ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beiträge betreffend SW im Hinblick auf Gesellschaft bzw. politische Reaktionen
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fraences
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Beitrag von fraences »

Prostitutionsgesetz diskriminiert Sexarbeiterinnen
NDR Info - 03.02.2016 14:20 Uhr Autor/in: Caren Busche

Das Prostitutionsgesetz, das Sexarbeiterinnen schützen soll, treibt sie in die Illegalität. Das sagt Undine de Riviere vom Berufsverband für erotische und sexuelle Dienstleistungen.


http://www.ndr.de/info/Prostitutionsges ... 71640.html
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lust4fun
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von lust4fun »

Nachbemerkung:

Der taz-Kommentar von Simone Schmollack ist etwas merkwürdig. Sie sieht das Gesetzesvorhaben im Grundsätzlichen sehr kritisch, doch dann kommen Sätze wie:
"Trotzdem ist das Ergebnis besser als nichts."
"Aber glücklicherweise nicht vollständig."

Nach dem fünften Durchlesen meine ich sie zu verstehen. Es ist die gleiche Realpolitik, die ich in meinem Beitrag oben #1352 versucht habe.

Egal wie scheiße das Gesetz jetzt aussieht, der Prozess ist weitgehend an sein Ende gekommen. Ein Kompromiss. Die Politiker haben vieles nicht gehört, nicht gelesen, nicht verstanden, aber die Grundlinien der Haltungen sind schon deutlich geworden. Diese globalen Überzeugungen werden sich jetzt nicht mehr ändern. Selbst eine SPD, die die Sache verstehen und Haltung bewahren würde, könnte die CDU nicht überzeugen. Sie könnte dann auch nur die Koalition beenden. (Und das wegen dem Thema Prostitution?) Keine Ahnung, womit sie sich ihr Einknicken hier erkauft.

Ich glaube nicht, dass der Bundesrat den Hebel noch umwirft. Weder aus weltanschaulichen Gründen, noch aus kommunalpolitischen Interessen.

Also werden die hohen Gerichte den Murks ein Stück weit reparieren, ohne dass dabei eine sinnvolle politische Perspektive entstehen könnte. Das ist ja nicht deren Aufgabe.

Und bis dahin gibt es vielleicht noch ein paar minimale Fenster für Umformulierungen. Vielleicht - wenn sich jemand derart taktisch einbringt. Das "Wohnungsverbot" habe ich genannt. Oder die eine oder andere Zahlenangabe wie die Zahl der Tätigen in einer Wohnung etc. Das ist alles Spielwiese, solange die faktische Mehrheit sich sicher fühlen kann ein Gesetz zu machen, das kontrolliert, überwacht, eindämmt und die Moral hütet.

Dona Carmen, BesD, Undine de Riviere etc. haben recht. Natürlich muss das weiterhin laut gesagt werden. Aber das aktuelle Verfahren wird nicht mehr beeinflusst werden durch Debatten über "Stigmatisierung", "Diskriminierung", "kontraproduktive Auswirkungen mit Abtauchen in die Illegalität" oder "freiberuflich-gewerberechtliche Regelungen". Wer das wissen wollte, hat es inzwischen hinreichend verstanden. Wer nicht, stellt sich taub.

Gibt es also irgendwo diese taktischen Untergrund-Füchse jenseits des öffentlichen Schlachtfelds, die es schaffen noch etwas mehr herauszuschlagen - in dem Sinne, wie es Simone Schmollack honoriert?

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Arum
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Beitrag von Arum »

Mich würde nicht wundern, wenn dieses Ergebnis mit der ganzen Flüchtlingsproblematik und den diesbezüglichen Koalitionsstreitereien zusammenhängt. Meiner Meinung nach, hat sich die SPD hier gefügig gezeigt um die Union nicht weiter zu nerven, die Koalition damit auf noch glatteres Eis zu bringen. Die Prostitution ist sozusagen das Bauernopfer der Flüchtlingskrise. Umso mehr auch, weil die Union sich mit dem Moralschutzgesetz (grossartig, diese taz-Bezeichnung, auch wenn der Artikel selber schon daneben geht) auch brüsten kann, Ausländerinnen auf gesetzlicher Grundlage rauswerfen zo können, sogar zu deren eigenem Besten! Ausländer rausschmeissen und gleichzeitig Retter derer zu sein! Es ist ja so etwas Schönes ein Christ zu sein!! Und solange die SPD in den Umfragen nachhinken bleibt, hat die Partei ohnehin kein Interesse daran, die Koalition aufs Spiel zu setzen. Was sollen die sich in solcher Lage um diese Nutten kümmern? So zynisch scheint mir das Ganze.
Guten Abend, schöne Unbekannte!

