LokalNachrichten: STUTTGART & BW

Hier findet Ihr "lokale" Links, Beiträge und Infos - Sexarbeit betreffend. Die Themen sind weitgehend nach Städten aufgeteilt.
Benutzeravatar
fraences
Admina
Admina
Beiträge: 7426
Registriert: 07.09.2009, 04:52
Wohnort: Frankfurt a. Main Hessen
Ich bin: Keine Angabe

RE: LokalNachrichten: STUTTGART & BW

Beitrag von fraences »

EXPERTEN IM SÜDWESTEN FORDERN SCHÄRFERE GESETZE ZUR PROSTITUTION
Das Milieu wird zum Sklavenmarkt


Kein Gesundheitszeugnis mehr, immer mehr Frauen aus Osteuropa und Prostituierte insgesamt: Zum Tag der Hure entgleitet den Behörden die Kontrolle über das älteste Gewerbe der Welt langsam aber sicher.


Stuttgart. "Das Milieu ist sich vollkommen selbst überlassen", sagt Julia Wege. Sie meint die Rotlicht-Szene in Baden-Württemberg. In Stuttgart gehen nach Schätzungen des Ermittlungsdienstes etwa 4000 Frauen und 300 Männer auf den Strich. In Mannheim, sagt Diakonie-Mitarbeiterin Wege, seien es etwa 1000 Prostituierte, die in der örtlichen Bordellstraße, in Clubs und als Escortservice anschaffen. Damit habe sich die Zahl der Huren in der zweitgrößten Stadt des Landes in den vergangenen zehn Jahren mindestens verdoppelt.

Das Problem: Außer in Stuttgart, in Freiburg, in Kehl und Heilbronn gibt es kaum spezielle Beratungsstellen für Huren in Gesundheits-, Rechts- oder Ausstiegsfragen. "Wir haben den Kontakt zu den Frauen verloren, weil das einst nötige Gesundheitszeugnis nicht mehr gebraucht wird", so Wege, die bei der Diakonie in Mannheim gerade eine Beratungsstelle aufbaut, die zum Jahreswechsel eine Anlaufstation für den Rhein-Neckar-Raum werden soll.

Zum heutigen Internationalen Hurentag fordern Experten im Südwesten angesichts der unübersichtlichen Lage schärfere Gesetze zur Prostitution. "Es braucht stärkere Regeln, die das Geschäft mit den Frauen in Grenzen halten", sagte Sabine Constabel von der Stuttgarter Prostituierten-Beratungsstelle. Das Milieu entwickle sich zu einem "Sklavenmarkt", sagt Constabel.

In Stuttgart seien im vergangenen Jahr 89 Prozent der neu gemeldeten Huren aus Ländern Osteuropas gekommen. "Die Prostitution wird von diesen osteuropäischen Armutsprostituierten bestimmt", berichtete Constabel. Sie seien zu niedrigeren Preisen und anderen Handlungen bereit als viele der deutschen Kolleginnen. Diese suchten sich häufig neue Beschäftigungen. Daher müsse den Huren der Ausstieg aus dem Milieu deutlich leichter gemacht werden. "Die Frauen, die kommen, haben sich nicht entschieden, hier Hure zu sein, sondern sie suchen nach Arbeit in Deutschland." Landesweit sind 2011 nach Angaben des Innenministeriums 114 Fälle von illegaler Prostitution bekanntgeworden. Unter die verbotene Prostitution fallen die Sexarbeit zu bestimmten Uhrzeiten oder an bestimmten Orten.

Unterstützt werden die Forderungen nach schärferen Gesetzen von der Politik: Sozialministerin Katrin Altpeter (SPD) wolle das Prostituiertengesetz verschärfen lassen und unangekündigte Kontrollen in Bordellen erleichtern, erklärte eine Sprecherin.

Bereits 2010 habe es deshalb eine Initiative im Bundesrat gegeben. "Damit sollen viele Normen, die es im Gewerberecht und im Ausländerrecht gibt, bundeseinheitlich geregelt werden", sagt die Sprecherin. Wegen der vielen beteiligten Ministerien sei die Umsetzung der neuen Regeln aber sehr umfangreich.

http://www.tagblatt.de/Home/nachrichten ... 75166.html
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)

*****
Fakten und Infos über Prostitution

ehemaliger_User
verifizierte UserIn
verifizierte UserIn
Beiträge: 2968
Registriert: 27.04.2008, 15:25
Ich bin: Keine Angabe

Beitrag von ehemaliger_User »

Was verbindet ein Normalbürger mit dem Begriff "illegale Prostitution"? Ganz bestimmt nicht, dass dies ein künstlich aufgebauter Straftatbestand ist.

Und "unankündigte Kontrollen in Bordellen erleichtern" ist doch gerade ein Stuttgart der Hohn: dort geht doch die Polizei in Bordellen und Terminwohnungen ein und aus! Die Beamten sind doch regelmässig (einmal pro Woche!) vor Ort, die Betreiber müssen die Personendaten der SexarbeiterInnen der "Sitte" melden, Frauen werden zur "Aufklärung über die Sperrgebietsverordnung" zum Ermittlungsdienst Prostitution vorgeladen.

Und Frau Constabel verschweigt, dass die Gesundheitsbehörden die aufsuchene Sozialarbeit (zusammen mit einem Arzt) aus Kostengründen vor Jahren eingestellt haben ("die Frauen sind ja jetzt sozialversichert - da können sie zu jedem niedergelassen Arzt gehen".

Wir brauchen nicht strengere Gesetze für noch mehr Kontrollen. Es wäre doch schon hilfreich, Bordelle zu verpflichten dass aufsuchende Sozialarbeit ermöglicht werden muss. Wie will Frau Constabel BürgerInnen aus RO etc. eine Nicht-Sexarbeit vermitteln wenn die Arbeitsaufnahme für diesen Personenkreis verboten ist? Ich lese keine Forderung, an dieser Stelle das Ausländerrecht anzupassen!

Ausserdem würde ich es zur Pflicht machen, dass Sozialarbeiter während der Ausbildung mindestens ein halbes Jahr in Bordellen oder FKK-Clubs arbeiten müssen - kann ja auch hinter der Bar oder als Hausdame sein.
Auf Wunsch des Users umgenannter Account

Benutzeravatar
fraences
Admina
Admina
Beiträge: 7426
Registriert: 07.09.2009, 04:52
Wohnort: Frankfurt a. Main Hessen
Ich bin: Keine Angabe

Beitrag von fraences »

Jo, wer als Sozialarbeiter in Prostitutions-Projekte arbeitet will, muss ein Praktikum nachweisen.

Liebe Grüsse, Fraences
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)

*****
Fakten und Infos über Prostitution

ehemaliger_User
verifizierte UserIn
verifizierte UserIn
Beiträge: 2968
Registriert: 27.04.2008, 15:25
Ich bin: Keine Angabe

Ich liebte diese Hure. Jetzt bin ich ruiniert

Beitrag von ehemaliger_User »

LK-Syndrom:

07.06.2012 — 23:36 Uhr
Von HAGEN STEGMÜLLER

Stuttgart - Er ist verletzt, wütend, enttäuscht. Weil er (53) die Gefühle von ihr (24) für echt hielt...

Es ist die Geschichte eines Mannes, der im Stuttgarter Leonhardsviertel zu einer Hure ging und sich verliebte.

Post-Oberinspektor Reinhard G. (53) lernte vor zwei Jahren die ungarische Prostituierte Ibolya L. (24, "Lori") kennen. Ein fröhliches Mädchen mit toller Figur, das ihm vorgaukelte, dass sie beim Sex nur mit ihm etwas empfinde: "Das mit den anderen, das ist doch nur ein Job!"

Lori zog wenige Wochen später bei dem 1,66 Meter kleinen Beamten ein. Er musste für sie putzen, waschen, kochen.

Reinhard G. erzählt BILD: "Im März sagte sie mir, sie habe Hepatitis. Sie müsse für eine Behandlung nach Ungarn, brauche unbedingt Geld. Wir pumpten uns von der Bank 45 000 Euro. Ich unterschrieb, sie bekam das ganze Geld."

Mit dem Geld sei auch schnell die schöne Geliebte weg gewesen. Seit Wochen habe sich Lori bei Reinhard nicht blicken lassen, arbeitet nun in einem Bordell in der Stuttgarter Vorstadt. Dreist: Selbst bei Reinhards Mutter Sophie (84) habe sich die Hure eingeschmeichelt, der alten Frau 1200 Euro abgeknöpft.

