LokalNachrichten: WIEN

Hier findet Ihr "lokale" Links, Beiträge und Infos - Sexarbeit betreffend. Die Themen sind weitgehend nach Städten aufgeteilt.
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Zwerg
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Beitrag von Zwerg »

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ehemaliger_User hat geschrieben:Polizei als Handlanger der "Grossbordelliers"?
Eine böse Formulierung, aber die Frage nach dem Beweggrund der Behörden oder auch der Gesetzgebenden erscheint mir berechtigt. Man gibt vor SexarbeiterInnen stärken zu wollen - und in Wirklichkeit setzt man alles daran, dass sie nicht mehr ausweichen können. Ich denke, dass die Uninformiertheit der Hauptverantwortlichen (die sich ja bis jetzt weigern einen anderen Standpunkt als den der Polizei zu akzeptieren- die Steuerungsgruppe die regulierend agieren und nachbessern sollte, ist nur als Placebo zu sehen - bewusst eingesetzt um den Anschein, man würde was tun wollen, wahren zu können) in erster Linie Schuld an der Problematik sind. Das die Polizei Laufhäuser bzw. Großbordelle favorisiert ist ja ohnehin (aus Interviews des "Obersten Bordellaufsehers" hinreichlich bekannt.

Wie hat eine renommierte Tageszeitung vor einigen Monaten geschrieben? Dieses Gesetz ist "feige und für Österreich unwürdig". Für mich sind PolitikerInnen die bewusst in Kauf nehmen, dass Frauen in der Form gedemütigt und gefährdet werden, wie es derzeit in Wien geschieht, eine absolute Fehlbesetzung! Erst Gestern war ich wieder bis 3 in der früh mit 3 Studenten unterwegs, welche über das Thema recherchieren - die Fassungslosigkeit der Drei hat deutlich aufgezeigt, dass die Zustände - wenn man sich denn die Mühe macht, es sich selbst anzusehen - offensichtlich unerträglich sind.

Alleine schon (siehe weiter oben "Artikel der Salzburger Nachrichten") das man aus Gründen der Selbstdarstellung bei einer Polizeirazzia in einem mannmännlichen Anbahnungslokal eine Journalistin mitnimmt - die Anwesenden NICHT informiert, dass während der ganzen Amtshandlungen eine JournalistIn zuhört - aber gleichzeitig (obwohl man genau wusste, welche Gruppe Bürger migrantischer Herkunft man antreffen würde) KEINEN Übersetzer mitgebracht hat. Die "Opfer der Amtshandlung" waren allesamt der deutschen Sprache nicht sonderlich mächtig - haben somit keine zureichende Rechtsbelehrung erhalten, aber das kümmert ja Keinen. Hauptsache einer JournalistIn hat man auf`s Auge drücken können, dass man eine VEGA-Mann war und sich darüber freut, dass man "die Welt ein wenig besser machen könne"

Ich frage mich wie lange das Innenministerium beim Tripp der Selbstdarstellung hochrangiger PolizistInnen noch zusieht.... Auch das spricht ja Bände. Diese Form von Polizeiaktionen (ob aus politischen oder auch Selbstdarstellungsgründen) ist Ausbeutung von SexarbeiterInnen! Man vermarktet sie, gegen ihren Willen, um seine Ziele zu erreichen!

christian knappik

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Beitrag von Zwerg »

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hedonism hat geschrieben:Na ja in Wohnungen war es ja vor dieser verunglückten Novelle auch schon verboten.
Die Gesetzesänderung, dass jeder Polizist (ohne richterliche Kontrolle!) jede Wohnung (! Also auch die des/der LeserIn dieses Beitrages !) zu jeder Zeit beim Verdacht (!) der Prostitution betreten darf und die "Beweislastumkehr - man muss also seine Unschuld beweisen" sind Erfindungen des neuen Wiener Prostitutionsgesetzes - welches von ROT/GRÜN beschlossen wurde.

Wobei: Die anderen Parteien beschränken sich in erster Linie genauso mit Polemik, statt mit Problemlösungen (von Problemen die erst durch das neue Gesetz geschaffen wurden). Die Frage ist nicht "wo soll der Straßenstrich hin" - sondern warum musste er dort wo er sicher war weg. Jetzt ist eine Lösung nahezu sinnlos, da der Straßenstrich nur dort Sinn macht, wo die notwendige Infrastruktur (die existent dort wo der Straßenstrich war existiert!) vorhanden ist. Sich einer Gruppe, welche sich selbst als KukuxClan der Felberstraße bezeichnet (im Netz nachzulesen) zu beugen mag zwar für Frau Stadträtin Frauenberger richtig und vertretbar sein, erzeugt jedoch in Folge nahezu unlösbare Problemstellungen (abgesehen vom widerlichen Beigeschmack einer solchen Verbrüderung).

christian knappik

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hedonism
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Beitrag von hedonism »

Diese Änderung wonach nur auf Verdacht durchsucht werden darf ist eine Schweinerei.
BEVOR DU ÜBER JEMANDEN URTEILST, ZIEH DIR SEINE SCHUHE AN UND GEH DEN SELBEN WEG......

