerIn), wo er am Gefährlichsten ist.

Christian

Hanna
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div.

Beitrag von Hanna »

Hallo Donald,

bezüglich deiner Frage nach der Bedingung einer wirtschaftlichen Notlage muß man glaube ich sehen, daß es für die meisten Betroffenen sicherlich immer irgendwo Alternativen gibt, die aber als zu beschwerlich angesehen werden.
(Migrantinnen, die zu eben jenem Zweck eingeschleußt werden nehme ich hier aus)

die zitierte Studentin kann natürlich auch 20 Std. in der Woche bei McDonalds jobben oder Nachhilfe geben und dadurch in Kauf nehmen, daß ihr Studium sich mindestens in die Länge zieht, aber die Alternative ist eben bequemer, wenn man psychisch nicht zu sehr darunter leidet. Auch darf man nicht vergessen, daß so etwas immer leichter fällt, wenn man ein konkretes Ziel vor Augen hat (Studienabschluß) als wenn man mehr oder weniger dunkel ahnt, daß das die Endhaltestelle bezüglich Job ist.
Ob Sexarbeit unter deutschen Studentinnen weniger verbreitet ist als unter französischen kann ich nicht beurteilen, vielleicht fehlt in Deutschland nur das entsprechende Bekennerbuch oder in Frankreich wird das Problem von interessierten Kreisen hochgepuscht, die mehr Bafög fordern.
Als ich vor 20 Jahren in Erlangen lebte, erregte ein Fall die Gemüter: eine Studentin war in ihrem Appartment ermordet worden und im Laufe der Recherchen stellte sich heraus, daß sie mit Sexarbeit ihr Studium verdiente.

Aber auch bei den Frauen,die sich für die hauptberufliche Sexarbeit entschieden, war sicherlich oft eine Güterabwägung im Spiel: z.B. schlechtbezahlte Verkäuferin oder Callcenter oder Putzfrau usw.
War bei mir auch so ähnlich: Als Transsexuelle (präOP)konnte ich trotz einer Fortbildung vom AA in meinem ehemaligen Beruf nicht mehr reinkommen und auf Callcenter oder andere schlechtbezahlte Hilfsjobs hatte ich keine Lust. Bislang verkrafte ich es psychisch gut, aber auch mir hilft es, daß ich nebenbei anderen Tätigkeiten nachgehe die ich als "die Eigentlichen" ansehe.

liebe Grüße, Hanna
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Hanna
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Beitrag von Hanna »

@christian
...komme jedoch nicht umhin nicht nachvollziehen zu können warum man Jemanden zum Beispiel (in Österreich ab 16) ein Wahlrecht zubilligt, ihn aber auf der anderen Seite für unfähig hält über seine eigene Sexualität zu entscheiden.
ist auch schizophren, aber das liegt m. E. daran, daß das Wahlrecht erst ab 21 einsetzten sollte. die Gefälligkeitsdemokratie, die jedoch sich davon Vorteile erhofft setzt es immer weiter runter *kotz*

des weiteren:
Weiters glaube ich nicht wirklich, dass ein zu hoch angesetztes Schutzalter eine einzige SexarbeiterIn abhält diesen Beruf zu ergreifen. Es wird nur ein weiterer Graubereich geschaffen und zwar genau dort (bei der EinsteigerIn), wo er am Gefährlichsten ist.
ist eine Sache der Überwachung, würde sogar noch weitergehen und fordern, daß die Vorrausetzung zur Zulassung zur Sexarbeit eine abgeschlossene Berufsausbildung ist. Damit verschiebt sich automatisch die Altersgrenze!

