"Zwangsprostitution ist nicht der Alltag"
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- Admina
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"Zwangsprostitution ist nicht der Alltag"
Glawogger: "Zwangsprostitution ist nicht der Alltag"
Die Rituale, mit denen Frauen und Männer um Sex (und Liebe) verhandeln, sind stets die gleichen – egal, ob am Ende dafür gezahlt wird oder nicht, glaubt Regisseur Michael Glawogger. Ein Gespräch.
Sie kommen gerade aus Mexiko, wo Sie „Whore's Glory“ den Frauen vorgeführt haben, die mitgemacht haben. Morgen geht es nach Bangkok. Wachen Sie manchmal auf und wissen nicht, in welcher Stadt Sie sind?
Michael Glawogger: Das ist ein einziges Mal passiert – in San Francisco, als ich innerhalb von sieben Tagen eine Weltumrundung geflogen bin. Ich habe bei einem Freund übernachtet und habe in der Nacht nicht gewusst, wo ich aufs Klo gehen soll. Ich habe geglaubt, ich sei in einem koreanischen Hotel.
Diesmal wollten Sie auch in Wien drehen. Warum ist nichts daraus geworden?
Ich bin nach den Dreharbeiten in Bangladesch draufgekommen, dass ich ein filmisches Triptychon machen will (Anm.: Triptychon ist ein dreiteiliges Altarbild). Ich habe nach drei Orten gesucht, die verschiedene Kulturkreise und Religionen berühren, wo ich an sozial verschiedenen Orten das Mann-Frau-Verhältnis anhand der Prostitution beschreiben kann. Nach Bangladesch war klar, dass es der Mittel-, also der Hauptteil sein muss. Die „Seitenteile“ zu erzeugen, war dann schwierig, gewisse interessante Dinge sind weggefallen.
Warum glauben Sie, dass man das Verhältnis von Mann und Frau anhand der Prostitution gut beschreiben kann? Das ist doch eine extreme Ausgangslage.
Weil ich glaube, dass Prostitution – weil es schnell gehen muss, weil es um Geld geht – nur eine Verkürzung der privaten Verhältnisse ist.
Das ist hart.
Es ist aber so. Ein Beispiel: In Mexiko gibt es eine Form der Prostitution, die sie „Gänsemarsch“ nennen. In der Mitte einer Gasse gehen fünf Frauen im Kreis, und 50 Männer stehen rundherum und schauen zu. Nur: Der Mann darf nicht wählen, sondern die Frauen können stehen bleiben und ein Gespräch anfangen. Sie gibt das Signal, um ausgesucht zu werden – und das habe ich in unserer Gesellschaft nie anders erlebt. In Thailand ist es so, dass die Frauen hinter einer Glaswand, in einem „Fishtank“, sitzen und die Männer können auswählen. Da herrscht eine große Distanz, aber auch ein Verhalten, das zwischen allen klar definiert ist. In jedem Kulturkreis gibt es Rituale, die auch in der Prostitution gelten, weil man über das Gleiche verhandelt. Dass man am Ende bezahlt, macht einen relativ geringen Unterschied.
Aber verhandelt man wirklich ums Gleiche? Männer und Frauen verhandeln nicht nur um Sex, sondern auch um Liebe.
Auch wenn man um Sex verhandelt, ist man vor der Liebe nicht gefeit. Und ganz oft wird im Privatbereich auch nur um Sex verhandelt.
Im Buch zum Film wird in fiktiven Dialogen zwischen Prostituierten und Kunden sehr poetisch das Thema Verführung behandelt. Haben Sie das wirklich so empfunden oder ist das ein innerer, ästhetisierter Monolog?
Ästhetisiert ist es nicht, aber es bin trotzdem ich. Ich habe einen Hang, etwas zu sehen, das unter der Oberfläche versteckt ist. Stellen Sie sich mal vor, Sie sind eine Prostituierte, stehen in einem Haus mit 600 Frauen, und es kommt ein Kunde. Natürlich müssen Sie den verführen – mit aller Anstrengung.
Aber nur, weil ich ein Geschäft machen will.
Wenn man jemanden so stark verführen will – und sei es nur um ein Geschäft zu machen – lässt einen das nicht unberührt. Alle glauben: Man geht hin, sucht aus, fickt und danach ist es vergessen und egal. Aber ficken ist einem nie egal. Und das finde ich einen viel interessanteren Punkt als die Frage, ob die Welt eine bessere wäre, wenn es keine Prostitution gäbe.
Sie haben einmal gesagt, Sie wollen nicht „die übliche Suada der Ausbeutung“ erzählen. Denn das sei nicht die Regel, sondern würde nur journalistisch so dargestellt. Warum sollten Journalisten das tun?
Weil es die bessere Geschichte ist. Prostitution an sich ist keine Geschichte. Zwangsprostitution, die ein Verbrechen ist, hingegen schon. Mir ist es darum gegangen, den Alltag der Prostituierten zu beschreiben, und der ist nicht grundsätzlich Zwangsprostitution.
Das kommt darauf an, wen man fragt. Es gibt Schätzungen, dass 80 Prozent aller sklavenähnlichen Arbeitsverhältnisse in der Prostitution zu finden sind. Was heißt: Zwang ist ein wesentlicher Teil des Alltags.
Ich habe vier Jahre recherchiert. Ich sage nicht, dass es keine Zwangsprostitution gibt, aber sie kann nicht der Alltag sein. [/I]Sonst würde Prostitution nicht funktionieren.
Ich habe aber nicht den Eindruck, dass die Frauen, die sie beschreiben, alle Prostituierte sein wollen. Es gibt solche, die verkauft, misshandelt wurden; die Frauen in Bangladesch träumen vom „normalen“ Leben.
Genau das lasse ich sie auch erzählen. Wie gesagt: Ich behaupte nicht, dass es nie Zwang gibt – er ist nur nicht der Ausgangspunkt des Films. Und natürlich träumt eine Prostituierte mit ihrem außergewöhnlichen Leben vom normalen. Von einem anderen Leben träumen aber auch viele Menschen.
Von dem Leben im Prostituierten-Ghetto in Bangladesch?
Wir betrachten die Lebensumstände der Prostituierten immer als etwas Exotisches, Wildes. Ich habe versucht, sie weniger voreingenommen anzuschauen. Der Begriff „Freiwilligkeit“ wird bei der Prostitution in der Diskussion auch immer anders empfunden. Wenn einer ins Büro geht, weil er sonst kein Geld hat, ist es uns egal, ob er es gern tut. Wenn sich eine prostituiert, weil sie Geld braucht, gilt es schon als Zwang. Weil hier das Intimste verkauft wird. Aber es ist auch das Einfachste, was man verkaufen kann – weil es jeder hat. Eine Prostituierte hat mir gesagt: „I'm literally sitting on a goldmine.“
Den Titel „Whore's Glory“ – hatten Sie den von Anfang an im Kopf oder ist er ein Schluss aus dem Gesehenen?
Von Anfang an. Ich mir gedacht, wenn überhaupt, kann man vor der Sache nur den Hut ziehen.
Weil?
Weil sie eine wichtige Funktion in der Gesellschaft erfüllt. Ohne Prostitution würde viel Zwischenmenschliches zusammenkrachen. Schauen wir nur Bangladesch an, mit seinen sehr strengen Vorstellungen von Ehe und wie die Welt funktionieren soll. Das würde implodieren.
Können Sie den Reiz der Prostitution verstehen, warum man Geld für Sex zahlt?
Das ist jetzt sehr persönlich. Ich könnte sagen, das geht Sie nichts an.
Ja, das könnten Sie.
Ich glaube, jeder kann den Gedanken nachvollziehen, dass man etwas tut, wofür man bezahlt und wo daher, wie man so sagt, „no strings attached“ sind. Man zahlt sich frei. Ob das gut ist oder nicht, ist eine andere Sache. Männer sind in dieser Hinsicht auch unglaublich dumm. Jeder, auch wenn er der zwanzigste Kunde an dem Tag ist, glaubt: Bei mir wird sie es schön haben, in mich wird sie sich verlieben.
Glauben die das wirklich?
Ja. Ich finde es übrigens eine Ungerechtigkeit, dass es das umgekehrt für Frauen nicht gibt – zumindest nicht in dem Ausmaß. Sie können heute nicht aus ihrem Verlag raus gehen und sich denken, puh, anstrengender Tag, ich hole mir einen hübschen Jungen aus dem Puff.
Dass es das kaum gibt, liegt vielleicht auch daran, dass Frauen sich begehrt fühlen wollen. Wenn man zahlt, kann man sich über die Motive des Anderen nur schwer täuschen.
Wenn das auf alle Frauen zutrifft, dann sind sie einfach klüger als Männer.
Nur realistischer vielleicht – in diesem Punkt. Ihre Dokumentarfilme richten den Blick auf Dinge, die man erschütternd finden kann. . .
. . . Ich richte den Blick auf Dinge, die die Schönheit des Menschen zeigen, weil er sich unter den wildesten Umständen behauptet. Wenn wir uns von der Welt abschotten und das nicht wahrnehmen, wozu wir fähig sind, werden wir keine Chance haben, uns selbst zu erkennen.
Was ich fragen wollte: Gibt es Momente, wo Sie Mitleid haben und darüber nachdenken, einzugreifen, zu helfen?
Hunderte. Jeden Abend im Hotelzimmer wird das diskutiert, ich bin mittlerweile Pate eines Kindes einer Prostituierten aus meinem Film „Megacities“. Aber ich kann nicht 300 Mädchen aus einem Puff in Bangladesch freikaufen. Es ist weder mein Beruf noch hätte es einen anderen Sinn, als mein Gewissen zu beruhigen. Es wäre für die Leute auch absurd, denn das, was Sie oder ich als abstrus empfinden, ist für sie der Normalzustand.
http://diepresse.com/home/kultur/film/6 ... m/index.do
Die Rituale, mit denen Frauen und Männer um Sex (und Liebe) verhandeln, sind stets die gleichen – egal, ob am Ende dafür gezahlt wird oder nicht, glaubt Regisseur Michael Glawogger. Ein Gespräch.
Sie kommen gerade aus Mexiko, wo Sie „Whore's Glory“ den Frauen vorgeführt haben, die mitgemacht haben. Morgen geht es nach Bangkok. Wachen Sie manchmal auf und wissen nicht, in welcher Stadt Sie sind?