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Marc of Frankfurt
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Prostitution als Kriminalitätstatbestand

Beitrag von Marc of Frankfurt »

In den deutschen Landespolizeigesetzen ist das vielfach auch so geregelt, dass ein Verdacht auf Prostitution ausreicht, um das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung auszuhebeln.

www.sexworker.at/prostg

Übersicht Landespolizeigesetze D:
https://prostitution.piratenpad.de/quellen

Sissi_Salzburg
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Beitrag von Sissi_Salzburg »

Möchte hiermit auf den letzten Bericht der Plattform Menschenrechte Salzburg hinweisen ,vieles davon trifft auch für Wien zu www.menschenrechte-salzburg.at ,auch der Bericht aus 2012 ist interessant , liebe Grüße Sissy

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Lycisca
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Re: Prostitution als Kriminalitätstatbestand

Beitrag von Lycisca »

  
Marc of Frankfurt hat geschrieben:In den deutschen Landespolizeigesetzen ist das vielfach auch so geregelt, dass ein Verdacht auf Prostitution ausreicht, um das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung auszuhebeln.
Allerdings bleibt ein Eindringen von Polizei trotz dieser Ermächtigung eine Verletzung des Grundrechts auf die Achtung der privaten Wohnung, weil diese Landesgesetze keine Garantien zum Schutz vor Missbrauch enthalten. Damit erfüllen diese Gesetze nicht die Kriterien, die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zur "Gesetzmäßigkeit" entwickelt wurden. (Ein gesetzlich angeordneter Eingriff ist also noch lange nicht gesetzmäßig.)

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Zwerg
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Schutzhaus für Sexworker in Wien

Beitrag von Zwerg »

Schutzhaus für Prostituierte in Wien

90% der Rotlicht-Damen gehen ihrer Arbeit nicht aus freien Stücken nach. In der Anlaufstelle wird ihnen geholfen.

"Solwodi" bedeutet "Solidarity with Women in Distress". Konkret in Wien bedeutet es eine Anlaufstelle für (Zwangs-)Prostituierte in Not. Seit einem Jahr betreibt der Verein "Solwodi" ein Schutzhaus, in dem zur Zeit sieben Frauen mit ebenso vielen Kleinkindern untergebracht sind. Betrieben wird das auf fünf Jahre abgesicherte Projekt von sechs Frauen-Ordensgemeinschaften. Ziel ist es, weitere Schutzhäuser einzurichten, betont Schwester Beatrix Mayrhofer, Präsidentin der Frauenorden, vor dem EU-Tag des Menschenhandels am Freitag.

"Der Bedarf wäre in Wien und in anderen Bundesländern, vor allem in grenznahen Bereichen, vorhanden", erklärt Mayrhofer. Weitere Projekte müssten aber finanziell abgesichert sein, ergänzte sie. "Es gibt durchaus Personen, die interessiert sind, in diesem Bereich zu arbeiten."

Keine Kooperation mit Behörden nötig
Das "Solwodi"-Schutzhaus unterscheidet sich von ähnlichen Einrichtungen dadurch, dass die Aufnahme der Frauen nicht davon abhängig ist, ob sie mit den Behörden zur Verfolgung der Täter zusammenarbeiten. Opfer von Frauenhandel werden von anderen Organisationen an "Solwodi" vermittelt: von Streetworkern, dem Verein EXIT, der den Menschenhandel aus Afrika bekämpft, der Magistratsabteilung 15 (MA 15, Gesundheitsamt) bis hin zu anderen kirchlichen Organisationen.

90% sind Zwangsprostituierte
Der bei weitem größte Teil der Frauen arbeitet illegal, betonte Schwester Patricia Erber, Obfrau des Vereins "Solwodi Österreich". Bei bis zu 90 Prozent der im Rotlichtmilieu tätigen Frauen in Wien spreche man von Zwangsprostituierten. Die Stadt sei wie eh und je ein Zielpunkt, aber auch ein Knotenpunkt für Menschenhändler, die weiter nach Westeuropa fahren wollen.

