ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beiträge betreffend SW im Hinblick auf Gesellschaft bzw. politische Reaktionen
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Melanie_NRW
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Beitrag von Melanie_NRW »

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Kasharius hat geschrieben: Noch zur FAZ: Ein etwas verstörender Artikel der am Ende nur Fragen aufwirft, anstatt sie zu beantworten bzw. zu reflektieren.
Finde ich nicht. Im Gegenteil. Der Artikel regt die Leser dann doch eher zum denken an und hinterfragt so die emmaschen "Fakten" statt sie nur stumpf wiederzugeben.
Wahrscheinlich hat sich die Redaktion nicht mehr getraut...

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Kasharius
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Beitrag von Kasharius »

@Melanie

touché. Aber findest Du nicht, daß die entscheidenden FRagen erst am Schluss des Artikels aufgeworfen werden; was natürlich für sich genommen schon mal gut ist....?!

Kasharius grüßt und freut sich sehr, von Dir zu lesen

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Melanie_NRW
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von Melanie_NRW »

Nö, das ist sogar gut ;) Weil am Schluss immer das stehen sollte, was bei den Leuten hängen bleiben soll.

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Nymphe
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Beitrag von Nymphe »

Dafür dass die Constabel und "Frau Mau" zu Wort kamen, fand ich den Artikel auch ziemlich gut.

Immer wieder lustig: "Wenn sie sich darüber aufregt, dass immer die gleichen Aktivistinnen in den Fernsehstudios säßen, um der Gesellschaft weiszumachen, es gebe in der Sexarbeit wie in jedem Job eben mehr oder weniger angenehme Tätigkeiten [...]"

Nunja. Und wer sitzt sonst so in den Fernsehstudios an Sexarbeiter_innen, die das Gegenteil behaupten?
It is no measure of health to be well adjusted to a profoundly sick society.

fidelio
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Beitrag von fidelio »

Stuttgarter Nachrichten - 08.10.2015

Schweden als Vorbild in Sachen Sex

Schweden war das erste Land, das ein Sexkaufverbot erlassen hat. Mit Erfolg, wie Justizkanzlerin Anna Skarhed am Mittwoch in Stuttgart berichtet. Sozialministerin Altpeter fordert auch für Deutschland ein Verbot der Prostitution nach schwedischem Vorbild.

http://www.stuttgarter-nachrichten.de/i ... 510dc.html

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Kasharius
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Beitrag von Kasharius »

Wie postete es @Melanie neulich bei anderer Gelegenheit so schön: GÄHHHN!

Kasharius grüßt

Klaus Fricke
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von Klaus Fricke »

Da ich mir nicht sicher bin, ob das

Statement zur aktuellen Diskussion um Sexarbeit
vom AK Reproduktion und dem Feministische Institut Hamburg
Autorin Kathrin Schrader, vom 20.01.2015

bereits verlinkt wurde, hier (vorsichtshalber noch einmal) der Link zu dem interessanten Dokument
http://www.feministisches-institut.de/w ... zuCare.pdf

Zitat:
»Das Bild der "Hure" entspringt der patriarchalen Ideologie. Es ist deshalb notwendig, das Stigma der
Prostitution anzugreifen und endlich anzuerkennen, dass Sexarbeit Arbeit und Care-Arbeit ist.
« (S.2)

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fraences
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von fraences »

Das „Prostituiertenschutzgesetz“ – eine Abrechnung
Publiziert am Oktober 17, 2015

Was kommt auf die Sexarbeiter/innen in Deutschland zu, wenn die CDU/SPD-Bundesregierung ihre Drohung wahrmacht und das für 2016 geplante „Prostituiertenschutzgesetz“ durch den Bundestag bringen sollte? Das ist die Ausgangsfrage der hier vorgelegten Studie von Doña Carmen e.V., die sich ausführlich mit dem am 29. Juli 2015 von der Bundesregierung veröffentlichten Entwurf für ein „Prostituiertenschutzgesetz“ befasst. Hier die Studie

http://www.donacarmen.de/wp-content/upl ... ESETZ1.pdf
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Beitrag von Kasharius »

Ein interessantes und lesenswertes Dokument. Da hier auch sehr juristisch argumentiert wird, hätte ich persönlich mir ein klein wenig mehr Bezugnahme auf die Rechtsprechung - etwa zum BVerwG zum Gewerberecht - gewünscht. Und: Der Gesetzgeber darf unbestimmte Rechtsbegriffe verwenden. Zunächst obliegt der Behörde deren Auslegung. Aber unbestimmte Rechtsbegriffe sind von den Gerichten voll überprüfbar. Das Problem besteht m.E. darin, daß z.B. Betreiber im Rahmen des Genehmigungsverfahrens Verträge und Konzepte vorliegen müssen ohne daß im Gesetz positiv konkret geregelt ist,was enthalten sein muss, um die Genehmigung zu erhalten...

Soweit kurze Anmerkung zu der aber doch disskusionsbelebenden Studie.

Kasharius grüßt

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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von friederike »

Das Papier von Dona Carmen hat jedenfalls deutlich bessere Qualität als die Elaborate unserer Spitzenbeamten im Ministerium Schwesig ....

Das Gesetzesvorhaben ist noch lange nicht auf ernsthaft diskussionsfähigem Stand. Einzelne Länder haben mit Recht auf die Zustimmungsbedürftigkeit durch den Bundesrat hingewiesen, um die sich die Schwesig herumtricksen will. Die verfassungsrechtlichen Bedenken, vor allem gegen die unzureichend definierte und begründete "Anmeldepflicht/Genehmigungsbedürftigkeit" und die "Einsichtsfähigkeitsprüfung", bestehen weiter.