Michael Glawogger: Das ist ein einziges Mal passiert – in San Francisco, als ich innerhalb von sieben Tagen eine Weltumrundung geflogen bin. Ich habe bei einem Freund übernachtet und habe in der Nacht nicht gewusst, wo ich aufs Klo gehen soll. Ich habe geglaubt, ich sei in einem koreanischen Hotel.
Diesmal wollten Sie auch in Wien drehen. Warum ist nichts daraus geworden?
Ich bin nach den Dreharbeiten in Bangladesch draufgekommen, dass ich ein filmisches Triptychon machen will (Anm.: Triptychon ist ein dreiteiliges Altarbild). Ich habe nach drei Orten gesucht, die verschiedene Kulturkreise und Religionen berühren, wo ich an sozial verschiedenen Orten das Mann-Frau-Verhältnis anhand der Prostitution beschreiben kann. Nach Bangladesch war klar, dass es der Mittel-, also der Hauptteil sein muss. Die „Seitenteile“ zu erzeugen, war dann schwierig, gewisse interessante Dinge sind weggefallen.
Warum glauben Sie, dass man das Verhältnis von Mann und Frau anhand der Prostitution gut beschreiben kann? Das ist doch eine extreme Ausgangslage.
Weil ich glaube, dass Prostitution – weil es schnell gehen muss, weil es um Geld geht – nur eine Verkürzung der privaten Verhältnisse ist.
Das ist hart.
Es ist aber so. Ein Beispiel: In Mexiko gibt es eine Form der Prostitution, die sie „Gänsemarsch“ nennen. In der Mitte einer Gasse gehen fünf Frauen im Kreis, und 50 Männer stehen rundherum und schauen zu. Nur: Der Mann darf nicht wählen, sondern die Frauen können stehen bleiben und ein Gespräch anfangen. Sie gibt das Signal, um ausgesucht zu werden – und das habe ich in unserer Gesellschaft nie anders erlebt. In Thailand ist es so, dass die Frauen hinter einer Glaswand, in einem „Fishtank“, sitzen und die Männer können auswählen. Da herrscht eine große Distanz, aber auch ein Verhalten, das zwischen allen klar definiert ist. In jedem Kulturkreis gibt es Rituale, die auch in der Prostitution gelten, weil man über das Gleiche verhandelt. Dass man am Ende bezahlt, macht einen relativ geringen Unterschied.
Aber verhandelt man wirklich ums Gleiche? Männer und Frauen verhandeln nicht nur um Sex, sondern auch um Liebe.
Auch wenn man um Sex verhandelt, ist man vor der Liebe nicht gefeit. Und ganz oft wird im Privatbereich auch nur um Sex verhandelt.
Im Buch zum Film wird in fiktiven Dialogen zwischen Prostituierten und Kunden sehr poetisch das Thema Verführung behandelt. Haben Sie das wirklich so empfunden oder ist das ein innerer, ästhetisierter Monolog?
Ästhetisiert ist es nicht, aber es bin trotzdem ich. Ich habe einen Hang, etwas zu sehen, das unter der Oberfläche versteckt ist. Stellen Sie sich mal vor, Sie sind eine Prostituierte, stehen in einem Haus mit 600 Frauen, und es kommt ein Kunde. Natürlich müssen Sie den verführen – mit aller Anstrengung.
Aber nur, weil ich ein Geschäft machen will.
Wenn man jemanden so stark verführen will – und sei es nur um ein Geschäft zu machen – lässt einen das nicht unberührt. Alle glauben: Man geht hin, sucht aus, fickt und danach ist es vergessen und egal. Aber ficken ist einem nie egal. Und das finde ich einen viel interessanteren Punkt als die Frage, ob die Welt eine bessere wäre, wenn es keine Prostitution gäbe.
Sie haben einmal gesagt, Sie wollen nicht „die übliche Suada der Ausbeutung“ erzählen. Denn das sei nicht die Regel, sondern würde nur journalistisch so dargestellt. Warum sollten Journalisten das tun?
Weil es die bessere Geschichte ist. Prostitution an sich ist keine Geschichte. Zwangsprostitution, die ein Verbrechen ist, hingegen schon. Mir ist es darum gegangen, den Alltag der Prostituierten zu beschreiben, und der ist nicht grundsätzlich Zwangsprostitution.
Das kommt darauf an, wen man fragt. Es gibt Schätzungen, dass 80 Prozent aller sklavenähnlichen Arbeitsverhältnisse in der Prostitution zu finden sind. Was heißt: Zwang ist ein wesentlicher Teil des Alltags.
Ich habe vier Jahre recherchiert. Ich sage nicht, dass es keine Zwangsprostitution gibt, aber sie kann nicht der Alltag sein. [/I]Sonst würde Prostitution nicht funktionieren.
Ich habe aber nicht den Eindruck, dass die Frauen, die sie beschreiben, alle Prostituierte sein wollen. Es gibt solche, die verkauft, misshandelt wurden; die Frauen in Bangladesch träumen vom „normalen“ Leben.
Genau das lasse ich sie auch erzählen. Wie gesagt: Ich behaupte nicht, dass es nie Zwang gibt – er ist nur nicht der Ausgangspunkt des Films. Und natürlich träumt eine Prostituierte mit ihrem außergewöhnlichen Leben vom normalen. Von einem anderen Leben träumen aber auch viele Menschen.
Von dem Leben im Prostituierten-Ghetto in Bangladesch?
Wir betrachten die Lebensumstände der Prostituierten immer als etwas Exotisches, Wildes. Ich habe versucht, sie weniger voreingenommen anzuschauen. Der Begriff „Freiwilligkeit“ wird bei der Prostitution in der Diskussion auch immer anders empfunden. Wenn einer ins Büro geht, weil er sonst kein Geld hat, ist es uns egal, ob er es gern tut. Wenn sich eine prostituiert, weil sie Geld braucht, gilt es schon als Zwang. Weil hier das Intimste verkauft wird. Aber es ist auch das Einfachste, was man verkaufen kann – weil es jeder hat. Eine Prostituierte hat mir gesagt: „I'm literally sitting on a goldmine.“
Den Titel „Whore's Glory“ – hatten Sie den von Anfang an im Kopf oder ist er ein Schluss aus dem Gesehenen?
Von Anfang an. Ich mir gedacht, wenn überhaupt, kann man vor der Sache nur den Hut ziehen.
Weil?
Weil sie eine wichtige Funktion in der Gesellschaft erfüllt. Ohne Prostitution würde viel Zwischenmenschliches zusammenkrachen. Schauen wir nur Bangladesch an, mit seinen sehr strengen Vorstellungen von Ehe und wie die Welt funktionieren soll. Das würde implodieren.
Können Sie den Reiz der Prostitution verstehen, warum man Geld für Sex zahlt?
Das ist jetzt sehr persönlich. Ich könnte sagen, das geht Sie nichts an.
Ja, das könnten Sie.
Ich glaube, jeder kann den Gedanken nachvollziehen, dass man etwas tut, wofür man bezahlt und wo daher, wie man so sagt, „no strings attached“ sind. Man zahlt sich frei. Ob das gut ist oder nicht, ist eine andere Sache. Männer sind in dieser Hinsicht auch unglaublich dumm. Jeder, auch wenn er der zwanzigste Kunde an dem Tag ist, glaubt: Bei mir wird sie es schön haben, in mich wird sie sich verlieben.
Glauben die das wirklich?
Ja. Ich finde es übrigens eine Ungerechtigkeit, dass es das umgekehrt für Frauen nicht gibt – zumindest nicht in dem Ausmaß. Sie können heute nicht aus ihrem Verlag raus gehen und sich denken, puh, anstrengender Tag, ich hole mir einen hübschen Jungen aus dem Puff.
Dass es das kaum gibt, liegt vielleicht auch daran, dass Frauen sich begehrt fühlen wollen. Wenn man zahlt, kann man sich über die Motive des Anderen nur schwer täuschen.
Wenn das auf alle Frauen zutrifft, dann sind sie einfach klüger als Männer.
Nur realistischer vielleicht – in diesem Punkt. Ihre Dokumentarfilme richten den Blick auf Dinge, die man erschütternd finden kann. . .
. . . Ich richte den Blick auf Dinge, die die Schönheit des Menschen zeigen, weil er sich unter den wildesten Umständen behauptet. Wenn wir uns von der Welt abschotten und das nicht wahrnehmen, wozu wir fähig sind, werden wir keine Chance haben, uns selbst zu erkennen.
Was ich fragen wollte: Gibt es Momente, wo Sie Mitleid haben und darüber nachdenken, einzugreifen, zu helfen?
Hunderte. Jeden Abend im Hotelzimmer wird das diskutiert, ich bin mittlerweile Pate eines Kindes einer Prostituierten aus meinem Film „Megacities“. Aber ich kann nicht 300 Mädchen aus einem Puff in Bangladesch freikaufen. Es ist weder mein Beruf noch hätte es einen anderen Sinn, als mein Gewissen zu beruhigen. Es wäre für die Leute auch absurd, denn das, was Sie oder ich als abstrus empfinden, ist für sie der Normalzustand.
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Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)
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Fakten und Infos über Prostitution
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Fakten und Infos über Prostitution
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RE: "Zwangsprostitution ist nicht der Alltag"
Super Ansichten!
Danke, Fraences
Danke, Fraences

It's not those who inflict the most, but those who endure the most, who will conquer. MP.Vol.Bobby Sands
'I know kung fu, karate, and 37 other dangerous words'
Misspellings are *very special effects* of me keyboard
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Da ich Herrn Glawogger zusammen mit 3 weiteren UserInnen des Sexworker Forums im Zuge einer Teilvorführung des Rohschnittes des oben besprochenen Filmes kennen gelernt habe, möchte ich mein Erstaunen über dieses Interview zum Ausdruck bringen.
In unserem Gespräch - über mehrere Stunden - kam er absolut nicht so rüber.... im Gegenteil sahen wir uns veranlasst, das Gespräch zu beenden und die erbetene Hilfestellung für einen Österreichpart in diesem Film abzulehnen.... Vielleicht hat dieses Gespräch doch Wirkung hinterlassen. Vielleicht ist doch Einiges hängen geblieben.
christian
In unserem Gespräch - über mehrere Stunden - kam er absolut nicht so rüber.... im Gegenteil sahen wir uns veranlasst, das Gespräch zu beenden und die erbetene Hilfestellung für einen Österreichpart in diesem Film abzulehnen.... Vielleicht hat dieses Gespräch doch Wirkung hinterlassen. Vielleicht ist doch Einiges hängen geblieben.
christian
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Whores`Glory - ein film von michael glawogger
WHORES’ GLORY ist ein filmisches Triptychon zur Prostitution: Drei Schauplätze, drei Sprachen, drei Religionen. Das Paradies, die Welt und das Jenseits verbinden sich zu einem Bild des Verhältnisses zwischen Mann und Frau an Hand der Prostitution.