Schweigen aus Angst
Nur wenige der Frauen sagen tatsächlich gegen ihre Peiniger aus, erklärten Mayrhofer und Erber. "Viele Opfer sind so eingeschüchtert, verletzt, auch psychisch", schilderte die "Solwodi"-Obfrau. Die Geschichten, welche die Opfer erzählen, nehmen die Betreuerinnen sehr mit. Ein Beispiel: Eine junge Frau sei von ihrem Vater verkauft worden. Er kam wöchentlich ins Bordell, in dem seine Tochter arbeitete, und bekam sein Geld. Er sei der Zuhälter seiner Tochter gewesen, so Erber. "Letztlich sagte die Bordellbesitzerin: 'Ich helfe dir'."

Von der Familie verkauft
"Welche Familie verkauft die eigene Tochter? Doch nur eine in extremer Not", sprach Mayrhofer eines der Kernprobleme des Menschenhandels an. "Wenn sich die soziale Situation in den Herkunftsländern der Opfer bessert, gibt es weniger Möglichkeiten für Menschenhändler", zeigte sich die Ordensfrau überzeugt.

Doch auch hierzulande könnte man Mayrhofer zufolge Frauenhändlern etwas das Wasser abgraben, so Mayrhofer. "Ich verwende mich vehement dafür, Asylwerbern den vollen Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen", sagte sie, machte aber gleichzeitig darauf aufmerksam, dass es auch Frauen aus EU-Staaten nicht einfach gemacht werde, wenn es um den Zugang zum Arbeitsmarkt geht. Der freie Zugang sei wenig mehr als Theorie.

Zentral sei die Bildungsfrage. "Wo Frauen Zugang zu Bildung haben, machen sie einen Schritt aus der Not", erläuterte Mayrhofer. "Frauenbildung verändert die Gesellschaft." Dazu forderte die Ordensschwester längere Bedenkzeiten für Opfer von Frauenhändlern, ob sie die Täter verfolgen wollen, Entschädigungen für die Opfer, eine Beschleunigung der Asylverfahren und den Zugang zum Arbeitsmarkt.

http://www.heute.at/news/oesterreich/wi ... 652,945745

Wie müssen sich SexarbeiterInnen fühlen, wenn sie in der Zeitung lesen, dass sie Opfer sind... 90% Opfer.... - Mich würde es interessieren, welche Kontakte SOLWODI Österreich denn hat. Wenn man nämlich in der Branche fragt, so wurden die noch nie irgendwo gesehen.... NOCH NIE! Kein einziges Mal hat eine SexarbeiterIn zu uns gesagt, dass wer von SOLWODI dagewesen wäre... Vielleicht irre ich mich.... kann ja sein. Deshalb die Aufforderung an alle hier mitlesenden SexarbeiterInnen:

Habt Ihr schon einmal Kontakt mit dieser Gruppe gehabt? Bitte meldet Euch hier mit einem Beitrag - bekehrt mich! Denn bis jetzt denke ich dass es diese Kontakte nicht gibt.

christian knappik

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Svea
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Beitrag von Svea »

ich hatte noch keinen Kontakt.

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Beitrag von fraences »

Ich kann jetzt nur für Deutschland reden, ich selbst habe Solwoldi Mitarbeiter nur auf Veranstaltungen gesehen, und noch nie von Kolleginnen gehört, das sie mit ihnen direkt gesprochen haben.
Auch bei meine aufsuchende Arbeit in der Branche, nie was von ihnen gehört, das sie irgendwo unterwegs waren.

Liebe Grüße, Fraences
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)

*****
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Marc of Frankfurt
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Re: Schutzhaus für Sexworker in Wien

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Ich hatte bisher nur Kontakt auf politischen Veranstaltung aufgrund meiner eigenen Kontaktbemühungen www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=3698 dort kann man auch ihre verquere die Sexworker re-stigmatisierende Morallehre und religiös d.h. nicht wissenschaftlich begründbare Scheinlogik nachlesen.


Die Sekte Solwodi macht aber gute Pressearbeit wie wir sehen können. Das ist auch notwendig damit ihre Zuwendungen nicht versiegen. Solwodi ist mit kirchlichen Kreisen bestens vernetzt und im Zweifelsfalle auch immer viel besser finanziell ausgestattet als die Hurenbewegung, Selbsthilfe und Vertreterinnen. Da ist es notwendig öffentlich mit eigenen Presseinformationen gegenzuhalten und hier und da einiges klarzustellen.

Warum nutzen wir nicht auch die Verteiler, die z.B. die Parteien und NGOs in Österreich nutzen, kenne allerdings die Kosten nicht.

