Auslegung des Zuhälterei-/Menschenhandelsparagraphen § 232 StGB
"jemanden zur Prositution bringen":
Zum Vorwurf der gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Bestimmung von Personen unter 21 Jahren zur Fortsetzung der Prostitution
von Rechtsanwältin Karin Schaub.
Das Oberlandesgericht Hamm befaßte sich in seinem Beschluß vom 11.05.2010 (III-2 Ws 86/10) mit den Voraussetzungen, des gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Bringens von Personen unter 21 Jahren zur Fortsetzung der Prostitution.
Die Staatsanwaltschaft war insofern der Auffassung gewesen, daß Anknüpfungspunkt für eine Strafbarkeit gemäß § 232 Abs. 1 Satz 2 StGB allein das Alter des Opfers, das dessen Schutzwürdigkeit begründe, sei.
Darauf, ob sich das Opfer in einer Schwächesituation befände oder sexuell noch unerfahren sei, komme es nicht an. Unter Berücksichtigung dieses Schutzzweckes sei zur Erfüllung des Tatbestandes jede Handlung ausreichend, die es Prostituierten unter 21 Jahren ermögliche, der Prostitution nachzugehen.
Eine Vermietung von Zimmer ermögliche, dort der Prostitution nachzugehen, was für die Verwirklichung des Tatbestands ausreichend sei.
Das sah das Landgericht Bochum nicht so und führte aus, daß die Anklage aus rechtlichen Gründen nicht zur Hauptverhandlung zuzulassen sei. Das aktenkundige Ergebnis der Ermittlungen erfülle keinen Straftatbestand. Die Angeschuldigten hätte die 3 Prostituierten nicht im Sinne von § 232 StGB zur Aufnahme oder Fortsetzung der Prostitution gebracht.
Das Tatbestandsmerkmal des “dazu Bringens” des § 232 Abs. 1 Satz 2 StGB sei einschränkend auszulegen.
Für eine Strafbarkeit wegen Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung nach § 232 Abs. 1 Satz 2 StGB genüge nicht schon jedes Angebot, die Prostitution ausüben zu können.
Es genüge dementsprechend nicht, gewerblich Zimmer zur Vermietung an Prostituierte anzubieten; vielmehr müsse der Täter ein solches Angebot an eine bestimmte, unter 21 Jahre alte Person herantragen.
Erfolge dies, entfalle die Strafbarkeit aber dennoch, wenn die Person schon vor Unterbreiten des Angebotes zur Ausübung der Prostitution entschlossen gewesen sei und diesen Entschluss frei getroffen habe.
Das Oberlandesgericht bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung und führte aus, daß nichts dafür ersichtlich sei, daß die vorliegend in Rede stehenden Zeuginnen, die sämtlich schon als Prostituierte tätig gewesen seien, im hier maßgeblichen Zeitpunkt die Absicht gehabt hätten, die Prostitution aufzugeben oder jedenfalls nicht mehr in dem bisherigen Umfang auszuüben.
Das bloße “Zur-Verfügung-Stellen” einer Wohnung an eine Person, die der Prostitution nachgehe, erfüllt nicht den Tatbestand des § 232 Abs. 1 Satz 2 StGB.
Das “Dazu-Bringen” im Sinne von § 232 Abs. 1 Satz 2 StGB erfordere ein intensiveres Einwirken auf eine Person, die der Prostitution nachgehen oder die Ausübung der Prostitution nicht aufgeben solle, als das bloße Überlassen einer Wohnung, was eher passiven Charakter habe.
http://rae-schaub.eu/archives/category/ ... ostitution
Juristische Einschätzung Prostitution unter 21 Jahren
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Menschenhandelsparagraph StGB
Hier das Merkblatt der Mitternachtsmission zur Beschäftigung von Sexworkern unter 21 Jahren (18-21Jahre)
(§ 232 StGB [Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung])
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=44253#44253
Alle Paragraphen verlinkt hier im Sammelthema "Prostitutionsgesetz und Rechtsprechung Deutschland":
www.sexworker.at/prostg
Sammelthema Minderjährige (unter 18 Jahre):
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=971
(§ 232 StGB [Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung])
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=44253#44253
Alle Paragraphen verlinkt hier im Sammelthema "Prostitutionsgesetz und Rechtsprechung Deutschland":
www.sexworker.at/prostg
Sammelthema Minderjährige (unter 18 Jahre):
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RE: Juristische Einschätzung Prostitution unter 21 Jahren
Guten Abend,
In der Anlage findet sich ein längerer Text von mir, der Sonderregelungen, die im Kinder- und Jugendhilferecht (KJHG) und Jugendstrafrecht (JGG) gegeben sind, in Beziehungen zur Schutzaltersgrenze 21 Jahre des StGB §§ 232/233 setzt. Vorangestellt ist eine tabellarische Darstellung von Altersgrenzen in verschiedenen deutschen Rechtsgebieten.
Einige Ergebnisse der Überlegungen:
Weder die Bestimmungen des KJHG noch die des JGG sind geeignet die Schutzaltersgrenze von 21 Jahren laut StGB 232/233 zu begründen. Im Gegenteil, die Bestimmungen des KJHG und JGG weisen darauf hin, dass die Schutzaltersgrenze 21 Jahre unzulässig ist. Sie stört die Einheit der Rechtsordnung, Grundsätze der Verhältnismässigkeit werden nicht berücksichtigt, Grundrechte werden massiv verletzt und die konsequente Anwendung der Rechtsnorm Schutzalter 21 würde Gründe dafür liefern, Ausbildungsgänge die Tötungskompetenz vermitteln nicht nur für Heranwachsende/junge Volljährige zu untersagen, sondern für alle Altersgruppen.