Wo das Intimste zur Ware wird, ist die Ware teuer und umkämpft. Umso unerwarteter gestaltet sich die Wirklichkeit: Schönheit lebt inmitten von Grausamkeit und Gewalt, der eigene Verstand wird zum Gefängnis, und Liebe entsteht dort, wo man sie am wenigsten vermutet.
Hier ist der brandneue TRAILER:[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=hDruqLQVl04[/youtube]
Wo das Intimste zur Ware wird, ist die Ware teuer und umkämpft. Umso unerwarteter gestaltet sich die Wirklichkeit: Schönheit lebt inmitten von Grausamkeit und Gewalt, der eigene Verstand wird zum Gefängnis, und Liebe entsteht dort, wo man sie am wenigsten vermutet.
Hier ist der brandneue TRAILER:[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=hDruqLQVl04[/youtube]
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RE: "Zwangsprostitution ist nicht der Alltag"
@WHORES’ GLORY
Ich habe Euer Profil bearbeitet - den Link auf die .at-Seite gesetzt... - Die ursprünglich eingetragene Domain (.com) führt zu einer Seite, die wir nicht unterstützen möchten!
Wir sind hier nicht an Links auf Seiten, die nur über "Umfragen" betreten werden können, interessiert.
christian
Ich habe Euer Profil bearbeitet - den Link auf die .at-Seite gesetzt... - Die ursprünglich eingetragene Domain (.com) führt zu einer Seite, die wir nicht unterstützen möchten!
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christian
Zwerg
Kontakt per PN oder über das Kontaktformular:
memberlist.php?mode=contactadmin
Notfälle: ++43 (0)676 413 32 23
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- Admina
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RE: "Zwangsprostitution ist nicht der Alltag"
Interview
Michael Glawogger: „Der Strich ist kein Wunschkonzert“
Sein neuester Dokumentation „Whore‘s Glory“ widmet sich der Prostitution in drei Kulturkreisen. Es gehe ihm darum, den Alltag zu zeigen, der eben nicht aus Zwangsprostitution und Gewalt bestehe, so Glawogger im APA-Gespräch.
Das Gespräch führte Martin Fichter
Wien – Gut schaut er aus, der Michael Glawogger, mit mittlerweile schulterlangen Haaren frisch, zurückgekehrt von einer neuerlichen filmischen Weltreise in die Untiefen der menschlichen Existenz, die er aber durchaus nicht als so untief empfindet.
Sie sind nach drei Spielfilmen zum Semidokumentarischen zurückgekehrt. Was war der Anlass, die Sparte wieder zu wechseln?
Michael Glawogger: Da fällt mir immer der „Kottan“-Satz ein: „Der Strich ist kein Wunschkonzert.“ So ist das letztendlich beim Film auch. Man hat Projekte, die leben von Finanzierungen. Wann ein Film realisiert wird, ist nicht immer genau zu diktieren. So hat sich „Whore‘s Glory“ in der Produktion immer auch mit den Spielfilmen überschnitten.
War Ihnen beim Dreh zu „Megacities“ (1998) schon klar, dass Sie mit „Workingman‘s Death“ (2005) und jetzt „Whore‘s Glory“ gewissermaßen eine Trilogie anstreben?
Glawogger: Nicht wirklich. Aber ich habe damals schon darüber nachgedacht, „Whore‘s Glory“ zu machen. Und nun sind die drei Weltfilme zu einer dreigeteilten Sicht auf die Zeit geworden, in der wir leben.
Bildästhetisch unterscheidet sich „Whore‘s Glory“ aber von „Workingman‘s Death“. Sie sind näher an den Protagonisten, setzten weniger auf poetische Bilder. War das den konkreten Umständen des Drehs geschuldet?
Glawogger: In einem Bordell mit einer Kamera zu agieren, ist nicht einfach. Das ist fast nur in einem wirklich dokumentarischen Stil zu verwirklichen. Man muss schnell reagieren, die Frauen haben oft keine Zeit. Es macht mir auch zunehmend Spaß, die Dinge dokumentarisch beim Schopfe zu packen. Ich würde aber eigentlich auch widersprechen. Für mich ist „Whore‘s Glory“ ein Film, der zwar mehr Sprache hat, aber auch rührende Stimmungen transportiert, die einen normalen Rotlichtmilieualltag zeigen. Es gibt immer diesen Alternativzug, dass man sagt, in der Prostitution ist alles unfreiwillig und die Mädchen werden alle gezwungen - und das ist de facto nicht wahr.
Was ist für Sie der Ausgangspunkt bei einem Dokumentarfilm: Persönliche Erkenntnis oder ein gesellschaftspolitischer Impetus?
Glawogger: Es hat begonnen bei „Megacities“, wo das Publikum eine Tänzerin berührt. Das hat unglaubliche Reaktionen hervorgerufen, war eine große Projektionsfläche. Und das hat mich dann interessiert. Ich hatte nie Filme über Prostitution gesehen, die mich interessiert haben, da sie nie in den Alltag hineingehen oder mit einer versteckten bürgerlichen Angst gefilmt sind. Eine Empörung über das Milieu, das interessiert mich nicht. Ich wollte ein Verhältnis von Mann-Frau untersuchen anhand der Prostitution. Ich bin ausgezogen mit der Theorie, dass in der Prostitution alles gleich ist wie in der übrigen Gesellschaft - nur geht es schneller.
Hat sich die Theorie bestätigt?
Glawogger: Bis zu einem gewissen Grad schon. Männer und Frauen in einem Kulturkreis gehen auf gewisse Art miteinander um, und weshalb soll das bei der Prostitution anders sein? Aber der Austausch, zwischen dem, was verhandelt wird, geht natürlich viel schneller in einem Puff als bei einem Date.
Überwiegen aus Ihrer Sicht die Unterschiede oder die Gemeinsamkeiten in den drei von Ihnen gezeigten Kulturen?
Glawogger: Es ist eher die Oberfläche ähnlich. Der Deal, um den es geht und wie er abläuft, das ist doch sehr unterschiedlich. Ich habe jetzt gerade den Frauen in Mexiko den Film gezeigt, worauf sich die sehr darüber empört haben, dass es in Bangladesch ein Bordell gibt, wo die Frauen hinter einer Glasscheibe sitzen. Wie sollen sie da die innere Verbindung zum Mann herstellen?
Die Prostitution kein Milieu, wo man einfach die Kamera aufstellt. Wie kommen Sie so nah an Ihre Protagonisten heran?
Glawogger: Der erste Schritt ist immer, dass man mit denen, die einen solchen Ort führen, ein Agreement hat. Es ist ja ein Ort, wo man mit Kamera so unwillkommen ist wie sonst nirgends. Das geht nur über einen langen Prozess, der in Bangladesch damit angefangen hat, dass der Oberste Rat der Mütter - als Pendant zum Zuhälter - sich grundsätzlich einverstanden erklärt hat. Dann wird noch übers Geld verhandelt. Wenn das durch ist, stehen Sie aber wieder bei Null, da Sie dann das Vertrauen der Mädchen gewinnen müssen, ihnen Geschenke bringen.
Dass eine Prostituierte in einem islamischen Land offen über Sexualität spricht und dass ihr manche Schwänze wehtun und was die Praktiken sind, das geht schon sehr weit. Das wäre bei uns eine Normalität, aber dort ziehen sich die Frauen ja nicht einmal aus für ihre Kunden. Das ist ein riesiger Vertrauensbeweis, so etwas zu erzählen. Mit den Kunden war es komischerweise viel leichter als ich dachte: Entweder winken sie sofort ab, oder sie sind sehr stolz drauf und sagen: Ich will zeigen, dass man in den Puff geht.
Wie lange waren Sie jeweils vor Ort?
Glawogger: Es ist nicht so, dass man kommt und bleibt ewig dort. Da würde man den Betrieb zu lange stören. Ich war oft in Bangladesch - zum ersten Mal vor vier Jahren. Ein Wiederkommen ist der erste Vertrauensbeweis. Eine journalistische Praxis ist, hineinzugehen und sich etwas zu nehmen. Wenn man aber das zweite und dritte Mal wieder kommt, ist man ein Freund.
Sie arbeiten ja auch in ihrem neuen Film in einigen Szenen klar semidokumentarisch. Ist das eine stilistische Entscheidung oder den Notwendigkeiten vor Ort geschuldet?
Glawogger: In diesem Film gibt es wenige. Aber eine Sexszene kann man nur im Konsens machen. Da habe ich der Protagonistin gesagt, was ich will und dass es mir auf die Nerven geht, dass mir seit drei Jahren immer die Tür ins Gesicht geknallt wird. Ich finde, in einem Film über Prostitution muss man auch einmal zeigen, worum es geht.
Haben aus Ihrer Sicht ihre Dokumentarfilme etwas Österreichisches?
Glawogger: Ich wüsste nicht so ganz, was das ist. Ich empfinde meine Filme nicht als besonders dunkel, sondern als recht herzlich. Das Einzige wäre vielleicht ein ironischer Unterton, denn der Österreicher ist im Unterschied zu anderen deutschsprachigen Menschen der Ironie fähig. Und da hat „Whore‘s Glory“ eine leichtere Hand als noch „Workingman‘s Death“.
http://www.tt.com/csp/cms/sites/tt/Frei ... onzert.csp
Michael Glawogger: „Der Strich ist kein Wunschkonzert“
Sein neuester Dokumentation „Whore‘s Glory“ widmet sich der Prostitution in drei Kulturkreisen. Es gehe ihm darum, den Alltag zu zeigen, der eben nicht aus Zwangsprostitution und Gewalt bestehe, so Glawogger im APA-Gespräch.
Das Gespräch führte Martin Fichter
Wien – Gut schaut er aus, der Michael Glawogger, mit mittlerweile schulterlangen Haaren frisch, zurückgekehrt von einer neuerlichen filmischen Weltreise in die Untiefen der menschlichen Existenz, die er aber durchaus nicht als so untief empfindet.
Sie sind nach drei Spielfilmen zum Semidokumentarischen zurückgekehrt. Was war der Anlass, die Sparte wieder zu wechseln?