Dass Solwodi behaupten kann so viele seien sog. "Zwangsprostituierte" liegt natürlich an ihrer eigenwilligen sexualfeindlichen religiös motivierten Definition, in der sie wirtschaftliche Not und Herkunft aus ärmeren Ländern bei Sexarbeit wie selbstverständlich als Zwang werten, das aber bei anderen auch immer möglichen Tätigkeiten z.B. nähen, putzen, Fleischverarbeitung, arbeiten im Lager oder am Fließband nicht so tun.

Allerdings glaube ich, dass dort wo man irgendetwas kostenlos bekommt, selbst wenn es Hilfe aus prostitutionsfeindlichen Händen ist, dann wird es auch immer welche geben, die positiv davon reden. Wir haben es selbst erlebt bei unserer geschätzten Kollegin die als sie aussteigt in Stuttgart von einer medienbekannten Prostitutionsgegnerin von ihr geschätzte menschliche Beratung und gute Hilfe bekommen hat.

Da Sexarbeit so polarisiert gewertet wird und deshalb auch so prekarisierenden Status hat, deswegen sind Sexworker-Karrieren, unsere Bewusstseinszustände und Teilgruppen ebenso stark polarisiert und voneinander abgegrenzt. Auch kann sich die Zugehörigkeit zu der einen oder anderen Seite, Gruppe oder Mentalität entsprechend relativ spontan und drastisch ändern. Solange eine Sexarbeiterin sich entschieden hat noch gutes Geld in der Sexarbeit verdienen zu wollen, wird sie oder muß sie ein anderes Mindset haben, als ab dem Moment, wo sich eine Sexarbeiterin entschieden hat auszusteigen oder Hilfe zu suchen.

Da die Welten Prostitution und Nichtprostitution durch Stigma bis hin zu Kriminalisierung voneinander klar geschieden werden (Zwei-Welten-Lehre), ist ein persönlicher Zustandswechsel von Sexwork nach Nichtsexworker oder Opferstatus extrem grundsätzlich und weitreichend (quasi ein Polarisierungswechsel).

Es ist schwer für beide Seiten, also auch für uns, das akzeptieren und damit umgehen zu lernen und dennoch Gutes zu tun können für Sexworker, Sexworker in Not oder Ex-Sexworker und das evt. auch noch gemeinsam tun zu können. Dass das ohne Feindschaft was Deutungshoheit zur Prostitution und Macht über Gelder angeht einmal möglich sein wird, das wäre mein Wunsch.

(Deutungshoheit und Mittelverteilung kann in einem sekularen Rechtsstaat nur nach wissenschaftlich überprüfbaren Kriterien erfolgen www.bit.ly/sexworkfacts )




___
Schutzhaus für Sexworker Mexiko City, Xochiquetzal House benannt nach der aztekischen Göttin der Liebe
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=1987
Vorbild Casa Verdi Milano, gestiftet von Künster für Künstler
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=135449#135449
Sexworker sind auch Künstler!
Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 20.10.2013, 11:26, insgesamt 3-mal geändert.

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Melanie_NRW
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RE: LokalNachrichten: WIEN

Beitrag von Melanie_NRW »

Frauenhandel
Schutzhaus für Prostituierte in Wien

90% der Rotlicht-Damen gehen ihrer Arbeit nicht aus freien Stücken nach. In der Anlaufstelle wird ihnen geholfen.

"Solwodi " bedeutet "Solidarity with Women in Distress". Konkret in Wien bedeutet es eine Anlaufstelle für (Zwangs-)Prostituierte in Not. Seit einem Jahr betreibt der Verein "Solwodi" ein Schutzhaus, in dem zur Zeit sieben Frauen mit ebenso vielen Kleinkindern untergebracht sind. Betrieben wird das auf fünf Jahre abgesicherte Projekt von sechs Frauen-Ordensgemeinschaften. Ziel ist es, weitere Schutzhäuser einzurichten, betont Schwester Beatrix Mayrhofer, Präsidentin der Frauenorden, vor dem EU-Tag des Menschenhandels am Freitag.

"Der Bedarf wäre in Wien und in anderen Bundesländern, vor allem in grenznahen Bereichen, vorhanden", erklärt Mayrhofer. Weitere Projekte müssten aber finanziell abgesichert sein, ergänzte sie. "Es gibt durchaus Personen, die interessiert sind, in diesem Bereich zu arbeiten."