Joachim Ringelnatz

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malin
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Beitrag von malin »

Ja klar, vielleicht lässt sich noch das eine oder andere verändern, abmildern, rundschleifen...aber eigentlich ist's eh rum ums Eck - durch die Datenübermittlung und Registrierung als "Prostituierte" ist wohl jeder und jede der/die auch nur einen Hauch weit in Erwägung zieht je etwas anderes zu arbeiten raus aus dem Spiel - that's it.
liebe grüsse malin

eventuell fehlende buchstaben sind durch meine klemmende tastatur bedingt :-)

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fraences
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Beitrag von fraences »

@Malin
das ist ja deren Ziel. Es sollen möglich Viele von uns davon abgestreckt werden in der Sexarbeit zu arbeiten. Prostittuion soll wieder geächtet werden.

Die Sanktionen werden das weitere tun.
Und der Rest der weiterarbeitet wird gegängelt, kontrolliert, gemaßregelt und "gebrandmarkt".


Ziel erreicht....
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Hamster
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Beitrag von Hamster »

Verehrte Politiker, die meinen, sich an der Basis der Prostitution auszukennen:
Hoert auf, uns Prostituierte wie unmuendige Kleinkinder zu behandeln, als ob wir nicht wuessten, was wir tun!
Angebot und Nachfrage ist schlichtweg einfach da.
Wir Prostituierte tun einen netten Gefallen dem Kunden gegenueber. Die Kunden reichen wegen kleiner, geheimer, diskreter Abwechslung auf Zeit nicht gleich die "Scheidung von Ehefrauen" ein, koennen beim "Hoehepunkt" psychisch und physisch "Dampf ablassen", werden in der Arbeitswelt so produktiver (grins) und kommen nicht auf dumme Gedanken wie z.B. Vergewaltigung an einer Nicht-Prostituierten usw. Wir Prostituierte bekommen Geld dafuer, werden also entschaedigt und bezahlen S T E U E R N.
Daran ist noch niemand gestorben. Gestorben wird mehr in Krankenhaeusern wegen resistenter Keime bei unsachgemaessiger Hygiene. Ich behaupte mal gewagt, dass Prostituierte bei sich selber hygienischer und sauberer sind als die Aerzte mit unmittelbarem Kundenkontakt, auch die "Aufenthaltsraeume" sind schon sauberer als in Krankenhaeusern und/oder Restaurants.
Politiker, lasst uns Prostituierte einfach in Ruhe, hebelt unsere Rechte nicht aus und schon gar nicht die bestehenden Gesetze bei Unversertheit der Wohnung (Polizeidurchsuchung), Datenschutz, Menschengleichheit (kein Mensch darf stigmatisiert werden), Freiheit in der Berufsauswahl, keine Zwangsuntersuchungen wie beim Vieh, keine Zwangsregistrierungen etc.

Mag sein, dass mein Beitrag jetzt vielleicht bloed ist ...

Klaus Fricke
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von Klaus Fricke »

Was tun?
( Titel einer Schrift von W.I. Lenin, siehe https://www.marxists.org/deutsch/archiv ... 02/wastun/ Für uns eher wenig hilfreich, wenn ich es recht erinnere. )

Ich befürchte, dass wir auch die kleinen Stellschrauben nicht mehr werden bewegen können. Auf informeller Ebene sind unendlich viele Gespräche mit "Entscheidungstragenden" geführt worden.

Ein Resultat der Bemühungen der Pro-SW-Lobby zur Einflussnahme auf den Diskurs ist, dass sich selbst bei der Linken eine abolitionistische Fraktion formiert hat. In der Hamburger Linken wird, so scheint es, wenn man die jourfixe Veranstaltung vom 03.02.2016 ( http://www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=13230 ) als Beispiel nimmt, einen Diskurs zu geben, der von abolitionistischer Seite auf der elaborierten Linie der Autorin Anita Kienesberger ( Fucking poor - Was hat Sexarbeit mit Arbeit zu tun? - Eine Begriffsverschiebung und die Auswirkungen auf den Prostitutionsdiskurs https://www.vhs.at/fileadmin/uploadsrmc ... berger.pdf ) geführt wird (dazu hier vielleicht demnächst eine editierte Ausgabe mit Anmerkungen von mir zum Download als PDF).