Michael Glawogger: Da fällt mir immer der „Kottan“-Satz ein: „Der Strich ist kein Wunschkonzert.“ So ist das letztendlich beim Film auch. Man hat Projekte, die leben von Finanzierungen. Wann ein Film realisiert wird, ist nicht immer genau zu diktieren. So hat sich „Whore‘s Glory“ in der Produktion immer auch mit den Spielfilmen überschnitten.
War Ihnen beim Dreh zu „Megacities“ (1998) schon klar, dass Sie mit „Workingman‘s Death“ (2005) und jetzt „Whore‘s Glory“ gewissermaßen eine Trilogie anstreben?
Glawogger: Nicht wirklich. Aber ich habe damals schon darüber nachgedacht, „Whore‘s Glory“ zu machen. Und nun sind die drei Weltfilme zu einer dreigeteilten Sicht auf die Zeit geworden, in der wir leben.
Bildästhetisch unterscheidet sich „Whore‘s Glory“ aber von „Workingman‘s Death“. Sie sind näher an den Protagonisten, setzten weniger auf poetische Bilder. War das den konkreten Umständen des Drehs geschuldet?
Glawogger: In einem Bordell mit einer Kamera zu agieren, ist nicht einfach. Das ist fast nur in einem wirklich dokumentarischen Stil zu verwirklichen. Man muss schnell reagieren, die Frauen haben oft keine Zeit. Es macht mir auch zunehmend Spaß, die Dinge dokumentarisch beim Schopfe zu packen. Ich würde aber eigentlich auch widersprechen. Für mich ist „Whore‘s Glory“ ein Film, der zwar mehr Sprache hat, aber auch rührende Stimmungen transportiert, die einen normalen Rotlichtmilieualltag zeigen. Es gibt immer diesen Alternativzug, dass man sagt, in der Prostitution ist alles unfreiwillig und die Mädchen werden alle gezwungen - und das ist de facto nicht wahr.
Was ist für Sie der Ausgangspunkt bei einem Dokumentarfilm: Persönliche Erkenntnis oder ein gesellschaftspolitischer Impetus?
Glawogger: Es hat begonnen bei „Megacities“, wo das Publikum eine Tänzerin berührt. Das hat unglaubliche Reaktionen hervorgerufen, war eine große Projektionsfläche. Und das hat mich dann interessiert. Ich hatte nie Filme über Prostitution gesehen, die mich interessiert haben, da sie nie in den Alltag hineingehen oder mit einer versteckten bürgerlichen Angst gefilmt sind. Eine Empörung über das Milieu, das interessiert mich nicht. Ich wollte ein Verhältnis von Mann-Frau untersuchen anhand der Prostitution. Ich bin ausgezogen mit der Theorie, dass in der Prostitution alles gleich ist wie in der übrigen Gesellschaft - nur geht es schneller.
Hat sich die Theorie bestätigt?
Glawogger: Bis zu einem gewissen Grad schon. Männer und Frauen in einem Kulturkreis gehen auf gewisse Art miteinander um, und weshalb soll das bei der Prostitution anders sein? Aber der Austausch, zwischen dem, was verhandelt wird, geht natürlich viel schneller in einem Puff als bei einem Date.
Überwiegen aus Ihrer Sicht die Unterschiede oder die Gemeinsamkeiten in den drei von Ihnen gezeigten Kulturen?
Glawogger: Es ist eher die Oberfläche ähnlich. Der Deal, um den es geht und wie er abläuft, das ist doch sehr unterschiedlich. Ich habe jetzt gerade den Frauen in Mexiko den Film gezeigt, worauf sich die sehr darüber empört haben, dass es in Bangladesch ein Bordell gibt, wo die Frauen hinter einer Glasscheibe sitzen. Wie sollen sie da die innere Verbindung zum Mann herstellen?
Die Prostitution kein Milieu, wo man einfach die Kamera aufstellt. Wie kommen Sie so nah an Ihre Protagonisten heran?
Glawogger: Der erste Schritt ist immer, dass man mit denen, die einen solchen Ort führen, ein Agreement hat. Es ist ja ein Ort, wo man mit Kamera so unwillkommen ist wie sonst nirgends. Das geht nur über einen langen Prozess, der in Bangladesch damit angefangen hat, dass der Oberste Rat der Mütter - als Pendant zum Zuhälter - sich grundsätzlich einverstanden erklärt hat. Dann wird noch übers Geld verhandelt. Wenn das durch ist, stehen Sie aber wieder bei Null, da Sie dann das Vertrauen der Mädchen gewinnen müssen, ihnen Geschenke bringen.
Dass eine Prostituierte in einem islamischen Land offen über Sexualität spricht und dass ihr manche Schwänze wehtun und was die Praktiken sind, das geht schon sehr weit. Das wäre bei uns eine Normalität, aber dort ziehen sich die Frauen ja nicht einmal aus für ihre Kunden. Das ist ein riesiger Vertrauensbeweis, so etwas zu erzählen. Mit den Kunden war es komischerweise viel leichter als ich dachte: Entweder winken sie sofort ab, oder sie sind sehr stolz drauf und sagen: Ich will zeigen, dass man in den Puff geht.
Wie lange waren Sie jeweils vor Ort?
Glawogger: Es ist nicht so, dass man kommt und bleibt ewig dort. Da würde man den Betrieb zu lange stören. Ich war oft in Bangladesch - zum ersten Mal vor vier Jahren. Ein Wiederkommen ist der erste Vertrauensbeweis. Eine journalistische Praxis ist, hineinzugehen und sich etwas zu nehmen. Wenn man aber das zweite und dritte Mal wieder kommt, ist man ein Freund.
Sie arbeiten ja auch in ihrem neuen Film in einigen Szenen klar semidokumentarisch. Ist das eine stilistische Entscheidung oder den Notwendigkeiten vor Ort geschuldet?
Glawogger: In diesem Film gibt es wenige. Aber eine Sexszene kann man nur im Konsens machen. Da habe ich der Protagonistin gesagt, was ich will und dass es mir auf die Nerven geht, dass mir seit drei Jahren immer die Tür ins Gesicht geknallt wird. Ich finde, in einem Film über Prostitution muss man auch einmal zeigen, worum es geht.
Haben aus Ihrer Sicht ihre Dokumentarfilme etwas Österreichisches?
Glawogger: Ich wüsste nicht so ganz, was das ist. Ich empfinde meine Filme nicht als besonders dunkel, sondern als recht herzlich. Das Einzige wäre vielleicht ein ironischer Unterton, denn der Österreicher ist im Unterschied zu anderen deutschsprachigen Menschen der Ironie fähig. Und da hat „Whore‘s Glory“ eine leichtere Hand als noch „Workingman‘s Death“.
http://www.tt.com/csp/cms/sites/tt/Frei ... onzert.csp
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Die neue Doku con Michael Glawogger ist ab Freitag im Kino!
Am Montag, den 19. September findet eine Filmvorführung in Anwesenheit von Regisseur Michael Glawogger im Wiener Votivkino statt. Gewinne Tickets mit einer mail an kontakt@filmladen.at (Betreff: sexworker). Die Gewinner werden per mail bis 16.09. verständigt. Mehr dazu unter:
[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=IT0I0swPRWY[/youtube]
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Filmkritik Whores' Glory
critic.de vom 28.08.11
"Mit einem Eiswürfel im Arsch, da blöken die Männer wie verrückt." Der Dokumentarfilm Whores' Glory inszeniert Rituale der Prostitution in Thailand, Bangladesch und Mexiko.
Der Film, der dieser Tage beim Festival von Venedig seine Weltpremiere feiert, endet in Reynosa, Mexiko, in einer Toleranzzone für Prostitution nahe der Grenze zu Texas. Es ist Dezember. "Es gibt Geschenke für die ganze Familie, und wir werden gefickt." Mit einer Szene im Privaten, bei der zwei Huren halbnackt und auf Crack ihr gemeinsames Leid klagen, entlässt einen Whores' Glory. Und plötzlich scheint es, als kippe der Film, als lasse er seine Protagonistinnen die Fassung verlieren, ihre Maske ablegen, die Fratze der Verzweiflung, der Scham und des verletzten Stolzes an die Oberfläche drängen. Ehre, Pracht oder Ruhm, die im Titel anklingen, sind vergessen. Das mentale Bild, das hier entsteht, ist die Zuspitzung eines Films, der sich der Macht von Worten und Bildern sehr bewusst ist.
In dem Alltagsporträt von Prostituierten dreier Regionen der Welt herrscht Beiläufigkeit: in den Erzählungen der oft unbekümmerten Frauen und ihrer Freier, durch ritualisierte Wiederholungen und wegen der vielen Ellipsen - denn bis kurz vor Schluss bleibt der Geschlechtsakt ausgeblendet. Beiläufigkeit steht hier allerdings nicht für eine nüchterne Erzählweise, ganz im Gegenteil: Whores' Glory überhöht das Dokumentarische konsequent, durch stilisierte Bilder und dominante Singer/Songwriter-Lieder, die zwischen modernem Blues, Folk und Rock changieren. In vielen Momenten hält der Film das zarte Gleichgewicht von offenbarender Beharrlichkeit und respektvoller Zurückhaltung.
Anekdoten wie der eingangs zitierte Tipp zur Befriedigung von analsensiblen Männern können das triste Themas auflockern, aber auch davon ablenken, sie bleiben jedoch glücklicherweise die Ausnahme. Statt für die erinnerte Realität interessiert sich der Film viel mehr für die gelebte. Wie sich die Frauen in den dunklen Fluren des Gebäudekomplexes "Stadt der Freude" in der Provinz von Bangladesch bewegen, miteinander interagieren, sich feilbieten und mit den Männern verhandeln. Wie die Frauen hinter einer Glasscheibe im "fish tank" ihre Lage reflektieren, Contenance bewahren oder mit Lichtstrahlen die Aufmerksamkeit von Passanten zu wecken suchen. Wie freimütig die jungen Freier in Mexiko von ihrer Fetischen erzählen und ihre Tattoos in die Kamera halten, wie ein älterer Mann seine Beziehung zu den Huren romantisiert, wie die Frauen ihre eigenen Regeln aufstellen, um das Gesicht zu wahren.