Keine Kooperation mit Behörden nötig
Das "Solwodi"-Schutzhaus unterscheidet sich von ähnlichen Einrichtungen dadurch, dass die Aufnahme der Frauen nicht davon abhängig ist, ob sie mit den Behörden zur Verfolgung der Täter zusammenarbeiten. Opfer von Frauenhandel werden von anderen Organisationen an "Solwodi" vermittelt: von Streetworkern, dem Verein EXIT, der den Menschenhandel aus Afrika bekämpft, der Magistratsabteilung 15 (MA 15, Gesundheitsamt) bis hin zu anderen kirchlichen Organisationen.

90% sind Zwangsprostituierte
Der bei weitem größte Teil der Frauen arbeitet illegal, betonte Schwester Patricia Erber, Obfrau des Vereins "Solwodi Österreich". Bei bis zu 90 Prozent der im Rotlichtmilieu tätigen Frauen in Wien spreche man von Zwangsprostituierten. Die Stadt sei wie eh und je ein Zielpunkt, aber auch ein Knotenpunkt für Menschenhändler, die weiter nach Westeuropa fahren wollen.

Schweigen aus Angst
Nur wenige der Frauen sagen tatsächlich gegen ihre Peiniger aus, erklärten Mayrhofer und Erber. "Viele Opfer sind so eingeschüchtert, verletzt, auch psychisch", schilderte die "Solwodi"-Obfrau. Die Geschichten, welche die Opfer erzählen, nehmen die Betreuerinnen sehr mit. Ein Beispiel: Eine junge Frau sei von ihrem Vater verkauft worden. Er kam wöchentlich ins Bordell, in dem seine Tochter arbeitete, und bekam sein Geld. Er sei der Zuhälter seiner Tochter gewesen, so Erber. "Letztlich sagte die Bordellbesitzerin: 'Ich helfe dir'."

Von der Familie verkauft
"Welche Familie verkauft die eigene Tochter? Doch nur eine in extremer Not", sprach Mayrhofer eines der Kernprobleme des Menschenhandels an. "Wenn sich die soziale Situation in den Herkunftsländern der Opfer bessert, gibt es weniger Möglichkeiten für Menschenhändler", zeigte sich die Ordensfrau überzeugt.

Doch auch hierzulande könnte man Mayrhofer zufolge Frauenhändlern etwas das Wasser abgraben, so Mayrhofer. "Ich verwende mich vehement dafür, Asylwerbern den vollen Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen", sagte sie, machte aber gleichzeitig darauf aufmerksam, dass es auch Frauen aus EU-Staaten nicht einfach gemacht werde, wenn es um den Zugang zum Arbeitsmarkt geht. Der freie Zugang sei wenig mehr als Theorie.

Zentral sei die Bildungsfrage. "Wo Frauen Zugang zu Bildung haben, machen sie einen Schritt aus der Not", erläuterte Mayrhofer. "Frauenbildung verändert die Gesellschaft." Dazu forderte die Ordensschwester längere Bedenkzeiten für Opfer von Frauenhändlern, ob sie die Täter verfolgen wollen, Entschädigungen für die Opfer, eine Beschleunigung der Asylverfahren und den Zugang zum Arbeitsmarkt.


http://www.heute.at/news/oesterreich/wi ... 652,945745

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Marc of Frankfurt
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Beitrag von Marc of Frankfurt »

"many women who would otherwise live in poverty support themselves and their families through sex work: those who seek to further criminalize those women have no suggestions for replacing their income"

-- afrikanische Sexworker


www.nswp.org/news-story/the-african-sex ... ll-thought

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Zwerg
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Re: Schutzhaus für Sexworker in Wien

Beitrag von Zwerg »

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Zwerg hat geschrieben:Keine Kooperation mit Behörden nötig
Das "Solwodi"-Schutzhaus unterscheidet sich von ähnlichen Einrichtungen dadurch, dass die Aufnahme der Frauen nicht davon abhängig ist, ob sie mit den Behörden zur Verfolgung der Täter zusammenarbeiten. Opfer von Frauenhandel werden von anderen Organisationen an "Solwodi" vermittelt: von Streetworkern, dem Verein EXIT, der den Menschenhandel aus Afrika bekämpft, der Magistratsabteilung 15 (MA 15, Gesundheitsamt) bis hin zu anderen kirchlichen Organisationen.
Ergebnis der heutigen nächtlichen Rundfahrt: 19 Lokale besucht - mit 76 SexarbeiterInnen und 5 BetreiberInnen gesprochen und gezielt gefragt, welche Organisationen die im Notfall Hilfestellung leisten sie kennen würden.

