"Maischberger": Schafft Prostitution ab!

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Lady Tanja
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Beitrag von Lady Tanja »

Dann nimm doch einfach für solche Fälle einen geräuschlosen Rufton auf 002.gif
Gute Idee. Da bin ich noch gar nicht drauf gekommen. *andieStirnschlag*

Ich schaue mal, ob mein Uralthandy solch eine Funktion hat.

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annainga
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RE: "Menschen bei Maischberger" Thema: Schafft Pro

Beitrag von annainga »

die sendung geht mir immer noch nicht aus dem kopf. "der freier sieht die frauen nur als stück fleisch mit loch" - dieses zitat habe ich von der sozialarbeiterin sabine constabel und von alice schwarzer gehört.

auch wenn es sich um ein zitat handelt, macht es deutlich mit welchen mitteln diese prostitutionsgegnerinnen handeln.

ich habe mich mit einer freundin über die sendung unterhalten und die erkannte genau, weshalb mich das so verletzte.

auch ein zitat ist nicht wertfrei, die frauen setzen es sehr berechnend ein, um den ekel vor den freiern und der dienstleistung, den sie empfinden zu zeigen.

sprache kann gewalt sein.

lieben gruß, annainga

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Femina
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Re: RE: "Menschen bei Maischberger" Thema: Schafft

Beitrag von Femina »

          Bild
annainga hat geschrieben:
...auch wenn es sich um ein zitat handelt, macht es deutlich mit welchen mitteln diese prostitutionsgegnerinnen handeln.
Genau das dachte ich, als ich die Sendung sah.
Die Freier, die das mitbekamen, haben sich genauso darüber geärgert.
Hatte das am nächsten Tag mit einer Kundschaft diskutiert.

Es ist unglaublich!
Liebe Grüße, Femina
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RE: "Menschen bei Maischberger" Thema: Schafft Pro

Beitrag von annainga »

ja, den kunden, die zu ihrem verhalten stehen wollen, wird es dadurch schwer gemacht - deren stigmatisierung ist auf eine andere art sehr verletzend.

was solche frauen anrichten im namen des feminismus ist grotesk. man kann gegen prostitution sein und dennoch so tolerant und menschenfreundlich, dass man eine diskussion so führen kann, dass sie die diskussionspartner aushalten können ohne traumatisiert zu werden. danke @malin, für den dramatischen ausdruck, aber in der vielzahl, in der manche prostituierte öffentlich abgewertet werden, ist der ausdruck richtig.

nochmals meine hochachtung vor Kyra, die sich so korrekt und selbstbewusst und souverän nicht entwürdigen ließ. prima, dass sie den großen mut hatte, sich der diskussion zu stellen.

lieben gruß, annainga

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Re: RE: "Menschen bei Maischberger" Thema: Schafft

Beitrag von Aoife »

          Bild
annainga hat geschrieben:sprache kann gewalt sein.
Absolut - und das ist in gewisser Hinsicht auch gut so, einer der menschlichen Vorzüge, dass nicht jeder Gewaltimpuls gleich auf körperlicher Ebene ausgelebt werden muss.

Das Problem hier ist, dass es sich um strukturelle Gewalt handelt:

Die beiden Damen handeln nicht als Menschen, beispielsweise weil jemand sie persönlich verletzt hätte, und sie dem jetzt mit Wortgewalt entgegentreten.

Sondern sie handeln als Funktionäre eines unmenschlichen Systems - funktionieren wie Kampfroboter, die ihre verletzenden Worte im Auftrag eines Filzes von Behörden Geldgebern und Medien herausschleudern.

Deshalb können sie auch ohne Angst vor Strafverfolgung so handeln - würden sie aus eigenem Antrieb eine andere Gruppe als die offiziell gewünschte Zielgruppe mit solchen Worten bedenken, so würde das umgehend als "Volksverhetzung" geahndet.

Im Grund genommen also nur ein weiteres Beispiel dafür, dass selbst die angeblich beste aller Ideologien, wie strukturelle Gewalt (= ein Staat) theoretisch gerecht organisiert werden könnte, nämlich die Demokratie, in der Praxis auf ganzer Linie versagt.

Was übrigens keineswegs nur uns betrifft - bei sachgerechter Deutung der Zahlen belegt die Zürichstudie ja dass wir uns bezüglich der Auswirkungen dieser nicht menschengemäßen Lebensweise, beispielsweise hinsichtlich von daraus folgenden Depressionen und Angstzuständen, nicht grundsätzlich vom Bevölkerungsdurchschnitt unterscheiden.

Liebe Grüße, Aoife
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RE: "Menschen bei Maischberger" Thema: Schafft Pro

Beitrag von Femina »

Wunderbar gesagt, Aoife.

Und dann in der Sendung: Prostitution sei kein Lehrberuf.
Was hab ich mich doch darüber aufgeregt.
Diese Ausbildung dauert Jahre. Mit allem, was dazugehört.
Liebe Grüße, Femina
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Re: RE: "Menschen bei Maischberger" Thema: Schafft

Beitrag von fraences »

          Bild
Femina hat geschrieben: Diese Ausbildung dauert Jahre. Mit allem, was dazugehört.
Ich finde das die Ausbildung nie zu Ende ist. Das macht es ja gerade so interessant. Oft denke ich, man habe ich viel erlebt und gesehen, und da kann nichts Neues mehr kommen. Und doch es gibt immer wieder neue Erlebnisse in der Sexarbeit.

