Unwort: "Zwangsprostitution" vs. Bordelle im KZ

Berichte, Dokus, Artikel und ja: auch Talkshows zum Thema Sexarbeit werden hier diskutiert

SEXARBEIT als WORT des JAHRES 2006

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Ellena
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Unwort: "Zwangsprostitution" vs. Bordelle im KZ

#1

Beitrag von Ellena »

Link anklicken und mitstimmen!

WAHL DER UNI GRAZ

Wie wärs
mit

SEXARBEIT

als WORT des Jahres 2006
und


ZWANGSPROSTITUTION

als
UNWORT


L.G. Ellena

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Marc of Frankfurt
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sehr gut - bitte mitmachen

#2

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Tolle Aktion.


Der 62. Hurenkongress in Deutschland / die 37. Fachtagung Prostitution 2006 hat beschlossen dies ebenfalls zu unterstützen (hurenkongress.de).



In einer vielbeachteten Key Note Lecture hat Monika Gerstendörfer "Gewalt durch Sprache - Sprechen über Prostitution" analysiert:

Ihre schlechte Botschaft ist:
Zwangsprostitution gibt es nicht!
:018 Denn sexuelle Ausbeutung und Sklaverei (= Straftatbestände und Menschenrechtsverletzungen) dürfen nicht mit einvernehmlich verabredeter und freiwillig gewerbsmäßig erbrachter sexueller Dienstleistung (= Prostitution) verwechselt werden.

:021 Doch immer noch werden die Kategorien Sexualität und Gewalt ständig interessengelenkt entweder mythisiert oder vermischt, um Frauen oder insbesondere Prostituierte zu kriminalisieren.

Doch Sprache ist wie die Menschen, die sie benutzen: lebendig. Sie ist also -wie die Menschen- veränderbar.
Gesprochene und geschriebene Sprache schafft und spiegelt Lebenswirklichkeiten.

Wenn also die Wörter, die Begriffe, die Sprachführung im Problembereich der sexualisierten Gewalt dazu beitragen, dass wir die Problematik einfach nicht in den Griff bekommen, ja dass die aktuelle Sprachführung eine gefährliche Waffe ist, die sich vor allem gegen die Opfer wendet, dann ist es unbedingt notwendig, hier auf nachhaltige Änderungen zu drängen!

Und ihre gute Botschaft ist: Es ist möglich! Jede/r von uns kann durch eine bewusst veränderte Sprech- und Schreibweise seinen Beitrag zur Bekämpfung von Gewalt leisten.

Deswegen soll "Zwangsprostitution" als Unwort des Jahres 2006 benannt werden.



:024 Neben der Seite für Östereich:
http://www-oedt.kfunigraz.ac.at/oewort

:024 Bitte auch beachten die Seite für Deutschland:
http://www.unwortdesjahres.org

Vorschläge bitte senden:
Per email:
unwort@em.uni-frankfurt.de

Per Brief:
Prof. Dr. Horst D. Schlosser
Universität Frankfurt a.M.
Grüneburgplatz 1
60629 Frankfurt a.M.

Per Fax: +49 - 69/798-32675

.

Ellena
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#3

Beitrag von Ellena »

Herzlichen Dank für dein Post, und die erklärenden unterstützenden Worte, ich bin auch der Meinung je mehr das Wort Prostitution in aller Vielfalt, Arten und Abarten thematisiert wird, umso besser und selbstverständlicher wird der Zugang der Öffentlichkeit zu unserer Berufsgruppe...
Danke für deine Mitarbeit.
L.G. Ellena

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Beispiel für Zwangsprostitution - von Staats wegen:

#4

Beitrag von Marc of Frankfurt »

.



Dies ist ein wirkliches Beispiel für die sog. Zwangsprostitution:



Sex als staatliche Gratifikation für mehr Leistungsbereitschaft in nationalem Interesse.



Das neue Buch aus Östereich:

Bild

Baris Alakus, Katharina Kniefacz und Robert Vorberg
214 Seiten
Mandelbaum Verlag
ISBN: 3854762054

Preis: 17,80 Euro

Quelle:
ZDF-Magazin Aspekte


Hintergrundinfo:
Virtuelle Rundgang: Ausstellung Zwangsprostitution (KZ Mauthausen)
von http://www.haraldarnold.com




KZ Ravensbrück:
http://sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=8707#8707

Zu diesem Buch:
http://sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=1574





Zur ungeklärten Unterscheidung von
  • Frauen, die im Krieg zur Sex-Zwangsarbeit rekrutiert wurden und zu
  • Prostituierten, die in der NS-Zeit ins KZ kamen und dort zur Sex-Zwangsarbeit:
viewtopic.php?p=37605#37605





.
Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 28.05.2008, 01:37, insgesamt 7-mal geändert.

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Gewalt und Sprache

#5

Beitrag von Marc of Frankfurt »

.



Hier das neue Buch
von Monika Gerstendörfer zum Thema Gewalt und Sprache:



Bild


Verlag: Jungfermann.de



.

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Walker
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#6

Beitrag von Walker »

"Penthouse-Sozialismus" & "Ätschpeck":
Wort und Unwort des Jahres 2006 gekürt!

Spruch 2006: "Nimm ein Sackerl für mein Gackerl"
"Daham statt Islam" ist der Unspruch des Jahres

"Penthouse-Sozialismus" ist zum Wort des Jahres 2006 gewählt worden. Der Begriff stehe "in engem Zusammenhang mit dem BAWAG-Skandal", der Österreich das ganze Jahr 2006 hindurch beschäftigt habe, erklärte der Grazer Germanist und Jury-Vorsitzende Rudolf Muhr. Bei der in Kooperation mit der APA durchgeführten Wahl wurde der aus der Werbung bekannte Ausdruck "ätschpeck" zum Unwort des Jahres gekürt.

"Penthouse-Sozialismus" vereint "zwei gegensätzliche Begriffe, die üblicherweise in direktem Widerspruch zueinander stehen: Die Inanspruchnahme von Privilegien und das Vertreten von sozialistischen Idealen", so Muhr. "Der Begriff thematisiert und kommentiert auf sarkastische Weise gesellschaftliche Entwicklungen, die vielfach als irritierend und verstörend empfunden werden."

Der Ausdruck "ätschpeck" drücke "starke negative Emotionen wie Schadenfreude und Verhöhnung von Mitbewerbern der selben Branche aus und dürfte deshalb als aggressiv und herabwürdigend wahrgenommen werden", begründete Muhr die Entscheidung zum "Unwort des Jahres".

Zum Spruch des Jahres wurde "Nimm ein Sackerl für mein Gackerl" - der Slogan der Stadt Wien in ihrer Initiative gegen Hundekot - gewählt. Der FPÖ-Wahlspruch "Daham statt Islam" gewann die heuer erstmals durchgeführte Wahl zum "Unspruch" des Jahres. Er ziele "in knapper Form auf die Diskriminierung und Aussonderung von MitbürgerInnen moslemischen Glaubens in Österreich", so die Jury.

2005 hatte der "Schweige-Kanzler" die Wahl zum Wort des Jahres gewonnen. Zum Unwort war "Negativzuwanderung" gekürt worden, zum Spruch des Jahres "Österreich ist frei".

Quelle: http://www.news.at/?/articles/0650/10/159266.shtml

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Deutsches Unwort des Jahres 2006: Freiwillige Ausreise

#7

Beitrag von Marc of Frankfurt »

"Freiwillige Ausreise" ist das deutsche Unwort des Jahres 2006
"Konsumopfer" und "Neiddebatte" ebenso auf den Index gesetzt.



"Freiwillige Ausreise" ist das Unwort des Jahres 2006. Damit würden oft Ausreisen abgelehnter Asylbewerber beschrieben, die Deutschland nicht aus freien Stücken verlassen würden, teilte die "Sprachkritische Aktion Unwort des Jahres" am Freitag mit. Diese "freiwilligen Ausreisen" seien oft die Konsequenz "intensiver Beratungen" durch die Behörden. "Die Freiwilligkeit einer solchen Ausreise darf bezweifelt werden", hieß es.