LEFÖ kennen 21 SexarbeiterInnen (manche MitarbeiterInnen namentlich - 8 kennen Adresse und Telefonnummer) - gutes Feedback
SOPHIE kennen 16 SexarbeiterInnen (orangenes Auto - 5 kennen Adresse und Nummer) - verhaltenes oder neutrales Feedback
HERZWERK kennen 2 SexarbeiterInnen (bringen Tee - Niemand weiß eine Adresse oder Telefonnummer) - negatives Feedback
EXIT kennt 1 SexarbeiterIn von einem TV-Auftritt (Niemand kennt eine Adresse oder Telefonnummer)
SOLWODI kennen 0 (!) SexarbeiterInnen


Interessant dabei (und traurig): Nur 3 SexarbeiterInnen erzählen uns, dass sie jemals reale Hilfestellung erhalten haben - Nur Drei! Da ging es um Begleitungen (Übersetzungen).

Es ist natürlich möglich, dass man aus Scham oder Angst "eher nichts sagt" - damit man nicht als "hilfsbedürftig" wahr genommen wird. Anderer Seits denken wir, dass wir ein recht gutes Verhältnis zu SexarbeiterInnen haben, da wir nicht als "Retterindustrie" wahrgenommen werden. Ich glaube, dass wir zumindest die Frage "kennt ihr...." offen beantwortet bekommen haben.

Die Frage die sich nun stellt: In wie fern kann eine kirchliche Organisation wie SOLWODI - die keine Kontakte zu SexarbeiterInnen zu pflegen scheint - behaupten, dass 90 Prozent "Zwangsprostituierte" wären??? Warum man es so hält, liegt auf der Hand - nur mit welcher Berechtigung? Worauf berufen sich diese Leute? Auf Eingebung? Wenn sie wenigstens (und dies wird die Realität sein) sagen würden "90% der Frauen, die wir kennen, haben nicht freiwillig....." - Klar, wenn ich 10 SexarbeiterInnen kenne, die aus einer prekären Situation kommen, so würde diese Aussage auch stimmen. Nur generell von 90% zu sprechen ist einfach unverschämt!

Besonders "ums Eck" erscheint mir die Aussage, dass sie keinen Kontakt zu Behörden brauchen und sie von der MA /Magistratsabteilung/ Leute zugewiesen bekommen würden... Ich habe immer gedacht, dass dies eine Behörde wäre....

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Magdalena
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Beitrag von Magdalena »

Ich kenne Faika und Maria von Lefoe. Die sind schwer in Ordnung
Von Sophie kenne ich eine Gruppe und die wollten mir vor 2 Jahren erklären, wie super der Auhof ist. Die dürften von einem anderen Planeten stammen.
Die Joanna von Exit habe ich einmal gesehen. Da hat sie ihr "Buch" vorgestellt. Vor Ort noch nie
Solwodi kenne ich aus Deutschland und habe auch einmal wegen einer Kollegin telefonieren wollen. Aber kein Mensch hat abgehoben. Die Nummer habe ich mir damals mühsam aus dem Internet rausgesucht. War gar nicht so einfach. Und wie gesagt. Niemand erreicht.
Und bitte wer oder was ist Herzwerk?

Der Christian hat mir einmal erzählt, dass Marc gesagt haben soll: Es gibt 3 Gruppen die von Sexarbeit profitieren. 1. SexarbeiterInnen. 2. Betreiberinnen und 3. Sozialarbeiter. Ich finde es wenig prickelnd, wenn ich die Füß aufstelle und eine Sozialtussi verdient daran. Einige gute sind dabei. Mit Faika bin ich einmal versumpft. Die ist OK. Die hat wirklich Respekt gezeigt. Nur wenn sich wer von SOPHIE vor mich stellt und mir aaufs Aug drücken will, dass ich im Auhof arbeiten soll, dann halten die mich für blöd - und das steht denen absolut nicht zu.

Dort bin ich auch vor 4 oder 3 Jahren beim Tag der offenen Türe gewesen. Beim Betreten des Büros sind mir gleich 2 Polizisten mit Weinglas in der Hand entgegen getaumelt. Na, Prost kann ich nur sagen. Ich habe mich umgedreht und bin gegangen. Sollen die mit ihren Freunden nur feiern. Meine Freundinnen sind sie nicht.