Whores' Glory kommt seinen meist namenlos bleibenden Protagonistinnen sehr nahe, fängt Situationen ein, die ein komplexes Bild des Berufsstandes an den drei exemplarischen Orten zeichnen. Ebenso wertvoll ist seine Bescheidenheit: Nie gibt er vor, über die Eindrücke hinaus ein umfassendes oder repräsentatives Puzzle darzustellen oder auch nur die Frauen ganz zu erfassen. In Montagesequenzen deutet der Film immer wieder an, wie viel mehr es noch zu ergründen gäbe. Da geht es etwa um Hygiene-Rituale oder auch die Präsenz der Religion in allen drei Episoden, vom Buddhismus über den Islam bis hin zur Anbetung der Santa Muerte, der "Heiligen Frau Tod". Dass er die private Sphäre weitgehend meidet, gereicht ihm zum Vorteil, da es die Mitwirkenden vor Entblößungen, so weit es geht, schützt. Und auch sein Desinteresse für faktische Eckdaten, die politisch-legale Dimension oder übergreifende Mechanismen und Hintergründe des Geschäfts vermisst man kaum. Schließlich sind das auch just die Elemente, die in jedem Krimi zum Thema als Erstes präsentiert werden.
Wie die dokumentarischen Vorgänger von Autor und Regisseur Michael Glawogger - Megacities (1998) und Workingman’s Death (2005) - verortet sich auch Whores' Glory fernab vom Pädagogischen, Didaktischen oder Journalistischen - allesamt Modi, die die Dokumentarfilmproduktion beherrschen. Dennoch will Glawogger mit seinen globalen Sujets die Welt durchaus erklären. Nur setzt er den Vermittlungsakt des Dokumentarischen auf einer nicht rein intellektuellen, sondern vornehmlich affektiven Ebene an, indem er mit den genuin filmischen Mitteln von aufwändigen Bewegungskompositionen arbeitet und auf eine mitunter assoziative Bild- und Ton-Montage zurückgreift. Das heißt aber auch, dass es letztlich unangemessen ist, von Glawoggers Film zu sprechen, wie es die Usancen der Filmkritik befördern. Whores’ Glory lebt nämlich stark von zwei Namen, die auf dem Plakat nur im Kleingedruckten erscheinen: Wolfgang Thaler und Monika Willi. Wie schon bei Workingman's Death und Megacities zeichnet Thaler, bekannt auch für seine Arbeit mit Ulrich Seidl etwa bei Import/Export (2007), für Licht und Kamera verantwortlich. Willi, die unter anderem Hanekes Das weiße Band (2010) geschnitten hat, ist künstlerische Beraterin und Cutterin. Es ist eine Binsenweisheit, dass Dokumentarfilme nicht selten überhaupt erst am Schneidetisch entstehen. Im Fall von Whores' Glory dürfte es der Montage zu verdanken sein, dass die unterschwelligen Botschaften, das Weiterwirken des Films im Unbewussten, nicht demagogisch, nicht leichtsinnig und nicht zu wuchtig geraten sind. Mehr als um die Ehre der Huren geht es schließlich um ihre Würde.
Filmkritik von Frédéric Jaeger
"Mit einem Eiswürfel im Arsch, da blöken die Männer wie verrückt." Der Dokumentarfilm Whores' Glory inszeniert Rituale der Prostitution in Thailand, Bangladesch und Mexiko.
Der Film, der dieser Tage beim Festival von Venedig seine Weltpremiere feiert, endet in Reynosa, Mexiko, in einer Toleranzzone für Prostitution nahe der Grenze zu Texas. Es ist Dezember. "Es gibt Geschenke für die ganze Familie, und wir werden gefickt." Mit einer Szene im Privaten, bei der zwei Huren halbnackt und auf Crack ihr gemeinsames Leid klagen, entlässt einen Whores' Glory. Und plötzlich scheint es, als kippe der Film, als lasse er seine Protagonistinnen die Fassung verlieren, ihre Maske ablegen, die Fratze der Verzweiflung, der Scham und des verletzten Stolzes an die Oberfläche drängen. Ehre, Pracht oder Ruhm, die im Titel anklingen, sind vergessen. Das mentale Bild, das hier entsteht, ist die Zuspitzung eines Films, der sich der Macht von Worten und Bildern sehr bewusst ist.
In dem Alltagsporträt von Prostituierten dreier Regionen der Welt herrscht Beiläufigkeit: in den Erzählungen der oft unbekümmerten Frauen und ihrer Freier, durch ritualisierte Wiederholungen und wegen der vielen Ellipsen - denn bis kurz vor Schluss bleibt der Geschlechtsakt ausgeblendet. Beiläufigkeit steht hier allerdings nicht für eine nüchterne Erzählweise, ganz im Gegenteil: Whores' Glory überhöht das Dokumentarische konsequent, durch stilisierte Bilder und dominante Singer/Songwriter-Lieder, die zwischen modernem Blues, Folk und Rock changieren. In vielen Momenten hält der Film das zarte Gleichgewicht von offenbarender Beharrlichkeit und respektvoller Zurückhaltung.
Anekdoten wie der eingangs zitierte Tipp zur Befriedigung von analsensiblen Männern können das triste Themas auflockern, aber auch davon ablenken, sie bleiben jedoch glücklicherweise die Ausnahme. Statt für die erinnerte Realität interessiert sich der Film viel mehr für die gelebte. Wie sich die Frauen in den dunklen Fluren des Gebäudekomplexes "Stadt der Freude" in der Provinz von Bangladesch bewegen, miteinander interagieren, sich feilbieten und mit den Männern verhandeln. Wie die Frauen hinter einer Glasscheibe im "fish tank" ihre Lage reflektieren, Contenance bewahren oder mit Lichtstrahlen die Aufmerksamkeit von Passanten zu wecken suchen. Wie freimütig die jungen Freier in Mexiko von ihrer Fetischen erzählen und ihre Tattoos in die Kamera halten, wie ein älterer Mann seine Beziehung zu den Huren romantisiert, wie die Frauen ihre eigenen Regeln aufstellen, um das Gesicht zu wahren.
Whores' Glory kommt seinen meist namenlos bleibenden Protagonistinnen sehr nahe, fängt Situationen ein, die ein komplexes Bild des Berufsstandes an den drei exemplarischen Orten zeichnen. Ebenso wertvoll ist seine Bescheidenheit: Nie gibt er vor, über die Eindrücke hinaus ein umfassendes oder repräsentatives Puzzle darzustellen oder auch nur die Frauen ganz zu erfassen. In Montagesequenzen deutet der Film immer wieder an, wie viel mehr es noch zu ergründen gäbe. Da geht es etwa um Hygiene-Rituale oder auch die Präsenz der Religion in allen drei Episoden, vom Buddhismus über den Islam bis hin zur Anbetung der Santa Muerte, der "Heiligen Frau Tod". Dass er die private Sphäre weitgehend meidet, gereicht ihm zum Vorteil, da es die Mitwirkenden vor Entblößungen, so weit es geht, schützt. Und auch sein Desinteresse für faktische Eckdaten, die politisch-legale Dimension oder übergreifende Mechanismen und Hintergründe des Geschäfts vermisst man kaum. Schließlich sind das auch just die Elemente, die in jedem Krimi zum Thema als Erstes präsentiert werden.
Wie die dokumentarischen Vorgänger von Autor und Regisseur Michael Glawogger - Megacities (1998) und Workingman’s Death (2005) - verortet sich auch Whores' Glory fernab vom Pädagogischen, Didaktischen oder Journalistischen - allesamt Modi, die die Dokumentarfilmproduktion beherrschen. Dennoch will Glawogger mit seinen globalen Sujets die Welt durchaus erklären. Nur setzt er den Vermittlungsakt des Dokumentarischen auf einer nicht rein intellektuellen, sondern vornehmlich affektiven Ebene an, indem er mit den genuin filmischen Mitteln von aufwändigen Bewegungskompositionen arbeitet und auf eine mitunter assoziative Bild- und Ton-Montage zurückgreift. Das heißt aber auch, dass es letztlich unangemessen ist, von Glawoggers Film zu sprechen, wie es die Usancen der Filmkritik befördern. Whores’ Glory lebt nämlich stark von zwei Namen, die auf dem Plakat nur im Kleingedruckten erscheinen: Wolfgang Thaler und Monika Willi. Wie schon bei Workingman's Death und Megacities zeichnet Thaler, bekannt auch für seine Arbeit mit Ulrich Seidl etwa bei Import/Export (2007), für Licht und Kamera verantwortlich. Willi, die unter anderem Hanekes Das weiße Band (2010) geschnitten hat, ist künstlerische Beraterin und Cutterin. Es ist eine Binsenweisheit, dass Dokumentarfilme nicht selten überhaupt erst am Schneidetisch entstehen. Im Fall von Whores' Glory dürfte es der Montage zu verdanken sein, dass die unterschwelligen Botschaften, das Weiterwirken des Films im Unbewussten, nicht demagogisch, nicht leichtsinnig und nicht zu wuchtig geraten sind. Mehr als um die Ehre der Huren geht es schließlich um ihre Würde.
Filmkritik von Frédéric Jaeger
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Re: Filmkritik Whores' Glory

Wir (4 UserInnen des Sexworker Forums) haben einen Teil des Filmes voriges Jahr "nur" in einer mehrstündigen Rohschnittfassung während einer eigens für uns arrangierten Filmvorführung gesehen - Damals kam zumindest für uns nicht im Geringsten "Würde" oder auch "Ehre" rüber. Es waren Szenen dabei, die äußerst bedrückend, geradezu erschreckend beklemmend waren. Und gerade das Fehlen der Wertung wirkte für mich unerträglich. Diese Szenen dürften in der Endfassung entschärft oder weggefallen sein.ehemaliger_User hat geschrieben:Im Fall von Whores' Glory dürfte es der Montage zu verdanken sein, dass die unterschwelligen Botschaften, das Weiterwirken des Films im Unbewussten, nicht demagogisch, nicht leichtsinnig und nicht zu wuchtig geraten sind. Mehr als um die Ehre der Huren geht es schließlich um ihre Würde.
christian
Ich weiß nicht wirklich, ob ich den Film in seiner Endfassung sehen möchte - ich weiß aber, dass das was dort gezeigt wird, absolut nichts mit dem zu tun hat, wofür ich eintreten kann. Die Unterschiede sind einfach zu groß - und wertfrei kann ich manchen Themen mit Sicherheit nicht gegenüber stehen.
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RE: "Zwangsprostitution ist nicht der Alltag"
Glawogger: „Das Puff ist auch ein komischer Ort“
Michael Glawogger über „Whores' Glory“, sein großes Triptychon der Prostitution, das am Mittwoch bei einer „Presse“-Premiere vorgestellt wurde. Dreh der ersten Episode in Bangladesh gab den Takt vor.
...................
Hatten Sie nicht ursprünglich auch erwogen, in Wien zu drehen?