Aber lest selber
Grüße
Klaus
In der Anlage findet sich ein längerer Text von mir, der Sonderregelungen, die im Kinder- und Jugendhilferecht (KJHG) und Jugendstrafrecht (JGG) gegeben sind, in Beziehungen zur Schutzaltersgrenze 21 Jahre des StGB §§ 232/233 setzt. Vorangestellt ist eine tabellarische Darstellung von Altersgrenzen in verschiedenen deutschen Rechtsgebieten.
Einige Ergebnisse der Überlegungen:
Weder die Bestimmungen des KJHG noch die des JGG sind geeignet die Schutzaltersgrenze von 21 Jahren laut StGB 232/233 zu begründen. Im Gegenteil, die Bestimmungen des KJHG und JGG weisen darauf hin, dass die Schutzaltersgrenze 21 Jahre unzulässig ist. Sie stört die Einheit der Rechtsordnung, Grundsätze der Verhältnismässigkeit werden nicht berücksichtigt, Grundrechte werden massiv verletzt und die konsequente Anwendung der Rechtsnorm Schutzalter 21 würde Gründe dafür liefern, Ausbildungsgänge die Tötungskompetenz vermitteln nicht nur für Heranwachsende/junge Volljährige zu untersagen, sondern für alle Altersgruppen.
Aber lest selber
Grüße
Klaus
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RE: Juristische Einschätzung Prostitution unter 21 Jahren
Hallo Klaus,
ich war lange nicht hier im Forum, hab mich jetzt aber ein wenig durch Deine Texte gewühlt - ganz, ganz großartig, was Du da machst!
In vorstehendem Text ist mir nur ein kleiner Fehler aufgefallen: Im letzten Absatz muss es "StGB 184 e und f", statt "284 e und f" heißen...
Und noch ein (vielleicht jetzt eher zu weit führender) Hinweis: Du schreibst, in der neuen EU-Richtlinie zum Menschenhandel werden neue Altergrenzen definiert: "Kinder sind nach den EU Rechtsvorgaben alle Personen unter 18 Jahren. Eine Differenzierung, die Bezug auf unterschiedliche Stufen der Autonomieentwicklung junger Menschen nimmt, wird unterlassen"
Das gibt es auch schon in anderen Fällen des Sexualstrafrechtes, wo zwar die Differenzierungen zwischen Kindern und Jugendlichen nicht wegfallen, aber auch Altersgrenzen erhöht wurden:
"§ 182 Strafgesetzbuch (StGB) wurde zuletzt aufgrund des Gesetzes zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates der Europäischen Union zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornographie vom 31. Oktober 2008 geändert.[1] Dabei wurden die Schutzaltersgrenzen der Tatbestandsalternativen des neu gefassten § 182 Abs. 1 StGB und des neu eingefügten Abs. 2 von 16 auf 18 Jahre angehoben. Das Mindestalter des Täters von 18 Jahren, das früher Bedingung für eine Strafbarkeit war, wurde hinsichtlich des Ausnutzens einer Zwangslage (Abs. 1) gestrichen. Neu eingefügt wurden Abs. 2 (früher in Abs. 1 enthalten) sowie Abs. 4, der nun Versuchsstrafbarkeit anordnet. Die Änderungen traten zum 5. November 2008 in Kraft." (http://de.wikipedia.org/wiki/Sexueller_ ... gendlichen)
Die Anhebung von Altersgrenzen ist also etwas, das nicht nur die Prostitution betrifft, sondern generell das Sexualstrafrecht.
Liebe Grüße,
Mavis
ich war lange nicht hier im Forum, hab mich jetzt aber ein wenig durch Deine Texte gewühlt - ganz, ganz großartig, was Du da machst!
In vorstehendem Text ist mir nur ein kleiner Fehler aufgefallen: Im letzten Absatz muss es "StGB 184 e und f", statt "284 e und f" heißen...
Und noch ein (vielleicht jetzt eher zu weit führender) Hinweis: Du schreibst, in der neuen EU-Richtlinie zum Menschenhandel werden neue Altergrenzen definiert: "Kinder sind nach den EU Rechtsvorgaben alle Personen unter 18 Jahren. Eine Differenzierung, die Bezug auf unterschiedliche Stufen der Autonomieentwicklung junger Menschen nimmt, wird unterlassen"
Das gibt es auch schon in anderen Fällen des Sexualstrafrechtes, wo zwar die Differenzierungen zwischen Kindern und Jugendlichen nicht wegfallen, aber auch Altersgrenzen erhöht wurden:
"§ 182 Strafgesetzbuch (StGB) wurde zuletzt aufgrund des Gesetzes zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates der Europäischen Union zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornographie vom 31. Oktober 2008 geändert.[1] Dabei wurden die Schutzaltersgrenzen der Tatbestandsalternativen des neu gefassten § 182 Abs. 1 StGB und des neu eingefügten Abs. 2 von 16 auf 18 Jahre angehoben. Das Mindestalter des Täters von 18 Jahren, das früher Bedingung für eine Strafbarkeit war, wurde hinsichtlich des Ausnutzens einer Zwangslage (Abs. 1) gestrichen. Neu eingefügt wurden Abs. 2 (früher in Abs. 1 enthalten) sowie Abs. 4, der nun Versuchsstrafbarkeit anordnet. Die Änderungen traten zum 5. November 2008 in Kraft." (http://de.wikipedia.org/wiki/Sexueller_ ... gendlichen)
Die Anhebung von Altersgrenzen ist also etwas, das nicht nur die Prostitution betrifft, sondern generell das Sexualstrafrecht.
Liebe Grüße,
Mavis
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RE: Juristische Einschätzung Prostitution unter 21 Jahren
Hallo Mavis,
viele Dank für die Hinweise.
Herzliche Grüße
Klaus
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Klaus