Magda

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Melanie_NRW
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RE: LokalNachrichten: WIEN

Beitrag von Melanie_NRW »

@Zwerg: Hier nennt Solwodi Zahlen von Frauen, die sich im letzten Jahr an sie gewendet hätten. Mir erscheint die Zahl doch recht hoch?! Mich würde auch interessieren, auf wie sich die Zahlen auf die einzelnen Länder der Beratungsstellen verteilen... und wen die da alles in die Zahl inkludiert haben.

http://www.rhein-zeitung.de/region_arti ... 54033.html

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Tilopa
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Re: RE: LokalNachrichten: WIEN

Beitrag von Tilopa »

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Melanie_NRW hat geschrieben:@Zwerg: Hier nennt Solwodi Zahlen von Frauen, die sich im letzten Jahr an sie gewendet hätten. Mir erscheint die Zahl doch recht hoch?! Mich würde auch interessieren, auf wie sich die Zahlen auf die einzelnen Länder der Beratungsstellen verteilen... und wen die da alles in die Zahl inkludiert haben.

http://www.rhein-zeitung.de/region_arti ... 54033.html
Der Jahresbericht 2012 von Solwodi gibt auf Seite 16 Hinweise, aus welchen Gründen sich die 1709 Frauen an den Verein gewandt haben. Demnach hatte (ganz anders, als der Zeitungsartikel suggeriert) lediglich ein Teil der Erstkontakte (215) Bezug zu "Menschandel/Zwangsprostitution/Opferzeuginnen" -- nach eigener Einstufung von Solwodi, versteht sich.

Der weitaus größere Teil hatte Bezug zu praktischen Problemen, mit denen migrantische Sexarbeiterinnen konfrontiert sind und bei denen es sehr fragwürdig ist, ob ein erklärtermaßen reaktionärer Verein wie Solwodi überhaupt die richtige Anlaufstelle ist: "Rückkehrüberlegungen/Planung", "Unterbringung/Wohnungssuche", "Aufenthaltsprobleme/fehlende Dokumente/Flüchtling" sind die TOP3 der Liste.

Aus Aachen weiß ich, dass Solwodi dort das Monopol auf die "Beratung von Prostitutierten" hat und durch öffentliche Mittel (!) finanziert wird. Wenn dort eine Sexarbeiterin also Hilfe sucht, gibt es für sie (politisch gewollt) kein anderes Angebot als diesen "Rettungsverein", der ihre Arbeit als ein mit allen Mitteln zu bekämpfendes Übel ansieht.
Und die Stadt Aachen dürfte mit diesem skandalösen Zustand leider kein Einzelfall sein.

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Melanie_NRW
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RE: LokalNachrichten: WIEN

Beitrag von Melanie_NRW »

Danke Tilopa!

So ungefähr hab ich mir das schon gedacht.
Ich bin immer wieder fassungslos darüber, wie solche Leute bewusst mit solchen Zahlen hantieren und manipulieren.

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Beitrag von Zwerg »

Bin gerade von Innsbruck (Tirol) von einem politischen Treffen in unserer Sache zurückgekehrt und habe mit unserem 2er-Team (dies ist keine wertende Bezeichnung) Rücksprache gehalten. Auch diese Gruppe hat "Umfragen" gestartet und ähnliche Ergebnisse erzielt:

LEFÖ und SOPHIE kennt man zum Teil.
SOLWODI kennt hier Niemand unter den SexarbeiterInnen, außer einige Wenige von Medienberichten bzgl. D

Spannend finde ich die Frage, die bei den Gesprächen aufgetaucht ist. Im Interview wird davon gesprochen, dass SOLWODI ihre Klientel durch "streetworker" zugewiesen bekommen würde. Mit dem Begriff kann man in Wien nicht viel anfangen. MitarbeiterInnen von SOPHIE oder LEFÖ sind nicht gemeint - und dann gibt es da noch eine Interpretation des Begriffes, die mich nahezu fassungslos macht. WIR (sexworker.at) werden oft irrtümlich unter den SexarbeiterInnen als "streetworker" bezeichnet. Auch mir gegenüber wurde der Begriff schon verwendet. Und da muss man dann schon feststellen: Wir haben keinerlei Kontakte zu SOLWODI - bzw. hat SOLWODI niemals Kontakt zu uns gesucht. Wenn Jemand glauben sollte, dass es irgendeine Zusammenarbeit geben würde, so sei versichert: Dem ist garantiert nicht so! Mit Organisationen die derart falsche Aussagen tätigen können und wollen wir nicht zusammen arbeiten. Bei allem gebotenen Respekt - wenn Jemand SexarbeiterInnen nicht würdevoll begegnet, so kann er/sie nicht unser PartnerIn sein (wobei wir ohnehin nicht wirklich auf Partnersuche sind)

Nochmals die Bitte: Sollte hier eine SexarbeiterIn mitlesen, welche irgendeinen Kontakt mit SOLWODI in Wien hatte, bitte melden - gerne auch anonym (Tel.Nr. steht im Impressum) mit verdeckter Nummer oder Mail. Wir möchten gerne eine Bestätigung, dass es solche Kontakte überhaupt gibt (sollte unsere Annahme, dass es sie nicht geben sollte, falsch sein)