Reinhard ist verzweifelt: "Jeden Monat muss ich 800 Euro zurückzahlen, dazu kommt der Unterhalt an meine philippinische Ex-Frau und die teure Miete. Ich bin ruiniert."

Sein Beispiel soll anderen Männern eine Warnung sein, sagt er. Deshalb rief er bei BILD an.

Lori behauptet gegenüber BILD: "Reinhard ist nach Ungarn gefahren, hat sich dort drei Schlampen geholt. Da habe ich‘s nicht mehr ausgehalten."

Ihre letzte SMS an Reinhard klingt anders: "Schatzi, ich machen aless vida gut."

http://www.bild.de/regional/stuttgart/p ... .bild.html
Auf Wunsch des Users umgenannter Account

Benutzeravatar
Femina
PlatinStern
PlatinStern
Beiträge: 2250
Registriert: 13.03.2012, 09:18
Wohnort: Oberbayern
Ich bin: Keine Angabe

RE: LokalNachrichten: STUTTGART & BW

Beitrag von Femina »

Tja, da ist der kleine Postler das Opfer seiner Neigungen geworden. Selbst nach der Philippinin ist er nicht schlauer geworden.
Dann mußte es eine "feurige" Ungarin sein.
Und alles Putzen, Waschen und Kochen war für die Katz.
Und da er aus alten Fehlern nicht lernte, muß er nun von seinem Briefträgergehalt einen Kredit berappen.

Und wenn der getilgt ist, kommt wieder so eine rassige Schönheit und sagt dem 74Jährigen, dass sie beim Sex nur mit ihm etwas empfinde:
"Das mit den anderen, das ist doch nur ein Job!"

Dann geht das wieder von vorne los.
Naja, als Postler bekommt man ja eine gute Rente. Aber da wird immer noch die Philippinin sein...
:003

Und vielleicht ist der Mann ja dann im nächsten Leben etwas schlauer.

Aber auch nur vielleicht.
Liebe Grüße, Femina
Träume, die wir leben, machen uns zu dem, was wir sind.

Benutzeravatar
malin
PlatinStern
PlatinStern
Beiträge: 1205
Registriert: 01.09.2008, 18:26
Ich bin: Keine Angabe

Beitrag von malin »

sehr treffend zusammengefasst femina.

ja die partnerwahl und das prinzip des sich verliebens folgt in der regel sehr unromantischen biologischen gesetzen.

ist das attraktivitätsgefälle sehr gross, ist man durchaus gut beraten sich mal im stillen kämmerlein ernste gedanken zur grundlage der beziehung zu machen.
und auch sein eigenes beuteschema zu hinterfragen.

dies gilt natürlich auch für frauen, die ja auch das ein oder andere mal auf schneidige heiratsschwindler hereinfallen.
liebe grüsse malin

eventuell fehlende buchstaben sind durch meine klemmende tastatur bedingt :-)

Benutzeravatar
nina777
Senior Admin
Senior Admin
Beiträge: 5025
Registriert: 08.05.2008, 15:31
Wohnort: Minden
Ich bin: SexarbeiterIn

Beitrag von nina777 »

5.7.2012

KEIN LAUFHAUS IM LEONHARDSVIERTEL

Verwaltungsgericht weist Klage von Hausbesitzern ab

Prostituierte sollen in den zwei Häusern im Leonhardsviertel schon länger dem horizontalen Gewerbe nachgegangen sein. Ein legales Laufhaus wird aus den Gebäuden aber nicht. Das haben Richter entschieden.


Stuttgart Wohnungen in zwei Gebäuden des Leonhardsviertels dürfen nicht für gewerbliche Prostitution vermietet und in Form eines Laufhauses genutzt werden. Dies gab das Verwaltungsgericht gestern bekannt. Damit wies das Gericht die Klage der Hausbesitzer ab, die erreichen wollten, dass in zwei ihrer Häuser gewerbliche Prostitution betrieben werden darf. Schon seit mehreren Jahren werden die Wohnungen illegal zur Prostitution genutzt.

Ob damit der Streit im Stuttgarter Rotlichtbezirk beendet ist, weiß man nicht. Das Gericht hat den Beteiligten gestern den Tenor der Entscheidung bekannt gegeben. Laut Verwaltungsgericht wird das schriftliche Urteil mit den Entscheidungsgründen den Beteiligten zu einem späteren Zeitpunkt zugestellt.

Die Immobilieneigentümer hatten im Jahr 2009 eine Umnutzung der bislang - zumindest offiziell - als Wohnungen genutzten Räume in zwei der im Rotlichtviertel gelegenen Gebäuden beantragt - gestattet werden sollte auf mehreren Etagen die gewerbliche Zimmervermietung in Form eines Laufhauses.

Offenbar sollte mit dem Antrag der Zustand legalisiert werden: Erste Hinweise auf eine Bordellnutzung gab es laut einer Mitteilung des Verwaltungsgerichtes ab Ende 1998, im September 2000 seien Hinweise bei der Polizei eingegangen. Ab August 2002 seien dann erstmals Prostituierte in den Räumlichkeiten angetroffen worden. Die beantragt Nutzungsänderung lehnte die Stadt jedoch ab. Den prompt folgenden Widerspruch der Betreiber gegen diese Ablehnungsbescheide wies auch das Regierungspräsidium zurück. Deshalb musste der Fall vor Gericht geklärt werden.

Die Stadt begründete ihre Entscheidung unter anderem damit, dass die beantragte Nutzungsänderung unter das für diese Grundstücke geltende Planrecht falle: Mit einer Vergnügungsstättensatzung verhindert Stuttgart die unkontrollierte Ausbreitung der Szene.

Im Leonhardsviertel ist die Zahl von Bordellen und ähnlichen Etablissements schon seit Jahren begrenzt. Nur im Ausnahmefall könnten Einrichtungen dieser Art dort ausnahmsweise zugelassen werden. Nämlich dann, wenn damit die Aufgabe einer Einrichtung an ihrem bisherigen Standort verbunden sei. Im Klartext: Ein neuer Betrieb kann nur an Stelle eines bereits vorhandenen Betriebs aufmachen. Dies sei hier jedoch nicht der Fall, argumentierte die Stadt. Die Kläger machten im Wesentlichen geltend, dass die Vergnügungsstättensatzung unwirksam sei, weil ihre Regelungen nicht eindeutig bestimmt seien. Unklar sei zum Beispiel, welche Einrichtung für den neuen Bordellbetrieb aufgegeben werden müsse - etwa, ob diese bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vergnügungsstättensatzung 1985 existiert haben müsse und ob es sich dabei um eine genehmigte Einrichtung handeln müsse oder ob auch die Aufgabe einer illegalen Vergnügungsstätte genüge. Nach Auffassung der Kläger genieße ihr Etablissement Bestandsschutz, weil diese Art der Nutzung schon seit dem Jahr 1985 bestehe.

Das Leonhardsviertel ist längst zum Zankapfel geworden. Ausgerechnet im Rotlichtbezirk ist fast jedes zweite Haus von historischer Bedeutung. Deshalb bemüht sich die Politik zunehmend darum, die Zustände zu verbessern. Der Gemeinderat hatte eigens einen Unterausschuss Leonhardsviertel gegründet, der darüber beraten soll, wie die bisherige Nutzungsstruktur verändert werden kann. Welche Idee dann tatsächlich umsetzbar ist, wird sich zeigen.

Gegen das aktuelle Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zugelassen wird. Der Antrag auf Zulassung kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils gestellt werden.

http://www.tagblatt.de/Home/nachrichten ... 78910.html
I wouldn't say I have super-powers so much as I live in a world where no one seems to be able to do normal things.

Benutzeravatar
Kasharius
ModeratorIn
ModeratorIn
Beiträge: 4100
Registriert: 08.07.2012, 23:16
Wohnort: Berlin
Ich bin: engagierter Außenstehende(r)

RE: LokalNachrichten: STUTTGART & BW

Beitrag von Kasharius »

Ich möchte hier eine interessante Entscheidung des VGH Baden-Württemberg vom 5.3.2012 (AZ 5 S 3239/11) einstellen. Nach diesem Beschluss fallen Bordelle nach der Baunutzungsverordnung in Gewerbegiebten unter den Begriff "Gewerbebetribe aller Art" und nicht unter den Begriff der Vergnügungsstätten. Sie sind daher generell und nicht nur in Ausnahmefällen zugenehmigen. Ist doch auch mal was...


