Kein Sex gegen Geld:
Kann man Prostitution abschaffen? Darüber wird derzeit in vielen europäischen Ländern diskutiert. Die Schweden haben längst den Versuch gestartet: Käufliche Liebe ist seit zwölf Jahren verboten. Freier riskieren sogar Gefängnisstrafen. Deutschland geht den genau umgekehrten Weg. Am besten schütze man die Frauen, wenn das Rotlicht ganz legal sei, meint man hier. Und in Österreich? Bei uns gibt es weder eine klare Linie noch eine nennenswerte Debatte – dafür aber neun unterschiedliche Landesgesetze. Was aber ist nun eigentlich der bessere Weg: Alles erlauben oder kein Sex mehr gegen Geld?
Christine Grabner und Patrice Fuchs haben sich angesehen, wie die beiden Modelle in der Realität funktionieren. Ist die Prostitution tatsächlich aus Stockholm verschwunden? Und arbeiten in den deutschen Bordellen wirklich selbstbestimmte Prostituierte?
http://tvthek.orf.at/programs/1239-Am-S ... Schauplatz
Sehr tendenziöser Bericht: Eine offensichtlich heroinabhängige Frau wird als Beispiel für nicht-selbstbestimmte Sexarbeit porträtiert.
Der schwedische Protagonist wird vom TV-Team nicht geschützt, denn der Kauf von Sex gilt für die Schweden weltweit!
Ein Volk mit nicht mal 10 Millionen Einwohner, sehr ländlich geprägt mit gerade mal 2.500 Sexarbeiterinnen 1999.
Freier brfauchen Therapie - das ist schwedische Sichtweise. Männer werden als gewalttätige Monster dargestellt.
Wenigstens konnte "KOBER" in Dortmund ein paar Vorurteile entkräften, schaute für mich aber mehr nach Alibi der Filmemacher aus.
ORF 2 Schauplatz 11.11.11
-
- verifizierte UserIn
- Beiträge: 2968
- Registriert: 27.04.2008, 15:25
- Ich bin: Keine Angabe
ORF 2 Schauplatz 11.11.11
Auf Wunsch des Users umgenannter Account
-
- SW Analyst
- Beiträge: 14095
- Registriert: 01.08.2006, 14:30
- Ich bin: Keine Angabe
Mein Kommentar
Christine Grabner und Patrice Fuchs haben in ihrer Anti-Doku "Kein Sex gegen Geld" interessante und viele Eindrücke gesammelt. Dennoch bleibt auch dieser Film nur eine einseitige Selektion. Der Titel verrät, dass es auch so gemeint ist. Die zahllosen positiven Bereiche, Arbeitsweisen und Sexworker werden schlicht nicht erwähnt, sondern eher verleugnet, bzw. man spricht ihnen Existenz oder Wahrhaftigkeit ab. Prostitution als gesellschaftliche Negativ-Folie des Unstatthaften. Hier ist meiner Meinung nach klar erkennbar die Putophobie (die Sexwork(er)feindlichkeit) unterschwellig wirksam, weil die Hure das kulturelle Anti-Bild zur Frau darstellt, so wie der Homo zum Manne. Die herrschenden Rollenbilder prägen unsere Wahrnehmung und haben auch dieses journalistische Machwerk voll im Griff.
Solch ein mediales-gesellschaftliches hegemoniales Vorgehen führt dann aber nach Manier selbsterfüllende Prophezeiung in Richtung der beklagten negativen bis ausbeuterischen Verhältnisse. Ein Teufelskreis.
Wenn schon anerkannt wird, dass es das Problem der Geschlechterunterschiede und Machtunterschiede gibt, so muß die Folge sein, nicht das was sich eh nicht verbieten läßt zu kriminalisieren und in den ungeschützen sozialen Untergrund zu verdrängen, sondern zu Entkriminalisieren und in Strukturen zu führen, wo die Machtunterschiede gezähmt werden, damit sich die Geschlechter, die Menschen auf Augenhöhe begegnen können. Genau das ist die Aufgabe und Leistung eines öffentlichen Ideal-Bordells. Das ist z.B. die Erfindung von "Marktplatz" oder "Parlament", beides befriedete, strukturierte Räume. Der Straßenstrich und bekämpfte Flatrateclubs ohne legalen Rahmen und ohne institutionalisierte Gewerkschaftsvertretung sind wilder Westen! Wer sich da wundert, dass schlechte Bedingungen zu finden sind, ist einfach nur scheinheilig und falsch.