Ohne jetzt tiefer dem nachgegangen zu sein meine ich auch dass eine Genehmigungserfordernis grundsätzlich nicht in einer derart unbestimmten Form definiert werden kann. Das gilt sowohl für die Ausübung der Prostitution als auch für den Betrieb einer "Prostitutionsstätte".

Es wäre auch vom Gesetzgeber zu fordern, gerade in diesem Bereich, wo auch die Schwachen in unserer Gesellschaft betroffen sind, eine klare Rechtslage zu schaffen, anstatt langwierige Verfahren in Gang zu setzen, bis das Richterrecht die Hausaufgaben der Ministerien und Abgeordneten in jahrelanger Arbeit nachgeholt hat.

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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von fraences »

Kritik aus Dortmund
Neues Gesetz könnte illegale Prostitution fördern


Dortmund. Die Kritik an dem neuen Prostituiertenschutzgesetz ist groß. Dortmunder Einrichtungen befürchten, das Gesetz würde illegale Prostitution fördern. Nur das Gesundheitsamt hielt sich bislang mit kritischen Äußerungen zurück. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Der Entwurf von Bundesfrauenministerin Manuela Schwesig (SPD) beinhaltet vor allem mehr Kontrollen und Beschränkungen. Es soll eigentlich dem verbesserten Schutz von Sexarbeitenden dienen. Neu ist etwa, dass sich Prostituierte bei einer "geeigneten Behörde" anmelden und sich verpflichtend beraten lassen müssen, bevor sie in der Prostitution arbeiten. Potenzielle Bordellbetreiber brauchen eine Erlaubnis für die Eröffnung eines Bordells - inklusive Betriebskonzept.

Die Bedingungen für Prostituierte verschlechterten sich schon mit dem Ende des Dortmunder Straßenstrichs vor vier Jahren. Illegalität und erschwerte Kontrollen waren hier die Folge. Die betroffenen Einrichtungen hatten vorab genau davor gewarnt. Nun droht eine weitere Verschlechterung der Situation, darin sind sich die Dortmunder Facheinrichtungen einig.

Sie sagen, bestimmte Neuregelungen verschlechterten den Zugang der Betroffenen zu Angeboten der Gesundheitsvorsorge. So vergrößere die vorgesehene Zwangsberatung und Anmeldepflicht die Hemmschwellen, bei tatsächlichem Bedarf Hilfe in Anspruch zu nehmen. Zwangsprostitution und Menschenhandel würden dadurch nicht eingedämmt. Hinzu käme, dass Sexarbeitende, die sich aus Scham nicht als Prostituierte melden, leicht erpressbar seien. Auch stünde nirgendwo, bei welcher Stelle sich Prostituierte anmelden müssten.

Die vorgesehene Kondompflicht sei wegen fehlender Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten nicht zielführend, so die Kritiker. Effektiver wären Werbeverbote für ungeschützten Geschlechtsverkehr oder Selbstverpflichtungserklärungen von Betreiberinnen.

Elke Rehpöhler, Chefin der Prostituiertenberatungssstelle Kober, schätzt die Zahl der Frauen, die sich vornehmlich weiter in der Nordstadt prostituieren, auf etwa 120. Darunter sind viele Suchtabhängige, Zuwanderinnen und Hartz-IV-Empfängerinnen. Sie arbeiten auf der Straße, in Hinterzimmern von Kneipen und in angemieteten Wohnungen.

Zu den Kritikern gehören neben der Prostituiertenberatungsstelle Kober die Drogenhilfe Pur, Nado - Netzwerk Adaption Dortmund, die Aidshilfe Dortmund mit dem Stricherprojekt Neonlicht und die Drogenberatung Drobs. Ihre Vertreter hatten bereits Ende Juni alle Dortmunder Bundestagsabgeordneten angeschrieben, um auf die ihrer Meinung nach großen Verschlechterungen für Prostituierte im Gesetzentwurf hinzuweisen.

Kritik gibt es außerdem vonseiten Amnesty International, dem Deutschen Frauenrat, dem Juristinnenbund sowie den Gesundheitsämtern der großen Städte. Nur das Dortmunder Gesundheitsamt hält sich bislang mit kritischen Äußerungen zurück. Für eine Stellungnahme war hier am Freitag niemand erreichbar.

Als einziger Bundestagsabgeordneter habe Markus Kurth von den Grünen persönlich reagiert, musste Willehad Rensmann von der Aidshilfe feststellen. Kurth steht voll hinter der Kritik der Dortmunder Hilfseinrichtungen. Kurth sagt: "Letztlich fördert die Große Koalition mit diesem Gesetzesvorhaben, das auf Zwang und nicht auf Freiwilligkeit beruht, die illegale Prostitution." Nach Ansicht der Grünen ist die Reform des Prostitutionsgesetzes, die eigentlich bis Jahresende verabschiedet sein soll, zustimmungspflichtig im Bundesrat.