Mein Vater hat mir als Kind gesagt: "Man wird alt, wie ein Kuh und lernt immer wieder dazu."
Nach 30Jahre Sexarbeit bin ich immer noch neugierig.

Liebe Grüsse, Fraences
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)

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RE: "Menschen bei Maischberger" Thema: Schafft Pro

Beitrag von Femina »

Stimmt auch wieder.
Was ich hier schon wieder alles lerne!
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Aoife
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Re: RE: "Menschen bei Maischberger" Thema: Schafft

Beitrag von Aoife »

          Bild
annainga hat geschrieben:was solche frauen anrichten im namen des feminismus ist grotesk.
Nun ja - nicht anders zu erwarten: "Feminismus" ist ja nur der irreführenden Wortbedeutung nach eine Bewegung für Frauenrechte - tatsächlich handelt es sich um eine Bewegung, die allen Frauen das Glaubenssystem der weißen angelsächsischen protestantischen Mittel-/Oberschicht aufzwingen will.

Und dies keineswegs als spätere Fehlentwicklung einer an sich gut gemeinten Absicht, sondern schon vor dem Start der eigentlichen Bewegung in der Glaubensüberzeugung verankert, dass andere Werte als diejenigen dieser speziellen Schicht von vornherein abzulehnen sind.

Da ich das gerade vor kurzem anderswo geschrieben habe zitiere ich hier einfach einmal:

          Bild
Aoife hat geschrieben:Tatsächlich haben die Frauen der ersten Emanzipationsbewegung ja keineswegs weibliche Berufstätigkeit erkämpft - sie haben vielmehr die vorbestehenden Berufsmöglichkeiten gekapert und so umgeformt, dass sie mit den absurden Moralvorstellungen von middle/upper class WASPs (white anglo-saxon protestants) vereinbar wurden. Und sie somit für andere, nicht aus diesen Klassen stammende und dieses Wertesystem akzeptierende verunmöglicht - eine wahrhaft tolle Leistung :009

So hat - um nur ein Beispiel zu geben - ja Florence Nightingale den Beruf der Krankenschwester ja keineswegs neu erfunden. Den gab es vorher schon, mit ausgeprägten therapeutischen (körperlichen und psychischen) Anteilen in der Arbeitspraxis und typischerweise Nebenverdienst als SW.

Alles was F.N. getan hat war ihr Bild einer "anständigen Frau" darüberzustülpen: Abgabe jeder Kompetenz an den Mann (den Arzt), Beschränkung der eigenen Tätigkeit auf dienende Teile (nur noch Pflege unter Verzicht auf jede Form von therapeutischer Tätigkeit) und im psychologischen Gebiet Übernahme der Rolle die Kinder (die Patienten) auf Respekt und Gehorsam gegenüber dem Familienvater (dem Arzt) zu trimmen. Plus natürlich das Zurschaustellen von asexueller "Reinheit".

http://tmh.floonet.net/articles/witches.html

Wenn wir also erstaunt sind, wieso der Feminismus sich manchmal gegen Frauen richtet, so hat das als Ursache, dass wir nicht verstanden haben, dass (zumindest der klassische) Feminismus sich immer gegen reale Frauen richtet - nur diejenigen Frauen, die innerlich schon selbst gegen ihre eigene Natur gerichtet sind weil sie die WASP-Ideologie verinnerlicht haben, können glauben die Bewegung käme ihren eigenen Interessen entgegen.

Es ist wohl wie meistens eine Frage des Betrachtungsrahmens:

Den (psychisch) armen (finanziell) reichen Engländerinnen, die sich daheim zu Tode langweilen mussten um nicht in einen Schlechten Ruf zu geraten, einen Weg zu eröffnen auch am Berufsleben teilnehmen zu können ohne deshalb als unmoralisch gesehen zu werden, mag in gewisser Hinsicht positiv bewertet werden.

Im größeren Rahmen allerdings, wenn wir sehen, dass genau dadurch die klassenspezifische Forderung treu und nutzlos asexuell im Dienst des Mannes sein Leben zu verbringen zur Norm für alle Frauen erhoben wurde, zeigt sich, dass der klassische Feminismus, wie ihn typischerweise Schwarzer vetritt, keineswegs eine Gegenbewegung zum Patriarchat darstellt, sondern eine höchst egozentrische, unsolidarische Ausnutzung patriarchalischer Strukturen für die Bedürfnisse einer in weltweiter Übersicht verschwindend geringen Minderheit darstellt.

Liebe Grüße, Aoife
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Marc of Frankfurt
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Beitrag von Marc of Frankfurt »

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RE: "Menschen bei Maischberger" Thema: Schafft Pro

Beitrag von annainga »

schaute ich mir solche sendungen an ohne die möglichkeit hinterher darüber mit euch zu schreiben, wärs nicht auszuhalten. dafür lieb ich dieses forum.

lieben gruß, annainga

Fragender
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Re: RE: "Menschen bei Maischberger" Thema: Schafft

Beitrag von Fragender »

          Bild
annainga hat geschrieben:ja, den kunden, die zu ihrem verhalten stehen wollen, wird es dadurch schwer gemacht - deren stigmatisierung ist auf eine andere art sehr verletzend.
Das stimmt, manchmal macht mich das sogar richtig fertig, so dass ich mich irgendwie schuldig fühle, obwohl ich überzeugt bin, nichts Schlimmes zu tun, da ich mich gegenüber meiner gelegentlichen Partnerin auf Zeit genauso verhalte, wie ich es ohne Geld machen würde und wie ich es mir von meinen Gästen wünschen würde, wenn ich an ihrer Stelle wäre.