Was kann aber eine Sendung z.B. über den Beruf Sexworker herausbekommen können, wenn drogengebrauchende Frauen befraget werden, die Überlebens-Sexualität praktizieren? (Via Türöffner zivilgesellschaftliche Hilfsorganisation, die TV-Berichte als PR und für ihre Jahresberichte gut brauchen können, und daher zum fragwürdigen Deal mit Medienleuten bereit sind.)
Das ist so, als würde ich wissen wollen wie Gold- und Schmuckhändler arbeiten und leben und dann befrage ich einen Hehler im Nachtleben.
Was kann ein TV-Team ausgewogenes herausbekommen, wenn in einem Land primär Prostitutionsgegner kontaktiert werden, was in Schweden Teil der Staatsräson ist? Auch die Antropologin Laura Agustin warnt vor unreflektierten Karavanen nach Schweden.
Was kann herauskommen, wenn christliche Hilfsvereine ein Forum bekommen, die von Hause aus fundamental gegen selbstbestimmte Prostitution als Beruf sein müssen? Um so überraschender die positiven Statements und engagierte Frauendiskussionsrunde bei KOBER in Dortmund.
Ganz anders die m.E. letztlich prostitutionsfeindlichen Statements von Gisela Zohren, Beraterin bei der Dortmunder Mitternachtsmission. Sie betätigt sich zwar als Gatekeeper und Türöffner zu legalen, kontrollierten, frauengeführten Clubs und spricht auch mutig über ihre eigene langjährige Vergangenheit als Domina, aber hat bedingt durch ihre eigene Biographie eine tiefsitzende Abscheu gegen ihr eigenes damaliges Tun-Müssen und damit die Branche insgesamt. Es ist sehr schmerzhaft mitansehen zu müssen, dass Gisela Zohren von der Mitternachtsmission so häufig schlechte Presse produziert, sich im Netzwerk mit Sexworkern aber häufig ganz anders äußert und immer noch Mitglied bei www.bufas.net ist, wo sie insbesondere in Erinnerung ist, dort die Position der Sexworker auf eine nicht stimmberechtigte Rolle am Katzentisch (Beirat) beschnitten zu haben. Ihr evangelische "Firma" hat eine lange arbeit-ausbeutende Historie und hat auch im Jahre 2011 erneut gegen Streikrecht für Arbeiter in der Diakonie gestimmt. Schande über solche Pseudo-Hilfe für Arbeiter der Sexarbeitsbranche.
Wenn die grundsätzliche Prämisse schon einseitig ist, mißlingt oft das ganze Projekt und wird zur Farce. Es erzeugt mehr dia-bolische Trennung denn Verständigung.
Dennoch ist es gut wenn Mißstände beobachtet und benannt werden, wie z.B. die Quasi-Verpflichtung zu unsafer Sex (d.h. Oralverkehr ohne Kondom oder Dental Dam) im FKK-Club. Gezeigtes wird Artemis Berlin. Aber auch hier kann man sagen:
- das Risiko ist kalkulierbar-begrenzter und minder schwer. Die unheilbare Krankheit HIV/AIDS überträgt sich so i.A. nicht. Andere STDs sind heilbar oder sogar durch Impfung vorbeugbar. Je nach konkreter Arbeitsweise kann das Riskiko weiter reduziert werden. Wer zusätzlich gute Gesundheitsversorgung organisiert bekommt, kann sich also rel. gut schützen. Ferner gilt:
- es wird keiner gezwungen in diesen Clubs die Arbeit aufzunehmen und diese Hausregel oder Kundschaftswünsche werden transparent kommuniziert. Damit werden zudem interne Konflikte und Wettbewerbsunterschiede minimiert...
(Dass man die Männer aufklären und erziehen kann auch mit safer Sex und Kondom zur vollsten Befriedigung zu gelangen steht auf einem anderen Blatt. Aber auch da greifen Tabus. Die könnten bei Schwulensaunen ganz schön was lernen. Aber das ist schon wieder ein Tabu:)
Oder noch krasser die AO-Praxis für 80 Euro am Straßenstrich in Berlin. Ob allerdings ein mündlicher mit versteckter Kamera gefilmter Vertragsabschluß schon ein Beweis ist, ist fraglich. Und die Methode ist illegal. Ein Unternehmer würde juristische Schritte gegen solch einen Kameramann einleiten, wenn er davon erführe. Sexworker sollen zu solchen starken Unternehmer_innen gemacht werden (Empowerment). Evt. versteht sich die Sexarbeiterin aber auch auf "Fall bauen". Wir werden es nicht mehr erfahren können.