Es lebe die Meinungsfreiheit!

und busserl an euch beide

Hanna
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Beitrag von sixela »

Hanna H. hat geschrieben:
ist auch schizophren, aber das liegt m. E. daran, daß das Wahlrecht erst ab 21 einsetzten sollte. die Gefälligkeitsdemokratie, die jedoch sich davon Vorteile erhofft setzt es immer weiter runter *kotz*

Hanna
Verzeih, aber das halte ich für völlig falsch. Die Herabsetzung des Erwachsenenalters von 21 auf 18 entspricht einfach den biologischen und auch den bildungspolitischen Gegebenheiten. Vor allem aufgrund des Wohlstandsniveaus in der westlichen Welt reifen die Jugendlihen heute viel schneller heran als früher - wobei ich behaupte, dass biologische und geistige Reifung Hand in Hand gehen. Eine schrittweise weiere Herabsetzung auf 16, wie sie beim Wahlalter schon erfolgt ist, halte ich für konsequent (ich behaupte übrigens, dass die Wahrscheinlichkeit, dass ein 16jähriger eine Wahlentscheidung treffen kann, im Schnitt höher ist als bei einem 90jährigen).

Und dasselbe gilt natürlich auch für die sexuelle Selbstbestimmung, einschließlich der Entscheidung, ob man als SW arbeiten will oder nicht.
Die Welt ist umso freier, je weniger Religion und je mehr Sex praktiziert wird

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Angel_friend
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Beitrag von Angel_friend »

@sixela
deinen Theorien bezüglich Erwachsenwerden und sexueller Selbstbestimmung inkl. der Selbstbestimmung ob man als SW arbeiten will, kann ich so nicht zustimmen.

Ich muß vielleicht etwas ausholen und aus meiner persönlichen Erfahrung berichten
(in diesem Fall gehts leider nicht anders).
Ich kenne einigermaßen viele SW, und nicht nur als Kunde z.T. auch (nur) freundschaftlich.
Viele der (ganz) jungen würde ich keinesfalls als wirklich erwachsen bezeichnen - ihnen aber (ab 19) nicht die Selbstbestimmung in Bezug auf absprechen.

Eines dieser Mädchen, ist 19, ich buchte sie immer wieder - hatte jedoch nie Sex mit ihr. Für mich ist sie ein kleines Mädchen, fast wie eine Tochter. Für mich ist es einfach schön mit ihr zusammen sein zu dürfen und sie manchmal lachen zu sehen.

Eine andere (sie sagt wir sind "gute Freunde") kenn ich schon länger, sie hat ihr Leben jetzt schon fast verhunzt (verheiratet mit dem falschen Mann, ein Kind, ...). Ich würd sie mit ihren 22 Jahren sicher nicht als erwachsen bezeichnen. Sie braucht fast immer jemand an den sie sich anlehnen kann (nicht nur körperlich). Eine Zeitlang war ich das. Ich war das gern, es hatte jedoch von meiner Seite absolut nichts sexuelles.

Ich glaub jedenfalls, dass man diesen Job frühestens mit 18 oder 19 beginnen sollte.
Wenn ich als Kunde eine sehr junge SW buche, denke ich jedenfalls intensiver nach als bei einer (nur) jungen. Aber ich steh ohnehin auf Frauen, die im Leben stehen.
(Es gibt keine alte Frauen, nur erfahrene)
Die Moral ist nur der äussere Anschein von Treu und Glauben, und der Verwirrung Beginn.

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Beitrag von ex-oberelfe »

Ein sehr komplexes Thema meine Herren.
Zum einen Teil finde ich, dass viele mit 18 oder 19 noch nicht die persönliche Reife und Professionalität mitbringen, die für die Sexarbeit notwendig ist, ich hab das in den letzten 4 Jahren nur zu oft erlebt.
Verallgemeinern kann man das aber sicher auch nicht, denn ich habe schon Menschen kennenlernen dürfen, welche mit 18 weitaus reifer waren in ihrer Einstellung als so manche 30-jährige.
Allerdings ist eine sogenannte Einstiegsberatung sicher mehr als vorteilhaft, damit Sexarbeiter/innen professionell auch in ihrer Einstellung an diesen Beruf herangehen können.
Ob es aber nun erlaubt sein sollte mit 16 Jahren schon in der Sexarbeit tätig zu sein, ist für mich mehr als fragwürdig, dennoch gibt es sicher viele (mehr als wir denken), die sehr früh in die Sexarbeit einsteigen, und durch die derzeitige Gesetzeslage in den Graubereich gedrängt werden.
Da sollte man sich doch wirklich überlegen, die Möglichkeiten auszuweiten...eventuell ist ein Vor-Gespräch mit einem Psychologen sicher sinnvoller als ein Verbot mit Verwaltungsstrafen.

