Papstbesuch 2011 in Berlin-Erfurt-Freiburg

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Aoife
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Re: Theologen zum Papstbesuch

Beitrag von Aoife »

Vielen Dank, lieber Marc, für diese wichtigen Texte!

Genau dieses:

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Marc of Frankfurt hat geschrieben:Wer soll definieren, was die Natur des Menschen ist, was den Menschen zum Menschen macht? Kein außenstehender Beobachter kann die Gerechtigkeit einer pluralen Gesellschaft situationsfern buchstabieren. Gerechtigkeit muss in öffentlicher Auseinandersetzung und Verständigung gesucht werden.
ist ja, worum auch wir uns bemühen.

Letztlich kann nur der Mensch selbst seine Natur definieren. Im absoluten Sinn, der Mensch hat da noch weit mehr Definitionsrecht als er es beispielsweise in der Demokratie zugesprochen bekommt, die ja sich selbst für wichtiger hält als den Menschen (siehe Algerien und die Nationale Heilsfront).

Und hier scheinen mir ohne in irgendeiner Weise rassistisch wirken zu wollen einfach Unterschiede zwischen verschiedenen Menschengruppen gegeben zu sein. So entsteht der Eindruck, dass im mediterranen Raum man doch stark dazu neigt sich darüber zu definieren, wie man von dem ideologischen Außen definiert wird, gerade in diesem Verzicht auf das eigene natürliche Definitionsrecht das typisch menschliche, kultivierte, über die Natur Erhabene zu sehen.

Ich habe mich hier im Forum ja vor Längerem einmal von einem mediterran-stämmigen user belehren lassen (ich war zugegebenermaßen zuvor etwas provokativ gewesen mit der Frage, was eigentlich die alten Römer und Griechen mit uns zu tun haben), dass es aus seiner Kultursicht durchaus Sinn macht, die Natur als gefährlich chaotisch und die Kultur als geordnete Rettung davor zu verstehen, was bei der Assoziation von Natur mit weiblich und Kultur mit männlich auch die patriarchalische Struktur von Kultur erklären könnte.

Diese Einstellung in Ehren, wenn man sie als eine von mehreren (und auch sehr gegensätzlichen) auffasst, aber ich bin der Überzeugung, dass über *uns* Rom sowohl als Weltreich als auch als Papstsitz nur Unglück gebracht hat. "Römisches Recht" also das Recht, wie es inzwischen auch im Norden gepflegt wird, ist unserer Selbstdefinition einfach nicht angemessen.

Wobei ich bei *uns* in diesem Fall die Deutschen absolut mit einschließen will, das obige Zitat hat mich daran erinnert, dass auch in Deutschland die Menschen nicht "Recht" im Sinn eines juristischen Spruchs suchen, sondern Gerechtigkeit. Und genau wie von Herrn Hengsbach dargestellt muß Gerechtigkeit in der öffentlichen Auseinandersetzung gesucht werden, nicht in der Unterwerfung unter eine wie auch immer "legitimierte" Staatsmacht und ihre sogenannte Rechtsprechung, auch wenn kein vom Gedanken des "römischen Rechts" Infizierter das glauben mag, das hat bei uns jahrhundertelang (wahrscheinlich sogar jahrtausendelang) funktioniert.

Aus Deutschland gibt es da wohl wenig Geschichtsquellen, aber von Irland wissen wir, dass, bevor römisches Recht über den doppelten Einfluß von britischer Besatzung und römisch-katholischer Indoktrination Einzug gehalten hat, Gesellschaften ohne Gesetzgeber (also gewissermaßen "anarchistisch" und selbstorganisatorisch) durchaus funktionieren. Zwar gab es Könige, aber diese hatten kein Recht Gesetze zu erlassen, sondern die Pflicht (auch mit Hilfe von Beratern) gerechte Lösungen zu finden. Auch eine Immunität war unbekannt, Könige unterstanden dem gleichen Recht (also der Anforderung gerecht zu sein und keine Opfer zu schaffen) wie jeder andere auch. Gleichberechtigung der Geschlechter war zwar nicht vollständig gegeben, aber in weit höherem Maße als sie heutzutage praktisch vorhanden ist in Gesellschaften, die sie theoretisch bis zum Extrem fordern. Und die irisch-katholische Kirche von St.Patrick hat bedenkenlos gleichgeschlechtliche Paare getraut und Scheidungen zugelassen, bis das einige Jahrhunderte später von Rom unterbunden wurde.

Auf Hengsbach's Frage "Wer soll definieren, was die Natur des Menschen ist?" kann meine Antwort nur lauten: Niemand als der Mensch selbst. Wobei verschiedene Menschen da wohl durchaus zu verschiedenen Ansichten kommen können, und theoretisch auch nichts dagegen spricht, wenn sie sich zu geeigneten Gruppen zusammenfinden. Die Angst vor Parallelgesellschaften ist wohl vorwiegend nur die Angst des nach römischem Recht konzipierten Staats vor Machtverlust. Wer sich aber mit Recht(-sprechung) weniger wohl fühlt als mit Gerechtigkeit, für den ist diese Staasform nicht geeignet. Und als vermeintliche Christen sollten doch sowohl Papst als auch "christliche" Politiker das Jesuswort kennen, dass der Mensch nicht für das Gesetz, sondern das Gesetz für den Menschen geschaffen wurde.

Wenn also "das Gesetz" (und sei es noch so religiös oder juristisch ausgeklügelt) für eine Gruppe von Menschen nicht passt, dann ist es ein Verbrechen es den Menschen aufzwingen zu wollen. Ganz besonders wenn dahinter nur rhetorische Tricks stehen, sei es die absichtliche Verwechslung von Papstphantasien mit Naturrecht, oder auch die das Gerechtigkeitsbedürfnis der hiesigen Menschen dazu zu mißbrauchen ihm einzureden, dass "Recht und Ordnung" erstrebenswert wären und Anarchie nicht funktionieren würden.

Schließlich haben wir historisch bewiesen, dass kein Gesetzgeber zumindest in diesen Breitengraden besser funktioniert als römisches Recht.

Liebe Grüße, Aoife
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Marc of Frankfurt
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Beitrag von Marc of Frankfurt »

Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung, Dr. Michael Schmidt-Salomon spricht auf der Endkundgebung der Berliner Demonstration: "Der Papst kommt" am 22. September 2011 - mit Impressionen der vorhergegangenen Demonstration.
Die Demokratie lebt!

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=NE2Rl7oS-UU[/youtube]


www.giordano-bruno-stiftung.de

http://de.wikipedia.org/wiki/Giordano_Bruno
1548 - 1600 verbrannt auf dem Scheiterhaufen der röm.kath.Inquisition