Die Angst, entdeckt zu werden und dann als das gesehen zu werden, was offenbar viele Prostitutionsgegner im Freier sehen, ist bei mir groß.

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Beitrag von Arum »

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malin hat geschrieben:was mich bei all diesen sendungen zum thema massiv stört, ist der ewig gleiche ablauf in nahezu identischer besetzung.
[...]
weil dann ginge es den armen ungebildeten huren gleich wesentlich besser.
Die Osteuropäerinnen werden immer mehr als Kanonenfutter benutzt in einer Diskussion, die eigentlich nicht wesentlich an ihnen interessiert ist. Das kann man schon daran erkennen, dass sie selber nie zu Wort gebeten werden. Ich habe die Sendung nicht gesehen, aber so wie ich es aus der hiesigen Diskussion heraus verstehe, wird offensichtlich auch ohne weiteres davon ausgegangen, dass Osteuropäerinnen kein Deutsch oder gar Englisch sprechen oder verstehen würden. Nun, auch wenn das mehrheitlich der Fall wäre, ist das noch lange kein Grund sich nicht auf der Suche zu machen nach dem angeblichen Ausnahmefall dieser einen sprachgewandten Frau. Muss ja nicht so schwierig sein: man bringt's ja auch hin, immer wieder eine deutsche SW dem Publikum vorzustellen, die dann unter der Hand gleich als Ausnahmefall verstanden werden soll.

Schon aus dieser einen schlichten Tatsache geht eine tiefe Verachtung für den Osten Europas, bestenfalls eine komplette Ignoranz, hervor.

Osteuropäerinnen dürfen nicht sprechen, weil sie sonst vielleicht darauf hinweisen würden, dass sie in jenen Gefilden geboren wurden, denen der Westen vor 23 Jahren jede nur mögliche Form der Bewunderung entgegengebracht hat, aber die jetzt im Bestfall nur ein Dasein als Billiglohnländer zu fristen haben. Sie dürfen auch nicht sprechen, weil sonst das Bild der betrogenen Unschuld vom Lande in die Brüche ginge, das arme kleine Ding aus jenem Kaff ohne Fernseher oder Internet, so wie die Frauen doch ständig irgendwie dargestellt werden. Meiner Kundenerfahrung nach jedoch entstammen zum Beispiel die meisten Rumäninnen im Beruf der Hauptstadt. Nur sehr sehr selten trifft man Rumäninnen vom Lande. Und meines Wissens ist in der rumänischen Grundschule Englisch ab der vierten Klasse Pflichtfach. Man tut aber gerne so, als stünde dort immer noch Russisch an erste Stelle auf dem Lehrplan.

Wie dem auch sei, ich werde nicht müde zu betonen, es täte wirklich Not, dass die Rumäninnen, Polinnen, Bulgarinnen usw. endlich mal grossflächich zu Wort gelassen werden. Damit z.B. auch klar wird, das es unter ihnen genauso gut Akademikerinnen und Studentinnen gibt wie unter den von den Medien bevorzugten deutschen "Ausnahmefällen". Und solches tut auch Not den einheimischen SW gegenüber, denn wie gesagt, die Osteuropäerinnen sind nur Kanonenfutter in einem Kampf gegen dem Gewerbe als solchem. Die Darstellungsweise von Osteuropäerinnen betrifft letztlich Euch alle...
Guten Abend, schöne Unbekannte!

Joachim Ringelnatz

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Beitrag von Aoife »

Danke für diese tolle Analyse Arum!
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Re: RE: "Menschen bei Maischberger" Thema: Schafft

Beitrag von Arum »

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Fragender hat geschrieben:      
Die Angst, entdeckt zu werden und dann als das gesehen zu werden, was offenbar viele Prostitutionsgegner im Freier sehen, ist bei mir groß.
Ich kann das (als Kunde) gut nachvollziehen. Nur bin ich immer mehr dabei, mich zu fragen, ob das im Endeffekt noch der richtige Weg sein kann. Sollen sie doch glauben, was sie glauben wollen. Ich komme auch immer mehr dem Punkt nahe, wo ich mich einfach als Prostitutionskunde outen möchte. Es gehört eben wesentlich zu meinem Leben, und ich habe es allmählich richtig satt, über alles mit Freunden, Bekannten, Verwandtschaft im Prinzip reden zu können, nur über genau das eine nicht, das mir Glück und Ausgeglichenheit im Leben verschafft, so wie keine Beziehung das wenigstens in meinem Leben je zustande hat bringen können. Das wird um so dringender, wo wir immer mehr in die Verdachtsecke geraten.

Aber leichter gesagt als getan, das gestehe ich ein. Das muss man ganz allmählich vorbereiten.
Guten Abend, schöne Unbekannte!

Joachim Ringelnatz

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Beitrag von Arum »

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Aoife hat geschrieben:Danke für diese tolle Analyse Arum!
Danke Dir, gern geschehen!
Guten Abend, schöne Unbekannte!

Joachim Ringelnatz

lemon
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Beitrag von lemon »

Ich beginne gerade, die Sendung endlich zu gucken, und bin beeindruckt, dass Alice Schwarzer es gleich zu Beginn schafft, sich selbst zu diskreditieren.