Auf den Index setzte die Organisation auch den Begriff "Konsumopfer". Damit habe der Modeschöpfer Wolfgang Joop Models beschrieben, die zu Lasten ihrer Gesundheit hungern müssten, um eine extrem schlanke, letztlich magere Figur zu haben. Als weiteres Unwort gilt "Neiddebatte". Mit diesem Begriff habe der ehemalige Bundesbankpräsident Ernst Welteke die angemessene Diskussion um die Angemessenheit von Millionenbezügen bestimmter Spitzenmanager auf die Stufe klein karierten Neides herabgewürdigt.

Die Organisation "Unwort des Jahres" gibt es seit 1991. Ziel ihrer Mitglieder ist es, die sprachlichen Missgriffe anzuprangern, die in dem jeweiligen Jahr besonders negativ aufgefallen sind. Zu der Jury zählen Professoren und Journalisten. (Reuters)

Quelle: http://derstandard.at/?url=/?id=2735211

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Sex-Zwangsarbeit

#8

Beitrag von Marc of Frankfurt »


"Sex-Zwangsarbeit in nationalsozialistischen Konzentrationslagern"

ALAKUS, Baris / KNIEFACZ, Katharina / VORBERG, Robert (Hg.)


Die Verquickung sexueller und politischer Gewalt während des NS-Regimes hat in der wissenschaftlichen Forschung über Jahrzehnte hinweg kaum Berücksichtigung gefunden. Dies war insbesondere bei der schwierigen Thematik der Sex-Zwangsarbeit in NS-Konzentrationslagern der Fall. Die Nationalsozialisten errichteten ein Bordellsystem innerhalb der nationalsozialistischen Konzentrationslager, während Prostitution auf der Straße verfolgt und bekämpft wurde.
Ende 1941/Anfang 1942 kam es zu einem Funktionswandel der Konzentrationslager. Die KZ-Häftlinge sollten vermehrt zur Zwangsarbeit in der Rüstungsindustrie eingesetzt werden. Die SS führte zum Zwecke der Arbeitssteigerung ein "Prämiensystem" ein. "Häftlinge, welche sich durch Fleiß, Umsichtigkeit, gute Führung und besondere Arbeitsleistungen auszeichneten" erhielten nach dem fünfstufigen Prämiensystem bestimmte Vergünstigungen, wobei die höchste Vergünstigung der Besuch des Lagerbordells war. Infolgedessen wurden auf Weisung des SS-Reichsführers Heinrich Himmler in zahlreichen Konzentrationslagern Häftlingsbordelle eingerichtet, in denen weibliche Häftlinge Sex-Zwangsarbeit leisten mussten. Die Herausgeber beschreiben in diesem Buch die Entstehung, Funktion und Rahmenbedingungen dieses Bordellsystems, brechen damit ein Tabu und zeigen dabei eine weitere grausame Dimension des NS-Regimes auf.
ALAKUS, Baris / KNIEFACZ, Katharina / VORBERG, Robert (Hg.)

Angaben: "Sex-Zwangsarbeit in nationalsozialistischen Konzentrationslagern, 214 Seiten, 17.80 Euro, ISBN: 978385476-205-8
http://mandelbaum.at/books/764/6971

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Vergangenheit kann immer noch nicht abgeschlossen werden

#9

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Zwangsprostituierte, verschleiernd "Trostfrauen" genannt, in den Armeen des zweiten Weltkrieges:



Japans Regierung lehnt Entschuldigung für Zwangsprostitution ab

Der japanische Ministerpräsident Shinzo Abe will nicht für den Einsatz von Zwangsprostituierten im Zweiten Weltkrieg um Entschuldigung bitten. Er behauptet, dass es keine Beweise für die sexuelle Sklaverei gebe - und stellt sich damit gegen die unter Historikern vorherrschende Meinung.

Tokio - Es sei "nicht durch Fakten erwiesen", dass in der kaiserlichen Armee Frauen zur Prostitution gezwungen worden seien, so Abe. Seine Weigerung hat zu massiver Kritik unter anderem aus Südkorea geführt. Außenminister Song Min Soon forderte Japan auf, sich endlich der historischen Wahrheit zu stellen.

Abes Vorgänger hatten einen offeneren Umgang mit den unrühmlichen Kapiteln in der Geschichte des Landes gepflegt: Der damalige Regierungschef Junichiro Koizumi hatte 2001 sein "tiefes Bedauern" über die "unermesslichen und schmerzlichen Erfahrungen" ausgedrückt, die japanische Soldaten Frauen zugefügt hatten. Bereits 1993 hatte sich die damalige japanische Regierung für die Arbeit von Zwangsprostituierten in der kaiserlichen Armee entschuldigt.

Abe soll bereits am 1. März vor Reportern gesagt haben, dass es keinen Beweis dafür gebe, dass Zwang auf Frauen ausgeübt worden sei, um als Prostituierte in Soldatenbordellen zu arbeiten. Unter Historikern ist die Existenz der beschönigend "Trostfrauen" genannten Prostituierten jedoch unstrittig. Nach Schätzungen sollen etwa 200.000 Frauen aus Korea, China und anderen Ländern in den dreißiger und vierziger Jahren vom japanischen Militär zur Prostitution gezwungen worden sein.

Im US-Kongress wird derzeit eine Resolution erwogen, in der Tokio zu einer formellen Entschuldigung und zur Übernahme der historischen Verantwortung für die "Trostfrauen" aufgerufen werden soll. Abe betonte, er werde selbst im Falle einer Resolution nicht förmlich um Verzeihung bitten.

jto/dpa/AP
05. März 2007
spiegel.de/panorama/zeitgeschichte/0,1518,469874,00.html

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Comfort Women

#10

Beitrag von Marc of Frankfurt »

"Comfort Women"


Euphemismus für Zwangsprostituierte während des 2. Weltkrieges





CNN übersetzt: Auch nach 60 Jahren ist der Schmerz voll da für die Sexsklavinnen des 2. Weltkriegs


CNN original: 60 years later, pain still fresh for WWII sex slave





SEXWORKER.AT interner Querverweis:
Vortrag: "Zwangsprostitution" als soziales Konstrukt

Unwort "Zwangsprostitution" siehe oben.





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Entschuldigung Japans für Zwangsprostitution gefordert

#11

Beitrag von KonTom »

Washington. AP/baz. Japan soll sich nach einem Beschluss des aussenpolitischen Ausschusses im US-Repräsentantenhaus ausdrücklich für die Zwangsprostitution tausender Frauen während des Zweiten Weltkrieges entschuldigen. Bis zu 200'000 Frauen, überwiegend aus Korea und China, waren Historikern zufolge damals von den Streitkräften als Sexsklavinnen eingesetzt worden. Dennoch habe Japan im Umgang mit dem Thema aktiv einen «historischen Gedächtnisschwund» gefördert, kritisierte der demokratische Ausschussvorsitzende Tom Lantos.

Das Land solle seine geschichtliche Verantwortung für das Leid der so genannten «Trostfrauen» auf klare und unmissverständliche Weise anerkennen, akzeptieren und sich dafür entschuldigen, heisst es in der Resolution. Kritiker der Forderung erklärten dagegen, Japan habe sich in der Vergangenheit bereits mehrmals für die Militärbordelle entschuldigt - zuletzt während des Besuchs des japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe in Washington im April. Die mit 39 zu zwei Stimmen beschlossene Resolution soll nun im Repräsentantenhaus zur Abstimmung gestellt werden.

Quelle

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Arbeitskommando Bordell

#12

Beitrag von Zwerg »

Sexzwangsarbeit Arbeitskommando Bordell
Von Rebecca Hillauer

In den Konzentrationslagern des «Dritten Reiches» wurden Frauen zur Prostitution gezwungen - für die Wehrmacht, die SS, für Zwangsarbeiter und Mithäftlinge. Lange wurde das verschwiegen.

«Unsere Bekleidung war ein weisser Faltenrock, ein kleiner Schlüpfer und ein Büstenhalter. Das waren die Arbeitskleider im Puff», erzählt Margarete W. Bis auf das Ticken der Uhr an der Wand ist es still in dem Zimmer. Zwei Jahre lang, von 1943 bis 1944, musste Margarethe W. im Häftlingsbordell des Konzentrationslagers Buchenwald Sexzwangsarbeit verrichten. Über diese demütigende Erfahrung hat sie nach dem Krieg geschwiegen. Erst im Alter, den Tod vor Augen, überwindet sie ihre Scham.