Dabei wird auf sich authentisch gebende Lebensgeschichten, wie die von R. Moran ( siehe auch: http://lauraslifeandthoughts.blogspot.c ... uhama.html ) Bezug genommen und Betroffenheit erzeugt. Eine unfeines aber wirksames Mittel demagogischer Kunst, das den Diskurs moralschützend unterwandert und der These, Sexarbeit sei neoliberaler Neusprech, unterfüttert mit krudem junk science ( W. Lyon, What is a "representative" sex worker?, http://feministire.com/2011/11/13/what- ... ex-worker/ , abgerufen am 01.02.2016) zur Überzeugungskraft verhilft.

Die Wirkung dieses wohl auf einem innerabolitionistischen Diskurs beruhenden Argumentationsstranges schlägt durch, wenn dessen Protagonisten einen Chefredaktionsrang Rang innehaben. Erinnert sei an Silke Hellwig ,die Chefredakteurin des Weser-Kurier. Sie propagandierte im Zusammenhang mit der AI Entschließung zur Entkriminalisierung der SW: der Begriff Sexarbeit sei nichts als eine Beschönigung, womit die abolitionistische Deutung in Bremen ihre Hoheit behauptete (siehe Thema: http://www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=1178 , insbesondere die Beiträge mit Bezug auf den Weser Kurier ab: http://www.sexworker.at/phpBB2/viewtopi ... 452#148452 und darin das PDF Dokument 2015-08-20, Dt.Presserat, Beschwerde WK, Hellwig, Grob fahrlaessig.pdf, zum Download, http://www.sexworker.at/phpBB2/viewtopi ... 332#149332 ).

Ich befürchte, die Schlacht um das Gesetz ist politisch verloren, der Krieg gegen den moralischen Backlash, die Salonfähigkeit des Repressiven und Faschistoiden, die z.B. in den Kommentaren hier http://www.weser-kurier.de/bremen/breme ... 05127.html das Fest des gesunden Menschenverstandes feiern, geht weiter.

Dabei wird, und da folge ich den Einschätzungen von Meinhard Starostik, Richter am Berliner Verfassungsgerichtshof, die dieser auf den 4. FrkftPrstTg ( http://www.donacarmen.de/wp-content/upl ... sTage3.pdf ), in Einladung durch Dona Carmen, dafür mein Dank, äusserte, es notwendig und befruchtend sein, den juristischen Weg zu gehen, der ähnlich wie im Zusammenhang mit der Gleichstellung von Homosexualität oder auch mit dem Urteil zum Cafe pssst ( https://de.wikipedia.org/wiki/Caf%C3%A9_Pssst! ) geeignet sein könnte, Verfassungsgrundsätzen Geltung zu verschaffen.

Das wird Zeit, Nerven und nicht wenig Geld kosten. Sobald die Gesetzesvorlage veröffentlicht ist, und auch da folge ich, auf Einrede von juristischem Sachverstand wartend lieber @ kasharius, den Einschätzungen von Meinhard Starostik, sollte geprüft werden, ob Verfahren eingeleitet werden, wobei, obwohl die Gesetze noch keine Rechtskraft haben, davon auszugehen sein wird, das SW-Aktive in ihren Dispositionen bereits Auswirkungen des Gesetzes zu berücksichtigen haben und daher ein Klagegrund aufgrund von Betroffenheit bereits mit Veröffentlichung der Regierungsvorlage anzunehmen ist. Ich empfehle diese Überlegungen aber in einem kleineren, geschlosseneren Kreis voranzutreiben. Die Gegenseite sollte Kenntnis von Strategie und Taktik erst im Verfahren sich erwerben müssen.
Zuletzt geändert von Klaus Fricke am 05.02.2016, 19:56, insgesamt 2-mal geändert.
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Beitrag von sylviacc »

Das „Prostituiertenschutzgesetz“ kommt – die Heuchelei geht weiter,,,,,,http://www.juwiss.de/105-2014/

sylviacc
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Beitrag von sylviacc »


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fraences
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von fraences »

»Verbot der Prostitution wäre gefährlicher Irrsinn«
Kritik der AIDS-Hilfe: Geplantes Gesetz drängt das Sexgewerbe in die Illegalität.
Ein Gespräch mit Marianne Rademacher
Interview: Markus Bernhardt



Marianne Rademacher ist Ärztin, Lehrerin und Referentin für Prävention mit Schwerpunkt »Frauen im Kontext von HIV/AIDS« bei der Deutschen AIDS-Hilfe (DAH)
Die Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD hat sich in dieser Woche auf ein sogenanntes Prostituiertenschutzgesetz geeinigt. Die Deutsche AIDS-Hilfe und auch Berufsverbände der Sexarbeiterinnen und -arbeiter lehnen es ab. Warum?