Volker Beck: "Mir geht es aber nicht darum, ob ich das jetzt moralisch gut oder schlecht finde, das geht mich als Gesetzgeber gar nicht so viel an, die Moral." (Recht hat er.)

Alice Schwarzer: "Die Menschenwürde geht die Gesetzgeber schon an, Herr Beck..."

Seit wann sind Moral und Menschenwürde miteinander austauschbare Konzepte?

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Beitrag von Fragender »

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lemon hat geschrieben: Seit wann sind Moral und Menschenwürde miteinander austauschbare Konzepte?
Nach meiner Auffassung ist es gerade GEGEN die Menschenwürde, den Kauf und/oder Verkauf von sexuellen Dienstleistungen ausnahmslos zu verbieten. Ein wesentlicher Bestandteil der Menschenwürde liegt für mich darin, dass Menschen - in diesem Fall die Frauen - selbst über ihr Leben entscheiden dürfen und dass sie nicht wie Kinder, die noch nicht selbst für sich sprechen können, quasi entmündigt werden. Denn die Menschenrechte, zu denen die Menschenwürde selbstverständlich gehört, sind kein Anspruch eines Staates gegenüber seinen Bürgern, sondern Schutzrechte der Bürger gegenüber dem Staat. Es gibt kein legitimes Recht eines Staats, allgemeingültig zu definieren, was "würdiges Verhalten" ist und Gesetze zu erlassen, die ein derartiges Verhalten einfordern. Gerade der historische Hintergrund unseres ersten Verfassungsartikels, nämlich die komplette Entrechtung besonders einer bestimmten Gruppe von Menschen, zeigt, dass keine unbeteiligten Dritten definieren dürfen, was würdig ist.

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Re: Feedback

Beitrag von Fragender »

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Aoife hat geschrieben: Eine Anerkennung von Art. 14 der europäischen Menschenrechtskonvention, welcher u.a. besagt, dass die Intimsphäre durch weitere Ereignisse wie beispielsweise Geldflüsse nicht weniger intim wird und somit grundsätzlich vor staatlichem Zugriff geschützt bleibt, würde alle Probleme lösen.

...

Für Deutschland sind nach Art. 25 GG sämtliche Bestrebungen den Schutz der Intimsphäre vor staatlicher Einmischung auf gewerberechtlicher oder baurechtlicher Grundlage auszuhebeln illegal
Hallo Aoife,

soeben habe ich einige Beiträge in diesem Thread noch einmal gelesen, u.a. den oben teilweise zitierten von Dir. Aus Neugier habe ich dann mal per Google gesucht, was in den genannten Artikeln der ERMK und des GG steht. Allerdings kann ich dort nichts über die genannten Punkte finden, vielmehr handelt Art. 14 EMRK vom Diskriminierungsverbot und Art. 25 GG von der Höherwertigkeit des Völkerrechts im Vergleich zu Bundesrecht ...

lemon
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RE: "Menschen bei Maischberger" Thema: Schafft Pro

Beitrag von lemon »

Nun habe ich also endlich die Sendung gesehen und auch die gesamte Diskussion hier gelesen. Nachdem ich also viel gelesen und mich umgeschaut und persönlich vorgestellt habe, werde ich nun eifrig mitdiskutieren, hübsch regelkonform.

Da die meisten von Euch mich noch nicht kennt, möchte ich vorab sagen, dass ich, auch aufgrund der Tatsache, seit vielen Jahren im Ausland zu leben, manchmal Bemerkungen mache, die nicht politisch korrekt sind oder deren Humor vielleicht nicht offensichtlich ist. Im Zweifelsfall bitte ich darum, erst nachzufragen oder mich auf etwas hinzuweisen, wenn Euch etwas übel aufstösst.

Ich habe einige Fragen, möchte manche der Beiträge einfach loben, und auch eigene Anmerkungen machen. Ich werde das mehr oder minder chronologisch tun, denn ich habe mir beim Lesen viele Abschnitte Eurer Beiträge einfach herauskopiert, doch beginnen möchte ich erstmal mit einigen Äusserungen aus der Sendung.

1. Was ist dran an der Aussage, dass 80% der Sexarbeiterinnen in Deutschland AusländerInnen sind? Ist die typische Sexarbeiterin in Deutschland dreifache Mutter und 25 Jahre alt (und hat daher mit anderen Worten vor ihrer Ankunft in Deutschland nicht viel anderes getan, als Kinder zu gebären...)?

Dass es dazu keine Erhebungen des statistischen Bundesamts gibt, ist mir selbstverständlich bewusst, und so sind also Eure Schätzungen vermutlich ähnlich zu werten wie die von Sabine Constabel oder Herrn Rudloff, der einen Ausländeranteil zwischen 40-50% erwähnte, nämlich als Schätzungen. Interessieren würde es mich trotzdem.

2. Desgleichen würde mich interessieren, wie es um ihre Bildung bestellt ist. Ich kannte Herr Rudloffs Geschäft vorher nicht, da ich schon lange nicht mehr in Deutschland lebe, aber auf der Webseite seines FKK Paradise Clubs fand ich folgenden Kommentar.

Kommentar von Club-Fan am 08.12.2011

"Dem muss ich leider zustimmen. Hinzu kommt noch, dass die meisten dieser "niveauvollen" Geschöpfe über diese Frage hinaus fast kein Wort Deutsch können. Es wäre angeraten, solche Mädels postwendend in ihre Heimat zurückzuschicken."