VGH Baden-Württemberg Beschluß vom 5.3.2012, 5 S 3239/11

Bordell im Gewerbegebiet

Leitsätze

Ein Bordell ist auch nach der BauNVO 1990 den in einem Gewerbegebiet nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO allgemein zulässigen "Gewerbebetrieben aller Art" und nicht den nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 BauNVO nur ausnahmsweise zulässigen "Vergnügungsstätten" zuzuordnen.

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 19. Oktober 2011 - 3 K 2578/11 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.750,-- EUR festgesetzt.

Gründe

1

Die nach § 146 Abs. 1 VwGO statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die in der Beschwerdebegründung innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat grundsätzlich beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), geben zu einer Änderung der vom Verwaltungsgericht zum Nachteil des Antragstellers getroffenen Entscheidung keinen Anlass.
2

Das Verwaltungsgericht hat bei der von ihm nach Maßgabe der §§ 80a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung dem öffentlichen bzw. privaten Interesse an der sofortigen Verwirklichung des Bauvorhabens des Beigeladenen zu Recht Vorrang gegeben vor dem privaten Interesse des Antragstellers, von den Wirkungen der Baugenehmigung vom 15.03.2011 vorläufig verschont zu bleiben. Mit der angefochtenen, kraft Gesetzes (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 212a Abs. 1 BauGB) sofort vollziehbaren Baugenehmigung genehmigte die Antragsgegnerin dem Beigeladenen den „Einbau eines Bordellbetriebes“ im ersten Obergeschoss und Dachgeschoss des gewerblich genutzten Gebäudes auf dem Grundstück Flst.Nr. 24810/1 (...straße 12) auf der Gemarkung der Beklagten. Der Senat geht nach der im vorliegenden Verfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage davon aus, dass der Widerspruch des Antragstellers mit hoher Wahrscheinlichkeit ohne Erfolg bleiben wird, weil das genehmigte Bauvorhaben aller Voraussicht nach gegen keine von der Baurechtsbehörde zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften verstößt (§ 58 Abs. 1 Satz 1 LBO), die zumindest auch dem Schutz des Antragstellers als Eigentümer des ca. 130 m Luftlinie entfernt liegenden Wohngrundstücks Flst.Nr. 24825 (...straße 21) zu dienen bestimmt sind.
3

1. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist er in seinem Gebietserhaltungsanspruch aller Voraussicht nach nicht verletzt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich der Senat angeschlossen hat, kommt der Festsetzung von Baugebieten durch Bebauungsplan grundsätzlich nachbarschützende Wirkung zu und der Eigentümer eines im Plangebiet gelegenen Grundstücks hat als Nachbar einen Schutzanspruch auf Bewahrung der Gebietsart. Dieser geht über das Rücksichtnahmegebot hinaus und wird grundsätzlich bereits durch die Zulassung eines mit der Gebietsfestsetzung unvereinbaren Vorhabens ausgelöst, weil hierdurch das nachbarliche Austauschverhältnis gestört und eine Verfremdung des Gebiets eingeleitet wird (BVerwG, Urt. v. 16.09.1993 - 4 C 28.91 -, BVerwGE 94, 151; Beschl. v. 13.05.2002 - 4 B 86.01 -, NVwZ 2002, 1384; Beschl. v. 18.12.2007 - 4 B 55.07 -, juris). Vorliegend widerspricht das Vorhaben des Beigeladenen jedoch nicht den Festsetzungen des maßgeblichen Bebauungsplans über die Art der baulichen Nutzung (a). Es liegt auch keine Verletzung des Anspruchs des Antragstellers auf Aufrechterhaltung der gebietstypischen Prägung vor, weil das Vorhaben nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO unzulässig wäre (b).
4

a) Der Bebauungsplan der Antragsgegnerin vom 16.04.1991 Nr. 656 (in Kraft getreten am 06.09.1991) „Gewerbegebiet zwischen Rhein- und Gablonzer Straße“, „Mühlburg West - Teilbereich“, „Industriegebiet Neureuter Straße“, „Gewerbegebiet Husarenlager“, „- Änderung -„ (im Folgenden abgekürzt Bebauungsplan), zu dessen „Planungskonzept“ ausdrücklich die „Umstellung“ der früheren Bebauungspläne auf die Baunutzungsverordnung vom 23.01.1990 (BGBl. I S. 132) - BauNVO 1990 - gehört (vgl. Ziff. 3.5 der Begründung und Ziff. 1 der schriftlichen Festsetzungen), setzt für das gesamte Plangebiet, in dem sowohl das Grundstück des Antragstellers als auch das Grundstück des Beigeladenen liegt, als Art der baulichen Nutzung „Gewerbegebiet gem. § 8 BauNVO“ fest, mit Einschränkungen allein für Einzelhandelsbetriebe mit zentrenrelevantem Sortiment. Mithin ist gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 BauNVO 1990 auch § 8 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 Nr. 3 BauNVO 1990 Bestandteil des Bebauungsplans geworden. Danach gehören „Gewerbebetriebe aller Art“ zu den allgemein und „Vergnügungsstätten“ zu den ausnahmsweise zulässigen Anlagen. Das vom Beigeladenen betriebene Bordell mit 11 „Arbeitsräumen“ und 2 „VIP-Bereichen“ wurde von der Antragsgegnerin zu Recht den „Gewerbebetrieben aller Art“ zugerechnet; als Vergnügungsstätte mit einem erweiterten „Vergnügungsbereich“ (außer einer Sauna und einem Massageraum) sollte sie nicht zugelassen werden (Stellungnahme des Stadtplanungsamtes vom 20.01.2011).
5

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur BauNVO 1968 und BauNVO 1977 fällt ein Bordell, in dem die Prostituierten - wie im vorliegenden Fall - nicht wohnen, unter den Begriff der „Gewerbebetriebe aller Art“, die in Gewerbegebieten nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO allgemein zulässig sind (BVerwG, Urt. v. 25.11.1983 - 4 C 21.83 -, BVerwGE 68, 213). Unter der Geltung der BauNVO 1990, mit der erstmals Vergnügungsstätten als selbständige Nutzungsart eingeführt und ihre Zulässigkeit in den einzelnen Baugebieten abschließend geregelt wurde, hat es das Bundesverwaltungsgericht offen gelassen, ob Bordellbetriebe als Vergnügungsstätten i.S. der BauNVO einzustufen sind (vgl. Beschl. v. 29.10.1997 - 4 B 8.97 -, juris). Auch der Senat hat bisher diese Frage offen gelassen (Senatsurt. v. 19.10.1990 - 5 S 3103/89 -, VBlBW 1991, 220). Er entscheidet sie nunmehr dahin, dass Bordellbetriebe auch unter der Geltung der BauNVO 1990 den „Gewerbebetrieben aller Art“ und nicht den Vergnügungsstätten zuzuordnen sind (ebenso die wohl herrschende Meinung: OVG Hamburg, Beschl. v. 13.08.2009 - 2 Bs 102/09 -, juris; Bay.VGH, Beschl. v. 13.02.2008 - 15 ZB 08.2200 -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 11.05.2005 - 8 C 10053/05 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 14.11.2005 - 1053.05 -, juris; VG Karlsruhe, Urt. v. 27.10.2009 - 5 K 3864/08 -, juris; VG Hamburg, Urt. v. 22.11.2011 - 11 K 1237/09 -, juris; Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Aufl., § 8 RdNr. 5; Soefker, Lfg. 88, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 8 RdNr. 24; Roesner, in: König/Roesner/Stock, BauNVO, 2. Aufl., § 7 RdNr. 16; a.A.: VGH Bad.-Württ., Urt. v. 17.10.1996 - 8 S 2136/96 -; Hess.VGH, Beschl. v. 30.04.2009 - 3 A 1284/08.Z -, UPR 2010, 104; OVG Saarlouis, Beschl. v. 30.06.2009 - 2 P 367/09 -, juris; Ziegler, in: Brügelmann, BauGB, 67. Lfg. § 4a RdNr. 74; zum Meinungsstand insgesamt vgl. Stühler, Prostitution und öffentliches Baurecht, BauR 2010, 1013, 1020 f.).
6

Maßgebend für die Zuordnung zu den „Gewerbebetrieben aller Art“ sind folgende Erwägungen:
7