Ganz einfach: Weil es nicht dem Schutz von Prostituierten dient, sondern ihnen schadet. Die Bundesregierung erzeugt damit lediglich Scheinsicherheiten. Zwangsprostitution wird das Gesetz nicht verhindern, sondern eher fördern. Die kriminellen Hintermänner des Menschenhandels werden die ersten sein, die die gesetzlichen Vorgaben erfüllen, damit ihr Geschäft nicht auffliegt. Darüber hinaus zeigen alle Erfahrungen aus mehr als drei Jahrzehnten HIV-Prävention eindeutig: Kontrolle und Repression drängen Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter in die Illegalität, so dass Hilfsangebote sie nicht mehr erreichen. Freiwillige und anonyme Angebote zur Beratung und Unterstützung hingegen werden gerne angenommen.

Welche Folgen fürchten Sie bezüglich der von den lokalen AIDS-Hilfen geleisteten Präventionsarbeit?

Die mit der Anmeldepflicht verbundene Zwangsberatung könnte das Vertrauen in Beratungs- und Hilfsangebote allgemein unterhöhlen. Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter werden aus Angst vor Sanktionen und Stigmatisierung von der Bildfläche verschwinden und im verborgenen arbeiten. So wird es schwieriger, ihnen überhaupt noch Angebote zu machen. Ihre sozialen und gesundheitlichen Risiken erhöhen sich damit drastisch. Das betrifft vor allem Menschen, die ohnehin besonders gefährdet sind: sehr junge und jene, die auf der Straße arbeiten.

Manchen Feministinnen und auch Teilen der Linkspartei geht selbst dieses Gesetz nicht weit genug. Sie fordern mitunter sogar ein komplettes Prostitutionsverbot. Was würde Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern dann drohen?
jW-Probeabo

Sie würden komplett in die Illegalität gedrängt. Gewalt, soziale Verelendung und gesundheitliche Probleme wären die Folgen. Kunden oder Menschenhändler könnten sie noch leichter erpressen. Immer nach dem Motto: Wenn du nicht tust, was ich sage, fliegst du auf. Wer ins Abseits gedrängt wird, ist immer anfälliger für HIV und Geschlechtskrankheiten. Über die Kunden würden Infektionen dann auch verstärkt in die breite Bevölkerung getragen. Kurz: Ein Prostitutionsverbot wäre gefährlicher Irrsinn.

Wenn es den Frauen schadet: Warum fordern dann ausgerechnet Feministinnen härtere Gesetze?

Manche Feministinnen lehnen Prostitution grundsätzlich ab, weil sich die Frauen damit in ihren Augen zur Ware degradieren. Das ist eine realitätsferne Haltung. Denn zum einen haben Menschen ein Recht, sich für diese Tätigkeit zu entscheiden. Die Mehrheit der Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter übt diesen Beruf freiwillig aus. Zum anderen ist das älteste Gewerbe der Welt ohnehin nicht totzukriegen – und dann sollten die Bedingungen doch bitte an den Bedürfnissen der Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter ausgerichtet sein.

Ist es nicht besonders perfide, Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter pauschal zu Opfern zu erklären und sie sogar mit Berufsverboten belegen zu wollen?

Es entmündigt und gängelt sie. Dahinter steht eine moralkonservative Haltung. Das vorliegende Gesetz geht in die gleiche Richtung: Es gibt keinen anderen Beruf, in dem es dermaßen viele Auflagen gibt wie in der Sexarbeit. Jüngere Frauen werden mit strengeren Auflagen getriezt, obwohl sie als Volljährige nicht anders behandelt werden dürfen als andere. Der Deutsche Juristinnenbund hält das für verfassungswidrig.

In Sachen Sexualität ist ein gesellschaftliches Rollback zu beobachten. Hat dies auch Einfluss auf die Prostitutionsdebatte?

