Mal eine interessante Vorgehensweise der Polizei :
Anfang 2007 verstärkte die Polizei ihre schikanösen Kontrollen in den Frankfurter Bordellvierteln. Die Abteilung K 65 der Frankfurter Polizei, zuständig für die Bekämpfung der organisierten Kriminalität, forderte die Sexarbeiterinnen auf, Gewerbeanmeldungen, Freizügigkeits- und Meldebescheinigungen sowie Steuernummern vorzuweisen. Sollten sie eine oder mehrere dieser Unterlagen nicht vorweisen können, wurde ihnen ein so genannter ‚Platzverweis’ erteilt oder aber für das kommende Mal angedroht. Für die Prostituierten kommt dies einem zeitlich begrenzten Berufsverbot gleich.
Diesmal ging es aber nicht um Abschiebungen, sondern um Amtshilfe für den Fiskus. Denn betroffen waren überwiegend EU-Bürgerinnen aus Osteuropa. Die Polizei nahm es mit der Legalität nicht so genau, insbesondere als sie die Frauen unter Einsatz von Druckmitteln aufforderte, beim örtlichen Gewerbeamt die Anmeldung eines Gewerbes vorzunehmen. Dabei ist Prostitution (gewerbe-)rechtlich gesehen gar kein Gewerbe.
Zwar braucht, wer ein Gewerbe ausübt, hierzulande eine Gewerbeanmeldung. Allerdings nur, wenn die betreffende Tätigkeit auch als Gewerbe anerkannt wird. Das ist bei Prostitution jedoch nicht der Fall.
Selbständige Erwerbstätigkeit in der Prostitution gilt laut der Bund-Länder-Kommission für Gewerberecht nicht als gewerbliche Tätigkeit. Im Finanzrecht wird Prostitution sogar weiterhin als ‚Gewerbsunzucht‘ eingestuft. Diese eindeutige Rechtslage hinderte die K 65 nicht daran, ausländische Prostituierte so einzuschüchtern, dass diese ihr – oder vielmehr ein – ‚Gewerbe‘ beim örtlichen Gewerbeamt registrieren ließen.
Genötigt und erpressbar
Diese Polizeipraxis wertet Doña Carmen
www.donaCarmen.de als Nötigung. Denn die Polizei verlangt von den betroffenen Frauen, eine im Prinzip gar nicht mögliche Gewerbeanmeldung vorzunehmen. Zudem wurde ihnen im Zusammenspiel mit dem Gewerbeamt,
in Kenntnis ihrer Tätigkeit als Prostituierte, Phantasie-Gewerbeanmeldungen als ‚Tänzerin‘, ‚Masseuse‘ etc. ausgestellt.
Diese Gewerbeanmeldungen erfolgten sinnigerweise auf die Adressen der einschlägig bekannten Frankfurter Bordelle.
Die Polizei ließ sich die offenkundig falschen Gewerbeanmeldungen bei ihren Kontrollen in den Etablissements von den BordellbetreiberInnen zeigen und teilweise in Kopie aushändigen. Solche Gewerbeanmeldungen bedeuten aber nichts anderes, als dass die Behörden Falschangaben billigend in Kauf nehmen. Binnen weniger Monate lagen Doña Carmen Dutzende solcher Phantasie-Gewerbeanmeldungen von Prostituierten vor. So waren diese jederzeit durch die Polizei erpressbar. Sie wurden gezielt in eine rechtliche Grauzone getrieben. Denn Falschangaben bei Gewerbeanmeldungen können mit Bußgeldern in Höhe von 500 bis 1000 Euro belegt werden.
Doch darum ging es der rührigen Abteilung für organisierte Kriminalität nicht in erster Linie. Man wollte vielmehr die Frauen über den kreativen Trick mit der Gewerbeanmeldung in Frankfurt einkommenssteuerpflichtig machen, um im nächsten Schritt einen Vorwand für gemeinsame Razzien von Polizei und Finanzbehörden zu haben. Wie wir darauf kommen?
Das Geschäft mit den Steuern
Während Gewerbesteuer dort erhoben wird, wo ein Gewerbe betrieben wird, wird die für den Staat weitaus lukrativere Einkommenssteuer bei selbständig tätigen MigrantInnen nicht automatisch vor Ort, sondern in der Regel in deren Heimatland entrichtet. So regeln es die
Doppelbesteuerungsabkommen der Bundesregierung mit den jeweiligen Herkunftsländern.
Davon kann aber unter bestimmten Bedingungen abgewichen werden. In den meisten Doppelbesteuerungsabkommen findet sich ein stets ähnlich lautender Passus bezogen auf selbständige Arbeit. In
Artikel 14 des Abkommens mit Rumänien heißt es beispielsweise:
- „Einkünfte, die eine in einem Vertragsstaat ansässige natürliche Person aus einem freien Beruf oder aus sonstiger selbständiger Tätigkeit bezieht, können nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, dass der Person im anderen Vertragsstaat für die Ausübung ihrer Tätigkeit gewöhnlich eine feste Einrichtung zur Verfügung steht. Steht ihr eine solche feste Einrichtung zur Verfügung, so können die Einkünfte im anderen Staat besteuert werden, jedoch nur insoweit, als sie dieser festen Einrichtung zugerechnet werden können.”
Damit ist klar:
Mit den erzwungenen Gewerbeanmeldungen auf die Adresse der Bordelle, die als „feste Einrichtung” gelten dürften, verschafft sich der hiesige Fiskus nicht nur den Zugriff auf die Gewerbesteuer, sondern auf die komplette Einkommensteuer der Prostituierten.
Sollten sie ihre Einkommensteuer aber nicht hier entrichten, hätte die Ausländerbehörde ein neues Druckmittel für eine Ausweisung der Betroffenen in der Hand. Die Polizei hätte mehr Vorwände für zukünftige Kontrollen und Razzien gegenüber Prostituierten.
Seit Februar 2007 organisiert Doña Carmen deshalb den Widerstand gegen diese Praxis der Frankfurter Polizei- und Ordnungsbehörden. Vorerst mit
Erfolg, denn seit Ende März verzichtet die Polizei nach Anweisung von oben auf derartige Schikanen. Zunächst informierte Doña Carmen die Öffentlichkeit. Sämtliche Frankfurter Stadtverordnete wurden angeschrieben. Mehrere Parteien - darunter SPD und die Flughafenausbaugegner (FAG) - signalisierten Unterstützung bei der Aufklärung.
http://www.reflect-online.org/magazin/a ... t-am-main/
LG Melly
Antwort des Frankfurter Magistrat:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=23152#23152