Roland Helper vom Netzwerk Adaption empfiehlt den Koalitionspartnern in Berlin den Blick nach Skandinavien. Dort seien grundsätzlich die Freier in der juristischen Pflicht. Prostituierte könnten ihre Freier anzeigen, wenn diese ihrer Kondompflicht nicht nachkommen. In Deutschland soll es genau umgekehrt sein.


http://www.derwesten.de/staedte/dortmun ... 33729.html
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von fraences »

Viktimisierung und Willkür

Das sogenannte Prostituiertenschutzgesetz soll noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden. Widerspruch kommt von Verbänden und Sexarbeiterinnnen. Derweil mischt sich auch das Finanzamt politisch ein.

von Kirsten Achtelik


Der neue Gesetzentwurf soll das Prostitutionsgesetz von 2002 erweitern und verbessern, indem der Schutz der in der Prostitution arbeitenden Frauen und Männer erhöht und das Prostitutionsgewerbe transparent und einheitlich reguliert wird. Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes vor 13 Jahren ist Sexarbeit als Beruf anerkannt. Frauen-, Gesundheits- und Wohlfahrtsverbände wie die deutsche AIDS-Hilfe, der deutsche Frauenrat, der deutsche Juristinnenbund und die Diakonie haben sich gegen diesen Gesetzentwurf ausgesprochen, da Prostitution und Menschenhandel nicht ausreichend getrennt würden. Auch das »Bündnis der Fachberatungsstellen für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter« Bufas e.V. geht von einer kontraproduktiven Wirkung des geplanten Gesetzes aus. Die in der Sexarbeit tätigen Personen würden dadurch viktimisiert statt in ihren Rechten gestärkt.

Besonders die geplante Anmeldepflicht stößt auf Ablehnung. Statt der Zwangsprostitution entgegenzuwirken, würde sie die gesellschaftliche Stigmatisierung von Sexarbeitern und Sexarbeiterinnen verstärken, so die Kritik. Maria Wersig vom Deutschen Juristinnenbund sieht durch die geplante Anmeldepflicht die Grundrechte auf Berufsfreiheit und auf informationelle Selbstbestimmung verletzt. Der Datenschutz könne bei einer verpflichtenden Anmeldung unter dem richtigen Namen besonders in kleineren Orten nicht gewährleistet werden. Zudem schließe der anmeldepflichtige Personenkreis auch Personen ein, die »sexuelle Dienstleistungen nur gelegentlich anbieten« und sich nicht selbst als Prostituierte wahrnehmen. Diese Maßnahme betone den Sonderstatus von Sexarbeiterinnen und -arbeitern gegenüber anderen Gewerben und verweise auf den »primär polizeirechtlichen Charakter der Regelung«, sagte Wersig auf einer Pressekonferenz am 21. September in Berlin.

Die im Gesetz vorgesehene verbesserte Beratung und Information ist an die Anmeldung gekoppelt. Vorgeblich soll dieser Behördenkontakt ermöglichen, auf Menschenhandel und erzwungene Prostitution aufmerksam zu machen. Die Fachverbände halten dies jedoch für keine sinnvolle Regelung und bestehen stattdessen auf einer klaren Trennung von behördlichen Vorgängen und Beratung in möglichst niedrigschwellig zu ­erreichenden, spezialisierten Beratungsstellen. In welcher Behörde die kombinierten Anmelde- und Beratungsstellen angesiedelt werden sollen, ist noch vollkommen offen. Dort soll auch die »notwendige Einsichtsfähigkeit« von Sexarbeiterinnen beurteilt werden um zu entscheiden, ob diese »freiwillig« der Sexarbeit nachgehen wollen oder nicht. Dieses Vorgehen orientiert sich an dem Bild der Prostituierten als Opfer, die im Zweifel auch vor sich selbst geschützt werden müssen (Jungle World 30/2015). Auch eine »Kondompflicht« ist vorgesehen, die schon zu manchen Witzen über die neuen Aufgaben der Polizei und des Ordnungsamtes Anlass gab. Alle Praktikerinnen gehen davon aus, dass nicht Sexarbeit an sich, sondern die prekären Bedingungen, unter denen sie ausgeübt wird, Einfluss auf den Erwerb sexuell übertragbarer Krankheiten haben.

Dem Frankfurter »Verein für die sozialen und politischen Rechte von Prostituierten« Doña Carmen ist unterdessen im September 2015 rückwirkend bis 2011 vom Finanzamt Frankfurt die Gemeinnützigkeit aberkannt worden. Dem Verein wird vorgeworfen, dass er »politische Ziele« verfolge, »indem er sich für die politischen Anliegen der Prostituierten« einsetze, sowie dass er »laufend« Stellungnahmen und Pressemitteilungen veröffentlichen und sich dabei »nicht neutral« mit den politischen Themen auseinandersetzen würde. Diese politischen Aktivitäten bildeten den »Mittelpunkt der Tätigkeit« des Vereins, entsprächen aber nicht den »steuerbegünstigten Zwecken«, nämlich der »Förderung der Gesundheitspflege bzw. der Förderung der Bildung«. Doña Carmen bezeichnete dies als »politisch motivierte Willkür« und vermutet einen Zusammenhang mit der geplanten Erweiterung des Prostitutionsgesetzes. Gemeinnützigkeit werde in reaktionärer Weise als politischer Kampfbegriff instrumentalisiert. Es sei »dreist«,ein Gesetzesvorhaben auf den Weg zu bringen, das »mit der geplanten Registrierungspflicht« für Sexarbeiter und Sexarbeiterinnen an Maßnahmen anknüpfe, »die es zuletzt unter den Nazis gab«, und gleichzeitig von Beratungsstellen »politische ›Neutralität‹ zu fordern«.