Dieses Gesetz ist das beste Beispiel dafür. In Gesellschaft, Politik und Medien werden konservative Stimmen immer lauter. Was ihnen nicht gefällt, möchten sie gesetzlich regulieren oder schlicht verbieten. Das ist weder zulässig noch wirksam. Bezüglich der Prävention von HIV und Geschlechtskrankheiten steht Deutschland im europäischen Vergleich hervorragend da – gerade weil wir relativ offen mit Sexualität umgehen und die Menschen nicht bevormunden, sondern stärken. Diese Erfolge werden nun leichtfertig aufs Spiel gesetzt.

https://www.jungewelt.de/2016/02-05/005.php
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Beitrag von sylviacc »

was kann man dagegen tun? Widerstand? Ungehorsam?

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fraences
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von fraences »

Der Gesetzesentwurf zum Prostitutionsgesetz schützt nicht Sexarbeiter*innen, sondern konservative Moralvorstellungen!


Anhören

Die Bundesregierung hat vergangenen Dienstag einen Gesetzesentwurf vorgestellt, der das Prostitutionsgesetz verändern soll. Mit Herrn Wicht, Pressesprecher der deutschen AIDS-Hilfe sprachen wir darüber, was der Entwurf beinhaltet und welche Auswirkungen er auf die Arbeitsbedingungen von Sexarbeiter*innen hätte, würde er realisiert werden.

http://www.freie-radios.net/74982?utm_s ... um=twitter
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von Hamster »

KOSTEN DURCH PROSTITUTIONSGESETZ
KOMMUNEN WOLLEN BORDELLE ZUR KASSE BITTEN

Die Umsetzung neuer Gesetze kostet Geld. Das gilt auch fuer das Prostitutionsgesetz, auf das sich die Grosse Koalition geeinigt hat. Die Kosten wollen die Kommunen nicht alleine tragen - dazu gibt es nun einen Vorschlag.

Die Kommunen wollen bei den durch das geplante Prostitutionsgesetz entstehenden Kosten die Bordellbetreiber mit in die Pflicht nehmen. "Vorstellbar ist, dass Bordellbetreiber eine Konzession beantragen und dafuer eine Gebuehr bezahlen muessen", sagte der Rechts- und Sozialexperte des Deutschen Staedte- und Gemeindebundes, Uwe Luebking, den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

"Diese Gebuehr wuerde zumindest einen Teil des Aufwandes abdecken, den die Kommunen durch das neue Prostituiertenschutzgesetz haben." Staedte und Gemeinden wuerden mehr Personal brauchen, um die neuen Aufgaben erfuellen zu koennen, sagte Luebking. Diese Kosten muessten sie erstattet bekommen. Im Uebrigen muessten die Laender fuer die zusaetzlichen Kosten der Kommunen bei der Umsetzung des Gesetzes aufkommen.

"ZUMUTUNG FUER DIE KOMMUNEN"

Auch die frauenpolitische Sprecherin der Gruenen-Fraktion, Ulle Schauws, sagte: " Diese zusaetzlichen Belastungen sind eine Zumutung fuer die Kommunen." Sie habe deshalb "Sympathien dafuer, wenn die Kommunen versuchen, einen Teil ihrer zusaetzlichen Kosten auf anderen Wegen wieder hereinzuholen". Ob eine Konzession der geeignete Weg sei, muesse sich zeigen.

Das Prostitutionsgesetz, auf das sich Union und SPD nach jahrelangen Debatten kuerzlich geeinigt hatten, sieht eine Erlaubnispflicht fuer den Betrieb eines Bordells vor. Dazu gehoert unter anderem eine Zuverlaessigkeitspruefung eines Betreibers.

Nach Angaben des Bundesfamilienministeriums laesst das geplante Gesetz offen, ob den Betreibern fuer die Erteilung der Erlaubnis Gebuehren in Rechnung gestellt werden. Die Neuregelung sieht auch ein Verbot menschenunwuerdiger Geschaeftspraktiken wie Flatrate-Partys sowie eine Anmeldepflicht fuer Prostituierte vor. Auch eine Kondompflicht fuer die Freier sowie regelmaessige Beratungstermine fuer die Frauen werden geregelt. Wenn das Gesetz alle parlamentarischen Huerden nimmt, soll es im Juli 2017 in Kraft treten.

www.n-tv.de/politik/Kommunen-wollen-Bor ... 38611.html

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Beitrag von Kasharius »

@Klaus
@all

nein der politische Kampf gegen das Gesetz ist nicht verloren! Es kann, muss und wird weiter bekämpft werden, denn nichts ist in Stein gemeiselt und wehrt ewig; schon gar keine Gesetze.