Ich weiß, dass das immer wieder gefordert wird. Aber in den zehn Jahren, in denen ich diese Art von Filmen mache, wurde das immer absurder. Ich sage das Wort nicht gern und lasse es auch aus allen Inhaltsangaben meiner Pressehefte streichen: Globalisierung. Weil es ein Wort ist, dass als Projektionsfläche dient, dass jeder gerne für das verwendet, was er gerade braucht: Es ist kein klares Wort. Aber wenn wir – ohne dieses Wort – davon ausgehen, dass die Welt näher zusammengerückt ist, so ist für mich der europäische Heimataspekt obsolet geworden. Durch mich selbst – oder wie Kritiker vielleicht sagen würden: durch meinen westlichen Blick – ist das sowieso drinnen. Mir scheinen die Verbindungen über Kulturkreise, gesellschaftliche Stellungen und Religionen interessanter als der etwas simple Gedanke: „Bei uns zu Hause gibt's auch Huren!“ Es ist auch viel mehr ein Film über Sexualität oder das Mann-Frau-Verhältnis in gewissen Kulturen, als es ein Film über Huren ist. Obwohl es auch ein Film über Huren ist.
Das ganze Interview gibt es unter http://diepresse.com/home/kultur/film/6 ... m/index.do
Michael Glawogger über „Whores' Glory“, sein großes Triptychon der Prostitution, das am Mittwoch bei einer „Presse“-Premiere vorgestellt wurde. Dreh der ersten Episode in Bangladesh gab den Takt vor.
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Hatten Sie nicht ursprünglich auch erwogen, in Wien zu drehen?
Ich weiß, dass das immer wieder gefordert wird. Aber in den zehn Jahren, in denen ich diese Art von Filmen mache, wurde das immer absurder. Ich sage das Wort nicht gern und lasse es auch aus allen Inhaltsangaben meiner Pressehefte streichen: Globalisierung. Weil es ein Wort ist, dass als Projektionsfläche dient, dass jeder gerne für das verwendet, was er gerade braucht: Es ist kein klares Wort. Aber wenn wir – ohne dieses Wort – davon ausgehen, dass die Welt näher zusammengerückt ist, so ist für mich der europäische Heimataspekt obsolet geworden. Durch mich selbst – oder wie Kritiker vielleicht sagen würden: durch meinen westlichen Blick – ist das sowieso drinnen. Mir scheinen die Verbindungen über Kulturkreise, gesellschaftliche Stellungen und Religionen interessanter als der etwas simple Gedanke: „Bei uns zu Hause gibt's auch Huren!“ Es ist auch viel mehr ein Film über Sexualität oder das Mann-Frau-Verhältnis in gewissen Kulturen, als es ein Film über Huren ist. Obwohl es auch ein Film über Huren ist.
Das ganze Interview gibt es unter http://diepresse.com/home/kultur/film/6 ... m/index.do
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Whores Glory
Eine sehr empfehlenswerte Filmdokumentation über Prostitution, welche Raum läßt die Bilder wirken zu lassen, da versucht wurde zu filmen, ohne zu urteilen. Schauplätze sind Thailand, Bangladesch und Mexico!
http://www.whoresglory.at/
http://www.youtube.com/watch?v=hDruqLQVl04
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http://www.youtube.com/watch?v=hDruqLQVl04
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RE: Whores Glory
Ups, hab gerade gesehen, das es das Thema schon gibt...ich hab mir den Film jedenfalls gerade im Kino angeschaut und finde ihn sehenswert!
Lg, bluelotus
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RE: "Zwangsprostitution ist nicht der Alltag"
WHORES' GLORY
Premiere in Freiburg
www.friedrichsbau-kino.de
am FR um 21.15 Uhr in Anwesenheit des Regisseurs MICHAEL GLAWOGGER
Ich schaue mir heute abend den Film in Freiburg an. Bin gespannt darauf nachdem so viel darüber geschrieben worden ist.
Liebe Grüße, Fraences
Premiere in Freiburg
www.friedrichsbau-kino.de
am FR um 21.15 Uhr in Anwesenheit des Regisseurs MICHAEL GLAWOGGER
Ich schaue mir heute abend den Film in Freiburg an. Bin gespannt darauf nachdem so viel darüber geschrieben worden ist.
Liebe Grüße, Fraences
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Hier gibts weitere Hinweise, wo der Film läuft:
Wer hat Lust, am heute oder am Wochenende in Stuttgart ins Delphi mitzugehen (21 Uhr)? Bitte PN.
http://www.filmstarts.de/kritiken/195871/kinoprogramm/
Wer hat Lust, am heute oder am Wochenende in Stuttgart ins Delphi mitzugehen (21 Uhr)? Bitte PN.
http://www.filmstarts.de/kritiken/195871/kinoprogramm/
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RE: "Zwangsprostitution ist nicht der Alltag"
Prostitution
"Das ist eine globale Faszination"
Prostitution in Thailand, Bangladesch und Mexiko – darum geht es im Dokumentarfilm „Whore’s Glory“. Lars Mensel sprach mit dem Regisseur Michael Glawogger über das Selbstbild von Prostituierten, das Verlangen von Freiern und die Erfinder von Leggins.
Ein Triptychon zur Prostitution
The European: Die Zeit hat eine schöne Kritik zu Ihrem Film geschrieben: Die Kamera sei so nah dran, dass man den Schweiß und das Sperma riecht. Wie haben Sie so nah an dem Geschehen filmen können?
Glawogger: Das ist ein langer Prozess, weil man natürlich mit einer Kamera in einem Bordell sehr unwillkommen ist. Es ist nur durch Beharrlichkeit geglückt – also dadurch, dass wir immer wieder gekommen sind und dadurch unsere Ernsthaftigkeit bewiesen haben. Der Film ist in dieser Hinsicht das Gegenteil zu jener journalistischen Methode, bei der man schnell hingeht, ein paar Bilder nimmt und dann seine Meinung darüber sagt. Ich habe versucht, den Frauen eine Art Bühne oder Plattform zu geben. Dabei versucht der Film nicht, zu werten: Man sieht Sachen, die man als Verbrechen bezeichnen könnte, aber auch viele freudvolle Momente. Mir ist diese Spannweite sehr wichtig.
The European: Als Zuschauer fühlt man sich wie ein Beobachter, der mit kurzen Augenblicken Realität konfrontiert wird. Die Szenen in Bangladesch fühlen sich an, als seien sie an einem Tag aufgenommen worden.
Glawogger: Sie sind an 10 Tagen aufgenommen, wobei sicher genug Material vorhanden wäre, um einen eigenen Film zu machen. Vielleicht spürt man das durch die Bilder hindurch, dass das nur die Spitze des Eisbergs ist und nicht nur das, was man gerade mal gedreht hat. Es gibt ja noch sehr viele Varianten, Blickrichtungen und Ansichten, die jetzt im Film gar nicht vorkommen.
The European: Das interessante ist, dass man sich als Zuschauer einer enormen Transparenz gegenüber sieht, da selbst Freier im Film sehr offen mit ihrem Besuch bei einer Prostituierten umgehen. Ist dies bewusst gewählt oder ein kultureller Unterschied?
Glawogger: Das liegt auch irgendwo an mir, weil ich es zulasse. Ein Film ist ja eine meinungsbildende Maßnahme, egal, ob er wertend ist oder nicht. Filme oder journalistische Äußerungen über Prostitution stigmatisieren den Freier fast immer, weil es gesellschaftlich nicht akzeptiert ist, ins Bordell zu gehen. Ich bin da anderer Meinung, und ich fand es sehr interessant, dass sich die Freier aus diesem Grund vor allem deshalb zu Wort gemeldet haben, weil sie ja sonst niemand fragt. Den Freier einfach als Menschen zu nehmen, wie man auch die Prostituierte als Menschen nimmt, ist ein ganz bewusst gesetzter Akt, und dieser Akt ist sozusagen auf mich zugekommen. Wie ich am Anfang schon sagte: Ich bin immer wieder gekommen und habe meine Präsenz am jeweiligen Ort klargemacht. Irgendwann sind auch die Freier zu mir gekommen und haben gefragt: „Was machst du da eigentlich?“ Und als sie sahen, dass das nicht ein wertendes journalistisches Exempel ist, sondern eben, wie gesagt, eine Bühne, haben sie von sich aus gefragt: „Dürfen wir auch etwas dazu sagen?“ Und das ist im Sinne des Dokumentarischen das schönste: Wenn die Leute selbst auf einen zukommen.
„Ihr Schlampen, ihr Dummen, ihr Schrecklichen, ihr Königinnen, ihr Wunderbaren, so gut ficken wie ihr kann keine“
The European: Überraschend ist der Kontrast zwischen den Äußerungen der Freier und ihrem Verhalten: Sie sprechen sehr verachtend über Prostituierte, gleichzeitig begehren sie diese jedoch enorm.
Glawogger: Einen der Freier in Mexiko finde ich besonders interessant, weil er in einem Satz sagt: „Ihr Schlampen, ihr Dummen, ihr Schrecklichen, ihr Königinnen, ihr Wunderbaren, so gut ficken wie ihr kann keine.“ Das entspricht auch den Stereotypen männlichen Denkens. Diese Verehrung und Hingabe, um auf der anderen Seite gleich wieder zu sagen, wie verwerflich das ist. Aber gerade in dieser Verwerflichkeit liegt auch die Attraktion. Und Männer sind in ihrer Verherrlichung unglaublich dumm Sie gehen wie Kühe zur Weide und denken: Egal, wie viele dort schon gegrast haben, ich bin der Besondere. Ein Typ glaubt wirklich: „Aha, ich bin der elfte Kunde heute, aber mich wird sie besonders toll finden.“ Das ist ein unglaublich männliches Verhalten. Und zu glauben, dass die Frau Spaß daran hat. Zu sagen: „Wir gehen jetzt zu Shima und Uma, die sind so wunderbar, so hübsch und so schön, wir haben Spaß mit ihnen, und sie haben ihren Spaß mit uns.“- da gehört schon einiges dazu, sich das zu denken.
The European: Kann das eine gewisse Rechtfertigung für ihr Verhalten sein?
Glawogger: Männer rechtfertigen ihr Sozialverhalten grundsätzlich wenig. Und für die eigene Sexualität sollte man auch keine Rechtfertigung brauchen. Es würde uns vielleicht besser gehen, wenn wir nicht dauernd nach einer suchen würden.
