Die fehlende Anonymität der Zahlungen erscheint auch mir als Hauptproblem bei einer bargeldlosen Gesellschaft: Denn es gibt viele gute Gründe, warum Freier anonym bleiben wollen, z.B. die Ehefrau (mit Einblick in die Kontobewegung) oder der Arbeitgeber. (Ein Polizist wird ungern wollen, dass seine Kollegen nach einer Razzia in seiner Lieblingsbar mittels Kreditkartenabrechnungen feststellen können, dass er dort Stammgast ist; vgl. in A das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs, VwGH 2006/12/0169 vom 14. Juni 2007: "Einen Exekutivbeamten trifft wohl auch die Verpflichtung, jeglichen Eindruck einer Unterstützung und Förderung der Ausübung von Prostitution zu vermeiden.")
MichelleLaCroix hat geschrieben: Bei Kreditkarten und ähnlichem steht ja der Name mit drauf, es wird nicht jeder wollen das man weiß wer er/sie ist oder auch für was man das Geld ausgegeben hat.
hedonism hat geschrieben: Das Hauptproblem ist die Öffentlichkeit, Name des Inhabers, wie erklären die Klienten den Geldfluß zuhause
Ich denke, diese Konsequenz einer bargeldlosen Gesellschaft kommt einer Freierbestrafung nahe: Kunden, die schon jetzt einem Escort Service die Kreditkartennummer geben und somit ihre Anonymität aufgeben, werden zwar keine Probleme haben, doch die anderen, möglicherweise die Mehrheit, könnten dem Markt verloren gehen.
Die bisher entwickelten Gegenstrategien, die Anonymität dennoch zu wahren, überzeugen noch nicht sehr.
hedonism hat geschrieben: Lösung wäre [...] eine anonyme Prepaidcard, oder sowas wie paysafe, wo man sich ein Guthaben kauft und dieses dann mittels Code einlöst.
Marc of Frankfurt hat geschrieben: Anonym digitales Geld ist letztlich eine Zeichenkette (datenstring), die getauscht wird und die sowohl eineindeutig und fälschungssicher ist und dennoch nicht registriert personalisiert.
6T hat geschrieben: es gibt bereits jetzt von einigen cc gesellschaften pre-paid karten (debitkarten ), welche tlw über ausländische konten geführt werden, die keinen identitätsnachweis erfordern. diese john doe karten werden per bareinzahlung oder western union aufgeladen und können im elektronischen zahlungsverkehr benutzt werden.
Ein von Marc zitierter Artikel zeigt aber, dass die Anonymität bei den derzeitig geplanten Systemen von digitalem Geld keineswegs gewahrt wird, sondern dass die Zahlungen (auch im Streitfall) zurückverfolgbar sind. Digitales Geld ist bei diesen Systemen offenbar so ähnlich, als ob die Nummern der Geldscheine beim Abheben und Einzahlen registriert werden - nur geht dann eine allfällige Überwachung durch Big Brother viel schneller, als mit realem Geld, weil ohnehin alles digital ist.
Welt Online hat geschrieben: Zwar versucht man, auch die heutigen Geldkarten gegen kriminellen Mißbrauch zu schützen, indem die Transaktionen protokolliert und in einen Bankcomputer, der sogenannten Evidenzzentrale, gespeichert werden. Im Streitfall läßt sich so etwa - zwar mühsam und kostenaufwendig - zurückverfolgen, welcher Betrag von wem und wann abgebucht worden ist. Dies bedeutet aber auch den Verlust jener anonymen Zahlungsfunktion, wie sie das heutige Bargeld bietet
Bei der von Tom zitierten Western Union kommen überhaupt gleich Assoziationen an Terrorfinanzierung und Geheimdienstüberwachung auf (vgl. Levitt in Giaraldo/Trinkunas, Terrorism financing and state responses, S 148). Dabei arbeitet Western Union regelmäßig mit den Geheimdiensten zusammen: "Western Union has a strong history of cooperating with regulators and law enforcement, and we have often exceeded what is required of us" (Mike Yerington, Western Union of North America in Denver Post/USA vom 7. März 2003). Offenbar ist die Überwachung auch sehr erfolgreich: "From the spring of 2003 until autumn 2004, the Shin Bet security service tracked down Palestinian terror cells in the West Bank thanks to information from the Western Union money transfer service, which was passed on by the FBI" (Haaretz/Israel vom 30. Juni 2006).
Jeder, der sich über das Western Union System Anonymität sicherstellen will, wird also offenbar gleich von mehreren Geheimdiensten automatisch als potenzieller Terrorist bzw. Terrorfinanzier überwacht. Im Regelfall wird der Geheimdienst hoffentlich so gut arbeiten, um den Irrtum zu bemerken.
Allerdings könnte in Zukunft bei allen Systemen zur Wahrung der Anonymität des bargeldlosen Verkehrs eine Hintertür zur Überwachung durch Geheimdienste offen bleiben (wie bei Western Union heute). Es wird dann sicher auffallen, wenn ein Freier durch die Nutzung solcher Dienste große Anstrengungen macht, seine sexuellen Abenteuer geheim zu halten. Geheimdienste könnte das auf die Idee bringen, ob der Freier vielleicht damit erpressbar ist (etwa für Industriespionage).
Arum hat geschrieben: wenigstens 'spätestens 2011' stimmt nicht. Das sollte '2014' heissen, und noch hinzugefügt müsste werden dass die niederländische Verbraucherzentrale nicht einverstanden ist
Die fünf Jahre bis 2014 sind bald vorbei - zu hoffen ist, dass die Verbraucherzentrale nicht alleine bleibt, diese (für ganz Europa relevante) Entwicklung zu stoppen.