Mein unmaßgeblicher Rat:

1. Herrn Starosnik um eine juristische Expertise zu dem Entwurf ersuchen (oder einen anderen namhaften Verfassungsrechtler)

2. Die eigenen Gesetzentwürfe noch stärker in den Fokus der politischen Auseinandersetzung rücken.

3. Sich gut und mit fitten Leuten auch und gerade aus der SW-Bewegung (derer gibt es genug!!!) in den sicher stattfindenden Anhörungen positionieren

4. Protestaktionen wie in Frankfurt oder mit Hydra in Berlin

Keine Patentrezepte sicher, aber dieser Kampf ist noch nicht verloren!

Kasharius grüßt ermutigend

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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von lust4fun »

Obergrenzen

Es ist chick geworden, Politik durch "Obergrenzen" zu gestalten (Flüchtlinge, Bargeld).

Wollen wir wetten?

Gleich nach Inkrafttreten des neuen Überwachungsgesetzes werden die ersten Stimmen laut werden, dass mit der Registrierung der Sexarbeiter*innen endlich das Instrument bereit stehe, den Umfang des Paysex auf politisch-gesellschaftlicher Ebene zu regulieren.

Das alte Prostitutionsgesetz von 2002 habe eine unbeschränkte Ausweitung zur Folge gehabt. Das neue Gesetz erlaube ausdrücklich eine Begrenzung, wenn sie aus politischen Erwägungen zum Wohle der Allgemeinheit als nötig erscheine:

§ 13 Abs. 5
"Die Erlaubnis nach § 11 ist auch zu versagen, wenn das Betriebskonzept oder die örtliche Lage des Prostitutionsgewerbes dem öffentlichen Interesse widersprechen [...] oder Gefahren oder sonstige erhebliche Nachteile oder Belästigungen für die Allgemeinheit befürchten lassen..."

Man wird sich dagegen verwahren, dass damit ein pauschales Verbot oder eine pauschale Ächtung des Paysex gemeint sei. Es gehe lediglich darum festzulegen, welche Höchstzahlen "gesellschaftlich zumutbar" und "sozial verkraftbar" seien. Die Begrenzung diene somit gleichzeitig dem Schutz der tätigen Sexworker...

Nicht definierte Obergrenzen werden als "verantwortungslose Untätigkeit" und "naive-liberale Sozialromantik" gebrandmarkt werden. Kein Politiker wird sich diese Blöße geben.

Es wird ein Wettbewerb unter Bundesländern, Ballungsräumen und Kommunen geben, wer am meisten "administrativ-kreative Handlungskraft" (natürlich "auf Grundlage des Gesetzes") beweisen kann...

Tagträume beim Nachmittagskaffee...

Klaus Fricke
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von Klaus Fricke »

...
Alpträume für Betroffen schon jetzt
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Beitrag von fraences »

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Tipp- und Denkfehler

Beitrag von lemon »

"Prostituiertenschutzgesetzt" - mir wäre auch lieber, Frau Steinbach hätte sich gesetzt, und zwar mit einer Sechs für ihre ungenügende Kenntnis der Sachlage. Aber von Menschenrechten versteht sie ja offenbar eh nur sehr begrenzt etwas, siehe die aktuelle Überfremdungs-Tweet-Affäre.
Always forgive your enemies; nothing annoys them so much. - Oscar Wilde

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http://researchprojectgermany.wordpress.com

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Arum
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Beitrag von Arum »

          Bild
fraences hat geschrieben:Zwangsprostitution bekämpfen

http://www.erika-steinbach.de/index.php ... mpfen.html
Zitat:

Das Gesetz stellt zumindest einen ersten Schritt zu einer konsequenten Bekämpfung von Zwangsprostitution und Menschenhandel dar.


Ist also nur der Anfang...
Guten Abend, schöne Unbekannte!