Straßenstrich wird in der Doku über Gebühr abgebildet wie so oft, weil es halt die sichtbarste Form ist, und die am kontroversesten in der Öffentlichkeit diskutiert wird. Und wird eben auch in Wien diskutiert, was letztlich der Auslöser oder Aufhänger des Films war.
Das ist so, als würde man zum Problemfeld Drogenkonsum und Sucht nur Junkies und Dealer von der Straße ins Visier nehmen, aber das größte gesellschaftliche Thema Alkoholsucht ... oder das verbreitete Koksen unter Führungspersonal unerwähnt lassen.
Das ist wie meistens nicht evidenzbasierte Information durch Geschichtenerzählen von isolierten Fakten, die man halt bekommen konnte, oder die hohe emotionale Sendequalität haben. Politik sollte aber nicht auf moralischen Werturteilen, sondern auf wissenschaftlichen Fakten basieren. Diese sachlich daherkommende Doku unterläuft dieses Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip. Man sollte sich darüber streiten, ob Prostitution oder solche Dokus sozialschädlicher und gefährlicher sind.
Faire, verantwortungsvolle Aufklärung müßte zunächst mit einer statistisch validen Einschätzung der Gesamtlage beginnen: "Weniger als ca. 25% Sexworker arbeiten auf der Straße, wofür folgender Fall ein isoliertes Beispiel ist...".
Straßenprostitution wird darüberhinaus stark mit Sucht assoziert. Hier ist die Quote armer, sexsüchtiger oder milieusüchtiger Kunden schlicht erhöht [Encyclopedia Of Prostitution And Sex Work, pp.51, 504].
Das ist so als wenn bei einer Doku über Lebensmittelkonsum oder Gastronomie nur Binge Eater interviewt werden. Wer kommt schon darauf, dass Auswärts-Essen gegen Geld im Restaurant, welches nicht für den eigenen Liebsten vom Lebenspartner und Familienangehörigen gekocht wurde, von minderer Qualität sei? Aber bei Sex soll das unhinterfragt normativ gelten? So ein moralisierender Unsinn und darüberhinaus schlechter Stil O-Töne im Stammtischniveau von dahergelaufenen Straßenpassanten einzuspielen. Reines Unterhaltungs-Format mit Identifikationsflächen, nachgemacht wegen dem schlechten prägenden Einfluß der Boulevardmagazine, die letztlich genau nur den Geld- und Marktgesetzen folgen, was man Sexworkern und Prostitution vorwirft.
Dabei ist das von vielen unverstandene Wesen der sozialen Institution Prostituton die ermöglichte Trennung von Sex und Liebe! Das macht es aus Sicht vieler Sexworker erst zum Feld unserer Dienstleistungskunst und Profession... Und manche finden darin ihre Berufung, blühen auf oder werden ganz schön erfolgreich und reich... Aber in solchen Sendungen, die vom Ansatz schon schief liegen und es bekämpfen, wollen wir nicht verwurstet oder vorgeführt werden! Weil Gesellschaft und Medien geneigt sind selbstbewußte Sexworker als Täter zu sehen und in die Schamecke zwingen wollen und Haßtaten gegen sie immer noch dulden..., suchen wir uns unsere Kunden, Tätigkeitsfelder und Freundesnetzwerke woanders. Dialog und faire Einblicke sind von solchen Produktionen nicht zu erwarten. Chance für Dialog, Inklusion und Empowerment vertan.
> "Christine Grabner und Patrice Fuchs haben sich angesehen, wie die beiden Modelle in der Realität funktionieren."
"Thema verfehlt" würde der Lehrer sagen, wenn die Doku ein Schulprojekt wäre.
So entlarvt sich der Film als reine Propaganda. Und das auf einem öffentlich-rechtlichen Sender. Wenn das mal kein re-traumatisierender Schock für viele oft ausgegrenzten Sexworker ist.
It gets better
[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=9im8sQrM-4U[/youtube]
Solch ein mediales-gesellschaftliches hegemoniales Vorgehen führt dann aber nach Manier selbsterfüllende Prophezeiung in Richtung der beklagten negativen bis ausbeuterischen Verhältnisse. Ein Teufelskreis.