Arum wies in einem exzellenten Beitrag darauf hin, dass „Osteuropäerinnen … immer mehr als Kanonenfutter benutzt [werden] in einer Diskussion, die eigentlich nicht wesentlich an ihnen interessiert ist.”

In der Tat könnte man wohl erwarten, dass wenigstens eine untypische Rumänin eingeladen würde, wenn es doch um diese Gruppe gehen soll. Das jedoch würde u.U. nicht die stereotypen Vorstellungen bedienen, die die Programm-Macher eventuell (?) präsentieren möchten.

„Schon aus dieser einen schlichten Tatsache geht eine tiefe Verachtung für den Osten Europas, bestenfalls eine komplette Ignoranz, hervor. Meiner Kundenerfahrung nach jedoch entstammen zum Beispiel die meisten Rumäninnen im Beruf der Hauptstadt. Nur sehr sehr selten trifft man Rumäninnen vom Lande.“ [Arum]

Das deckt sich teilweise mit meinen Erkenntnissen aus den südostasiatischen Raum. Dort kommt es zwar durchaus vor, dass (hauptsächlich) Mädchen und junge Frauen aus armen Gegenden als Sexarbeiterinnen arbeiten – wohingegen Jungen und junge Männer eher in anderen Berufe tätig sind, und bei beiden klammere ich jetzt mal das Thema Freiwilligkeit aus – aber was Migration betrifft, ist die Annahme, dass zumeist die Ärmsten der Armen migrieren eine falsche, denn die haben meist gar keine Mittel, um die Reise- und Vermittlungskosten zu bestreiten. Wie gesagt, Zwangsarbeit und –prostitution ist hier nicht gemeint.

3. Frau Constabel sagte meinen Aufzeichnungen nach auch etwas wie, dass Prostituierte zu sein keinen Beruf darstelle; die Osteuropäerinnen könnten ja nicht mal lesen und schreiben.

Wenn das jetzt die Messlatte sein soll, dann werden aber viele Menschen auf unserem Planeten ihren Beruf(stitel) verlieren....

4. Zu Alice Schwarzers Kommentar zu den „glückliche Sklaven in den Südstaaten“ kann ich dem unbekannten Facebook-Nutzer nur zustimmen, der sagte, dass „spätestens, als Frau Schwarzer "Vom Winde verweht" als Quelle nutzte“, es eh vorbei war.

Es ist für mich immer wieder erstaunlich, wie leicht es sich sog. Experten machen, vielschichtige Sachverhalte extrem zu vereinfachen, und besonders gerne dann, wenn es um Themen geht, von denen sie erstens wenig Ahnung haben und die sich zweitens weit in der Ferne abspielen oder abgespielt haben.

Man sollte von einer so erfahrenen Medienhure (bitte nicht als Schimpfwort zu verstehen) auch erwarten, dass sie besser vorbereitet sei, als diesen Korken loszulassen: „...aber man kann den Kauf von Frauen und das Verdienst an Frauen von Zuhältern und Menschenrechtlern verbieten“.

Menschenrechtler? Na, da wird doch nicht gleich der nächste Bundespräsident auffliegen? :)

5. Bei allem Verständnis für Regina Brauns emotionale Lage, ihre Unterscheidung zwischen Prostituierten und „wirklichen Frauen“ kann ich nicht gut heissen, auch wenn sie in Internetforen von einzelnen hart angegangen wurde.

Marc-of-Frankfurt, Du schriebst: „In ihrer Position spiegelt sich m.E. die Spaltung der Frauen in Heilige und Huren.“

Das sehe ich auch so, und das ist auch hier in Korea scheinbar das Leitmotiv, wenn es um Hilfe für Sexarbeiterinnen geht. Bist Du ein Opfer (eine Heilige), helfen wir Dir, aber bist Du freiwillig tätig (eine Hure), dann bist Du selbst schuld, wenn Du Leid trägst.

Femina, du kommentiertest, sie wäre weltfremd.

Es kann ein wenig danach klingen, als ob Du ihr ihre Erfahrungen absprechen wolltest. Würdest Du noch einmal genauer dazu Stellung nehmen wollen, was genau Du als weltfremd empfunden hast?

6. Frau Schwarzer war es wohl, die von einer „Frauenlobby in Europa“ und deren „Aktion gegen Prostitution“ sprach, bei der Deutschland als einziges Land nicht mitgewirkt hatte.

Bei Interesse oder Nichtwissen: http://www.womenlobby.org/spip.php?rubrique187

Ich erinnere mich, darüber gelesen zu haben, dass diese Aktion an sich nicht EU-regelkonform ist und gar keine EU-Gelder hätte erhalten dürfen. Weiss jemand mehr darüber?

7. Aus dem Interview mit den Sexarbeiterinnen in Kerala...

Danke, Marc, dass Du mich auf diese Quellen aufmerksam gemacht hast! Die Antworten sind klasse. Ich denke oft über meine eigene Antwort dazu nach, wenn mich jemand fragen sollte, bzw. wenn mich, wie zuletzt, jemand bittet, ich solle doch im Rahmen meiner Forschungsinterviews Sexarbeiterinnen fragen, ob sie als Kinder davon geträumt hätten, einmal Prostituierte zu werden.