Im Baurecht ist der Begriff der Vergnügungsstätte gesetzlich nicht definiert. Üblicherweise werden darunter gewerbliche Nutzungsarten verstanden, die sich in unterschiedlicher Ausprägung (wie Amüsierbetriebe, Diskotheken, Spielhallen) unter Ansprache (oder Ausnutzung) des Sexual-, Spiel- und/oder Geselligkeitstriebes einer bestimmten gewinnbringenden „Freizeit“-Unterhal-tung widmen (vgl. Fickert/Fieseler a.a.O. § 4a RdNr. 22; ähnlich Roesner a.a.O. § 7 RdNr. 15; zusammenfassend Stühler a.a.O., S. 1020). Es handelt sich um einen städtebaulichen Sammelbegriff; im Vordergrund steht nicht die Frage nach der kommerziellen Unterhaltung, sondern in welcher Weise sich die unter diesen Begriff zusammengefassten Nutzungsarten innerhalb der einzelnen Baugebiete auswirken können (Fickert/Fieseler a.a.O. § 4a RdNr. 22.1; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 28.11.2006 - 3 S 2377/06 -, VBlBW 2007, 189). Die im jeweiligen Baugebiet nach der Baunutzungsverordnung zulässigen Nutzungen ergeben eine gebietstypische Nutzungsstruktur, in der miteinander verträgliche Arten von Nutzungen zusammengefasst und von anderen Nutzungsarten abgegrenzt werden (BVerwG, Urt. v. 24.09.1992 - 7 C 7.92 -, NVwZ 1993, 987). Die Zulässigkeit von Nutzungen hängt dabei nicht nur von deren Immissionsträchtigkeit oder Immissionsverträglichkeit ab, sondern wird auch von anderen Maßstäben der städtebaulichen Ordnung bestimmt (BVerwG, Urt. v. 25.11.1983 a.a.O.).
8

Hiervon ausgehend hat sich durch die - nunmehr - abschließende Regelung der Nutzungsart „Vergnügungsstätten“ in der BauNVO 1990 im Vergleich zur früheren Rechtslage, der die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.11.1983 a.a.O. zugrunde lag, im Hinblick auf die Zuordnung von gewöhnlichen Bordellbetrieben nichts Entscheidendes geändert. Ob und unter welchen Voraussetzungen bei einem Bordell oder einem bordellartigen Betrieb von einer Vergnügungsstätte im planungsrechtlichen Sinn auszugehen ist, wenn in ihm in nennenswertem Umfang auch „Zusatzleistungen“ bzw. Darbietungen zur gemeinsamen Unterhaltung der Besucher stattfinden (vgl. auch hierzu die Übersicht bei Stühler a.a.O. S.1021 f.), bedarf hier keiner Entscheidung. Denn ein solcher Betrieb steht nach der angefochtenen Baugenehmigung nicht in Rede.
9

Auch nach den mit der BauNVO 1990 einhergehenden Änderungen sind Vergnügungsstätten - einschließlich größerer - sog. kerngebietstypischer Vergnügungsstätten - nur in Kerngebieten allgemein zulässig (§ 7 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO). In Gewerbegebieten können sie nur ausnahmsweise zugelassen werden (§ 8 Abs. 3 Nr. 3 BauNVO). Dasselbe gilt für Dorfgebiete und besondere Wohngebiete, soweit es sich nicht um kerngebietstypische Vergnügungsstätten handelt (§§ 4a Abs. 3 Nr. 2 und 5 Abs. 3 BauNVO). Derartige Vergnügungsstätten sind im Mischgebiet nur in den Teilen des Gebiets allgemein zulässig, die überwiegend durch gewerbliche Nutzungen geprägt sind (§ 6 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO); außerhalb dieser Teile können sie ausnahmsweise zugelassen werden (§ 6 Abs. 3 BauNVO).
10

Dass die Baunutzungsverordnung damit Vergnügungsstätten als eine besondere Art gewerblicher Betriebe nach wie vor (eine) den Kerngebieten als eine dort - uneingeschränkte - allgemein zulässige Nutzung zuordnet und damit auch den Charakter von Kerngebieten kennzeichnet, lässt erkennen, dass speziell Bordellbetriebe nach wie vor nicht dem typischen Erscheinungsbild der Vergnügungsstätte i.S. der Baunutzungsverordnung entsprechen. Kerngebiete i.S. des § 7 BauNVO sind Gebiete für zentrale Funktionen in der Stadt mit vielfältigen Nutzungen und einem - urbanen - Angebot an Gütern und Dienstleistungen für Besucher der Stadt und für die Wohnbevölkerung eines größeren Einzugsbereichs und dienen darüber hinaus auch in beschränktem Umfang dem Wohnen (vgl. § 7 Abs. 2 Nrn. 6 und 7, Abs. 3 Nr. 2 und Abs. 4 BauNVO). Bordellbetriebe der hier beabsichtigten Art dagegen sind - anders als die von der Baunutzungsverordnung typischerweise gemeinten, oben genannten Vergnügungsstätten - Einrichtungen, für die sich im Hinblick auf die allgemeine sozialethische Bewertung und auf die sich im „Milieu“ ergebenden Begleiterscheinungen eher ein Standort eignet, der außerhalb oder allenfalls am Rande des „Blickfeldes“ und der Treffpunkte einer größeren und allgemeinen Öffentlichkeit liegt und auch nicht in der Nachbarschaft von Wohnungen. Zweckbestimmung von Gewerbegebieten ist es indes gerade, solchen Betrieben einen Standort zu bieten, die im Hinblick auf ihre spezifischen Standortanforderungen und ihre Auswirkungen zu Unzuträglichkeiten in Gebieten führen würden, in denen auch oder sogar vorwiegend gewohnt werden soll (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.11.1983 a.a.O.).
11

Die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene „sozialethische“ Bewertung der Prostitution ist auch nicht aufgrund des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten vom 20.12.2001 (BGBl. I S. 3983) zu ändern. Dieses Gesetz hat keine bauplanungsrechtlichen Folgewirkungen (so bereits Senatsurt. v. 24.07.2002 - 5 S 149/01 -, ESVGH 53, 30; ebenso die wohl einhellige obergerichtliche Rechtsprechung, vgl. die Nachweise bei Stühler a.a.O. S. 1032 Fn. 157).
12

Schließlich ist dem Bundesverwaltungsgericht weiterhin darin zu folgen, dass ein Bordell auch keine so erheblichen Belästigungen i.S. von § 8 Abs. 1 BauNVO mit sich bringt, dass es - von dem nach § 15 Abs. 1 BauNVO zu behandelnden Einzelfall abgesehen - schlechthin nicht in einem Gewerbegebiet zugelassen werden könnte. Die von einem Bordell ausgehenden Nachteile und Belästigungen, nämlich vor allem der Lärm des Zu- und Abgangsverkehrs und sonstige „milieubedingte“ Unruhe erreichen die Schwelle der Erheblichkeit nicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.11.1983 a.a.O.).
13

b) Das Vorhaben ist auch nicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO unzulässig. Nach dieser Vorschrift sind die in den §§ 2 bis 14 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Dabei vermittelt § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO Nachbarn innerhalb des betroffenen Baugebiets einen Anspruch auf Aufrechterhaltung der typischen Prägung des Baugebiets (BVerwG, Beschl. v. 13.05.2002 - 4 B 86.01 -, NVwZ 2002, 1384; Urt. v. 16.09.1993 - 4 C 28.91 -, a.a.O.). Die Voraussetzungen für diesen Anspruch sind im Falle des Antragstellers jedoch aller Voraussicht nach ebenfalls nicht gegeben.
14

Die Eigenart eines einzelnen Baugebiets i.S. von § 15 Abs. 1 BauNVO ergibt sich nicht allein aus den typisierenden Regelungen der BauNVO; nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts lässt sich die Eigenart eines in einem Bebauungsplan festgesetzten Gebiets abschließend erst bestimmen, wenn zusätzlich auch die jeweilige örtliche Situation, in die ein Gebiet „hinein geplant“ worden ist, und der jeweilige Planungswille der Gemeinde, soweit dieser in den zeichnerischen und textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans unter Berücksichtigung der hierfür gegebenen Begründung zum Ausdruck gekommen ist, berücksichtigt werden. Auf die tatsächlich vorhandene Bebauung kommt es in Plangebieten für die Bestimmung der Eigenart des Gebiets dagegen grundsätzlich nicht an; sie ist grundsätzlich nur insoweit beachtlich, als sie sich im Rahmen der durch die Festsetzungen zum Ausdruck gebrachten städtebaulichen Ordnungsvorstellungen für das Baugebiet hält (Fickert/Fieseler, a.a.O., § 15 RdNr. 8; Soefker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg a.a.O., § 15 RdNr. 12; anders bei unbeplanten Gebieten i.S. von § 34 Abs. 2 BauGB, vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.12.2008 - 4 B 68.08 -, BRS 73 Nr. 82).
15