«Jeden Abend mussten wir ungefähr zehn Männer über uns rüber steigen lassen. Die mussten zuerst ins Ärztezimmer, sich eine Spritze abholen. Dann konnten sie ihre Sachen verrichten: rauf, rein, raus, rein - wieder runter.» Jeder Mann hatte eine Viertelstunde Zeit. Dann kam der Nächste. «Dafür mussten sie zwei Mark bezahlen und konnten sich von den Frauen - die hatten Nummern 1, 2, 3, 4 und so weiter - eine aussuchen», erzählt Margarethe W. Vorher untersuchten Ärzte die Männer auf Geschlechtskrankheiten und gaben manchem vorsorglich eine Spritze. Die Frauen mussten sich nach jedem Geschlechtsakt waschen. An Sauberkeit mangelte es nicht.

Wie Margarethe W. erging es tausenden von Frauen. Allein in den Jahren 1940 bis 1942 wurden rund 35 000 Frauen von den Nazis zur Sexarbeit gezwungen, meist alle sechs Monate ausgewechselt und danach vielfach umgebracht. Bordelle gab es für die Wehrmacht und die SS sowie für Zwangs- und Fremdarbeiter. In Auschwitz und anderen Lagern mussten die Frauen auch männlichen Mithäftlingen zur Verfügung stehen.

«Mit diesen Häftlingsbordellen wollte man in erster Linie die Zwangsarbeiter, die sehr wichtige Arbeit innehatten, etwa in der Textil-, Chemie- und Rüstungsindustrie oder in der Lagerverwaltung, zu weiterer Leistungssteigerung anreizen», erklärt Brigitte Halbmayr vom Institut für Konfliktforschung in Wien. Zusammen mit ihren Kolleginnen Helga Amesberger und Katrin Auer hat die Soziologin Formen der vom Nazistaat angewandten sexualisierten Gewalt gegen Frauen im «Dritten Reich» erforscht - ein bis in die neunziger Jahre tabuisiertes Kapitel der NS-Geschichte.

Das erste Häftlingsbordell in einem KZ entsteht auf Befehl Heinrich Himmlers, Reichsführer SS, im Juni 1942 in Mauthausen. Die Lage an der Ostfront spitzt sich zu, alle Reserven müssen mobilisiert werden. Auf Anregung der IG Farben - einer der grössten Förderer und Nutzniesser des Regimes - schlägt Himmler deshalb ein mehrstufiges Prämiensystem vor: «Die dritte Stufe muss in jedem Lager die Möglichkeit sein, dass der Mann ein- oder zweimal in der Woche das Lagerbordell besucht. Dieser ganze letzte Komplex ist nicht übertrieben schön, aber er ist natürlich, und wenn ich diese Natürlichkeit als Antriebsmittel für höhere Leistungen habe, so finde ich, dass wir verpflichtet sind, diesen Ansporn auszunutzen.»

Ein wichtiger Grund dürfte für Himmler darüber hinaus gewesen sein, homosexuellen Neigungen in der Männergesellschaft des Heeres und der SS vorbeugen zu wollen - das gilt auch für die Männergesellschaften in den Konzentrationslagern. Politische Häftlinge sahen darin auch einen Versuch, diese Häftlingsgruppe zu korrumpieren und vom Widerstand abzuhalten sowie die Lagergesellschaft zu entsolidarisieren, indem die Hierarchisierung der Häftlinge nochmals verstärkt wurde.

Insgesamt werden zehn Häftlingsbordelle errichtet. Ihr Besuch ist in erster Linie einer kleinen Gruppe privilegierter Häftlinge vorbehalten. Sie müssen einen Bordellschein - den so genannten «Sprungschein» - beantragen. «Da ging man hin zum Blockältesten und sagte, ich möchte mal in den Sonderbau», erzählt der Niederländer Albert van Dijk, der als achtzehnjähriger nach Buchenwald kam. Am gleichen Abend oder am nächsten oder übernächsten Abend wurde beim Appell

seine Nummer aufgerufen: «7646?» - «Jawohl!» - «Weisst Bescheid?» - «Jawohl!» - «Zum Bad und sauberes Handtuch mitbringen!» Im Bad erhielt er saubere Unterwäsche. «Wenn der Häftlingsanzug nicht mehr sauber war, auch einen neuen Häftlingsanzug. Das war schon was ... Und dann hatte man noch ein Mädchen - alles für zwei Mark.»

Vor den Fenstern des Sonderbaus hängen Gardinen, Blumen stehen auf den Tischen. Der Gemeinschaftsraum ist hell, in den Arbeitszimmern sind breite Liegen mit sorgsam gefalteten Decken. In der Verwaltung herrscht preussische Gründlichkeit: Über jeden Besuch wird akribisch Buch geführt: Name der Frau, Anzahl der Freier, Gesamteinnahmen. Viele Häftlinge kommen vor allem, um menschlichen Kontakt zu haben und zu reden - was eigentlich streng verboten ist. «Es gab sehr viele Affären dort», sagt Hans Marsalek, ehemaliger Häftling in Mauthausen. «Wenn die Männer da plötzlich in den Armen der Frauen hingen beim Geschlechtsverkehr, haben sich manche verliebt.»

Die meisten Häftlinge sind jedoch körperlich zu schwach für Geschlechtsverkehr. Unter den politischen Häftlingen ist der Besuch des Sonderbaus verpönt. In Buchenwald, wo kommunistische Häftlinge eine illegale Lagerregierung aufgebaut haben, verbietet eine interne Weisung, die Einrichtung zu benutzen - viele gehen trotzdem. Der bekannteste Fall ist der des KPD-Mitglieds Ernst Busse. Als Kapo im Krankenbau wohnte er sogar mit einer Sexzwangsarbeiterin zusammen. Nach dem Krieg wird dies dem damaligen Innenminister von Thüringen zum Verhängnis: Er wird Opfer einer «Säuberungsaktion» und in den Gulag deportiert.

Hauptumschlagplatz für die Sexzwangsarbeiterinnen ist das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück. Als Margarethe W. dorthin verschleppt wird, ist sie gerade 21. Als sie dabei erwischt wird, wie sie sich einige Kartoffeln «abzweigt», kommt sie in den Strafblock. Im Juli 1943 wird sie mit sechzehn anderen Frauen für das Bordellkommando in Buchenwald ausgewählt. Zu der Zeit ist sie noch Jungfrau.

Auf Befehl Himmlers sind für das Bordell anfangs nur vorbelastete Frauen «abzustellen», die unter die Häftlingskategorie «asozial» fallen. Die SS soll sich nie vorwerfen müssen, einen «für das deutsche Volk noch zu rettenden Menschen verdorben zu haben». Zwangsrekrutiert werden auch so genannte «Bettpolitische» - Frauen, die aufgrund einer Beziehung zu einem Fremdarbeiter inhaftiert worden sind. Der Nazistaat, der Frauen wegen - nachgesagter - Prostitution ins KZ sperrt, wird nun selbst zum Zuhälter. Auch Lesben werden bevorzugt abkommandiert, um sie auf den «richtigen» Weg der Heterosexualität zurückzuführen.

Volljährig, gesund und «einigermassen hübsch» sollen die Frauen für das Bordell sein. Sie werden auf Geschlechtskrankheiten untersucht und unter die Höhensonne gesetzt. Zudem wird ihnen besseres Essen versprochen, ein kleiner Lohn - und vor allem die vorzeitige Entlassung. Viele greifen in ihrer Verzweiflung nach diesem Strohhalm und lassen sich auch «freiwillig» anwerben.

«Aus diesem Umstand erwuchs der Mythos der freiwilligen Meldung für das KZ-Bordell», sagt Brigitte Halbmayr. Sie hält das für eine ungerechtfertigte Bezeichnung. Denn in einem KZ, wo man ums Überleben kämpft, könne von Freiwilligkeit und Wahlfreiheit nicht die Rede sein. «Wenn Frauen sich gemeldet haben, dann nicht ‹freiwillig›, sondern aus der Not heraus. Die Arbeit im Häftlingsbordell und den anderen Bordellen war ein Arbeitskommando. Eine Zwangsarbeit wie andere auch.»