Die Rückfrage darauf müsste natürlich sein, ob man denn selbst als Kind von Beruf xyz geträumt hätte, denn die meisten von uns werden ja nicht Piloten, Feuerwehrmänner, Krankenschwestern oder Sängerinnen und dergleichen, und wissen darüberhinaus auch lange nicht viel über Sex oder Berufe in der Sexindustrie.

Aber was die Frage anbetrifft, auf die Herr Rudloff scheinbar unwillkürlich ehrlich antworte, wenn es ihm auch nicht möglich war, sie zu erläutern, möchte ich folgende Antwort geben, und ich wäre sehr daran interessiert, was ihr davon haltet. (Die „Antwort“ ist noch in Arbeit. Das hier ist ein kurzer Entwurf.)

Frage: Was würdest Du denken, wenn Deine Tochter als Prostituierte arbeiten würde?

(Ich lass den hypothetischen Sohn mal weg, damit ich nicht dauernd „sie/er“ etc. schreiben muss, aber es gilt ebenso für einen Sohn.)

Antwort: Ich könnte es unter einem Gesichtspunkt akzeptieren, und der wäre, wenn sie mit der Tätigkeit als Prostituierte ihr eigenes Potential ideal ausnutzen würde, also das täte, für das sie sich am besten geeignet fühlte und worin sie sich so gut wie möglich entfalten könnte. Wünschte ich mir, dass meine Tochter eine andere Tätigkeit ausüben, in einer glücklichen Beziehung leben, und ein insgesamt erfülltes Leben leben würde? Ja, täte ich. Und würde ich versuchen, ihr Alternativen aufzuzeigen? Sicherlich. Aber wäre es meine Entscheidung, was sie mit ihrem Leben anfangen wollte? Nein. Würde ich sie verachten oder verstossen? Nein. (...soweit erstmal.)

Was denkt Ihr über diese Antwort? Ist sie zu negativ gegenüber Sexarbeit?

8. Zurück zu Regina Braun...

Marc-of-Frankfurt sagte: „Gut und berechtigt finde ich das Argument, dass die Existenz vom sozialen Institut der Prostitution quasi die Dominanz der männlichen Sichtweisen und Bedürfnisse auf Sexualität unterstreicht (Konsumerismus von Sex).“

Guter Kommentar, aber wie sieht es mit Kundinnen und Sextouristinnen aus? Was unterstreichen sie?

Ich denke, man kann, wenn es schlicht um Konsumerismus geht, das „männlich“ ruhig streichen. Wenn es um Gewalt geht, ist das eine andere Sache. Eine interessante Studie, von der mir meine Professorin und Freundin schon zweimal berichtete, befand, dass, obwohl Frauen sehr wohl zu ausserordentlicher Gewalt neigen können, sie diese, der umfangreichen Studie zufolge, ausschliesslich gegen ihnen bekannte Menschen ausüben, wohingegen Männer ihnen völlig unbekannte Menschen angreifen. (Wir unterhielten uns darüber im Zusammenhang der Slut Walks. Bitte Geduld, ich werde mich darum bemühen, der Studie habhaft zu werden und sie dann hier als Link einstellen.) Gewalt gegen Frauen und Transgender ist doch das eigentliche Problem, und zwar in der Gesellschaft im Ganzen. Beim Konsumerismus, hingegen, sehe ich noch keinen nachweislichen genderspezifischen Unterschied, ausser dem, dass Frauen weniger Geld verdienen und weniger Machtpositionen ausfüllen – aber das wäre eine eigene Diskussion wert.

„Wir Sexworker wissen z.B., dass wir viele Ehen stabilisieren können, wenn wir der Ehefrau und Familie einen sexuell entspannten Mann zurückgeben.“ [Marc]

Das war ein Punkt, von dem ich mir gewünscht hätte, dass Kyra ihn betont hätte, aber sie schien hauptsächlich eingeladen worden zu sein, um von ihrem eigenen Business-Modell und ihrer persönlichen Gefühlswelt („Ist es für Sie ein Beruf wie jeder andere?“) zu berichten. Schade.

9. Marc-of-Frankfurt zitierte Sabine Constabels Aussage "irgendwann geht in den Jahren des Berufslebens als Sexarbeiterin den Prostituierten die Energie oder Luft aus".

Webseiten und Artikel zum Thema Sex Worker Burnout habe ich schon gefunden. Möchte eventuell eine/r von Euch etwas aus eigener Erfahrung erzählen? Wie geht Ihr damit um, falls Ihr schon einmal an dem Punkt angelangt wart?

Richtig, übrigens, dass Frau Constabel fein übersieht, welche Rolle die sexfeindliche Haltung der katholischen Kirche spielt.
„Es drängt sich abermals der Verdacht auf, dass die Helferindustrie ihr Geld auch deshalb bekommt, weil damit die Außenseiterposition und das Opferbild der Prostitution zementiert weil institutionalisiert werden kann.“ [Marc]

Desgleichen findet im Bereich des Kampfes gegen den Menschenhandel statt. Da fliessen Unsummen, die eher für Verbesserungen in den Quellregionen ausgegeben werden sollten.

Witzig, dass Sabine Constabel im Gruppenphoto hübsch zwischen Herrn Beck und Herrn Rudloff positioniert ist... Der Name Constabel stammt übrigens ursprünglich aus dem Alt-Französischen und bedeutet ‚Gesetzeshüter‘. Prost Mahlzeit!