Joachim Ringelnatz

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Hamster
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von Hamster »

SEXARBEITS-KONGRESS IN HAMBURG

PROSTITUIERTE WEHREN SICH GEGEN NEUES GESETZ

vom 28. Februar 2016

AUFRUHR IN DEN ROTLICHTVIERTELN. DER WIDERSTAND GEGEN DAS GEPLANTE PROSTITUIERTENSCHUTZGESETZ FORMIERT SICH. IN HAMBURG, UNWEIT DER REEPERBAHN, TREFFEN SICH AM MITTWOCH SEXARBEITERINNEN AUS GANZ DEUTSCHLAND.

(Anmerkung von Hamster: Sexarbeits-Kongress siehe
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=149982#149982

Hamburg | Bislang sind nur Eckpunkte des geplanten Prostituiertenschutzgesetzes bekannt, auf die sich die Koalition geeinigt hat. Es soll im Juli 2017 in Kraft treten.

Ende Maerz soll der Entwurf fuer das Prostituiertenschutzgesetz im Bundeskabinett beraten werden. Vorgesehen sind unter anderem eine Kondompflicht und schaerfere Regeln fuer die Zulassung von Bordellbetreibern. Die Prostituierten muessen kuenftig einmal im Jahr zum Gesundheitsamt und sich beraten lassen. Zudem muessen sie sich im Zwei-Jahres-Rhythmus bei einer Behoerde anmelden. Gegen die Plaene regt sich aber Widerstand bei Prostituierten und Verbaenden wie der Aids-Hilfe oder der Diakonie. Am Mittwoch diskutiert ein "Sexarbeits-Kongress" in Hamburg ueber die Regelungen.

In ihrem Domina-Studio im Hamburger Bahnhofsviertel St. Georg hat Undine de Riviere ein ganzes Arsenal an Fesseln und Peitschen und sogar ein Streckbett. Wie ein Arsenal von Folterkammerwerkzeugen erscheint ihr auch das Prostituiertenschutzgesetz, das die Bundeskoalition aus Union und SPD jetzt plant. "Das Gesetz ist ein Rieseninstrumentarium, um Sexarbeit zu verdraengen und die ganze Branche unter Kontrolle zu haben. Es ist kein Prostituiertenschutzgesetz sondern ein Prostituiertenkontrollgesetz." Aehnlich negativ aeussern sich Hilfsorganisationen, Verbaende, Beratungsstellen und Wissenschaftler, vom Bundesverband der Fachberatungsstellen ueber die Diakonie bis zur Aids-Hilfe. Ungeachtet dessen soll der Gesetzentwurf mit Anmelde-, Beratungs- und Kondompflicht Ende Maerz ins Kabinett. Von diesem Mittwoch bis Freitag beraet ein "Sexarbeits-Kongress" in Hamburg ueber die Plaene der Bundesregierung. Viel Beifall wird nicht erwartet.

Der Hamburger Kiez mit der Reeperbahn zaehlt zu den bekanntesten Rotlichtvierteln des Landes, dazu kommt das Bahnhofsviertel St. Georg. Hier im Viertel ist das "regazza" (ital. Freundin), hier arbeitet Gudrun Greb. Die Beratungsstelle fuer " drogenkonsumierende und sich prostituierende Frauen ist oft die einzige Anlaufstelle fuer die Frauen auf dem Strassenstrich. In kleinen Koerben liegen verschiedene Kondome - "oral" oder "vaginal/anal". In zwei Buecher schreiben die Prostituierten Warnungen vor aggressiven Freiern. "Prostitution ist fuer die Behoerden dann ein Problem, wenn es um die Sichtbarkeit geht, also vor allem die Frauen auf der Strasse", sagt Greb. "Darum sind die Frauen auch die Zielgruppe des Gesetzes. Mehr als 70 Prozent der Sexarbeiterinnen sind Migrantinnen." Und St. Georg ist eigentlich Sperrbezirk. Dennoch: "Auf dem Strassenstrich in St. Georg stehen Frauen sieben Tage die Woche, manchmal bis zu 20 Stunden am Tag, bis sie etwas verdient haben", sagt Greb. "Und es gibt Frauen, die sich einmal im Monat hier hinstellen, weil ihr Hartz IV nicht reicht, die Waschmaschine kaputtgegangen ist. Manche stehen hier nur in den Sommerferien, die kommen aus anderen Laendern und verdienen sich so ihr Studium." Manche Vorschlaege aus der Politik machen Greb sprachlos. Mit den geplanten Pflichten wie Anmeldung und Beratung werde das jahrelang muehsam aufgebaute Vertrauensverhaeltnis zu den Prostituierten gefaehrdet. "Warum glaubt man denn, dass Einrichtungen wie das "regazza", die viele, viele Stunden auf dem Strassenstrich unterwegs sind, dass die die Situation schlechter einschaetzen koennen?" Auch Undine de Reviere, "Bizarr-Lady"und Sprecherin des Berufsverbandes erotische und sexuelle Dienstleistungen, ist empoert. "In Oesterreich gibt es diese Meldepflicht schon. In den letzten Jahren waren alle Opfer des Menschenhandels ordnungsgemaess registriert." Der Nachweis der Anmeldung als Prostituierte gefaehrde das Inkognito: "Ein Hurenausweis waere eine Katastrophe, wenn ich den immer in der Tasche tragen muss." Das erinnere an den "Bockschein", den es frueher gab.