Es ist nicht das erste Mal, dass das Finanzamt Frankfurt einen gewissen Übereifer an den Tag legt: Bei der Prüfung der Steuerjahre 2010 bis 2012 hatte es bereits im April 2014 der NGO Attac die Gemeinnützigkeit aberkannt. In diesem Fall vermochte es besonders im Einsatz für eine Regulierung der Finanzmärkte keinen gemeinn­ützigen Zweck zu entdecken. »Politische Zwecke (Beeinflussung der politischen Meinungsbildung)« zählen nämlich laut Anwendungserlass zur Abgabenordnung, in dem die Regeln für gemeinnützige Vereine definiert sind, »grundsätzlich nicht zu den gemeinnützigen Zwecken«. Attac hat gegen diesen Bescheid Einspruch eingelegt, über den noch nicht entschieden ist. Die Aberkennung der Gemeinnützigkeit kann verheerende finanzielle Folgen haben: Nur an gemeinnützige Organisationen getätigte Spenden können von der Steuer abgesetzt werden. Außerdem sind gemeinnützige Vereine selbst steuerbefreit. Die Aberkennung bedeutet also weniger Einnahmen und höhere Ausgaben – und das oft für mehrere bereits vergangene Jahre.

Eine anlässlich dieser und weiterer Aberkennungen der Gemeinnützigkeit gegründete Allianz »Rechtssicherheit für politische Willensbildung« besteht mittlerweile aus rund 40 Vereinen und Stiftungen, darunter Amnesty International, das Gen-ethische Netzwerk, die Bewegungsstiftung, Attac und Terre des Femmes. Die Allianz fordert, zusätzliche Zwecke in die Liste der Abgabenordnung aufzunehmen sowie eine Klarstellung im Gesetz, dass gemeinnützige Organisationen selbstverständlich auch politisch aktiv sein können, um ihre gemeinnützigen Zwecke zu erreichen. Stefan Diefenbach-Trommer, Koordinator der Allianz, kritisierte auch den jüngsten Bescheid an Doña Carmen deutlich: »Das Finanzamt Frankfurt legt das Gemeinnützigkeitsrecht offenbar besonders scharf aus und scheut dabei keine Kehrtwende der eigenen Praxis. Die Arbeit von Doña Carmen wurde jahrelang als gemeinnützig anerkannt, ohne dass der Verein seine Tätigkeit geändert hätte.« Er forderte explizit, das »Engagement für soziale Rechte« müsse »ebenso gemeinnützig sein wie das Engagement zur Förderung des öffentlichen Gesundheitswesen« und: »Kritische Vereine dürfen nicht ausgebremst werden.«

Zurzeit laufen noch die Abstimmungen zwischen Bund und Ländern. Wann das Prostitutionsschutzgesetz ins Parlament eingebracht wird, ist noch unklar. Am 1. Oktober fand in Berlin eine Demonstration gegen den Entwurf statt. Dem Frauenministerium wurden mehr als 1 000 Unterschriften von Sexarbeiterinnen gegen die Registrierungspflicht und das geplante Gesetz übergeben.

http://jungle-world.com/artikel/2015/43/52858.html
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Eddy
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von Eddy »

Ist der Bund überhaupt berechtigt, das PSG zu erlassen ???


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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von friederike »

Danke für diesen Link!

Eine sehr gute und interessante Ausarbeitung, die zeigt, wie schludrig und löchrig der Referentenentwurf dasteht. Der Kommentar verhält sich allerdings nur ziemlich kurz zu dem Kriterium "Rechtseinheit", wo der Verfasser meint, das gegenwärtige Fehlen von Länderregelungen stelle bereits die Rechtseinheit dar, auf die der Gesetzgeber hinzuwirken hätte. Immerhin gibt es die bayerische Kondompflicht! Deshalb glaube ich nicht, dass das ProstSchG einen "sudden death" an der Kompetenzfrage stirbt.

Es wäre auch zu fragen, ob eine Zersplitterung der Landschaft durch unterschiedliche Ländergesetze wirklich wünschenswert wäre.

Aber mit Genuss zu lesen ist die Aufdeckung des Selbstwiderspruchs im Referentenentwurf: die Bundeskompetenz wird dort durch die "Wahrung der Wirtschaftseinheit", ergo die "Beseitigung von Schranken und Hindernissen für den Wirtschaftsverkehr im Bundesgebiet" begründet, während das Gesetz solche Schranken ja nun gerade erst aufrichten will. Außerdem hat der Bundesgesetzgeber die Gesamtwirtschaft im Auge zu haben - aber der Referentenentwurf gibt selbst an, dass die gesamtwirtschaftliche Bedeutung des ProstSchG gering ist.

Nicht zuletzt interessant und wichtig ist der Hinweis, dass die Kompetenzfrage nicht nur der abstrakten Normenkontrolle unterliegt, sondern von jedem/jeder Betroffenen angegriffen werden kann.

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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von fraences »

Wieder Ärger im Sperrbezirk

Beim käuflichen Sex gehen die Weltanschauungen weit auseinander, es gibt neuen Ärger wegen des Entwurfs zum Prostitutionsgesetz.