Wenn schon anerkannt wird, dass es das Problem der Geschlechterunterschiede und Machtunterschiede gibt, so muß die Folge sein, nicht das was sich eh nicht verbieten läßt zu kriminalisieren und in den ungeschützen sozialen Untergrund zu verdrängen, sondern zu Entkriminalisieren und in Strukturen zu führen, wo die Machtunterschiede gezähmt werden, damit sich die Geschlechter, die Menschen auf Augenhöhe begegnen können. Genau das ist die Aufgabe und Leistung eines öffentlichen Ideal-Bordells. Das ist z.B. die Erfindung von "Marktplatz" oder "Parlament", beides befriedete, strukturierte Räume. Der Straßenstrich und bekämpfte Flatrateclubs ohne legalen Rahmen und ohne institutionalisierte Gewerkschaftsvertretung sind wilder Westen! Wer sich da wundert, dass schlechte Bedingungen zu finden sind, ist einfach nur scheinheilig und falsch.
Was kann aber eine Sendung z.B. über den Beruf Sexworker herausbekommen können, wenn drogengebrauchende Frauen befraget werden, die Überlebens-Sexualität praktizieren? (Via Türöffner zivilgesellschaftliche Hilfsorganisation, die TV-Berichte als PR und für ihre Jahresberichte gut brauchen können, und daher zum fragwürdigen Deal mit Medienleuten bereit sind.)
Das ist so, als würde ich wissen wollen wie Gold- und Schmuckhändler arbeiten und leben und dann befrage ich einen Hehler im Nachtleben.
Was kann ein TV-Team ausgewogenes herausbekommen, wenn in einem Land primär Prostitutionsgegner kontaktiert werden, was in Schweden Teil der Staatsräson ist? Auch die Antropologin Laura Agustin warnt vor unreflektierten Karavanen nach Schweden.
Was kann herauskommen, wenn christliche Hilfsvereine ein Forum bekommen, die von Hause aus fundamental gegen selbstbestimmte Prostitution als Beruf sein müssen? Um so überraschender die positiven Statements und engagierte Frauendiskussionsrunde bei KOBER in Dortmund.
Ganz anders die m.E. letztlich prostitutionsfeindlichen Statements von Gisela Zohren, Beraterin bei der Dortmunder Mitternachtsmission. Sie betätigt sich zwar als Gatekeeper und Türöffner zu legalen, kontrollierten, frauengeführten Clubs und spricht auch mutig über ihre eigene langjährige Vergangenheit als Domina, aber hat bedingt durch ihre eigene Biographie eine tiefsitzende Abscheu gegen ihr eigenes damaliges Tun-Müssen und damit die Branche insgesamt. Es ist sehr schmerzhaft mitansehen zu müssen, dass Gisela Zohren von der Mitternachtsmission so häufig schlechte Presse produziert, sich im Netzwerk mit Sexworkern aber häufig ganz anders äußert und immer noch Mitglied bei www.bufas.net ist, wo sie insbesondere in Erinnerung ist, dort die Position der Sexworker auf eine nicht stimmberechtigte Rolle am Katzentisch (Beirat) beschnitten zu haben. Ihr evangelische "Firma" hat eine lange arbeit-ausbeutende Historie und hat auch im Jahre 2011 erneut gegen Streikrecht für Arbeiter in der Diakonie gestimmt. Schande über solche Pseudo-Hilfe für Arbeiter der Sexarbeitsbranche.
Wenn die grundsätzliche Prämisse schon einseitig ist, mißlingt oft das ganze Projekt und wird zur Farce. Es erzeugt mehr dia-bolische Trennung denn Verständigung.
Dennoch ist es gut wenn Mißstände beobachtet und benannt werden, wie z.B. die Quasi-Verpflichtung zu unsafer Sex (d.h. Oralverkehr ohne Kondom oder Dental Dam) im FKK-Club. Gezeigtes wird Artemis Berlin. Aber auch hier kann man sagen:
- das Risiko ist kalkulierbar-begrenzter und minder schwer. Die unheilbare Krankheit HIV/AIDS überträgt sich so i.A. nicht. Andere STDs sind heilbar oder sogar durch Impfung vorbeugbar. Je nach konkreter Arbeitsweise kann das Riskiko weiter reduziert werden. Wer zusätzlich gute Gesundheitsversorgung organisiert bekommt, kann sich also rel. gut schützen. Ferner gilt:
- es wird keiner gezwungen in diesen Clubs die Arbeit aufzunehmen und diese Hausregel oder Kundschaftswünsche werden transparent kommuniziert. Damit werden zudem interne Konflikte und Wettbewerbsunterschiede minimiert...
