
Hi!Optimist hat geschrieben:Eine kleine Geschichte zu Nachdenken - passiert letzten Mittwoch Schnirchgasse/Kontrolluntersuchung . Meine Lebensgefährtin selbst Sw/in sitzt im Warteraum - ein Mädchen wird aufgerufen - lange Zeit vergeht - hektisches zusätzliches Personal betritt auch diesen Behandlungsraum - Behandlungsraum wird gesperrt, alle Mädchen müssen diesen Warteraum verlassen, das Personal ausgerüstet mit langen Handschuhen, desinfiziert alle Gegenstände mit denen diese SW/in in Kontakt gekommen sein könnte - es wird sich dabei sicher nicht um eine Kleinigkeit gehandelt haben!!!!
Ich kenne diese Geschichte auch (ich wurde davon telefonisch informiert) - Es wurde von Seiten der STD-Ambulanz keinerlei Informationen an die dort ebenfalls wartenden SexarbeiterInnen (welche vielleicht ebenfalls Kontakt hatten) ausgegeben - oder? Also ist die Aussage "Ursache ist nicht die Untersuchung sondern die Krankheit, die davon ausgelöst wurde weil man auf geschütztes Arbeiten verzichtet hatte" nicht richtig - oder weißt Du mehr?
Ob und was es war - darüber kann man nur Mutmaßungen anstellen - das es was mit STD zu tun hatte ist für mich nicht nachvollziehbar - ich kenne keine einzige Geschlechtskrankheit, bei welcher Räume desinfiziert werden müssen!
Nochmals: Ich/Wir lehnen nicht den Besuch beim Arzt ab! Das ist niemals unser Anliegen gewesen! Wir lehnen Zwangsregistrierung und Zwangsuntersuchung als sinnlos und diskriminierend ab! Das ist ein gewaltiger Unterschied! Wir wären im Gegenteil froh darüber, wenn sich ausnahmslos alle SexarbeiterInnen regelmäßig Untersuchungen unterziehen würden. Deshalb ist ja unsere Forderung: Anonym - kostenlos - also niederschwellig für ausnahmslos Jede(n) - aber bitte nicht mit Strafandrohung - sondern selbstbestimmt.
Wie Deine eigenen Aufzeichnungen belegen - die derzeitige Gesetzgebung bringt nicht den gewünschten Erfolg! Im Gegenteil: Auch im Brief des Bundesfamilienministeriums (Antwort auf Forderungen von SOLWODI) ist völlig richtig zu lesen:
Der Brief ist unter download.php?id=468 als PDF DownloadbarEntgegen der Annahme der SOLWODI-Kampagne ist eine Pflichtuntersuchung von Prostituierten
auf das Vorliegen sexuell übertragbarer Krankheiten nach den dem Bundesgesundheitsministeriums
vorliegenden Informationen nicht geeignet, Prostituierte vor Infektionen zu
schützen.
Insbesondere kann dadurch nicht zu Gunsten von Prostituierten die Benutzung von Kondomen
durchgesetzt werden. Ein Untersuchungsergebnis, nach dem bei der Prostituierten keine
sexuell übertragbare Krankheit vorliegt, kann im Gegenteil sogar dazu führen, dass Freier
noch stärker auf ungeschützten Geschlechtsverkehr drängen.
Aus medizinischer Sicht wurde bereits in den 1990er Jahren von vielen Gesundheitsämtern
eine Pflichtuntersuchung aller Prostituierten als ungeeignet angesehen, die Weiterverbreitung
sexuell übertragbarer Krankheiten - sowohl bei den Prostituierten als auch bei den Freiern -
erfolgreich einzudämmen. Daher wurde die im ehemaligen Geschlechtskrankheitengesetz
bestehende Regelung, dass das Gesundheitsamt von Geschlechtskranken sowie solchen Personen,
die dringend verdächtig sind, geschlechtskrank zu sein und Geschlechtskrankheiten
weiterzuverbreiten, die Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses über ihren Gesundheitszustand
verlangen konnte, mit Wirkung vom 1. Januar 2001 aufgehoben. Seitdem gilt nach § 19 des
Infektionsschutzgesetzes die Regelung, dass das Gesundheitsamt bezüglich sexuell übertragbarer
Krankheiten Beratung und Untersuchung anbietet oder in Zusammenarbeit mit anderen
medizinischen Einrichtungen sicherstellt. Diese sollen für Personen, deren Lebensumstände
eine erhöhte Ansteckungsgefahr für sich oder andere mit sich bringt, auch aufsuchend angeboten
werden. Die Angebote können anonym in Anspruch genommen werden, soweit hierdurch
die Geltendmachung von Kostenerstattungsansprüchen nicht gefährdet wird.
Im Vordergrund der Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz stehen somit nunmehr
Information und Aufklärung sowie leicht zugängliche Beratungs-, Untersuchungs- und gegebenenfalls
Behandlungsangebote. Dieser Weg hat sich nicht nur in der HIV-Prävention in Deutschland bewährt, sondern auch international als erfolgreich bei der Bekämpfung von sexuell
übertragbaren Krankheiten erwiesen.
Durch verpflichtende Gesundheitsuntersuchungen der Prostituierten ist auch keine Verbesserung
ihrer Situation im Hinblick auf Schutz vor Gewalt und Übergriffen zu erreichen. Drogenabhängige
Beschaffungsprostituierte und ausländische Prostituierte, insbesondere mit illegalem
Aufenthaltsstatus, meiden regelmäßig den Kontakt mit staatlichen Stellen und sind
daher durch die Anordnung von Routineuntersuchungen nicht erreichbar. Es muss auch damit
gerechnet werden, dass als infiziert erkannte Prostituierte, die dem Gesundheitsamt kein entsprechendes
Zeugnis mehr vorlegen können, in eine illegale Tätigkeit abwandern und der
Prostitution in versteckter Form weiter nachgehen, wodurch sie in noch stärkerem Maße gefährdet
sind und im Hinblick auf Übergriffe und Gewalt in eine Situation größerer Schutzlosigkeit
geraten. Gerade für diese Personengruppen bieten anonyme Untersuchungs- und Beratungsangebote
durch das Gesundheitsamt die besseren Hilfsmöglichkeiten für die vom Infektionsschutzgesetz
bezweckte Krankheitsprävention.
Bitte beachte den Satz: Ein Untersuchungsergebnis, nach dem bei der Prostituierten keine
sexuell übertragbare Krankheit vorliegt, kann im Gegenteil sogar dazu führen, dass Freier
noch stärker auf ungeschützten Geschlechtsverkehr drängen.
Liebe Grüße
christian