Das Thema der Misshandlung ist sicher mehr Klischee als Wirklichkeit, ich möchte es nicht bestreiten, aber das ist meiner Meinung nach kein Grund in die Sexarbeit einzusteigen....denn Missbrauch ist hier nicht mehr oder weniger gegeben, als in anderen Berufssparten.
Ausgrenzen möchte ich es nicht, nur kann man hier auch nicht alle in einen Topf schmeissen.
Ich habe selber auch schon sehr viele Gespräche mit Sexarbeiter/innen führen können und glaube doch zu wissen, dass sehr viele sehr selbstbewusst und selbstbestimmt und weit fern von diesem Klischee ihrem Beruf nachgehen.
Labile oder sozial geschwächte/starke Menschen gibt es hier genauso viel oder wenige, wie woanders auch.
<i>::: Jasmin war SexarbeiterIn, später BetreiberIn und bis Ende 2010 für das Sexworker Forum mit besonderen Engagement in der Öffentlichkeitsarbeit tätig :::</i>

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Donald
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Beitrag von Donald »

Danke für die Antworten bisher. Es geht mir weniger um die Frage der Legalisierung der gewerblichen Prostitution von Minderjährigen. Dem würden wohl auch noch andere Gesetze entgegen stehen (oder?).

Der § 182 StGB, bei dem das Schutzalter von 16 auf 18 Jahre angehoben werden soll, zielt ja zumindest auch auf das nicht gewerblich Feld. Also zB. auch einzelne sexuelle Handlungen im Rahmen einer Beziehung, die durch die Erwartung irgendeiner Art von Gegenwert mitmotiviert werden. Dies würde bei den Jugendlichen die Erfahrung erzeugen, dass Sex käuflich ist (naja,
stimmt ja wohl auch...) und daher ein "Abgleiten in die Prostitution" begünstigen, was zu ihrem Nachteil wäre.

Wenn man Entscheidungen zu § 182 findet, dann geht es oft um "pädophilartige" Beziehungen zwischen Erwachsenen und Minderjährigen, die mit dem § 182 zusätzlich oder ausschließlich bestraft werden, weil das Kind oder der Jugendliche durch Gegenwerte wie "Rummelbesuch" zu den sexuellen Handlungen motiviert wurde.

Mit der Änderung würden solche Gegenwertserwartungen zusätzlich bei Beziehungen, bei denen ein Partner 16 oder 17 ist, der gleichen Strafdrohung unterliegen. Nach der ursprünglichem Entwurf soll sogar gleichzeitig das Täteralter von 18 auf 14 abgesenkt werden so das ein 14-jähriger einen 17-jährigen derart "missbrauchen" könnte.

Also führen Einzelerfahrungen im Alter von 16 oder 17 Jahren, dass Sex honoriert wurde, typischerweise in die Prositution?

Gruß
Donald

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Beitrag von Zwerg »

Donald hat geschrieben:Also führen Einzelerfahrungen im Alter von 16 oder 17 Jahren, dass Sex honoriert wurde, typischerweise in die Prositution?
Es mag solche Fälle geben - aber als "typisch" würde ich sie auf keinen Fall bezeichnen!

Übrigens: Vielen Dank für deine Erwähnung von sexworker.at bei der Diskussion im EMMA-Forum (mich wundert es ein wenig, dass dieser Beitrag freigeschalten wurde)

http://www.emma.de/forum.html?&view=sin ... ad_uid=650

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Donald
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Beitrag von Donald »

Der Dank war doch nicht sarkastisch gemeint, oder?