Im vorliegenden Fall hat der Satzungsgeber die mit der Festsetzung eines Gewerbegebiets grundsätzlich verbundene sehr offene Gebietsstruktur mit den in § 8 Abs. 2 und Abs. 3 BauNVO aufgeführten allgemein und ausnahmsweise zulässigen Nutzungsarten nicht nennenswert eingeschränkt. Lediglich für die nach § 8 Abs. 2 BauNVO allgemein zulässigen Nutzungen wird bestimmt, dass Einzelhandelsbetriebe „als Ausnahme nur mit zentren-unschädlichen Warengruppen zulässig sind: Möbel, Teppiche, Fußbodenbeläge, Gartenbedarf, Gartenpflanzen, Baustoffe, Bauelemente, Baumaterialien wie Fliesen, sanitäre Einrichtungsgegenstände, sanitärer Installationsbedarf, Fahrzeuge und Zubehör“. Damit sollen - wie sich aus der Begründung (Ziff. 3.5) zum Bebauungsplan ergibt -, diejenigen großflächigen Einzelhandelsnutzungen ausgeschlossen werden, die in die Versorgungszentren zu integrieren sind; andere großflächige Einzelhandelseinrichtungen mit üblicherweise nicht in städtischen Zentren integrierbaren Verkaufsformen und Sortimenten (wie etwa Baustoffe und Gartenzubehör) sollen lediglich ausnahmsweise zulässig bleiben. In Anbetracht der danach verbleibenden Vielfalt möglicher Nutzungen ist eine vom Plangeber beabsichtigte Prägung des Gewerbegebiets durch bestimmte Arten von Betrieben nicht erkennbar. Auch dies wird durch die Begründung zum Bebauungsplan bestätigt, wonach die vorhandenen Bauflächen für eine Gewerbenutzung vorgehalten und zur Verfügung gestellt werden sollen, um den Bedürfnissen bestehender und neu anzusiedelnder Betriebe des verarbeitenden und produzierenden Bereiches oder sonstiger auf Gewerbegebiete angewiesener Nutzungen gerecht zu werden (Ziff. 2 Abs. 5 der Begründung).
16

Das vom Beigeladenen betriebene Bordell widerspricht der sich so darstellenden Eigenart des Gewerbegebiets auch nicht nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung.
17

Ein Widerspruch zur Eigenart des Baugebiets setzt mehr voraus, als dass die bauliche Anlage dem Baugebiet lediglich nicht entspricht. Auch genügt es für die Unzulässigkeit nicht, wenn ein Vorhaben die vorhandene Gebietsstruktur nur geringfügig verschlechtert und damit eine gewisse Beeinträchtigung darstellt. Die bauliche oder sonstige Anlage muss bei der beabsichtigten Ausführung dem konkreten Gebietscharakter vielmehr eindeutig entgegenstehen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.11.1984 - 4 B 244.84 -, UPR 1985, 136; Fickert/Fieseler, a.a.O., § 15 RdNr. 9.1; Soefker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, a.a.O., § 15 RdNr. 13). Davon kann beim Vorhaben des Antragstellers nicht ausgegangen werden.
18

„Nach Anzahl“ kann ein Bordell der Eigenart eines Gewerbegebiets widersprechen, wenn in dem Gebiet bereits ein solcher Betrieb oder gar eine Mehrzahl vorhanden ist. Hierfür ist indes weder etwas vorgetragen noch ersichtlich. Auch nach Lage, Umfang oder Zweckbestimmung widerspricht das Bordell aller Voraussicht nach nicht der Eigenart des Gewerbegebiets.
19

Nach seinem Umfang handelt es sich eher um ein kleineres Bordell mit 11 „Arbeitsräumen“, einer Sauna sowie 2 „VIP-Bereichen“. Es ist im Ober- und Dachgeschoss eines bestehenden Betriebsgebäudes untergebracht, das sich ausweislich des bei den Akten befindlichen Lageplans und der von den Beteiligten vorgelegten Fotos nach seiner Größe und Nutzfläche ebenfalls ohne Weiteres in die Eigenart der Umgebungsbebauung einfügt. Soweit der Antragsteller unter Hinweis auf die Internetwerbung des Beigeladenen geltend macht, dass es sich nicht „nur“ um ein Bordell, sondern in Wirklichkeit um ein Bordell und zusätzlich einen „FKK-Sauna-Club“ mit zahlreichen „Zusatzleistungen“ handele, ist darauf hinzuweisen, dass es im vorliegenden Verfahren allein auf die durch die Antragsgegnerin genehmigte Nutzung ankommt. Der Antragsteller hatte zwar zunächst neben dem „Einbau eines Bordellbetriebes“ auch den „Einbau“ eines „FKK-Sauna-Clubs“ beantragt. Baurechtlich genehmigt wurde indes - nach einer entsprechenden Planänderung - allein der „Einbau eines Bordellbetriebes“ (vgl. die Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 15.03.2011). Falls die tatsächliche Nutzung von der genehmigten abweichen sollte, käme - nach entsprechender Überprüfung - ein baurechtliches Einschreiten durch die Antragsgegnerin in Betracht, worauf diese in ihrer Antragserwiderung auch bereits hingewiesen hat.
20

Auch im Hinblick auf die Lage des Bordellbetriebes lässt sich kein Widerspruch zur Eigenart des Baugebiets, wie sie in den Festsetzungen des Bebauungsplans zum Ausdruck kommt, feststellen. Insoweit macht der Antragsteller unter Vorlage einer Kopie aus dem Adressbuch geltend, dass gerade die „...straße“ durch Wohnnutzung geprägt sei. Soweit es sich indes nicht um eine nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO in Gewerbegebieten zugelassene Wohnnutzung handelt, hätte sie indes nach den oben dargestellten Grundsätzen außer Betracht zu bleiben. Im Übrigen kann der Behauptung des Antragstellers aber schon in tatsächlicher Hinsicht nicht gefolgt werden. Nach den bei den Akten befindlichen Lageplänen und dem (den baulichen Bestand darstellenden) Bebauungsplan sowie den von den Beteiligten vorgelegten Lichtbildern ist nicht nachvollziehbar, dass die ...straße - jedenfalls in dem Abschnitt, in dem das Bordell sich befindet - dadurch geprägt sein soll, dass „überwiegend“ Wohnnutzung stattfinde und die gewerbliche Nutzung „eher“ untergeordnet sei und sich „im Wesentlichen“ auf kleine Handwerksbetriebe „im Hinterhof“ beschränke. Vielmehr sind gerade in der Umgebung des Vorhabens auch großflächige Gewerbebetriebe und ein großer Einkaufsmarkt zu finden. Eine „Prägung“ durch eine im Gewerbegebiet zugelassene Wohnnutzung ist nicht substantiiert vorgetragen; der Senat vermag eine solche mit den Erkenntnismöglichkeiten eines vorläufigen Rechtsschutzverfahrens auch nicht zu erkennen. Es ist daher auch nicht davon auszugehen, dass die Zulassung des Vorhabens zu einer faktischen Gebietsumwandlung („Umkippen“) - auch nicht im fraglichen Teilbereich der ...straße - führen würde (vgl. hierzu Senatsurt. v. 27.07.2001 - 5 S 1093/00 -, BauR 2002, 359). Soweit der Antragsteller geltend machen will, dass das Vorhaben nach seinem gewählten Standort für die in unmittelbarer Nachbarschaft bereits vorhandenen Anlagen bzw. Nutzungen unzumutbar sei, macht er eine Verletzung des Rücksicht-nahmegebots geltend (hierzu sogleich unter 2.).
21

2. Das Vorhaben des Beigeladenen verstößt aller Voraussicht nach auch nicht gegen das in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO verankerte Gebot der Rücksichtnahme. Danach sind bauliche und sonstige Anlagen auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden. Das in dieser Vorschrift verankerte Gebot der Rücksichtnahme bedeutet nicht, jede Beeinträchtigung eines Nachbarn zu vermeiden. Ein Nachbar kann lediglich solche Nutzungsstörungen abwehren, die als rücksichtslos zu werten sind. Dies ist erst dann der Fall, wenn die mit dem Bauvorhaben verbundenen Beeinträchtigungen bei der Nutzung des eigenen Grundstücks bei einer Abwägung, bei der die Schutzwürdigkeit des Betroffenen, die Intensität der Beeinträchtigung und die Interessen des Bauherrn zu berücksichtigen sind, für den Bauherrn billigerweise unzumutbar erscheinen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.01.2007 - 4 C 1.06 -, BVerwG 128, 118 m.w.N.).
22