Frauen, die sich mit einer Geschlechtskrankheit infiziert hatten, wurden nach Ravensbrück zurückverlegt und medizinischen Versuchen unterzogen. Schwangeren verordnete man eine Zwangsabtreibung, die meist im Lager selbst ausgeführt wurde. «Man wird abgestumpft. Das Leben zählt nichts mehr, denn sie hatten einen als Mensch kaputtgemacht», erinnert sich Margarethe W. Tagsüber waren die Frauen im Sonderbau eingeschlossen, durften höchstens um die Baracke herum spazieren. Kontakt zu den Mithäftlingen war ihnen verboten. Margarete W. fühlte sich ausgeliefert. Sie sagte sich: Je eher sterben, desto besser.

Nur wenige Frauen überstehen die seelische und körperliche Tortur. Als Krieg und Naziterror dann endlich vorbei sind, wird ihnen von den beiden neuen Republiken die Anerkennung als Zwangsarbeiterinnen jedoch versagt. Unter den Verantwortlichen der Gedenkstätten und den ehemaligen politischen Häftlingen wird befürchtet, die Schrecken und unmenschlichen Bedingungen in den Lagern könnten durch Berichte über Häftlingsbordelle relativiert werden - und schweigen deren Existenz jahrzehntelang tot. Andere stellen die ehemaligen Sexzwangsarbeiterinnen moralisch an den Pranger. Der NS-Forscher Eugen Kogon etwa schreibt im Buch «Der SS-Staat», bis auf wenige Ausnahmen hätten sie sich «in ihr Schicksal ziemlich hemmungslos gefügt». Der spanische Schriftsteller Jorge Semprun veröffentlichte sogar die vollen Namen der Frauen aus dem Buchenwalder Häftlingsbordell.

Aus Scham sprechen nur wenige ehemalige Sexzwangsarbeiterinnen über das, was sie in den Bordellen erlitten haben. Bereits im KZ standen sie in der Häftlingshierarchie als «Asoziale» auf unterster Stufe der Reichsdeutschen. Die Hierarchisierung setzt sich in der Nachkriegsgesellschaft fort.

Margarethe W. war unter den Nazis insgesamt fünf Jahre in Konzentrationslagern eingesperrt. Als «Asoziale» gehörte sie jedoch nicht zu den nach dem Bundesentschädigungsgesetz anerkannten Verfolgten des NS-Regimes. Damit fand sie sich aber nicht ab. Sie nahm sich einen Anwalt und ging vor Gericht. Nach jahrelangem Prozessieren erhält sie 1988 eine einmalige Entschädigung. Schliesslich erkennt man ihr nach dem Landeshärtefonds eine laufende finanzielle Unterstützung zu, die nach einer Rentenerhöhung jedoch wieder gestrichen wird. Dagegen legt sie erneut Widerspruch ein. Sie will Wiedergutmachung und Anerkennung ihres Leidens.

Der endgültige Ablehnungsbescheid kommt an einem Montag im Oktober. Einen Tag zuvor ist Margarethe W. an einem Schlaganfall gestorben.

Die Forschungsergebnisse des Wissenschaftlerinnenteams sind nachzulesen in dem Buch: Helga Amesberger, Katrin Auer, Brigitte Halbmayr: «Sexualisierte Gewalt. Weibliche Erfahrungen in NS-Konzentrationslagern». Mandelbaum Verlag Michael. Wien 2004. 359 Seiten. Fr. 43.70.


WOZ-CH

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#13

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Querverweis:
Zum Buch: Sex-Zwangsarbeit
(Und: "Comfortwomen"
Diskussion über das Unwort "Zwangsprostitution")





Wer schreibt eine Geschichte der SexarbeiterInnen in der NS-Zeit und im Krieg?
viewtopic.php?p=37605#37605





.
Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 28.05.2008, 00:57, insgesamt 1-mal geändert.

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Japan

#14

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Der japanische Ministerpräsident Abe hatte im vergangenen Jahr internationale Empörung ausgelöst, als er bestritt, dass die japanische Regierung zur Kriegszeit chinesische und koreanische Frauen zur Prostitution gezwungen habe.

Sogar der US-Kongress, sonst treu an japanischer Seite, verabschiedete daraufhin eine Resolution, die Japan dazu aufforderte, die Schuld anzuerkennen.

Historiker gehen davon aus, dass zwischen 50.000 und 200.000 Frauen zur Prostitution gezwungen wurden.

http://www.pr-inside.com/de/ministerpra ... 186722.htm
Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 27.05.2008, 20:53, insgesamt 1-mal geändert.

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#15

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Das Schweigen über Zwangsprostitution in KZs brechen

Tabuisiertes Gräuel: Eine Ravensbrück-Ausstellung thematisiert die sexuelle Ausbeutung von Frauen und Männern in den Todeslagern


Kampen - Für Jahrzehnte wollte sich niemand daran erinnern. An die "speziellen Blöcke" der Nazis in den Konzentrationslagern, in welchen weibliche Häftlinge, meist aus dem Frauenkonzentrationslager Ravensbrück, sowie deutsche Prostituierte zur Prostitution gezwungen wurden.
Diese KZ-Bordelle, auch "Hurenblöcke" genannt, waren eine perfide Idee Heinrich Himmlers, der sie 1940 einführte. Seine Überlegung: Die männlichen Gefangenen würden härter arbeiten, wenn diejenigen mit den besten Leistungen den Anreiz sexueller Betätigung in Aussicht gestellt bekämen. Zudem sollte es die Männer gegeneinander ausspielen, die Solidarität zersetzen, wenn einer dem anderen derart vorgezogen wurde.


Im Rahmen der Aufarbeitung der Gräuel in den Todeslagern wurden diese Bordelle tabuisiert. Die Frauen, die dort zur Arbeit gezwungen worden waren, waren, wenn sie überhaupt überlebten, zu verängstigt, um darüber zu sprechen, und die Männer schwiegen aus Scham.


Bis Ende September versucht eine Ausstellung im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück im Norden Berlins noch, diese verdrängte Vergangenheit aufzuarbeiten und zu zeigen, wie weit die Nazis gingen, die Sexualität der männlichen Gefangenen zu steuern und ihren Willen zu brechen. Die Frauen waren Mittel zum perversen Zweck, missachtet und wertlos.


Schweigen brechen

Einer der ersten, die das Schweigen über die Bordelle brachen, ist der Niederländer Albert van Dijk. Er lebt in Kampen nah der deutschen Grenze. "Oft habe ich versucht, das Gespräch auf die 'speziellen Blöcke' zu lenken, wenn ich mich mit anderen Ex-Häftlingen aus dem KZ Buchenwald traf - aber niemand ist darauf eingegangen. Man meinte auch, ich hätte da etwas missverstanden", erzählt Van Dijk.
Der heute 83-Jährige kann sich noch lebhaft an seine Zeit im KZ erinnern. An die Verzweiflung, an die Degradierung, Entmenschlichung. Auch an die blonde Prostituierte namens Frieda, in die er sich verliebte und an die er seine Jungfräulichkeit im "Hurenblock" verlor.

Offiziell war Prostitution von den Nazis verboten worden, was aber der Einrichtung eines Bordell-Netzwerks durch die SS-Elite für deutsche Soldaten, Zwangsarbeiter und Gefangene nicht ausschloss. Der Zweck: Die Ausrottung homosexueller Aktivitäten. Das Mittel: Ein im Prämiensystem der Nazis installiertes Regulierungsinstrument männlicher (und weiblicher) Sexualität.


Ausbeutung

Ab 1942 wurden zwischen 200 und 300 Frauen, beinahe alle als "asozial" klassifiziert ins KZ gebracht, in zehn Bordellen in Deutschland, Österreich und Polen zur Prostitution gezwungen. Anfangs erklärten sich einige zur Sexarbeit bereit, weil man sie unter der falschen Versprechung, sie nach sechs Monaten freizulassen, dazu gebracht hatte. Später wurden die Frauen zwangsrekrutiert, teils auch Kranke aus den KZ-Lazaretten. Die Gratifikationen für diese Frauen waren nur marginal: Das bisschen mehr an Essensrationen und die Erlaubnis, zivile Kleidung zu tragen, konnten die physischen und psychischen Folgen dieser Zwangsarbeit nicht wettmachen.