10. „Wir sollten unsere Lobbying-Kontakte und Öffentlichkeitsarbeit verstärken und professionalisieren d.h. planvoll auf mehrere Schultern verteilen.“ [Marc]

Ich habe Volker Beck gestern auch geschrieben, allerdings via Facebook, und ob er das liest, weiss ich nicht. Da ich mich in Deutschland nicht mehr gross auskenne, wen gibt es noch, die oder der sich in diesem Thema halbwegs auskennt?

11. Zum Thema, wie die Diskussion verlief...

Marc, Du schriebst, dass Kyra ausgehebelt wurde, und dass „Wir Sexworker ... halt nicht die rethorische Praxis mitbringen [können], um in so wilden und unerfreulichen Wortgefechten routiniert mitwirken und bestehen zu können, bzw. verabscheuen es sogar sich auf solche scheinbar-kultivierte Weise zu profilieren.“

Ich finde, dass die Schwarzer, Sabine Constabel und auch Regina Braun wieder mal eine perfekte Vorstellung gegeben haben, dass Prostitutionsgegner Emotionen statt Fakten benutzen. Ich möchte meinen, dass das Leuten nicht entgeht. Es mag so scheinen, dass Volker Beck zu zahm und Kyra im weiteren Verlauf zu still war, und Herr Rudloff, tja, der war ja recht schnell bedient von dem Ton, der in der Diskussion herrschte.

Mir hat aber sehr gefallen, wie Volker Beck andere nur dann unterbrach, wenn etwas extrem falsch dargestellt wurde, dass Kyra über so einiges still lächelte, und dass Herr Rudloff schlicht keine Lust zu haben schien, sich so unzivilisiert zu unterhalten. Insgesamt wirkten die drei auf mich dadurch weitaus besonnener und ihre Argumente stichhaltiger. Aber wie das Laien einschätzen, weiss ich natürlich nicht. Die sollten zumindest gemerkt haben, dass es zu diesen Themen viel mehr zu sagen gibt, als das, was diese doch recht kurze Runde angerissen hat.

Ich hoffe, dass Aoife recht hat, die „einen Großteil der Menschen für ausreichend intelligent [hält] um sich selbst ein Bild zu machen“ und ein Magengeschwür sollte man sich wirklich nicht anärgern.

Annainga schrieb: „die diskussion hat mich ganz schön mitgenommen, dass sexarbeit als so schlimm angesehen wird, so degradiert wird und in den schmutz gezogen wird, das ist schlimm. das fühlt sich sehr schlimm an.“

Danke für Deinen Kommentar. Frau Schwarzer behauptete ja, sie wäre an der Seite jeder Frau. Mich würde interessieren, wie sie auf Deine Aussage reagieren würde.

Malin schrieb: „was mich bei all diesen sendungen zum thema massiv stört, ist der ewig gleiche ablauf in nahezu identischer besetzung. ... dann quasseln alle durcheinander, fallen sich gegenseitig ins wort und am schluss hat keiner dem anderen wirklich zugehört. ... und bei keiner der sendungen die ich je gesehen habe kam auch nur mit einem wort zur sprache, wie belastend und traumatisierend für die betroffenen frauen eigentlich die soziale ausgrenzung, die rechtlichen unklarheiten und die zum teil menschenverachtende polizeiliche willkürpraxis im (arbeits)alltag ist.“

Treffend zusammengefasst. Einen wirklichen Einblick in diese Thematik könnte wohl nur eine Art Dokumentarfilm liefern, und der liefe dann höchstens bei arte. Wäre der 2. Juni vielleicht eine Gelegenheit eine so grosse Aktion zu organisieren, dass man das Thema ordentlich behandeln könnte, am besten mit einer Besetzung ausserhalb des üblichen Dunstkreises?

Lady Tanja, Du kommentiertest, „Ich habe in dem Moment die Segel gestrichen, als Frau Schwarzer keifend Herrn Beck mit folgendem Satz ins Wort fiel: ‚Nun lassen Sie mich gefälligst ausreden!‘“

Ein starkes Stück, dass die Schwarzer Herrn Beck direkt davor pausenlos unterbrach, es sich dann aber herausnahm, ihn zu belehren. Nächstes Mal gerne ohne Frau Schwarzer...

„Eine Lesbe [Alice Schwarzer] streitet mit einem Schwulen [Volker Beck] über heterosexuelle Prostitution“ schrieb Volker via Twitter. [Marc]

Danke, den Satz hatte ich vorher nicht gesehen. :)

12. „Erstaunlich wie viele Studiofotos von der Maischberger-Produktion der Artikel in der Welt hat. Da scheint es einen richtigen schwunghaften Foto-Handel (mit Sexworker Fotos) zu geben. [Marc]

Ich hatte zu Beginn des Fundraisers für mein Forschungsprojekt ein Foto einer Sexarbeiterin in Südkorea verwendet (mit Zustimmung des Fotografen), dabei aber den Augenbereich pixelisiert. URL: http://tinyurl.com/7p94c7a

Wie steht Ihr zum Thema Fotos von Sexarbeiter/innen?

13. „Und der Markt der Sexarbeiter genießt nunmal keinen Schutz wie etwa der von Bezirksschornsteinfegermeistern und Ärzten.“ [Marc]

Bezirksschornsteinfegermeister? Hehe, sehr schön. :)

14. „Genau das haben die Sexworker in Padua, Italien 2007 gemacht mit einem ‚Dienst-Abzeichen‘ für Gratis-Sexservice.“ [Marc]

Spannend. Danke für den Hinweis.