Hiervon ausgehend dürfte der Antragsteller durch das vom Beigeladenen betriebene Bordell nicht unzumutbar in der Nutzung seines Grundstücks beeinträchtigt werden. Das Wohnhaus, in dem der Antragsteller wohnt, liegt ca. 130 m vom Baugrundstück entfernt. Angesichts der Größe des Bordells mit 11 „Arbeitsräumen“, 2 „VIP-Bereichen“, einer Sauna, einem Empfangsbereich und sanitären Einrichtungen steht im Gegensatz zur Einschätzung des Antragstellers wohl nicht zu befürchten, dass es dadurch zur Ansiedlung eines „Rotlichtmilieus“ mit so erheblichen Auswirkungen für die umliegende gewerbliche und Wohnnutzung kommt, die als rücksichtslos i.S. von § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO eingestuft werden könnte. Dies belegt auch die vom Beigeladenen vorgelegte und vom Antragsteller nicht in Zweifel gezogene „Statistik über das Gästeaufkommen“ seit der Eröffnung des Bordells. Danach kamen verteilt auf einen Zeitraum von 46 Tagen lediglich 261 Besucher, also 6 pro Tag. Angesichts der geringen Größe des Bordells und des beschränkten Besucheraufkommens - aber auch aufgrund der Entfernung des Wohnhauses des Antragstellers zum Vorhaben des Beigeladenen - ist auch nicht zu erwarten, dass es zu unzumutbaren Störungen durch den Kraftfahrzeugverkehr für den Antragsteller und dessen Familie kommt. Insoweit ist auch in Rechnung zu stellen, dass der Antragsteller als Eigentümer eines im Gewerbegebiet gelegenen Grundstücks gegenüber Störungen der hier in Rede stehenden Art nicht dasselbe Maß an Schutz beanspruchen kann, wie es in einem Wohngebiet der Fall ist.
23

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts aus §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2004.
24

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.




http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_re ... s=0&anz=34

Benutzeravatar
Kasharius
ModeratorIn
ModeratorIn
Beiträge: 4100
Registriert: 08.07.2012, 23:16
Wohnort: Berlin
Ich bin: engagierter Außenstehende(r)

Beitrag von Kasharius »

....ich gebe aber zu, daß die Begründung unter Randziffer 10 niucht ganz so ermutigend ist. Interessant auch wieder die Bezugnahme auf das (unvollkommene) Prostitutionsgesetz. Es enthält eben keine bau- und gewerberechtlichen Bezüge. Wäre dies der Fall gewesen, hätte es nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes der Zustimmung des Bundesrates bedurft. Der war aber damals CDU-dominiertund deren Haltung war ablehnend. Und so erhielt man ein gestutztes Gesetz mit positiven Auswirkungen im Strafrecht glaubt man dem BGH und eher bescheidenen Auswirkungen im Zivilrecht.

Soweit von mir

Kasharius

Benutzeravatar
annainga
PlatinStern
PlatinStern
Beiträge: 3836
Registriert: 01.02.2007, 22:33
Wohnort: nrw
Ich bin: ehemalige SexarbeiterIn

RE: LokalNachrichten: STUTTGART & BW

Beitrag von annainga »

ja, wirklich schön, eine positive entscheidung zu lesen. vor allem, da das grundstück ja im gewerbegebiet liegt.
der satz beschäftigt mich:
befürchten, dass es dadurch zur Ansiedlung eines „Rotlichtmilieus“ mit so erheblichen Auswirkungen für die umliegende gewerbliche und Wohnnutzung kommt
wer entscheidet denn, ob diese befürchtung falsch oder richtig ist?
und wenn sich ein rotlichtmilieu herausbildet, hat das doch den grund der nachfrage und entspricht den bedürfnissen der bevölkerung.

Benutzeravatar
Kasharius
ModeratorIn
ModeratorIn
Beiträge: 4100
Registriert: 08.07.2012, 23:16
Wohnort: Berlin
Ich bin: engagierter Außenstehende(r)

Beitrag von Kasharius »

@annainga


...diese Entscheidung trifft in erster Linie die das Bauvorhaben genehmigende Behörde oder im Streitfall das Gericht. Entscheidungskriterien sind u.a. die baurechtlichen Vorschriften und hier eben auch die Baunutzungsverordnung. Sie beschreibt die verschiedenen Gebietscharakter und regelzt, welche Vorhaben in welchem Gebiet zulässig sind und welche nicht. Die Ansiedlung eines "Rotlichtmilieus" - andere wie das OVG Berlin nennen es trading down Effekt - wird wegen der milieubedingten Begleiterscheinungen gefürchtet. Es geht hier ja immer um die Abwägung verschiedener Interessen der Beteiligten bzw. der Angesiedelten in einem Gebiet. Leider fällt diese Abwägung eben oft zu Lasten des bordellartigen Betriebes, oder wie es die 19. Kammer des VG Berlin in ihrer berümten Prestige-Entscheidung genannt hat: Prostitutive Einrichtung aus. Diese Entscheidung der 19. Kammer ist eindurchwegf poositives Beispiel dafür, wie man mit diesem Thema umgeht. Nebenbei stellt sie auch mit geradezu brillianter Argumentationdie gesamte baurechtliche Bordellrechtssprechung gerade in Bezug auf die milieubedingten Begleiterscheinungen in Frage. In vielen Entscheidungen herrschen dort diesbezüglich Vorstellungen, wie sie Klein Fritzchen vom Milieu hat; fernab jeder objektiven Bewertung. Diese Entscheidung ist eine rühmliche Ausnahme...


liebe Grüße


Kasharius

Benutzeravatar
fraences
Admina
Admina
Beiträge: 7426
Registriert: 07.09.2009, 04:52
Wohnort: Frankfurt a. Main Hessen
Ich bin: Keine Angabe

RE: LokalNachrichten: STUTTGART & BW

Beitrag von fraences »

Leonhardsviertel
Sex-Betriebe wollen raus aus dem Rotlichtviertel



Stuttgart - Die Betreiber von drei Bordellen im Leonhardsviertel haben der Stadt Stuttgart schriftlich die Schließung ihrer Betriebe angeboten. Damit würde sich die Zahl der Zimmer, in denen es im Bereich Leonhard-, Katharinen- und Weberstraße Sex gegen Geld gibt, mit einem Schlag von derzeit rund 120 Zimmern auf 50 bis 60 Zimmer reduzieren.

Der Rückzug könnte „den Weg ebnen“ für eine „Neuplanung und Neukonzeption“ des bisherigen Rotlichtviertels, heißt es in einem Schreiben der beiden Bordell-Eigentümer an Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) und Baubürgermeister Matthias Hahn (SPD). Dafür sei es allerdings nötig, dass die Stadt „im Gegenzug ein adäquates Gebäude mit der gleichen Nutzung wie bisher“ zur Verfügung stellt. Sprich: Die Sexbetriebe sollen im Stadtgebiet verlagert werden.

Die drei Bordelle in der Weberstraße 11 A und 16 sowie in der Leonhardstraße 7 gehören zu den größten Betrieben im Viertel, die in jüngerer Zeit zum Teil mit erheblichem Aufwand baulich saniert wurden. Außerdem gehören sie zu den insgesamt vier Betrieben, die aufgrund einer Altfallregelung faktisch genehmigt sind. Alle anderen Prostitutionsbetriebe im Viertel wirtschaften in einer rechtlichen Grauzone oder sind durch das harte juristische Durchgreifen der Stadt wenn nicht kurz-, so doch mittelfristig von der Schließung bedroht.

Hahn: „Wir wollen das Sexgewerbe nicht komplett aus dem Leonhardsviertel holen“

„Wenn wir gehen, könnte die Stadt sozusagen die Rückeroberung des Viertels einläuten“, sagen die Bordellbetreiber im Gespräch mit unserer Zeitung. Wenn es dort nur noch nicht genehmigte Prostitutionsbetriebe gebe, könne die Stadt umso konsequenter dagegen vorgehen. „Wenn die Sexbetriebe fort sind, verschwindet auch die von allen Seiten unerwünschte Armutsprostitution auf der Straße“, argumentieren sie.

„Wir werden den Vorstoß im Herbst in den neuen beratenden Unterausschuss des Gemeinderats zur Zukunft des Leonhardsviertels einbringen und darüber reden“, kündigt Bürgermeister Hahn an. Falls man die Sache voranbringen wolle, müssten die Initiatoren aus dem Rotlicht zunächst „ein konkretes Angebot vorlegen, bei dem auch die Konsequenzen klar werden“.