Erst im Juli hatte sich die Große Koalition auf ein Gesetz zum besseren Schutz von Prostituierten geeinigt, nun werden schon wieder kritische Stimmen laut.
Das Gesetz sieht vor, dass Prostituierte sich an jedem Ort, an dem sie arbeiten, anmelden müssen. Das führt zu Problemen beim Datenschutz und bedeutet eine erhebliche Belastung für die Kommunen.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Das Ziel klingt ehrenwert, aber auf dem Weg dorthin türmen sich immer neue Hürden auf. Die Bundesregierung will Prostituierte besser schützen. Sie plant ein Gesetz, wonach Bordellbetreiber ihr Gewerbe anmelden müssen und Freier zur Verwendung von Kondomen verpflichtet werden. Prostituierten sollen Gesundheitsberatungen vorgeschrieben werden und eine Anmeldepflicht für jeden Ort, an dem sie arbeiten.

Die Verhandlungen zwischen Union und SPD waren außerordentlich mühsam, beim käuflichen Sex gehen die Weltanschauungen weit auseinander. Seit Juli liegt nun ein Gesetzentwurf vor, doch schon kündigt sich neuer Ärger an.
Felicitas Schirow will aufklären
Bordellbetreiberin
"In der Illegalität sind Frauen schutzlos"

Die Berliner Aktivistin Felicitas Schirow kritisiert das geplante Gesetz.
Das neue Gesetz sieht ein engmaschiges Kontrollnetz vor

"Die motzen", sagt der CDU-Abgeordnete Marcus Weinberg und meint die Stellungnahmen von Bundesländern und Verbänden zum geplanten Gesetz.

"Ich finde, da müssen wir noch einmal drüber reden", sagt Carola Reimann, Sozialpolitikerin der SPD. Sie meint Kontrollpflichten, die den Kommunen aus dem Prostituiertenschutzgesetz entstehen.

"Da können einem schon ein paar graue Haare wachsen", sagt der Familienpolitiker Paul Lehrieder von der CSU. Denn das Gesetz könnte sich weiter verzögern.

Um zu verstehen, worum es da geht, muss man wissen, dass das geplante Prostituiertenschutzgesetz ein engmaschiges Kontrollnetz vorsieht. Damit Helfer und Behörden freiwillige Prostitution besser von Menschenhandel trennen können, haben Prostituierte sich vor Aufnahme ihrer Arbeit "bei der zuständigen Behörde persönlich anzumelden", so der Gesetzentwurf. Reisen sie per Wohnmobil durchs Land, ist für jeden Ort eine Anmeldung "bei der jeweils zuständigen Behörde" nötig.
Frau an der Autobahn
Gesetzentwurf zu Prostitution
Geschenk an Großbordelle

Mit ihrem Gesetzentwurf will die Regierung Prostituierte schützen. Doch das Übermaß an Bürokratie wird die Arbeitsbedingungen sogar noch verschlechtern. Gastbeitrag

Fürs echte Leben heißt das, dass Kommunen für jede Prostituierte, die mal in die Stadt kommt, eine Anmeldung bearbeiten müssen, wenn sie keine hat. Gibt es "tatsächliche Anhaltspunkte", dass sie unter Zwang steht oder "nicht über die zum eigenen Schutz erforderliche Einsicht verfügt", ist die Anmeldung zu verweigern.
Prostituierte sollen Alias-Ausweise bekommen

Prostituierte sollen Alias-Ausweise unter falschem Namen bekommen, der Klarname wird beim Amt hinterlegt. Gesundheitsbehörden sollen bei Beratungsgesprächen auch Hinweise auf Zwangslagen aufspüren. In diesem Fall können "mit Zustimmung" der Prostituierten andere Behörden oder die Polizei eingeschaltet werden.

Auch bei Familienpolitikern der Union gibt es inzwischen Überlegungen, den Anmeldungswust etwas zu lichten, um die Kommunen zu entlasten. Im Bundesinnenministerium aber will man davon nichts wissen. In einer Stellungnahme vom Oktober, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt, heißt es, Prostituierte müssten "eine Anmeldung in jedem einzelnen örtlichen Zuständigkeitsbereich" persönlich vornehmen.

Die Alias-Bescheinigungen, die ihnen Anonymität ermöglichen, fordert das Ministerium "gänzlich zu streichen". Auch dass Prostituierte zustimmen müssen, bevor Informationen aus der Gesundheitsberatung weitergegeben werden, gehöre "gestrichen". Der Datenfluss zwischen Behörden sei generell zu erleichtern.

Nordrhein-Westfalen meldet verfassungsrechtliche Bedenken an

Feedback

In den Ländern sieht man das ganz anders. Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Thüringen melden Einwände an. "Wir haben erhebliche Bedenken", sagt der Datenschutzbeauftragte von Thüringen, Lutz Hasse.

Die Masse erfasster Daten von Prostituierten, die auch das Sexualleben beträfen, sei zu groß. Zudem erlaube der Entwurf ihre Weitergabe zur Abwehr einer "gegenwärtigen Gefahr". Die Europäische Datenschutzbehörde aber gestatte dies nur bei "erheblicher Gefahr", also wenn bedeutende Rechtsgüter wie körperliche Unversehrtheit bedroht seien.


Nackte Titelmädels und pädagogische Kissen: Wie hat sich die kollektive Scham der Deutschen gewandelt? Eine kluge Ausstellung in Bonn gibt Antworten - die auch mal ganz schön wehtun. Ausstellungskritik

Nordrhein-Westfalen meldet auch Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes an: Die Anmeldepflicht für Prostituierte verletze die Berufsfreiheit. Und weil der Bund den Ländern mit der Gesundheitsberatung eine geldwerte Dienstleistung aufbürdet, gehen Hamburg und Nordrhein-Westfallen davon aus, dass das Gesetz im Bundesrat zustimmungspflichtig ist. Die Koalition sieht das anders.
Wegen der Flüchtlingskrise sind die Kommunen eh schon stark belastet

Die Flüchtlingslage in den Ländern verschärft die Lage weiter. "In Kommunen höre ich überall die Bitte, die Auflagen des Gesetzes für die Registrierung zu verschlanken", sagt die SPD-Abgeordnete Carola Reimann. "In meinem Wahlkreis ist Mann und Maus mit der Gesundheitsberatung für Flüchtlinge befasst."