Wie in dem Emma-Forum schon erwähnt, habe ich auch mit dem Berliner Verein Subway Kontakt aufgenommen, der sich um junge Stricher kümmert. Die haben mir für nächste Woche (nach einer Konferenz in dieser Woche) eine Stellungnahme in Aussicht gestellt.

Die Frage war, ob eine Kriminalisierung der Freier von 16 und 17 jährigen Prostituierten aus Sicht der Fachleute hilfreich ist. Das hat mit dem Für und Wieder des konkreten Gesetzentwurfes zwar gar nicht so viel zu tun, aber vielleicht interessiert es andere hier dennoch. Ich melde mich dann noch mal, wenn ich etwas erhalte.

Gruß
Donald

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Beitrag von Lucy »

ich halte den vorschlag von hanna für sehr gut, daß die mädels den beruf erst nach einer berufsausbildung ausüben dürfen. in ganz jungen jahren - mit 16 oder 17 - haben die wenigsten mädchen schon eine so ausgereifte sexualität, daß sie sich dem beruf stellen können. hierzu braucht man eine gewisse stabilität, die so junge mädchen meiner ansicht nach noch nicht haben.

lg lucy

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Mandy
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Beitrag von Mandy »

berufsausbildung? ggg :-)

KonTom
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Beitrag von KonTom »

Hallo Mandy!

Wieso ggg :-)) ?????
Glaubst du nicht auch das sehr vielen Damen in diesem Gewerbe noch
eine Menge zu vermitteln wäre?
Ich habe lange Zeit mit Kondomen und anderen Verbrauchsmaterialien
gehandelt.
Glaube mir, wärest du auch nur einen einzigen Tag mit mir
unterwegs gewesen, wäre aus deinem
"gggg" ganz schnell ein :022 geworden!

lg
Tom

Hanna
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Beitrag von Hanna »

Mandy hat geschrieben:berufsausbildung? ggg :-)
Hallo Mandy,
damits nicht mißverstanden wird: ich meinte nicht eine Berufsausbildung als Sexarbeiterin sondern in einem ganz normalen Beruf. Um den Wiedereinsteigs ins berufsleben zu erleichtern und damit sie lernt strukturiert zu arbeiten und es leichter hat sich nach der aktiven zeit in dem bereich z.B. als betreiberIn selbständig zu machen!

lg, Hanna
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Beitrag von Zwerg »

Donald hat geschrieben:Der Dank war doch nicht sarkastisch gemeint, oder?
Hi Donald!

Absolut nicht - ich selbst bin in etlichen Foren (mit Link auf sexworker.at) registriert - unter Anderem auch im EmmaForum. Nur leider finde ich nicht die Zeit.... - und manchmal fehlen mir auch ein wenig die Nerven... - ich finde es durchaus richtig, wenn auch "GegnerInnen" unsere Seiten besuchen. Vielleicht kommt dann ein fruchtbarer Dialog zu Stande. Ich denke, dass so manch Beitrag auf unseren Seiten einem Außenstehenden ein "Aha-Erlebnis" bescheren könnte.

Und wenn von der Seite eine berechtigte Kritik kommt, die auch entsprechend argumentiert wird, sind wir auch gerne bereit unsere Ansichten zu überdenken. Mit ein Grund, warum ich auch im EmmaForum mitlese - nur bisher bin ich nicht wirklich auf viele "logisch argumentierte" Beiträge gestoßen. Floskeln, wie zum Beispiel:"Es gibt keine freiwilligige Prost....." lassen mich zweifeln, dass die dortigen PosterInnen wissen, was Sexarbeit ist.

Liebe Grüße (wieder aus Wien)

Christian

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Beitrag von Mandy »

@ Tom

hast sicher recht..... ;-) aber ich hätte dich gerne mal begleitet

@ HANNA

Danke ---> Missverständnis ausgeräumt

Lg. an alle

KonTom
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Beitrag von KonTom »

@ Mandy

kann man sicher einrichten
und wenns nur die begleitung zu einem kaffee ist ;-)

lg
tom