Viele erkrankten an sexuell übertragbaren Krankheiten, wurden für medizinische Experimente missbraucht und zu Abtreibungen gezwungen. Jeder Frau wurde ein Raum zugewiesen, männlichen Gefangenen wurden nach kurzer oberflächlicher Untersuchung je fünfzehn Minuten mit ihr gewährt. Durch Gucklöcher überwachten die Aufseher die Sexpraktiken - der Geschlechtsakt war nur im Liegen - er auf ihr - erlaubt.

Nach einem derartigen Arbeitstag hieß es für die Frauen abends und nachts, männliche Gefangene für zwei Stunden gegen ein Eintrittsgeld von zwei Reichmark zu unterhalten. Diejenigen, die sich das finanziell leisten konnten, zählten zu den ranghöchsten und angesehensten unter den Häftlingen; diese bekamen auch die größten Rationen. Der Rest war zu ausgemergelt und von zu schlechter gesundheitlicher Verfassung, um Sex haben zu können.


Frieda

Frieda war die erste Frau, die Van Dijk seit sechs Monaten zu Gesicht bekam. Er war damals ein Teenager, der aus einer Zwangsarbeiter-Truppe geflohen war und jüdische Familien in Kampen mit Verpflegung versorgt hatte - Konsequenz war das KZ Buchenwald. Frieda schätzte seine Jugend, meint er. "Eines Tages musste ich den Block reinigen und ich war zum ersten Mal allein mit ihr... Sie gab mir etwas Schnaps, blies mir Zigarettenrauch in meinen Mund und wir landeten im Bett. Es war mein erstes Mal und das vergisst man nicht." Später musste er wie alle anderen zahlen, wenn er sie sehen wollte - immerhin war ihm dieses bedenkliche Privileg gestattet, weil er nicht aus politischen oder rassischen Gründen inhaftiert war.

"Die Verwandten konnten mir Geld schicken, das auf einem KZ-Konto landete", erinnert sich Van Dijk. Mit grotesker Effizienz waren die SS-Beamten mit der Eintreibung der Schulden, die in den Bordellen gemacht wurden, in den jeweiligen Familien der Inhaftierten beschäftigt.

Andere Gefangene sagten ihm, er sollte sich schämen, das Geld seiner Mutter im Bordell auszugeben, aber in einem Umfeld, in dem sexuelle Ausbeutung Gang und Gäbe war, sah er das nicht ein. "Einige der jüngeren Männer schliefen mit älteren Häftlingen für eine Extraportion Brot... Ich war jung und naiv und ich dachte, Frieda würde sich wirklich für mich interessieren."


Nicht wiedergutgemacht

Nach der Befreiung der KZs begann der Kampf um die Wiedergutmachung. Viele der ehemaligen Zwangsprostituierten fanden es schwer, ihre Ansprüche geltend zu machen - ihre "Beschäftigung" wurde als "freiwillig" gesehen. Andere fürchteten die Stigmatisierung, die sie schon im KZs gespürt hatten, auch im befreiten Leben und schwiegen.

Die Ausstellung in Ravensbrück, wo zehntausende Frauen ermordert wurden, zeigt Videoarbeiten über ehemalige Gefangene, die sich an die Nazi-Bordelle erinnern. Erinnerungen an schreckliches Geschehen.

"Das Thema verleitet zum Voyeurismus", meint Insa Eschebach, Vorsitzende der Ravensbrücker Gedenkstätte. So verzichtet die Ausstellung zumeist auf Bilddokumente und verlässt sich auf schriftliche Zeugnisse. Denn auch KZs wurden als Szenerie in so mancher Porno-Fantasien verzweckt und die wirklichkeitsfremde Darstellung von Macht und Unterwerfung zwischen SS-Leuten und Gefangenen ausgebeutet.

Zu sehen sind einige der wenigen erhaltenen Fotografien der "Hurenblöcke" und ihrem Innenleben, wo rustikale deutsche Möbel, Blumenvasen und Tischdeckchen das Grauen, das sich darin abspielte, ad absurdum führen. (Reuters/red)

http://diestandard.at/?url=/?id=2973955





Hier werden wesentlich höhere Opfer-Zahlen genannt:
http://sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=19177#19177





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Feminismus im Kapitalismus

#16

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Feministische Theorie:

Deutscher Feminismus und Antisemitismus


Ljiljana Radonic, Uni Wien


Eine kritische Würdigung ausgehend von der Arbeit der Psychoanalytikerin Margarethe Mitscherlich: Die friedfertige Frau. Eine psychoanalytische Untersuchung zur Aggression der Geschlechter, Frankfurt/Main 1989


1. Frauen als Täterinnen und Profiteurinnen im NS (Nationalsozialismus)

Die deutschen Frauen haben während der Kriegszeit, der Abwesenheit der Männer, den Staat weitgehend selbst aufrecht erhalten und dabei eine Phase der Emanzipation erlebt.

Doch es war der NS-Staat den sie aufrecht erhalten haben: Frauen als Täterinnen und Profiteurinnen im NS


2. Die Frauenbewegung und der Antisemitismus


3. Der Opfer-Mythos als Identifikationsbedingung

"'Mittäterschaft' reduziert sich so auf weibliche Korrumpierbarkeit durch das patriachale System und seine Ideologie, (...) statt passive haben wir nun sich selbst betrügende, aktive Opfer. Am Konzept von Weiblichkeit als Anpassung aber hat sich im Wesentlichen nichts geändert."

Widerstandskämpferinnen wurden von Feministinnen seltener als Identifikationsfiguren angenommen als das untergeordnete Opfer.


4. Antifeminismus = Antisemitismus - Der Genozid an Frauen und Juden?


5. Antisemitische Patriarchatskritik

"Das vor 5000 Jahren noch weltumspannende Matriarchat vom Judentum vernichtet worden wäre."

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass historische Tatsachen, wie der Antisemitismus von Frauen im NS, im Sinne einer für Frauen identitätsstiftenden Geschichtsschreibung umgeschrieben wurden, was einen breiten Bogen an Konsequenzen - vom Mangel an Empathie gegenüber Jüdinnen und Juden, bis zu unleugenbarem Antisemitismus - nach sich zog.

In der Frauenbewegung ist es bis auf wenige Ausnahmen immer noch selbstverständlich, mithilfe der Theorie des Patriarchats alle Formen der Vergesellschaftung, einschließlich des NS, zu erklären. Die Patriarchatstheorie als Erklärung für den NS ist natürlich falsch, denn Geschlechterbeziehungen waren - trotz aller Umdeutungsversuche - nicht der Kern dessen, was nationalsozialistische Herrschaft ausmachte.

Die kapitalistisch organisierte Gesellschaft ist nicht mehr, wie im Feudalismus, durch persönliche Abhängigkeitsverhältnisse gekennzeichnet. Sie macht Männer wie Frauen zu ersetzbaren, den undurchschauten Verhältnissen gegenüber ohnmächtigen Charaktermasken. In der Gleichsetzung von Ungleichen als Lieferanten der Ware sind Geschlecht, Hautfarbe und Herkunft dem Kapital egal, solange das Individuum den gesellschaftlichen Anforderungen gerecht wird. Dies gilt im Prinzip auch für den Staat und drückt sich in der Formel Gleichheit aller vor dem Gesetz aus.

Familie die Zelle des Staats.

Ob bei der Analyse unserer Gesellschaft dabei der Begriff Patriarchat verwendet wird, ist letztlich egal, wichtig ist nur eine realitätsgerechte Theorie des Geschlechterverhältnisses, die Frauen nicht als das friedfertige, bessere Geschlecht postuliert, frei nach dem Motto: "Am weiblichen Wesen soll die Welt genesen" (Roswitha Scholz), sondern auf die Transformation von Herrschafts- und Unterdrückungsmechanismen reflektiert.


53 Anmerkungen und 14 Literaturquellen.


http://www.univie.ac.at/politikwissensc ... em.as.html

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Militär und Zwangsprostitution auch heute Thema:

#17

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Sexuelle Übergriffe von UN-Soldaten

Vom Schutzengel missbraucht


Kürzlich wurde ein 700 Mann starkes UN-Kontigent vom Dienst suspendiert. Die Soldaten sollen Frauen und Mädchen vergewaltigt haben. Die offenbar notorisch verübten Vergewaltigungen zerstören den Ruf und die Glaubwürdigkeit der Vereinten Nationen.