In der Union sorgen solche Töne für Verärgerung. Der SPD gefalle das Gesetz nicht, nun nutze sie die Flüchtlingskrise, um das ungeliebte Paket wieder aufzuschnüren. "Ich verstehe die Nöte der Kommunen, wir haben das auf dem Schirm", sagt der CDU-Politiker Marcus Weinberg. "Aber ich finde es hochproblematisch, wenn wegen der Flüchtlinge nun Prostituierte weniger Schutz bekommen."


Zur Realität Marokkos gehört die Prostitution, doch im Film darf sie nicht gezeigt werden. Rabat hat für das Werk "Much Loved" von Nabil Ayouch ein Aufführungsverbot in den heimischen Kinos ausgesprochen. Seit der Film in Cannes kürzlich seine Premiere feierte, wird in Marokko über ihn diskutiert.

Inhaltlich werde es "kein Abweichen" vom ausgehandelten Kompromiss geben. Auch der CSU-Familienpolitiker Paul Lehrieder will keinesfalls wieder zurück auf Null. Denkbar sei aber, dass das Gesetz erst "ein paar Monate oder ein halbes Jahr" nach der Verabschiedung in Kraft trete, damit die Kommunen mehr Zeit bekämen. "Wir werden die Fristen noch einmal überprüfen." Zufriedenheit hört sich anders an.



http://www.sueddeutsche.de/politik/pros ... -1.2724551
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von friederike »

Guter Bericht über ein völlig verkorkstes Gesetzgebungsvorhaben!

Inzwischen überrollt die Flüchtlingswelle alles, anscheinend wird das ProstSchG in den Ausschüssen gar nicht mehr beraten. Es wäre interessant zu wissen wie sich die Bundesregierung die Auswirkungen des Flüchtlingszustroms auf die Rotlichtszene vorstellt: eine Millionen junge Männer zusätzlich im Land, ein paar weitere junge Frauen die Geld verdienen wollen ....

Dieser zitierte Abgeordnete Marcus Weinberg (CDU) ist natürlich Lehrer, Ende 40, offenkundig ziemlich bornierter Typ ...

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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von fraences »

Freiwild für Freier?
Von Melanie Reinsch


Die Haltung der Großen Koalition zur Prostitution stößt auf heftigen Widerstand. Prostituierte fühlen sich gegängelt, einige Politiker fordern ein Verbot von käuflichem Sex.


Laut Schätzungen der Berliner Prostituiertenberatungsstelle Hydra arbeiten rund 400 000 Frauen in Deutschland in als Sexarbeiterinnen. Eine Novelle zum Prostitutionsgesetz soll ihnen mehr Schutz und Absicherung bringen. Monatelang wurde um diesen Referentenentwurf gerungen, bevor sich die Koalitionspartner mit Bundesfrauenministerin Manuela Schwesig (SPD) im Sommer endlich einigen konnten. Der Entwurf wird heftig kritisiert: Frauenrechtsorganisationen und viele Politiker fordern ein generelles Sexkaufverbot.

Der Entwurf sieht vor, dass sich Prostituierte künftig bei einer Behörde anmelden müssen. Wer keine Anmeldung vorweisen kann, zahlt Bußgeld. Die Frauen sind verpflichtet, sich einer ärztlichen Gesundheitsberatung zu unterziehen, um überhaupt in der Prostitution arbeiten zu dürfen. Unter 20-Jährige sollen sich jährlich neu anmelden, über 20-Jährige alle zwei Jahre. Bordelle benötigen nach diesem Entwurf eine Erlaubnispflicht. Menschenverachtende Flatrate-Bordelle würden so keine Genehmigung mehr bekommen. Außerdem soll eine Kondompflicht für Freier eingeführt werden.
Die Freier sind – im Gegensatz zu den Prostituierten – vom Gesetz kaum betroffen. Foto: REUTERS

„Das ist der einzige Punkt in dem neuen Entwurf, bei dem die Sexkäufer in die Pflicht genommen werden und nicht die Frauen“, kritisiert Gerhard Schönborn vom Café Neustart in Berlin. Der Verein kümmert sich auf dem Straßenstrich an der Kurfürstenstraße um Prostituierte. Aus der Praxis als Streetworker weiß er, dass danach auf der Straße immer wieder gefragt werde. Die Kontrolle sei jedoch schwierig. „Das eigentliche Elend der Prostitution wird sich durch das Gesetz nicht eindämmen lassen“, sagt er. Solange Sexkauf gesellschaftlich anerkannt sei, werde sich auch das Angebot nicht verringern. Trotzdem sei der Entwurf besser als der jetzige Zustand.

Der jetzige Zustand, das ist das Gesetz von 2002. Ziel sollte es sein, die rechtliche und soziale Situation von Prostituierten zu verbessern und das kriminelle Umfeld wirksamer zu bekämpfen. So wurde Prostitution nicht mehr als sittenwidrig eingestuft, Verträge zwischen Kunden und Sexarbeitern bekamen Rechtskraft und die Prostituierten erhielten Zugang zu Sozialversicherungen.