The European: Aber gerade diese Suche ist so spannend in dem Film. Einer der Freier sagt auch: „Wenn es die Prostituierten nicht gäbe, dann könnten die Frauen nicht auf die Straße gehen.“
Glawogger: Das ist natürlich auch kulturell bedingt. In Bangladesch, einer muslimischen Gesellschaft, kann ein junger Mann mit seiner Freundin nirgendwo hingehen. Seine Wohnung ist voll mit Familie, die Wohnung der Freundin ist voll mit Familie, und in den Parks passt die Polizei auf. Wenn einer mit seiner Freundin Händchen halten will, muss er einen Polizisten bestechen. Insofern ist so ein Bordell der einzige Kanal, wo ein 15- bis 19-jähriger in irgendeiner Form mit seiner Sexualität umgehen kann – abgesehen von seinen Freunden. Du kannst dich mit jedem deiner Freunde ins Bett legen, aber nicht mit einer Frau. Das ist wirklich drastisch, da übertreibt der junge Mann nicht. Gleichzeitig können Frauen dort auch nicht allein auf die Straße gehen. In dem Moment, wo sie schutzlos, d.h. ohne Mann in der Öffentlichkeit unterwegs sind, sind sie Freiwild. Eine allein auf der Straße rumlaufende Frau kann jede/r x-beliebige an einen Puff verkaufen, denn im Sinne der Konventionen ist sie schon eine Hure.
„Leggins hat kein Designer erfunden, sondern die Nutten“
The European: Beziehen die Prostituierten ein Selbstwertgefühl aus dieser Begehrlichkeit, was sie über ihren Alltag hinwegtröstet?
Glawogger: Natürlich – so wie jede/r ein Selbstwertgefühl entwickelt, wenn er oder sie Erfolg im Beruf hat. Die Begehrlichkeit ist ihr Beruf. Diese Begehrlichkeit herzustellen ist das, woran sie arbeiten und was sie können. Sie erfinden sich einen Namen, ein Outfit, ein Bild – eine komplette Ikonographie, wie sie der Mann unbedingt haben will. Nicht umsonst haben seit den 80er Jahren die Prostituierten das Modebild mit geprägt. Leggins hat kein Designer erfunden, sondern die Nutten. Die Begehrlichkeit ist ihr Beruf, und sie werden bestaunt, begehrt und gleichzeitig verachtet, weil man all das ja nicht darf.
The European: Der Film ist nicht nur eine Dokumentation über Prostitution, sondern auch über die Kultur, in der sie gerade stattfindet. In Thailand scheint die Rollenverteilung auf den Kopf gestellt, da Männer sich dort als die Ware sehen und die Frauen als etwas unerreichbares, mit dem sie lediglich eine halbe Stunde Spaß haben können.
Glawogger: Ein Deutscher würde vielleicht die Worte ein bisschen anders wählen und sagen: „Nun ja, wir bringen das Geld.“ Wenn ein Deutscher in einen Puff geht, sagt er eher: „Die sollen uns nur nehmen, denn wir bringen ja das Geld.“ Auch das heißt: „Wir sind die Ware“, aber es bedeutet: „Ohne uns läuft dieser Laden nicht.“
The European: Wie äußert sich das im Respekt vor der Prostitution?
Glawogger: Es besteht dort überhaupt kein Respekt vor der Prostitution, sondern wird als etwas Alltägliches angesehen. Ein Thai-Mann würde sich nie im Leben dafür genieren, dass er zu einer Prostituierten geht – das ist für ihn das Normalste auf der Welt. Wenn wir beide als Thailänder nach einem erfolgreichen Interview ausgehen würden, würden wir an so einen Ort gehen und dort essen, trinken und vielleicht ein Mädchen rausholen. Was nicht passieren darf, ist, dass eine Frau dadurch z.B. vor eine Nachbarin diskreditiert wird. Aber ansonsten gehört das absolut zum Alltag.
„Die Jungs werden dafür bezahlt, dass sie adrett gekleidet und frisiert sind.“
The European: Zum Alltag der thailändischen Prostituierten scheint auch zu gehören, nach getaner Arbeit wiederum zu einer männlichen Prostituierten zu gehen; d.h. die Sexualität spielt auch außerhalb des Berufs weiterhin eine Rolle.
Glawogger: Da gehörten zwei Aspekte dazu. Zum einen finde ich es grundsätzlich eine große Ungerechtigkeit, dass es für Frauen nicht das gleiche gibt wie für Männer. In Thailand ist aber die Gesellschaft als Ganzes ein bisschen androgyner, und auch diese Grenzen sind ein bisschen aufgerissen. Diese Bar mit den Animateuren ist ein Ort, wo nicht nur Prostituierte hingehen. Interessant ist vor allem, dass die Mädchen nach getaner Arbeit hauptsächlich wollen, dass die Männer nett zu ihnen sind und sie verwöhnen. Die Jungs werden dafür bezahlt, dass sie adrett gekleidet und frisiert sind, den Mädchen Whiskey einschenken, die Hand halten, plaudern, Witze machen, mit ihnen tanzen. Und wenn ein Mädchen danach einen Jungen mit nach Hause nehmen will, dann geht das auch. Aber es ist nicht so ein offensichtliches Bordell, was zeigt, wie Frauen mit dem Thema umgehen. Wenn man hier so einen Puff machen würde und das gesellschaftsfähig wäre, könnte das sehr gut funktionieren.
The European: Was ich auch sehr auffällig fand in dem Film war die Musik, die teils beinahe aggressiv in den Vordergrund trat. Was war der Gedanke dahinter diese sehr fremden Bilder mit westlicher Musik zu illustrieren?
Glawogger: Die Musik offenbart in gewisser Weise meinen Blick. Mir sind manche Atmosphären durch die Musik einfach richtiger erschienen. Es gibt so eine komische, fast traditionelle Sicht auf den Dokumentarfilm, dass ein Bild über die Welt wahrer wäre, wenn keine Musik darüber liegt. Dabei ist die ganze Welt voll ist mit Musik, und auch unsere Wahrnehmung ist voll mit Musik. Es stellt niemand die Frage: „Ist diese Szene nicht ohne Musik eigentlich viel zu deprimierend?“ Wie alles ist der Film eine Gestaltung und eine Interpretation der Wirklichkeit, und mir sind die meisten Szenen mit einer bestimmten Musik einfach richtiger erschienen – also so, wie ich sie erlebt, gesehen und gespürt habe. Ich denke, man muss sich bewusst sein, dass auch ein Dokumentarfilm letztlich ein voll durchgestaltetes Ding ist und nichts anderes tut, als meine Sicht auf eine Sache darzustellen. Und ich sehe sie so.
The European: Ich habe den Eindruck, dass in Deutschland eine gewaltige Romantisierung der Prostitution stattgefunden hat. In den Bestseller-Listen der letzten Jahre gab es zahlreiche Bücher, in denen Studentinnen beschrieben, wie sie sich ihr Studium durch Prostitution nebenbei verdienten. Bei einer Untersuchung des Studienkollegs zu Berlin kam heraus, dass sich jeder dritte Berliner Student vorstellen könnte, sein Studium durch Prostitution nebenbei zu finanzieren. Woher kommt diese Faszination, die zumindest ein deutsches Publikum für dieses Thema hat?
Glawogger: Das ist eine globale Faszination. Die Vorstellung, mit jemandem, den man nicht kennt, Sex zu haben und dafür auch Geld zu bekommen, hat eine Attraktion, die durch die Ächtung in den meisten Kulturen verstärkt wird.. Der Alltag, den man dann erlebt, ist sicherlich viel weniger attraktiv, aber die Attraktion ist sicher da und funktioniert auch bis zu einem gewissen Grad. Der bürgerliche Gedanke, dass Sex nur mit Liebe funktioniert, ist natürlich Humbug, und jede/r kann seine Schlüsse daraus ziehen, wie er oder sie damit umgeht. Letztlich ist die Prostitution dafür – wie für vieles andere – eine große weiße Leinwand, auf die man alles projizieren kann. Ich glaube, es war eine Hamburger Prostituierte, die mir einmal gesagt hat: „Nach 30 Jahren – ich kann kein Sperma mehr riechen. Ich halte das nicht mehr aus.“
http://www.theeuropean.de/michael-glawo ... ostitution
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RE: "Zwangsprostitution ist nicht der Alltag"
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Ein Tryptychon zur Prostitution
(Michael Glawogger)
Der Zusatztitel »Ein Triptychon zur Prostitution« bezieht sich nicht auf MegaCities und Workingman's Death, die vorherigen zwei Dokumentationen »globaler Befindlichkeiten«, sondern auf die dreigeteilte Struktur des neuen Films des Österreichers Michael Glawogger (Das Vaterspiel). Drei Schauplätze, drei Sprachen, drei Religionen, sogar drei jeweils zugeordnete Interpreten auf dem Soundtrack.
Der erste Teil des Films zeigt den »Fish Tank« in Bangkok, kein Teil des üblichen Sextourismus, sondern verwurzelt in der landeseigenen Tradition, laut der Erklärungen im Pressematerial verirren sich hier nur selten Fremde hier hin (auch wenn nicht wenige der Vermittlungsgespräche auf Englisch geführt werden). Zur Einstimmung eine »leichtfüßige Art der Prostitution, die sogar gewisse Freundlichkeit hat« (Pressematerial). Mit Laserpointern locken die hinter einer Glasscheibe die Außenwelt beobachtenden jungen und durchgestylten Damen die Freier an, dann gibt es eine weitere Glasscheibe, hinter der man mit Nummern ausgestattet auf den Aufruf zur Nummer wartet.
- Thailand
Im zweiten Teil in der »Stadt der Freude« in Faridpur in Bangladesh ist die Gangart bereits härter, das Elend sichtbarer, auf kleinem Raum arbeiten hier 600 bis 800 Frauen und größtenteils nicht unbedingt rein freiwillig. Hier werden junge Mädchen an »Mütter« verkauft, und sie lernen schnell: »Wenn ich keine Freier bekomme, bin ich unglücklich. Besonders meine Mutter ist dann wütend.« Oder aus der Sicht der Mutter: »Ärgere mich nicht, sonst lasse ich die Hand sprechen«, was fast noch euphemistisch ist.
Die Dramaturgie des Films, die sich in vielerlei Hinsicht vollzieht (auch anhand der den Dreharbeiten beiwohnenden Zensurbehörden, des immer härteren Soundtracks, der sich von Coco Rosie zu PJ Harvey »steigert«), findet ihren Höhepunkt in Mexiko, in »La Zona« in Reynosa, nahe der Grenze zu Texas. Hier stiftet die typisch mexikanische, fast religiöse Todessehnsucht, einen abschließenden Hintergrund für einen Film, der wie ein Abstieg in die Hölle konzipiert wirkt.