Von Nicolas Richter

Die Null war die Zahl der Woche im Hauptquartier der Vereinten Nationen. "Null Toleranz“, wiederholten die Verantwortlichen immerzu. Besonders resolut trat Jane Holl Lute auf, eine Amerikanerin, die seit kurzem die Friedenseinsätze mitverantwortet. "Null Toleranz heißt null Selbstzufriedenheit und null Straflosigkeit“, erläuterte Lute in New York, wobei sie wie eine Staatsanwältin beim Schlussplädoyer klang.

Die Verdächtigen saßen zu diesem Zeitpunkt weit weg in ihrem Stützpunkt in der Elfenbeinküste, es sind UN-Blauhelmsoldaten, die junge Frauen und Mädchen sexuell missbraucht oder ausgebeutet haben sollen – jene also, die sie eigentlich beschützen sollten. Die internen Ermittlungen der UN sind noch nicht abgeschlossen, aber die Vorwürfe wiegen bereits so schwer, dass das gesamte Kontingent marokkanischer Soldaten in der Elfenbeinküste – immerhin also mehr als 700 Mann – vor einer Woche vom Dienst suspendiert worden ist.

Sexuelle Exzesse von UN-Soldaten, darunter Vergewaltigung und Pädophilie, sind ein notorisches Problem des Peacekeeping. Für den Ruf der UN sind diese Taten desaströs, weil sie das Vertrauen der ohnehin kaputten Gesellschaften in den Einsatzländern brechen. Belegt sind Fälle von Bosnien in den 1990er Jahren über Kambodscha und Ost-Timor bis Westafrika im Jahr 2002, dann kam 2004 das Treiben im Kongo ans Licht.

Je intensiver die Vereinten Nationen die Missetaten ihrer Schutztruppen überprüfen, desto mehr Fälle werden bekannt, und auch das sind noch längst nicht alle. In der Elfenbeinküste soll nach UN-Angaben jetzt schon feststehen, dass der Missbrauch "weit verbreitet“ gewesen ist, was abermals einen großen Skandal erwarten lässt.


Den Beschützern ausgeliefert

Der Völkerclub hat erkennen müssen, dass er das Problem viel zu lange vernachlässigt hat: Erst im Jahr 2003 erließ der damalige Generalsekretär Kofi Annan eine Richtlinie, wonach den Soldaten ausdrücklich Sex mit Minderjährigen und die Inanspruchnahme von Prostitution verboten wurde.

In dem Verhaltensleitfaden für die Soldaten namens "Zehn Regeln für Blauhelme“ ist aber bis heute nur allgemein davon die Rede, dass "immorale Handlungen sexuellen Missbrauchs“ verboten seien. Offenbar wissen nicht alle Uniformierten, wo die Grenzen liegen. Selbst nachdem im Jahr 2004 Dutzende Fälle im Kongo dokumentiert worden waren, hatten Beobachter den Eindruck, dass der Missbrauch andauerte und sowohl von Soldaten als auch von zivilen Helfern ausging.

"Die bisherigen Maßnahmen sind unzureichend“, stellte der jordanische Diplomat Zeid al-Hussein fest, als er das Problem im Auftrag Annans an den Tatorten untersuchte. Dem Personal habe es in der gesamten Geschichte dieser Einsätze am Gefühl gefehlt für die Krisenländer, in die es entsandt worden sei, kritisierte Hussein.

Die Wurzel des Problems liege "in der Unfähigkeit vieler Peacekeeper zu erkennen, wie traumatisiert und verwundbar die jeweiligen Gesellschaften sind“. Die vermeintlichen Schutzengel der Weltgemeinschaft treffen dann auf Opfer, die ihnen ausgeliefert sind. Sie sind oft minderjährig, extrem arm und haben im Krieg ihre Familie verloren. Angesichts der Gewaltverbrechen, die den UN-Einsätzen vorausgegangen sind, nehmen viele Opfer die Gewalt gegen sich als etwas hin, dem sie ohnehin nicht entgehen können.

Im Kongo wurden viele Fälle von Sex mit Kindern als Prostitution deklariert, Annans Emissär al-Hussein stellte allerdings fest, dass es sich eher um "Vergewaltigungen handelte, die als Prostitution getarnt waren“. Die Opfer erhielten dann hinterher einen Dollar, damit es einvernehmlich aussah.

Al-Hussein forderte 2005 eine stärkere Kontrolle der Blauhelme und ihrer Kollegen in zivil. So gibt es mittlerweile bei den großen Einsätzen eigens abgestellte Disziplinarbeamte. Sie waren es, die zum Beispiel den neuesten Fall in der Elfenbeinküste aufgedeckt haben. Doch die UN haben noch immer nicht genügend Einfluss darauf, was mit den Tätern passiert. Sie können korrupte Blauhelm-Soldaten in ihre Heimatländer zurückschicken, was bislang etwa 180 Mal geschehen ist, die Organisation kann aber die Täter nicht verurteilen.

Dies obliegt allein den Staaten, die die Soldaten geschickt haben. Sie berichten den UN vertraulich, wie das Verhalten ihrer Soldaten geahndet wurde, die Weltöffentlichkeit aber kann bislang nicht überprüfen, ob wirklich Strafen verhängt werden und welche. Lange schreckten die UN auch davor zurück, allzu forsch auf Disziplinarmaßnahmen oder Strafen zu dringen, sie befürchteten, dass einige Länder dann gar keine Soldaten mehr für Friedenseinsätze bereitstellen würden. Gleichzeitig ist es oft schwer, die Täter zu überführen, weil die Opfer Angst haben oder nicht in der Lage sind, ihre Peiniger zu identifizieren.


Schwierige Tätersuche

Für die Glaubwürdigkeit der Blauhelm-Missionen sind die notorischen sexuellen Übergriffe verheerend. Die UN könnten den Regierungen in Krisenstaaten weder die Achtung der Menschenrechte noch rechtsstaatliche Reformen nahelegen, wenn das eigene Personal die Ohnmächtigsten vergewaltige, befand al-Hussein. Die Truppen machten sich zudem erpressbar oder müssten Vergeltung fürchten, ganz zu schweigen vom Schicksal der Opfer und der peacekeeper babies, die sie zur Welt bringen.

Immerhin greifen die UN jetzt in der Elfenbeinküste durch. Die 700 Soldaten aus Marokko dürfen ihr Quartier nur noch bei Tageslicht verlassen, um Treibstoff und Proviant zu besorgen. In diesen Tagen wird der interne UN-Ermittlungsbericht erwartet. Es ist unwahrscheinlich, dass er alle Täter überführt.

(SZ vom 30.7.2007)






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Bilaterale Politik auf dem Rücken von Prostitutionsopfern

#18

Beitrag von Marc of Frankfurt »

US-Repräsentantenhaus fordert Entschuldigung Japans für Prostitution

© AP (PR-inside.com 30.07.2007 22:41:37)


Washington (AP) Das US-Repräsentantenhaus hat Japan zu einer formellen Entschuldigung wegen der Zwangsprostitution tausender Frauen während des Zweiten Weltkriegs aufgefordert.

Die Abgeordneten verabschiedeten am Montag eine entsprechende Resolution, die zwar lediglich symbolische Bedeutung, in Japan aber dennoch schon Missstimmung hervorgerufen hat. Es sei «widerlich», wie die Regierung in Tokio versuche, «die Geschichte zu verdrehen und zu leugnen», sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Tom Lantos.

Historikern zufolge setzten die japanischen Streitkräfte während des Zweiten Weltkriegs bis zu 200.000 Frauen als Sexsklavinnen ein. Diese so genannten «Trostfrauen» stammten überwiegend aus Korea und China. Japan betont, dass sich verschiedene Ministerpräsidenten bereits mehrfach für die Militärbordelle entschuldigt haben. 1993 veröffentlichte die Regierung eine sorgfältig formulierte Entschuldigung für die damaligen Ereignisse, die aber niemals vom Parlament gebilligt wurde. Die meisten Schadensersatz-Klagen wurden abgelehnt.