Gleichzeitig wurden einige Paragraphen des Strafgesetzbuches abgeschafft, welche die Selbstorganisation von Prostituierten bestraften. Im Jahr 2007 stellte die Bundesregierung jedoch fest, dass sich die Situation für Prostituierte kaum verbessert hatte. 2013 wurde daher im Koalitionsvertrag vereinbart, das Prostitutionsgesetz zu überarbeiten und Kontrollmöglichkeiten zu verbessern.

„Das Gesetz ist ein toller Schritt, aber schade, dass wir nicht weiter springen“, sagt Frank Heinrich, CDU-Bundestagsmitglied und Vorsitzender vom Bündnis „Gemeinsam gegen Menschenhandel“. „Ich bin dafür, Prostitution erst ab 21 Jahren zu erlauben. Im Jugendstrafrecht haben wir diese Altersgrenze ja auch“, sagt Heinrich. Die CDU konnte sich mit diesem Vorschlag jedoch nicht durchsetzen.
Prostitution in Frankfurt

Hamburg hat seine Reeperbahn, Berlin die sündigen 20er Jahre, in München besang man seinerzeit Rosi und den Sperrbezirk. Aber Frankfurt ist ein einziges großes Bordell... oder zumindest mal die "Hauptstadt des Verbrechens" in den Hinterköpfen Deutschlands, vor allem den ortsfremden.


Heinrich plädiert für eine Kriminalisierung der Sexkäufer: „Jeder denkt, es ist alles erlaubt, das muss zurückgedreht werden. Schweden ist uns da weit voraus.“

Dort werden Freier seit 1999 bestraft. Sie müssen mit Geldstrafen rechnen und können sogar hinter Gitter kommen. Ein Modell auch für Deutschland?

Ja, findet Irma Bergknecht von Terre des Femmes (TDF), eine Menschenrechtsorganisation, die sich für Frauen einsetzt. „Die Auswirkungen des schwedischen Modells sind zwar widersprüchlich, aber Schweden macht mit dem Modell klar, dass es seine Frauen nicht verkauft. Es wird mit diesem neuen Gesetz kein Kulturwandel eintreten, dass die patriarchalische Beziehung zwischen Frau und Mann auflöst.“ Das Gesetz sei zwar eine Verbesserung für Prostituierte, auch weil Werbung für schutzlosen Sex verboten werde, aber “ wir sind grundsätzlich gegen das Kaufen von Frauen“, sagt Bergknecht.
Kritik aus der Opposition

Kritik kommt auch aus der Opposition: „Zwangsuntersuchungen, eine Kondompflicht, die Prostituierte kriminalisiert, oder eine Meldepflicht sind nicht sinnvoll, um Prostituierte zu schützen. Sie bergen die Gefahr, Prostituierte in die Illegalität zu drängen und sind zudem in der Praxis kaum umsetzbar“, erklärt Ulle Schauws, frauenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion. Cornelia Möhring, frauenpolitische Sprecherin und stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken, glaubt, dass der neue Entwurf „Tausende von Frauen in große Not“ bringe, da sich die, die sich nicht outen können, zwangsläufig in der Kriminalität landen würden.

Der Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen (BesD) sperrt sich ebenfalls gegen das Gesetz. „Uns ein Bündel von diskriminierenden Zwangsmaßnahmen als Schutz verkaufen zu wollen, ist wirklich zynisch“, so Undine de Rivière, Sprecherin des Berufsverbandes. „Eine Registrierung bei der Polizei wäre für viele von uns eine Katastrophe und käme einem Zwangsouting gleich.“ Anfang Oktober protestierten in Berlin vor dem Familienministerium rund 50 Prostituierte gegen diese Anmeldepflicht.


„Voraussichtlich kann der Entwurf im ersten Halbjahr 2016 im Bundestag beraten werden“, sagte ein Sprecher des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. In Kraft treten würde es sechs Monate nach Verkündung im Bundesgesetzblatt. In welcher Form das sein wird, ist angesichts der vielen Gegenstimmen längst nicht sicher.

http://www.fr-online.de/politik/prostit ... 62630.html
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Nymphe
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von Nymphe »

Auch sehr schön: Das im FR-Artikel unten verlinkte Interview mit Leni Breymaier wird eingeleitet mit "Der baden-württembergischen SPD-Vize Leni Breymaier geht der Entwurf des Prostitutionsverbots nicht weit genug. Sie fordert ein Verbot."

http://www.fr-online.de/politik/intervi ... 62712.html

Das ist mal ein origineller Freud'scher. Seufz.
It is no measure of health to be well adjusted to a profoundly sick society.

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fraences
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von fraences »

»Das unterstellt, ich wäre zu blöd zu wissen, was ich tue«
Auf den Frankfurter Prostitutionstagen wird der Gesetzentwurf zum »Schutz« von Huren diskutiert. Ein Gespräch mit »Wildkatze
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Interview: Interview: Gitta Düperthal
k

Unsere Interviewpartnerin ist Sexarbeiterin in Freiburg

www.donacarmen.de

Im Mittelpunkt der vierten Frankfurter »Prostitu­tionstage« am kommenden Wochenende steht der Entwurf der Bundesregierung zum sogenannten Prostituiertenschutzgesetz. Sie werden dort einen Vortrag aus Sicht einer Sexarbeiterin halten. Wie wird das für 2016 geplante Gesetz Ihren Berufsalltag verändern?