Und die Kondompflicht werde nicht viel bringen, ist sich de Reviere sicher. "Sie ist nicht unter meschenwuerdigen Bedingungen ueberpruefbar." Und ausserdem sei sie ueberfluessig, weil die Verbreitung von Geschlechtskrankheiten unter Prostituierten nicht hoeher sei, als im Rest der Bevoelkerung. "Im Schnitt arbeiten wir gesuender und sicherer als jemand, der sich am Wochenende betrunken durch die Discos voegelt und dabei die Kondome vergisst." Zu einem ganz anderen Segment der Branche gehoert Josefa Nereus. Die 29-Jaehrige sagt selbstbewusst: "Ich bin Prostituierte, aber ich muss nicht geschuetzt werden." Die Frau mit dem Kuenstlernamen ist Escort-Dame, arbeitet also eher im hochpreisigen Segment. Das Gesetz werde den Prostituierten, die fremdbestimmt oder aus blanker Not anschaffen, nicht helfen. "Im Gegenteil: Sie werden noch mehr ins Abseits gedraengt." Auch die Zwangsberatung lehnt Nereus ab. Viele Prostituierende wuerden sich ohnehin mehrmals im Jahr anonym auf Geschlechtskrankheiten testen lassen. "Mein Koerper ist mein Kapital. Wenn ich ausfalle, habe ich kein Einkommen." Zudem koenne sie dort sicher sein, dass ihre Daten nicht in falsche Haende geraten. "Wenn man den Menschen helfen will, dann sollte man sie nicht stigmatisieren." Einige der Prostituierten, die ihre Dienste in Kleinanzeigen anbieten, sehen das neue Gesetz eher entspannt. Die 45-jaehrige Rosi sagt: "Abmelden ist okay. Die Behoerde weiss das doch, denn ich zahl' ja ordentlich Steuern." Auch die "Hanseatin" Sonja will sich darueber nicht aufregen. Sie kennt die Anmeldepflicht aus Oesterreich. Gut sei zudem die Kondompflicht, auch wenn das niemand kontrollieren koenne.

Professorin Maria Wersig vom Bund Deutscher Juristinnen betont, dass noch kein konkreter neuer Gesetzentwurf vorliege. Aber zu der Anmeldepflicht habe sich der Verband positioniert. "So, wie die im vorigen Entwurf 2015 drinstand, ear sie unserer Ansicht nach verfassungswidrig." Sie waere ein Eingriff in die Berufsfreiheit, denn sie koenne verweigert werden.

Der Rotlicht-Experte des Hamburger Landeskriminalamtes, Joern Blicke, verteidigt das alte Prostitutionsgesetz gegen den Vorwurf, es habe Zwangsprostitution und Menschenhandel Vorschub geleistet. "In der Lebenswirklichkeit hat das in Hamburg keine Auswirkungen gehabt." Die Massnahmen des neuen Gesetzes sieht er eher skeptisch. Eine einmalige Beratung ueber Risiken sei durchaus richtig, aber: "Wer sich einmal entschieden hat, in die Prostitution zu gehen, freiwillig oder nicht, wird beim zweiten Mal ganz sicher keine andere Meinung haben." Wenn das Gesetz in den bisher bekannten Grundzuegen in Kraft treten sollte, duerfte es auf Widerstand stossen. Auch Josefa Nereus will das Gesetz boykottieren. Und Undine de Reviere kuendigt an: " Ich werde mich aus Prinzip nicht anmelden. Und ich werde definitiv rechtliche Schritte einleiten."

www.shz.de/regionales/hamburg/prostitui ... 62566.html

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siehe auch (mit Kommentaren zusaetzlich):

www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Widersta ... on208.html