SEXWORKER.AT interne Querverweise:
Tom Lantos nennt Schröder eine politische Hure
Der Republikaner Lantos bezichtigt den über einen Prostitutionsskandal gestürzten R. Tobias der "tycoonitis"





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#19

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Zwangsarbeit im Bordell

Eine Ausstellung in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme beschäftigt sich mit einem wenig beachteten Aspekt des NS-Terrors: der Sex-Zwangsarbeit in KZ-Bordellen

In der Geschichte der Konzentrationslager sind Häftlingsbordelle ein bisher wenig beachtetes Phänomen. Die weiblichen Häftlinge, die in den Bordellen zur Sexarbeit gezwungen wurden und überlebten, schwiegen nach 1945 ebenso wie die männlichen Häftlinge, denen im Rahmen eines Prämiensystems von der SS der Bordellbesuch ermöglicht wurde. Zwischen 1942 und 1945 wurden Frauen in insgesamt zehn Konzentrationslagern zur Sex-Zwangsarbeit gezwungen. Die meisten von ihnen wurden dabei aus dem Frauen-KZ Ravensbrück rekrutiert.


Eine Ausstellung der dortigen Mahn- und Gedenkstätte, die sich mit diesem unterbelichteten Aspekt des nationalsozialistischen Terrors auseinandersetzt, ist nun im Südflügel der ehemaligen Walther-Werke auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte Neuengamme zu sehen. Eröffnet wird sie am Mittwochnachmittag.

Die Häftlingsbordelle in den Konzentrationslagern waren Teil eines Systems von Bordellen, das von der SS organisiert wurde. Männlichen Häftlingen sollte deren Besuch zum einen als "Leistungsanreiz" dienen. Zum anderen fürchtete die SS die Ausbreitung von Homosexualität und Geschlechtskrankheiten in den Lagern - und glaubte, mit den Bordellen dieser Entwicklung entgegenwirken zu können: Die erzwungene Prostitution als Kanalisierung und Überwachung männlicher Sexualität, als Gesundheitspolitik, stets den rassistischen und antisemitischen Vorgaben der nationalsozialistischen Ideologie folgend.

In die Prostitution gezwungen wurden weibliche KZ-Häftlinge ab 1942. In der Regel waren es deutsche, nichtjüdische Frauen, die aus verschiedenen Gründen, wegen Arbeitsvertragsbruch, wegen Umgangs mit nichtdeutschen Zwangsarbeitern oder wegen verbotener Straßenprostitution inhaftiert wurden. Im Bordellsystem zeigte sich so die Doppelmoral nationalsozialistischer Sexualpolitik. Offiziell wurde die Prostitution bekämpft, während in den Lagern die Sex-Zwangsarbeit in großem Umfang institutionalisiert wurde.

Die Ausstellung beschränkt sich indes nicht auf den "Arbeitseinsatz" im Lager-Bordell. Denn daneben gab es in den Lagern auch inoffizielle sexuelle Ausbeutung: etwa in Form von alltäglichen Übergriffen und häufig als Teil von Tauschbeziehungen erzwungenen sexuellen Beziehungen.

ROBERT MATTHIES

Ausstellung "Sex-Zwangsarbeit in NS-Konzentrationslagern":
Eröffnung am Mi, 31. 10., 16 Uhr,
KZ-Gedenkstätte Neuengamme
Südflügel der ehemaligen Walther-Werke

taz.de/regional/nord/hamburg/artikel/?dig=2007/10/27/a0234&src=UA&cHash=b22943667a





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Beitrag von Walker »

Zwangsprostitution - Bordelle in Konzentrationslagern

Als 1994 das Buch "Zwangsprostitution - Staatlich errichtete Bordelle im Nationalsozialismus" erscheint, beschreibt die Autorin Christa Paul einleitend die nur spärlichen Hinweise, die sie während ihrer Recherche zusammentragen konnte. Über die Bordelle in Konzentrationslagern hatte es bis dahin, knapp 50 Jahre nach Ende der nationalsozialistischen Herrschaft, keine umfangreicheren Darstellungen gegeben.

Frauen wurden in Bordellen für Angehörige der Wehrmacht und der SS, für Fremd- und Zwangsarbeiter und in Häftlingsbordellen der Konzentrationslager zur Prostitution gezwungen. Nur einzelne der überlebenden Frauen waren später bereit oder in der Lage, über ihre Erfahrungen öffentlich zu berichten. Viele schwiegen auch Angehörigen gegenüber, manche von ihnen bis heute. Neben der Brutalität der Erlebnisse, die für viele Überlebende nur schwer in Worte zu fassen sind, liegen die Gründe dafür auch in den fortgesetzten Diskriminierungen, denen sich die Frauen ausgesetzt sehen. Einige lehnen Interviews ab, sofern sie überhaupt danach gefragt wurden, oder bestehen auf anonymisierte Veröffentlichungen, um sich gegen Schuldzuweisungen und Stigmatisierungen zu schützen.

Neben nur einigen wenigen Berichten von Frauen, die vom NS-Staat zur Prostitution gezwungen wurden, sind es außer dem damaligen Schriftwechsel der Behörden vor allem Berichte ehemaliger Häftlinge, die heute über die Bordelle in den Konzentrationslagern Auskunft geben. Dabei gehen allerdings nur wenige auf die Situation der betroffenen Frauen ein, und auch hier finden sich in den Darstellungen immer wieder gängige Vorurteile und Diskriminierungen.

NS-Staat und Sexualität

Die Bordelle stellten für den nationalsozialistischen Staat ein weiteres Instrument dar, mit dem die Sexualität von Menschen kontrolliert werden sollte. Es gehörte zu dessen ideologischen Grundlagen, daß die Sexualität der Einzelnen von staatlichem Interesse sei und gelenkt werden müsse. Zahlreiche Gesetze und Vorschriften reglementierten Eheschließungen, (sexuelle) Beziehungen und Fortpflanzung. Dazu gehörten das Verbot von Homosexualität, die antisemitischen Gesetze von 1935 mit dem Verbot von Ehen und Beziehungen zwischen "Deutschen" und jüdischen Männern und Frauen wie auch das Kontaktverbot zwischen "Deutschen" und ZwangsarbeiterInnen. Gesetzlich angeordnet wurden ebenso Zwangssterilisationen von Menschen, die nicht der gesetzten Norm entsprachen, sei es körperlich, sei es aufgrund ihres Verhaltens.

Die Einrichtung von Lagerbordellen steht in diesem Zusammenhang staatlicher Gewalt. Der NS-Staat wurde als Zuhälter aktiv. Der männlichen Sexualität wurde eine Bedeutung für Leistungsfähigkeit und Anpassungsbereitschaft beigemessen. Dies sei "natürlich" und es bestünde die Verpflichtung, wie Himmler an Pohl schrieb, "diese Natürlichkeit als Antriebsmittel für höhere Leistungen" der männlichen Häftlinge auszunützen. Es galt als selbstverständlich, daß Frauen zur sexuellen Ausbeutung zur Verfügung stehen mussten.

Die Einrichtung von Häftlingsbordellen

Das erste Bordell für Häftlinge in einem Konzentrationslager wurde 1942 in Mauthausen auf Befehl des Reichsführers SS Himmler eingerichtet. In den folgenden Jahren wurden Frauen aus dem Frauenkonzentrationslager Ravensbrück in die Bordelle Mauthausen, Gusen, Buchenwald, Dachau, Dora-Mittelbau, Flossenbürg, Neuengamme und Sachsenhausen gebracht. Die Frauen, die in den Bordellen der Vernichtungslager Auschwitz-Stammlager, Auschwitz-Birkenau und Auschwitz-Monowitz arbeiten mußten, kamen aus Auschwitz-Birkenau.

Offiziell waren die Bordelle Teil eines Prämiensystems für Häftlinge, das die SS in Absprache mit Vertretern der Industrie, wie der IG Farben, in den Jahren 1941/42 vorbereitete. 1943 trat dann die "Dienstvorschrift für die Gewährung von Vergünstigungen an Häftlinge" in Kraft. Den Häftlingen sollten Vergünstigungen in Aussicht gestellt und damit ein Anreiz für höhere Arbeitsleistungen geschaffen werden. Dazu gehörte neben Hafterleichterungen, Verpflegungszulagen, Geldprämien und Tabakbezug auch der Besuch von Bordellen für männliche Häftlinge. Mit einem Bordellbesuch sollten "besondere Leistungen" belohnt werden. Damit waren meist Häftlinge mit Funktionsaufgaben in den Arbeitskommandos, innerhalb der Häftlings"selbstverwaltung" oder solche mit besonderer beruflicher Qualifikation gemeint. Manche der ehemaligen Häftlinge vermuten, daß ein solches System der Versprechungen und Belohnungen die Bereitschaft zur Anpassung und die Spaltung der Inhaftierten fördern sollte. Andere gehen davon aus, daß mit der Einrichtung von Bordellen vorrangig Homosexualität der männlichen Häftlinge bekämpft werden sollte.