Da SOLWODI eine Wertung über 90% der Wiener SexarbeiterInnen abgegeben hat, sollte es doch möglich sein, wenigstens ein paar SW zu finden, welche die Qualität dieser Aussage bestätigen können.

christian knappik

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Marc of Frankfurt
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Beitrag von Marc of Frankfurt »

Ob die Polizei in Zivil als Streetworker bezeichnet wird ;-)



Institutionen und Schutzeinrichtungen von und für Sexworker gibt es zweifelsohne viel zu wenig. Hier ein Modellprojekt:

Casa Xochiquetzal
House of the setting sun
city-run old age home for retired and working senior citizen prostitutes
VBS-TV 2008
1
2
3

Vorbild ist auch die Casa Verdi in Mailand. Schutzhäuser sind ja in Mode, eine Errungenschaft der Frauenbewegung, aber auch Tradition in den Kirchen. KARO in Plauen sammelt gerade intensiv Spenden. Aber auch wir selbstbestimmten Sexworker brauchen solche Infrastruktur. Etwa in Notfällen bei Gewalt oder Krankheit, aber auch als SWBO-Prävention (Kurhaus), gemeinsamer Rückzugsort mit Kindern (Mutter-Kind-Heim), zur berufsbegleitenden Fortbildung in der Sexarbeit oder für Arbeit außerhalb der Sexarbeit (Bildungsurlaub), oder eben auch fürs Leben im Alter. Wir sollten unsere eigenen Projekte starten... Leider funktionieren die nicht so leicht als Selbstläufer und zur Finanzierung/Existenzsicherung derer die sie gründen, so wie das bei den von SOLWODI oder KARO geplanten Projekten erwartet werden kann, da sie auf den allgemein kultivierten Klischees der "perfekten Opfer" aufbauen (Kind, Ausländer, Weiblich, Arm, Minderjährig, Prostitution, Menschenhandel, Opfer).

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Beitrag von Zwerg »

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Marc of Frankfurt hat geschrieben:Wir sollten unsere eigenen Projekte starten... Leider funktionieren die nicht so leicht als Selbstläufer und zur Finanzierung/Existenzsicherung derer die sie gründen, so wie das bei den von SOLWODI oder KARO geplanten Projekten erwartet werden kann, da sie auf den allgemein kultivierten Klischees der "perfekten Opfer" aufbauen (Kind, Ausländer, Weiblich, Arm, Minderjährig, Prostitution, Menschenhandel, Opfer).
@marc
Du bist zu selten in Wien....

Wir haben hier (und zwar ohne Spenden, Mitgliedsbeiträge oder Förderungen) zur Zeit mehrere Schutzwohnungen am Laufen - nur im Gegensatz zu den genannten Organisationen vermarkten wir diesen Umstand nicht, da wir nicht unsere Krallen nach neuen Subventionen ausstrecken.

Das funktioniert relativ einfach: Es gibt hier (zum Glück!) SexarbeiterInnen die sehr bewusst mit neuen privaten Partnerschaften umgehen. Bevor sie mit Jemand zusammen ziehen, nehmen sie sich eine Übergangszeit in der sie ihre eigenen Wohnungen nicht aufgeben. Und da kommen wir ins Spiel. Irgendwann ist die Idee aufgetaucht, dass wir diese Wohnkapazitäten sinnvoll nützen könnten. Wir erhalten so Wohnungen die keine Mehrkosten verursachen und immer wieder wechseln, sodass ein "verbrennen" der Schutzadressen, also ein Outing, auch vor Behörden nicht geschieht.

Sie weiß es zwar nicht - aber eigentlich kam durch unsere Aoife die zündende Idee. Die Selbstlosigkeit mit der damals eine rein zufällig anwesende SexarbeiterIn eingesprungen ist, hat aufgezeigt, dass das funktionieren könnte.

Damit können wir hier unter Umständen wesentlich besser "Hilfestellung" leisten, auch in den Fällen wo Jemand nur "ein paar Tage Ruhe haben will" - Niemand muss sich vor uns als "Opfer" beweisen (böse formuliert, aber ich empfinde es so).

Seit nunmehr einigen Jahren spielen wir dies so und es funktioniert. Noch ein angenehmer Nebeneffekt. Die SexarbeiterInnen die das System positiv empfunden haben, denken beim nächsten Mal wenn sich Möglichkeiten ergeben an uns :-) Klar wäre es noch besser, wenn wir auch "eigene Wohnangebote" hätten. Aber sicherlich nicht durch die Behörden finanziert.

Liebe Grüße

christian