(Dass man die Männer aufklären und erziehen kann auch mit safer Sex und Kondom zur vollsten Befriedigung zu gelangen steht auf einem anderen Blatt. Aber auch da greifen Tabus. Die könnten bei Schwulensaunen ganz schön was lernen. Aber das ist schon wieder ein Tabu:)
Oder noch krasser die AO-Praxis für 80 Euro am Straßenstrich in Berlin. Ob allerdings ein mündlicher mit versteckter Kamera gefilmter Vertragsabschluß schon ein Beweis ist, ist fraglich. Und die Methode ist illegal. Ein Unternehmer würde juristische Schritte gegen solch einen Kameramann einleiten, wenn er davon erführe. Sexworker sollen zu solchen starken Unternehmer_innen gemacht werden (Empowerment). Evt. versteht sich die Sexarbeiterin aber auch auf "Fall bauen". Wir werden es nicht mehr erfahren können.
Straßenstrich wird in der Doku über Gebühr abgebildet wie so oft, weil es halt die sichtbarste Form ist, und die am kontroversesten in der Öffentlichkeit diskutiert wird. Und wird eben auch in Wien diskutiert, was letztlich der Auslöser oder Aufhänger des Films war.
Das ist so, als würde man zum Problemfeld Drogenkonsum und Sucht nur Junkies und Dealer von der Straße ins Visier nehmen, aber das größte gesellschaftliche Thema Alkoholsucht ... oder das verbreitete Koksen unter Führungspersonal unerwähnt lassen.
Das ist wie meistens nicht evidenzbasierte Information durch Geschichtenerzählen von isolierten Fakten, die man halt bekommen konnte, oder die hohe emotionale Sendequalität haben. Politik sollte aber nicht auf moralischen Werturteilen, sondern auf wissenschaftlichen Fakten basieren. Diese sachlich daherkommende Doku unterläuft dieses Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip. Man sollte sich darüber streiten, ob Prostitution oder solche Dokus sozialschädlicher und gefährlicher sind.
Faire, verantwortungsvolle Aufklärung müßte zunächst mit einer statistisch validen Einschätzung der Gesamtlage beginnen: "Weniger als ca. 25% Sexworker arbeiten auf der Straße, wofür folgender Fall ein isoliertes Beispiel ist...".
Straßenprostitution wird darüberhinaus stark mit Sucht assoziert. Hier ist die Quote armer, sexsüchtiger oder milieusüchtiger Kunden schlicht erhöht [Encyclopedia Of Prostitution And Sex Work, pp.51, 504].
Das ist so als wenn bei einer Doku über Lebensmittelkonsum oder Gastronomie nur Binge Eater interviewt werden. Wer kommt schon darauf, dass Auswärts-Essen gegen Geld im Restaurant, welches nicht für den eigenen Liebsten vom Lebenspartner und Familienangehörigen gekocht wurde, von minderer Qualität sei? Aber bei Sex soll das unhinterfragt normativ gelten? So ein moralisierender Unsinn und darüberhinaus schlechter Stil O-Töne im Stammtischniveau von dahergelaufenen Straßenpassanten einzuspielen. Reines Unterhaltungs-Format mit Identifikationsflächen, nachgemacht wegen dem schlechten prägenden Einfluß der Boulevardmagazine, die letztlich genau nur den Geld- und Marktgesetzen folgen, was man Sexworkern und Prostitution vorwirft.
Dabei ist das von vielen unverstandene Wesen der sozialen Institution Prostituton die ermöglichte Trennung von Sex und Liebe! Das macht es aus Sicht vieler Sexworker erst zum Feld unserer Dienstleistungskunst und Profession... Und manche finden darin ihre Berufung, blühen auf oder werden ganz schön erfolgreich und reich... Aber in solchen Sendungen, die vom Ansatz schon schief liegen und es bekämpfen, wollen wir nicht verwurstet oder vorgeführt werden! Weil Gesellschaft und Medien geneigt sind selbstbewußte Sexworker als Täter zu sehen und in die Schamecke zwingen wollen und Haßtaten gegen sie immer noch dulden..., suchen wir uns unsere Kunden, Tätigkeitsfelder und Freundesnetzwerke woanders. Dialog und faire Einblicke sind von solchen Produktionen nicht zu erwarten. Chance für Dialog, Inklusion und Empowerment vertan.
> "Christine Grabner und Patrice Fuchs haben sich angesehen, wie die beiden Modelle in der Realität funktionieren."
"Thema verfehlt" würde der Lehrer sagen, wenn die Doku ein Schulprojekt wäre.
So entlarvt sich der Film als reine Propaganda. Und das auf einem öffentlich-rechtlichen Sender. Wenn das mal kein re-traumatisierender Schock für viele oft ausgegrenzten Sexworker ist.
It gets better
[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=9im8sQrM-4U[/youtube]