Hahn deutet an, dass sich die Stadt aus allgemeinen Erwägungen heraus schwertun dürfte, selbst ein konkretes Gebäude zur alternativen Bordellnutzung vorzuschlagen. Außerdem habe man eine andere strategische Zielsetzung: „Wir wollen das Sexgewerbe nicht komplett aus dem Leonhardsviertel holen“, sagt er. „Stattdessen streben wir eine Koexistenz von Rotlicht, urbanem Wohnen, Gastronomie oder Kleingewerbe an.“ Auf der Rückseite der Hauptstätter Straße zum Beispiel könne er sich durchaus neue Stadtwohnungen vorstellen, so Hahn.

„Als Sexadresse für spezielle Kunden wird das Leonhardsviertel immer bestehen“

In der Sexbranche kann man sich das Viertel ganz ohne Rotlicht kaum vorstellen, obwohl die Stadt seit zwei Jahren erheblichen juristischen Druck aufbaut, bereits ein großes, illegales Laufhaus geschlossen und in mehreren Gerichtsverfahren obsiegt hat. Auch der schleichende strukturelle Niedergang im Städtle, wo ohnehin ein Bruchteil der Prostituierten in Stuttgart arbeitet und zurzeit nur die Armutsprostitution boomt, müsse nicht das Aus bedeuten, heißt es. „Als Sexadresse für spezielle Kunden wird das Leonhardsviertel immer bestehen“, meint ein Mann, der dort seit Jahrzehnten sein Geld macht.

„Man kann das Rotlicht ruhig erhalten; man sollte ihm aber den Schmuddelcharakter nehmen und den menschenunwürdigen Straßenstrich auflösen“, sagt der Architekt Manfred Hund, der am Rande des Viertels sein Büro hat. Um die Situation zu stabilisieren, kann er sich sogar vorstellen, dass einige zusätzliche Laufhäuser legalisiert werden.

„Wir fordern kein rotlichtfreies Viertel; allerdings erwarten wir von der Stadt, dass sie Recht und Gesetz durchsetzt“, sagt Erhard Bruckmann, Vorsitzender des Verschönerungsvereins Stuttgart, der sein Domizil gleichfalls am Rande des Viertels hat.

Das sehen die zwei Betreiber, die der Stadt den Rückzug anbieten, recht ähnlich. „Wenn aus dem Umzug nichts wird und wir doch hier bleiben sollten, gehen wir davon aus, dass die Stadt zeitnah sämtliche Betriebe schließt, die nicht legal sind“, sagen sie.

http://www.stuttgarter-nachrichten.de/i ... 71383.html

"Sexarbeiter werden nicht anders behandelt als andere Bürger auch? Wo sind die Vergnügungssteuern für Hotels, Restaurants, Diskotheken, Bars, Juweliere, Autohändler und Boutiqen? Wo bleibt die Pferdesteuer? Vergnügungssteuer für die Fussballarenen? Kleingärtenabgabe? Die Waffensteuer verschwand ganz schnell in der Schublade, offensichtlich sind Waffen für unsere Gesellschaft lebensnwichtiger als Sex.

Warum werfden ausgerechnet SexdienstleisterInnen für Räumlichkeiten mit einer Sondersteuer belegt obwohl sie von der Mehrheit der Gesellschaft verachtet und stigmatisiert werden?
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)

*****
Fakten und Infos über Prostitution

Benutzeravatar
Kasharius
ModeratorIn
ModeratorIn
Beiträge: 4100
Registriert: 08.07.2012, 23:16
Wohnort: Berlin
Ich bin: engagierter Außenstehende(r)

Beitrag von Kasharius »

na wenn ich das lese, komme ich ja wieder etwas runter.


Kasharius

ehemaliger_User
verifizierte UserIn
verifizierte UserIn
Beiträge: 2968
Registriert: 27.04.2008, 15:25
Ich bin: Keine Angabe

Kommentar zur Sexsteuer

Beitrag von ehemaliger_User »

Kommentar zur Sex-Steuer
Zu einfach
Cedric Rehman, 21.08.2012 18:27 Uhr

Stuttgart - Die Hurenbewegung hat sich immer für die Gleichbehandlung starkgemacht: Prostituierte sollten raus aus der Schmuddelecke und rein in die Sozialversicherung. Die Kommunen denken nun den Ansatz konsequent zu Ende, der sich aus der 2002 Realität gewordenen rechtlichen Gleichstellung ergibt. Wenn Prostitution eine Arbeit ist wie jede andere auch, darf die Gesellschaft auch ein bisschen mehr von ihnen fordern, wenn die Kassen klamm sind und dennoch Straßen und Schulen gebaut werden müssen.

Die Vergnügungssteuer behandelt dabei alle gleich. Denn jeder Quadratmeter eines Bordellzimmers oder einer Modellwohnung kostet ja denselben Preis. Doch Gleichheit ist eben nur dann auch gerecht, wenn sie von ähnlichen Voraussetzungen ausgeht. Das ist im Prostitutionsgewerbe sicher nicht der Fall. Das Einkommen von Sexarbeitern variiert zwar stark, doch die Mehrzahl der Prostituierten muss sich mit der Discount-Mentalität im Sexgewerbe abfinden. Sie hat den Verdienst immer weiter schrumpfen lassen und zwingt jetzt schon viele zur Akkordarbeit.

Sozialarbeiter haben recht: Der Anreiz zur Selbstausbeutung dürfte durch die Steuer jetzt weiter steigen. Den Freiern kann das egal sein. Denn niemand in der Branche will Kunden an den Mehrkosten beteiligen. Die Kommunen sind ebenfalls nicht auf die Idee gekommen, wie bei der Tabaksteuer diejenigen zur Kasse zu bitten, die am Ende das Vergnügen haben. In den Etablissements angebrachte Automaten, an denen Freier nicht nur die Dienstleistung, sondern auch die Bordellsteuer bezahlen, wären denkbar. Sie müssten allerdings im Gewerbe durchgesetzt werden. Stuttgart und andere Kommunen gehen aber lieber den einfacheren Weg. Sie wollen lediglich ihren Anteil am Geld, das mit käuflichem Sex gemacht wird - egal, wie die Prostituierten es letztlich verdienen.

Stuttgarter Zeitung

Sex-Steuer
Stuttgart macht Kasse mit der Lust
Cedric Rehman, 21.08.2012 18:25 Uhr

Stuttgart - Sie wird die Steuer für den Sex genauso brav entrichten wie die Steuer für ihr Hündchen. Wenn es denn sein muss, soll es eben so sein, sagt Gabi. In Wirklichkeit nennt sie sich in der Szene anders, und wie sie tatsächlich heißt, spielt hier keine Rolle. Gabi arbeitet seit Jahrzehnten als Prostituierte in Stuttgart. Seit Langem macht sie das auf eigene Rechnung. Mittlerweile bietet sie Sex als Dienstleistung aber nur noch gelegentlich an. "Ich bin ja auch in einem gewissen Alter."

Dennoch ärgert es sie, dass sie rückwirkend zum 1. Januar 2012 zehn Euro pro Quadratmeter monatlich für ihre Zweitwohnung in der Innenstadt bezahlen muss. "Ich benutze die Wohnung nur noch ganz selten für Treffen mit einem Kunden, ich mag die Räume einfach." Trotzdem, die Steuer werde sie nicht umbringen, sagt sie.

Gabi nennt dafür einen Grund: Sie habe immer fleißig Geld auf die Seite gelegt. "Das haben andere eben nicht", sagt sie. Die Prostituierte findet es eigentlich in Ordnung, dass Sexarbeit besteuert wird wie jede andere Tätigkeit auch. "Sonst bezahlen die Huren nichts für das Gemeinwohl, von dem sie auch profitieren", ist Gabis Meinung. Unfair findet sie bloß, dass auch sie mit ihren Gelegenheitsjobs jetzt ebenfalls von der Steuer betroffen ist.

"Nur eine Geldquelle erschließen"

Sexarbeiter werden nicht anders behandelt als andere Bürger auch – das ist auch das Credo von Volker Schaible. Der Chef der Stadtkämmerei versichert: "Wir wollen der Stadt nur eine Geldquelle erschließen." Niemand wolle dagegen dem Gewerbe schaden, sagt er. Dieses galt noch vor gut einem Jahrzehnt als sittenwidrig. Dann entschied die rot-grüne Bundesregierung 2002, dass Prostitution ein Job wie jeder andere ist. Seitdem können sich Prostituierte sozial versichern. Im Gegenzug müssen sie aber Lohnsteuer entrichten oder aber Einkommens-, Gewerbe- und Umsatzsteuer, wenn sie selbstständig arbeiten.