Glawogger, der schon in seinen früheren Dokumentationen die Grenze zur Inszenierung oft überschritt, gibt offen zu: »In Whores' Glory gibt es kein einziges Interview, kein einziges Bild, für das nicht in irgendeiner Form bezahlt wurde«. Schon weil die Beschäftigung mit dem Filmemacher natürlich von der Arbeitszeit abgeht. Glawogger: »Grundsätzlich ist man in einem Bordell ja als Journalist, Fotograf oder Filmemacher nicht sehr willkommen. Für jemanden, der recherchieren will, ist es wahrscheinlich der unfreundlichste Platz auf der ganzen Welt, mit Ausnahme des Vatikan.«
- Bangladesh
Man mag in Frage stellen, ob ein Interview mit einer mexikanischen Hure, die aus irgendwelchen Gründen (die für den Zuschauer nicht aufgeklärt werden) ihre Beine spreizt, die Einsichten in das Thema Prostitution »vertiefen« (die Doppeldeutigkeit ist unschön, aber unvermeidbar), doch der Regisseur nimmt seinen Kritikern bereits sämtlichen Wind aus den Segeln, mit Statements wie folgenden:
»Wenn man in den Film hineingeht und grundsätzlich findet, dass Prostitution ein Verbrechen ist und etwas Böses, dann wird man den Film beschönigend finden«
»Man muss zu einer einzigen Prostituierten gehen, denn der Mensch, der etwas selbst macht, weiß immer am meisten darüber. Jede einzelne Prostituierte weiß immer noch mehr über Prostitution als ich, obwohl ich mich über vier Jahre lang damit beschäftigt habe und in hunderten Bordellen in vielen Ländern gewesen bin.«
© Maya Goded - Mexiko
Glawogger kokettiert mit der Eingeschränktheit seiner eigenen Expertise, und so muss man sich dem Film unabhängig von seiner Thematik nähern: Über seine filmischen Qualitäten, die trotz aller Einwände unübersehbar sind. Das Zusammenspiel von Bild und Musik eröffnet ebenso eine Interpretation wie einige vermeintlich zufällige Aufnahmen, wenn sich beispielsweise einige Hunde am Hintereingang des Bordells streiten (man beachte die Doppeldeutigkeit des Begriffs »Hündin« in einigen Sprachen), man in der »Stadt der Freude« fragmentarische Einblicke in innerbetriebliche Reibereien bekommt oder (erneut wie ein Höhepunkt aufgebaut) in Mexiko eben jenes, was hinter geschlossenen Türen passiert, auch noch in Bildern aufgefangen wird (und offensichtlich nicht nur die Hure, sondern auch der Freier vom Filmemacher vergünstigt wurden, um diese Einblicke zu ermöglichen).
Nachdem man in diesem Jahr über Chester Browns Paying for it bereits einen didaktischen und politischen Einblick in das Thema Prostitution erhielt, wirkt der in Venedig in einer Nebenreihe mit einem Jurypreis ausgezeichnete Whores' Glory (ein Buch zum Film gibt es auch) fast schon wie ein weiterer Beitrag zu einem kulturellen Trend. Was jedoch den Einsatz der medienspezifischen Mittel angeht, sollte man, vor die Wahl gestellt, eher dem Comic den Vorzug geben. In einem von Glawoggers Statements geht es mal darum, ob der Film das Thema »beschönigt«. Paying for it tut dies, in vielerlei Hinsicht, und ganz persönlich finde ich, das ist auch gut so. Es gibt Dinge, die muss man mal gesehen haben, um mitreden zu können. Whores' Glory würde ich auf andere Art umschreiben. Wenn ich den Film schon empfehlen sollte, dann würde ich dem potentiellen Zuschauer (oder Zuschauerin) folgenden Hinweis mitgeben: Wenn es sie nicht mehr auf dem Kinosessel hält, gehen sie ruhig. Es wird eher schlimmer als besser …
http://www.satt.org/film/11_09_whores.html
Ein Tryptychon zur Prostitution
(Michael Glawogger)
Der Zusatztitel »Ein Triptychon zur Prostitution« bezieht sich nicht auf MegaCities und Workingman's Death, die vorherigen zwei Dokumentationen »globaler Befindlichkeiten«, sondern auf die dreigeteilte Struktur des neuen Films des Österreichers Michael Glawogger (Das Vaterspiel). Drei Schauplätze, drei Sprachen, drei Religionen, sogar drei jeweils zugeordnete Interpreten auf dem Soundtrack.
Der erste Teil des Films zeigt den »Fish Tank« in Bangkok, kein Teil des üblichen Sextourismus, sondern verwurzelt in der landeseigenen Tradition, laut der Erklärungen im Pressematerial verirren sich hier nur selten Fremde hier hin (auch wenn nicht wenige der Vermittlungsgespräche auf Englisch geführt werden). Zur Einstimmung eine »leichtfüßige Art der Prostitution, die sogar gewisse Freundlichkeit hat« (Pressematerial). Mit Laserpointern locken die hinter einer Glasscheibe die Außenwelt beobachtenden jungen und durchgestylten Damen die Freier an, dann gibt es eine weitere Glasscheibe, hinter der man mit Nummern ausgestattet auf den Aufruf zur Nummer wartet.
- Thailand
Im zweiten Teil in der »Stadt der Freude« in Faridpur in Bangladesh ist die Gangart bereits härter, das Elend sichtbarer, auf kleinem Raum arbeiten hier 600 bis 800 Frauen und größtenteils nicht unbedingt rein freiwillig. Hier werden junge Mädchen an »Mütter« verkauft, und sie lernen schnell: »Wenn ich keine Freier bekomme, bin ich unglücklich. Besonders meine Mutter ist dann wütend.« Oder aus der Sicht der Mutter: »Ärgere mich nicht, sonst lasse ich die Hand sprechen«, was fast noch euphemistisch ist.
Die Dramaturgie des Films, die sich in vielerlei Hinsicht vollzieht (auch anhand der den Dreharbeiten beiwohnenden Zensurbehörden, des immer härteren Soundtracks, der sich von Coco Rosie zu PJ Harvey »steigert«), findet ihren Höhepunkt in Mexiko, in »La Zona« in Reynosa, nahe der Grenze zu Texas. Hier stiftet die typisch mexikanische, fast religiöse Todessehnsucht, einen abschließenden Hintergrund für einen Film, der wie ein Abstieg in die Hölle konzipiert wirkt.
Glawogger, der schon in seinen früheren Dokumentationen die Grenze zur Inszenierung oft überschritt, gibt offen zu: »In Whores' Glory gibt es kein einziges Interview, kein einziges Bild, für das nicht in irgendeiner Form bezahlt wurde«. Schon weil die Beschäftigung mit dem Filmemacher natürlich von der Arbeitszeit abgeht. Glawogger: »Grundsätzlich ist man in einem Bordell ja als Journalist, Fotograf oder Filmemacher nicht sehr willkommen. Für jemanden, der recherchieren will, ist es wahrscheinlich der unfreundlichste Platz auf der ganzen Welt, mit Ausnahme des Vatikan.«
- Bangladesh
Man mag in Frage stellen, ob ein Interview mit einer mexikanischen Hure, die aus irgendwelchen Gründen (die für den Zuschauer nicht aufgeklärt werden) ihre Beine spreizt, die Einsichten in das Thema Prostitution »vertiefen« (die Doppeldeutigkeit ist unschön, aber unvermeidbar), doch der Regisseur nimmt seinen Kritikern bereits sämtlichen Wind aus den Segeln, mit Statements wie folgenden:
»Wenn man in den Film hineingeht und grundsätzlich findet, dass Prostitution ein Verbrechen ist und etwas Böses, dann wird man den Film beschönigend finden«
»Man muss zu einer einzigen Prostituierten gehen, denn der Mensch, der etwas selbst macht, weiß immer am meisten darüber. Jede einzelne Prostituierte weiß immer noch mehr über Prostitution als ich, obwohl ich mich über vier Jahre lang damit beschäftigt habe und in hunderten Bordellen in vielen Ländern gewesen bin.«
© Maya Goded - Mexiko
Glawogger kokettiert mit der Eingeschränktheit seiner eigenen Expertise, und so muss man sich dem Film unabhängig von seiner Thematik nähern: Über seine filmischen Qualitäten, die trotz aller Einwände unübersehbar sind. Das Zusammenspiel von Bild und Musik eröffnet ebenso eine Interpretation wie einige vermeintlich zufällige Aufnahmen, wenn sich beispielsweise einige Hunde am Hintereingang des Bordells streiten (man beachte die Doppeldeutigkeit des Begriffs »Hündin« in einigen Sprachen), man in der »Stadt der Freude« fragmentarische Einblicke in innerbetriebliche Reibereien bekommt oder (erneut wie ein Höhepunkt aufgebaut) in Mexiko eben jenes, was hinter geschlossenen Türen passiert, auch noch in Bildern aufgefangen wird (und offensichtlich nicht nur die Hure, sondern auch der Freier vom Filmemacher vergünstigt wurden, um diese Einblicke zu ermöglichen).
Nachdem man in diesem Jahr über Chester Browns Paying for it bereits einen didaktischen und politischen Einblick in das Thema Prostitution erhielt, wirkt der in Venedig in einer Nebenreihe mit einem Jurypreis ausgezeichnete Whores' Glory (ein Buch zum Film gibt es auch) fast schon wie ein weiterer Beitrag zu einem kulturellen Trend. Was jedoch den Einsatz der medienspezifischen Mittel angeht, sollte man, vor die Wahl gestellt, eher dem Comic den Vorzug geben. In einem von Glawoggers Statements geht es mal darum, ob der Film das Thema »beschönigt«. Paying for it tut dies, in vielerlei Hinsicht, und ganz persönlich finde ich, das ist auch gut so. Es gibt Dinge, die muss man mal gesehen haben, um mitreden zu können. Whores' Glory würde ich auf andere Art umschreiben. Wenn ich den Film schon empfehlen sollte, dann würde ich dem potentiellen Zuschauer (oder Zuschauerin) folgenden Hinweis mitgeben: Wenn es sie nicht mehr auf dem Kinosessel hält, gehen sie ruhig. Es wird eher schlimmer als besser …
http://www.satt.org/film/11_09_whores.html
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)
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Fakten und Infos über Prostitution
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