Aoif, Du schriebst, „Die Intimsphäre wird durch eventuelle Geldflüsse keineswegs weniger intim - sondern umgekehrt, Geldflüsse im Rahmen der Intimsphäre sind kein legitimes Objekt öffentlichen Interesses.“

Ich würde gerne mehr lesen zu dem Thema, warum Geld so eine grosse Rolle spielt und z.B. als Beweis der Objektifizierung angeführt wird. Könntest Du mir Material dahingehend empfehlen?

15. „Was mich an meinem Beruf manchmal wirklich stört und an meinen Nerven zehrt, sind NICHT die Gäste. Die Gäste sind nämlich in ihrer Mehrzahl respektvoll, nett, und wissen meine Dienstleistung zu schätzen. ... Was mich wirklich nervt, sind die Faker! ... Das geht mir an die Substanz, wenn ich einen schlechten Tag habe. Dann fühle ich mich ausgeliefert, hilf- und machtlos.“ [Lady Tanja]

Das gehört gehört. Ich würde Deine Aussage zu einem späteren Zeitpunkt gerne verwenden. Wäre das möglich?

„...kostenlose erotische Gesprächszeit ... erschleichen ... = erotischer Schwarzfahrer“ [Marc]

Fies. Das war mir, wie noch zu vieles aus dem Arbeitsalltag von Sexarbeiter/innnen, nicht bekannt. Was glaubst Du, ist der Hauptauslöser dafür? Schlichtweg Geiz?

16. Ariane, Du schriebst, dass es es „für Journalisten keine Anlaufstation [gibt] für kompetente Sexworker (z.B. Öffentlichkeitsarbeit einer Interessenvertretung), die bereit sind, sich kompetent zu ihrem Job zu äussern, zu rechtlichen Fragen etc. Auskunft zu geben.“

Gibt es sie nicht oder nutzen Journalisten sie nicht? Wenn ich mit Projekten von Sexarbeiter/innen in Kontakt treten kann, warum können Journalisten es nicht? Oder meintest Du hauptsächlich, dass niemand gerne vor der Kamera etwas dazu sagen möchte? Da gibt es doch Möglichkeiten, das zu umgehen, und trotzdem an Diskussionen teilzunehmen.

Richtig ist, dass die allermeisten Journalisten über zu wenig Ressourcen verfügen und zum Schluss die Redaktion entscheidet. Ich habe hier in Südkorea u.a. von einem Fall erzählt bekommen, bei dem ein Fernsehteam eine Sexarbeiterin nötigte, in einem Bordell den Abwasch zu machen, obwohl sie erklärte, dass das absolut nicht zu ihrem Arbeitsalltag gehört. Das Team machte aber so viel Druck, dass sie schliesslich leider nachgab, und so hatten sie dann das Image im Kasten, das sie verkaufen wollten. Ich bin zumeist sehr höflich und werde nie handgreiflich, aber ich hätte so einem Team gerne das Abwaschwasser über ihre Kameras gegossen.

17. Annainga, Du sagtest zu dem Zitat "der freier sieht die frauen nur als stück fleisch mit loch", dass es deutlich macht, mit welchen Mitteln diese Prostitutionsgegnerinnen handeln. „auch ein zitat ist nicht wertfrei, die frauen setzen es sehr berechnend ein, um den ekel vor den freiern und der dienstleistung, den sie empfinden zu zeigen. ... sprache kann gewalt sein.“

Dem kann ich nur zustimmen. Ich habe für mein Projekt eine Analyse über die Rhetorik von Prostitutionsgegnern geschrieben. Bei Interesse, URL: http://tinyurl.com/7omqmy4

18. Aoife, danke Dir für den Hinweis auf die Zürichstudie.

19. Prostitution sei kein Lehrberuf. Was hab ich mich doch darüber aufgeregt. Diese Ausbildung dauert Jahre. Mit allem, was dazugehört. [Femina]

Treffend bemerkt. Es gibt auch andere Berufe, in der Erwerb einer Arbeitstätigkeit außerhalb anerkannter Berufsausbildungen stattfindet. Spontan fällt mir dazu der Beruf ein, in dem ich selbst lange Jahre tätig war, nämlich der des Filmvorführers/Multimedia Projectionist.

20. Aoife schrieb über Feminismus...

„‚Feminismus‘ ist ja nur der irreführenden Wortbedeutung nach eine Bewegung für Frauenrechte - tatsächlich handelt es sich um eine Bewegung, die allen Frauen das Glaubenssystem der weißen angelsächsischen protestantischen Mittel-/Oberschicht aufzwingen will. Tatsächlich haben die Frauen der ersten Emanzipationsbewegung ja keineswegs weibliche Berufstätigkeit erkämpft - sie haben vielmehr die vorbestehenden Berufsmöglichkeiten gekapert und so umgeformt, dass sie mit den absurden Moralvorstellungen von middle/upper class WASPs (white anglo-saxon protestants) vereinbar wurden. Und sie somit für andere, nicht aus diesen Klassen stammende und dieses Wertesystem akzeptierende verunmöglicht - eine wahrhaft tolle Leistung.“

Gut gebrüllt, Löwin. Werde diesen Standpunkt mal mit meiner Professorin erörtern und berichten, was sie dazu meint. (Sie ist eine WAS...ohne P und Feministin, was ja beides nicht schlecht sein muss.)

...so, das war’s erstmal. *uff*

Liebe Grüsse an Euch alle. Ich freue mich auf Eure Reaktionen.