Lebensbedingungen der Frauen

"Eines Tages im Frühjahr 1945 beim Appell wurden mehrere Nummern aufgerufen, meine war auch dabei. Es hieß, wir sollten zum, wie nannten sie das, sie sagten nicht Bordell, zum Sonderkommando. Wir sollten uns in der Schreibstube melden." Frau B. wurde aus Ravensbrück in das Häftlingsbordell des KZ Mittelbau-Dora gebracht. Die Frauen wurden sowohl für Häftlingsbordelle als auch für Bordelle der SS ausgesucht. Einem Teil der Frauen wurde bessere Kleidung, mehr Essen oder Entlassung in Aussicht gestellt. Manche Frauen meldeten sich, weil sie damit eine Hoffnung verbanden zu überleben.

Für die SS-Wachmannschaften wurden in den Konzentrationslagern oder deren Nähe eigene Bordelle errichtet. Dies ist nachweislich bekannt von Buchenwald, Mittelbau-Dora und Flossenbürg. Bis auf ein Interview mit Frau D. gibt es hierzu wenig Informationen. Die Beschreibungen von Frau D., die im SS-Bordell Buchenwald zur Prostitution gezwungen wurde, lassen etwas von der Brutalität ahnen, der die Frauen ausgesetzt waren.

"Die kamen an, und dann mußte das klappen, und wenn es nicht geklappt hat, gab es Prügel. Ich habe Schläge eingesteckt, die ich mein Lebtag nicht vergessen werde (...) Da gab es vieles, das mag man heute gar nicht aussprechen. Innerlich macht mich das heute noch fertig, da waren so viele Abnormitäten drunter. Das war ein ganz ausgekochtes Corps, und mit uns konnten sie es ja machen. Wir kamen ja mit niemandem zusammen, wir wurden ja isoliert."

Isolation und Stigmatisierung

Isoliert waren die Frauen der SS-Bordelle wie auch der Häftlingsbordelle dadurch, daß die Baracken abseits am Rand des jeweiligen Lagergelände plaziert waren und sie sich kaum auf dem allgemeinen Lagergelände bewegen durften. Doch abgesehen von der räumlichen Isolation spielten auch Stigmatisierung und Ausgrenzung durch Mithäftlinge eine Rolle für den häufig sehr eingeschränkten Kontakt zu anderen Häftlingen.

Nach den Berichten von Überlebenden war auch der Kontakt der zur Prostitution gezwungenen Frauen untereinander unter diesem enormen inneren und äußeren Druck sehr begrenzt. "Wir Häftlingsfrauen haben nur Belangloses miteinander geredet. Man erwähnte schon mal die Mutter oder Schwester, aber man stumpfte ab. Man lebte in den Tag, und abends warst du froh, wenn man sagen konnte, du bist nicht (in die Depression) zurückgefallen." Einzelne berichten von einem freundschaftlichen Verhältnis zu einer der anderen Frauen. "Da war eine, die war für meine Begriffe immer ganz lustig (...). Das war die einzige, mit der ich mich unterhalten habe und mit der ich mich beschäftigt habe. Über unsere Arbeit haben wir nie gesprochen, aber sie hat es mir angemerkt und ich habe es ihr angemerkt. Und wenn ich dann mal saß und hab geweint, oder ich mochte mich nicht unterhalten, dann wußte sie, irgend etwas war, aber sie ist nie in mich gedrungen und hat gefragt."

Geld haben die Frauen für ihre Arbeit nicht erhalten. Zwar mußten die männlichen Häftlinge für jeden Bordellbesuch in Form von "Prämienscheinen" bezahlen. Doch gibt es keinen Hinweis darauf, daß die SS den Frauen tatsächlich Geld aushändigte. Im Lager waren Tauschgeschäfte von großer Bedeutung. Aufgrund ihrer isolierten Situation waren die Frauen angewiesen auf den Kontakt zu den Männern, die ins Bordell kamen, um Zugang zu diesem Tauschhandel zu bekommen.

Durch manche Berichte ehemaliger Mithäftlinge entsteht der Eindruck, die Frauen hätten ein beinahe luxuriöses Leben ge_-führt, so schreibt z.B. ein ehemaliger Häftling aus Mauthausen davon, daß "diese Prostituierten, wie man bei ihrer Freistunde beobachten konnte, in den feinsten Kleidern und Kostümen, durchweg eleganteste Maßarbeit, herumliefen" und "ebenso die besten und feinsten Nahrungs- und Genußmittel, ebenso wie Schmuck und Alkohol zugesteckt erhielten." (Archiv der Gedenkstätte Mauthausen V/3/20)

In dieser Beschreibung wird nach Zwang und Gewalt nicht gefragt. Die Erlebnisse der betroffenen Frauen liegen fern ab solcher Phantasien von Luxus und Sorglosigkeit. Die Überlebenden berichten von schweren Krankheiten und der Angst, sich der Behandlung im Lagerlazarett auszuliefern, Toten, die an den Folgen von Abtreibungen starben, und schwersten psychischen Belastungen, unter denen sie bis heute leiden.

Prostitution im Konzentrationslager = Zwangsarbeit

Frauen wurden zur Prostitution gezwungen, um die Arbeitsleistungen männlicher Häftlinge zu erhöhen. Sie waren in den Produktionsprozess einbezogen und mußten wie die anderen Häftlinge den Leistungsanforderungen der SS genügen. Insofern muß Zwangsprostitution also auch als eine spezielle Form der Zwangsarbeit betrachtet werden. Auffällig ist, daß in keinem anderen Zusammenhang bezüglich der Arbeit von Häftlingen in Konzentrationslagern, sei es in der Häftlings"selbstverwaltung", sei es in der Rüstungsindustrie, so häufig Freiwilligkeit unterstellt wird. Daß sich Frauen für die Arbeit in einem Lagerbordell meldeten, kann nicht als "Freiwilligkeit" bezeichnet werden. Sie handelten unter Bedingungen von Folter und Gewalt. Diesen Zwang zu ignorieren, bedeutet eine Schuldzuweisung an die Betroffenen und verhindert Fragen nach den Tätern bzw. der Ideologie, die diese Verbrechen ermöglichte.

Auf institutioneller Ebene wird die Diskriminierung bis heute mit eben diesen Argumenten fortgesetzt. Für Zwangsprostitution hat der bundesdeutsche Staat bis heute keine finanziellen Entschädigungen geleistet. Frau W. kämpfte in Prozessen jahrelang um Anerkennung als politisch Verfolgte nach dem Bundesentschädigungsgesetz. Daß sie aus Angst vor noch stärkerer Diskriminierung nicht angeben wollte, daß sie in einem der na tionalsozialistischen Bordelle arbeiten mußte, läßt ahnen, welchem Druck die Überlebenden bis heute ausgesetzt sind.

Quellen und Literaturhinweise:

Christa Paul: Zwangsprostitution. Staatlich errichtete Bordelle im Nationalsozialismus. Berlin 1994 (hier auch alle Berichte von betroffenen Frauen)
Christa Schulz: Weibliche Häftlinge aus Ravensbrück in Bordellen der Männerkonzentrationslager. In: Claus Füllberg-Stolberg (Hg.): Frauen in Konzentrationslagern: Bergen-Belsen, Ravensbrück. Bremen 1994
Japanische Fraueninitiative Berlin, Koreanische Frauengruppe Berlin e.V. (Hrsg.): "Gebt mir meine Würde zurück!" Zwangsprostitution im Asien-Pazifik-Krieg Japans. Berlin 1993
Koreanische Frauengruppe in Deutschland (Hrsg.): In die Prostitution gezwungen. Koreanische Frauen erinnern sich - Zeugenaussagen aus dem japanischen Asien-Pazifik-Krieg, 1996

"informationen" Nr. 51, März 2000
http://www.studienkreis-widerstand-1933 ... 1zwan.html

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