Ich mache das nebenberuflich und reise dafür viel. Beispielsweise rufen mich Geschäftsleute an, ob ich einen Hotelbesuch im Umkreis von Freiburg machen kann. Wenn das Gesetz verabschiedet ist, werde ich solche Termine nicht mehr wahrnehmen können. Denn ich müsste mich am jeweiligen Ort zuvor anmelden und meine Tätigkeit genehmigen lassen. Laut Gesetz soll es eine drei- bis fünftätige Bearbeitungszeit des Amtes an Werktagen geben. Aber oft rufen Freier an und fragen, ob ich in einer halben Stunde Zeit habe. Ich muss also ab nächstem Jahr mit erheblichen Einbußen rechnen, wenn ich mich an die Auflagen halte.

Welche weiteren Probleme sehen Sie mit dem Gesetz auf sich zukommen?

Ich arbeite häufig in »Terminwohnungen«. Im Gegensatz zu Laufhäusern, wo Männer einfach durchgehen, mieten wir Frauen sie, um zu verabredeten Zeiten dort unserem Beruf nachzugehen. Vermieter der Wohnungen müssen sich künftig Zuverlässigkeitsprüfungen unterziehen, bauliche Auflagen einhalten – und bestimmte Zeiten, zu denen wir unserem Beruf nachgehen, was in dem Gewerbe gar nicht funktioniert. Einige unserer Kunden wollen nach der Nachtschicht kommen, andere vor der Frühschicht. Feste Zeiten vorzugeben ist absurd. Bislang ist es üblich, dass ich in der Wohnung übernachte, wenn ich dort etwa eine Woche lang arbeite. Das soll künftig nicht mehr möglich sein. Für eine Wohnung zahle ich im Schnitt zwischen 50 und 120 Euro Miete pro Tag; dann soll ich zusätzlich ein Hotelzimmer mieten, werde also Kosten von etwa 200 Euro pro Tag haben. Es ist aber so: Mal klingelt das Telefon alle fünf Minuten, mal geht gar nichts. Die Folge: Ich muss dann Kunden annehmen, die ich normalerweise ablehnen könnte, bloß um kein Minus zu machen. Außerdem muss ich künftig ständig zwischen Hotel und Arbeit hin- und herfahren.

Sexarbeiterinnen beschweren sich auch über die beabsichtigte Zwangsregistrierung.

Dass Daten nicht sicher sind, weiß jedes Kind. Wo ist dann überall gespeichert, dass ich diesem Gewerbe nachgehe? Nach dem neuen Gesetz muss ich ein Nachweisdokument mitführen, das wir »Hurenpass« nennen. Nun stellen Sie sich mal vor, ich bin in meinem Hauptberuf unterwegs und er fällt mir aus der Handtasche. Schon weiß der Kollege über mich Bescheid. Auch dem Freier soll ich diesen zeigen. Meine Anonymität ist nicht mehr gewährleistet, ich werde sogar erpressbar.

Wie beurteilen Sie all das?

Es ist eine Unverschämtheit, wenn Politiker darüber entscheiden, die entweder gar keine Ahnung haben oder aber genau wissen, was sie tun und den Berufsstand gezielt kaputtmachen wollen. All das geschieht herablassend: Zwangsgesundheitsberatung und Ernährungsberatung soll ich über mich ergehen und mich über Drogenmissbrauch und Verhütung aufklären lassen. Sie wollen ein Gespräch führen, um meine Einsichtsfähigkeit zu prüfen. Das unterstellt, ich wäre zu blöd zu wissen, was ich tue – vom Generalverdacht, Drogen zu nehmen, ganz zu schweigen! Was soll das? Wenn ich derzeit durch die Laufhäuser in Freiburg gehe, um Frauen über das geplante Gesetz zu informieren, fällt auf: Viele wissen nichts von der Möglichkeit, sich freiwillig vom Gesundheitsamt beraten zu lassen. Bessere Informationspolitik wäre also wünschenswert, aber Zwang ist überflüssig.

Was erwarten Sie von der Tagung?

Vor allem spannende Vorträge und Debatten, sachkundige Informationen über den Gesetzentwurf. Unter anderem wird Christine Nagl, Mitarbeiterin der »PIA Beratungsstelle« für Sexarbeiterinnen aus Salzburg in Österreich über Erfahrungen im Kampf für unsere Rechte berichten. Und Wolfgang Ayaß von der Universität Kassel wird zum Thema »›Asoziale‹ und ›Gemeinschaftsfremde‹ – zum Umgang mit Prostitution im Nationalsozialismus« sprechen.

https://www.jungewelt.de/2015/11-10/035.php
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Arum
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Re: RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von Arum »

          Bild
Nymphe hat geschrieben:
http://www.fr-online.de/politik/intervi ... 62712.html

Das ist mal ein origineller Freud'scher. Seufz.
Wenigstens eins ist originell an diesem Interview, nämlich wo es heisst "Angebot schafft Nachfrage." Die meisten Radfems sehen das genau umgekehrt. Aber weiterhin natürlich wieder die herkömmlichen Lügen und perversen Fantasien in breiter Fülle. Na ja, wenigstens doch diesmal eine 18-jährige Weissrussin, statt einer 16-jährigen Ukrainerin: Das ist doch mal wieder ein Fortschritt, wenn es um als Philantropie getarnte sozialdemokratische Fremdenfeindlichkeit geht.
Guten Abend, schöne Unbekannte!

Joachim Ringelnatz