Jetzt will die Stadt noch mehr Geld vom Sexgewerbe, indem sie den Arbeitsraum besteuert. Die neue Geldquelle sprudelt bereits kräftig. Rückwirkend zum 1. Januar müssen alle, die mit Sex Geld verdienen, für ihren Geschäftsraum zahlen. Das trifft zunächst selbstständig tätige Prostituierte wie Gabi und die Besitzer von Bordellen. Seit Beginn des Jahres wurden sie angeschrieben. Sie sollten Selbstauskünfte über die Räume geben, in denen es zum Sex kommt. Ähnlich zahlen bei der sogenannten Vergnügungssteuer auch die Wettbüros je nach Größe ihrer Räume. Bei den Spielhallen fällt die Steuer weiter auf die Geräte.

Sex füllt die Kassen

Mithilfe der Unterlagen und Belegen wie einem Grundrissplan bemisst die Stadt die Steuer. Bisher hat sie rund eine halbe Million Euro eingenommen. Auf das Jahr gerechnet soll es das Doppelte werden. Nur in Einzelfällen hätten die Besitzer von Bordellen oder selbstständig arbeitende Prostituierte nicht kooperiert, sagt Schaible. Aus der Sicht der Stadt ist die Welt also in Ordnung. Stuttgart kopiert, was andere Städte wie Köln oder Frankfurt schon seit Jahren vormachen: der käufliche Sex füllt auch dort die kommunalen Kassen.

Die geschröpften Bordellbesitzer warnen aber vor den Folgen für ihre Sexarbeiter. Der Unternehmerverband Erotik Gewerbe Deutschland (UEGD) argumentiert, dass Bordellbetreiber gezwungen werden, den Verlust wettzumachen. Die Prostituierten müssten mehr anschaffen, um auf den gleichen Lohn zu kommen, sagt Verbandssprecher Holger Rettig.

Außerdem sei die Sexsteuer eine Abgabe, die Prostituierte und Bordellbesitzer bestraft. "Der Freier zahlt gar nichts, weil die Preise nicht steigen können", sagt Rettig. Zu groß sei im Gewerbe die Angst vor billiger Konkurrenz etwa durch den wild wuchernden Straßenstrich. Einig ist sich der Sprecher des Sexgewerbes in der Bewertung der Steuer mit Hilfsorganisationen für Prosituierte wie dem Verein Hydra. Die bundesweit aktive Selbsthilfeeinrichtung hat sonst selten etwas Gutes über die Betreiber von Bordellen zu sagen. Sie kritisiert aber in diesem Fall Seite an Seite mit ihnen die Sexsteuer.

"Mehr Freier bedienen"

Sabine Constabel vom Gesundheitsamt arbeitet seit Jahren in der lokalen Prostituiertenhilfe. Sie sieht besonders die vielen Sexarbeiterinnen aus Osteuropa unter Druck: "Viele müssen ihre Familien unterstützen. Jetzt müssen sie eben mehr Geld beschaffen, also mehr Freier bedienen." Die Beraterin glaubt aber nicht, dass Prostituierte jetzt vermehrt ungeschützten Geschlechtsverkehr anbieten werden, um durch höhere Preise mehr Profit zu machen. "Weil das leider ohnehin schon für viele zum Standard gehört", sagt Constabel.

Für die Stadt haben Auswirkungen der Steuer auf die Arbeitsweise der Prostituierten vor der Einführung der Steuer keine Rolle gespielt. Volker Schaible von der Stadtkämmerei verweist darauf, dass ihm aus anderen Städten keine negativen Folgen bekannt seien. "Allerdings haben wir uns nur auf der Finanzebene mit Fachkräften ausgetauscht, nicht mit den Sozialarbeitern", sagt Schaible.

Ein Stuttgarter Bordellbesitzer aus der Altstadt betont, dass er vorerst seine höheren Kosten nicht an die Prostituierten in Form von höheren Mieten weitergeben will. Er sei aber Geschäftsmann und müsse schauen, was die Konkurrenz unternimmt. Auch er sagt, dass es unmöglich sei, die höheren Kosten von den Freiern zu erwirtschaften: "Weil es immer Frauen gibt, die es billiger machen."
Stuttgarter Zeitung

In der gedruckten Ausgabe steht, dass im ersten Halbjahr 2012 bereits ca. 500.000 EUR angefallen sind.
Auf Wunsch des Users umgenannter Account

ehemaliger_User
verifizierte UserIn
verifizierte UserIn
Beiträge: 2968
Registriert: 27.04.2008, 15:25
Ich bin: Keine Angabe

200 Euro zurück-geraubt

Beitrag von ehemaliger_User »

Stuttgart-Süd: Ein bislang unbekannter Freier hat am Donnerstag, 25.10.2012 gegen 1.45 Uhr in der Bopserwaldstraße in Stuttgart-Süd eine Prostituierte beraubt.

Wie die Polizei berichtete, war der Täter mit der 24-Jährigen von der Olgastraße zur Bopserwaldstraße gefahren. Nachdem er dort die Dienste der Frau in Anspruch genommen hatte, schlug er der 24-Jährigen mit der Faust ins Gesicht und raubte ihr den zuvor gezahlten Lohn von 200 Euro. Anschließend fuhr der Unbekannte die Frau mit seinem Mercedes Cabriolet wieder zurück in die Olgastraße.

Der Täter soll 35 bis 40 Jahre alt und zirka 1,80 Meter groß sein. Er ist korpulent, hatte dunkle Haare und trug zur Tatzeit eine hellbraune Lederjacke und eine Jeans.

Zeugenhinweise nehmen die Beamten der Polizei unter der Rufnummer 0711/89905544 entgegen.

http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhal ... caf26.html
Auf Wunsch des Users umgenannter Account

Benutzeravatar
nina777
Senior Admin
Senior Admin
Beiträge: 5025
Registriert: 08.05.2008, 15:31
Wohnort: Minden
Ich bin: SexarbeiterIn

Beitrag von nina777 »

29.10.2012

Socialcache: Spurensuche mit dem GPS-Gerät

Prostitution und Menschenhandel auf der Spur


Stuttgart - N4846201/E00910491. Die Koordinaten markieren auf der digitalen Stadtkarte einen Ort, an den es nur wenige Stuttgarter verschlägt. Die Teilnehmer des ersten Stuttgarter Socialcache haben ihn am Samstagnachmittag jedoch ausgekundschaftet. Mit einem GPS-Gerät, das mit Hilfe eines Satelliten den Standpunkt des Nutzers ermittelt, fanden sie den Weg ins La Strada. Was sich nach einem italienischen Restaurant anhört, ist allerdings ein Treffpunkt der Caritas für Prostituierte. Ungewöhnlich zwar, aber genau darum ging es bei der digitalen Schnitzeljagd: Orte zu finden, die im Zusammenhang mit Prostitution und Menschenhandel in Stuttgart stehen, und mit den Leuten, die dort arbeiten, ins Gespräch zu kommen.

Das La Strada liegt ein wenig versteckt zwischen Table-Dance-Bars und Bordellen mitten im Leonhardsviertel. "Wir sind eine Anlaufstelle für Prostituierte und sozial schwach gestellte Frauen", erklärte Annika Hanselmann, die sich seit drei Jahren hier ehrenamtlich engagiert. Täglich schauen bis zu 40 Frauen vorbei. Sie bekommen zu essen und zu trinken, es gibt eine Kleiderkammer, und einmal in der Woche kommt ein Arzt zur Sprechstunde. Auf einem Tisch steht eine große Schüssel mit Kondomen. "Wir sind Ansprechpartner für alle Probleme", sagte Annika Hanselmann.

Für das Thema Menschenhandel sensibilisieren

Die Teilnehmerinnen Tina und Lisa vom Team The Cure hörten aufmerksam zu. Denn beim Socialcache geht es nicht nur darum, wer als Erster alle vier Stationen ausgesucht hat, sondern es gibt auch für erworbenes Wissen Punkte. Zusammen mit Annika Hanselmann lösten sie 15 Fragen rund um das Thema Prostitution. Die Antworten ergaben wiederum eine neue Koordinate für den nächsten Ort. Die Idee für den Socialcache hatte Ralf Müller zusammen mit Freunden. Das ist eine Mischung aus dem bekannten Geocache und einem sozialen, gesellschaftlichen Thema, erklärte er. "Die Teilnehmer suchen die gleichen Stationen und Orte wie die Opfer auf. Dort bekommen sie Informationen aus erster Hand."Ziel sei, eine jüngere Zielgruppe anzusprechen und sie für das Thema Menschenhandel zu sensibilisieren. In Stuttgart bekommt man von der Szene nur wenig mit, sagte Ralf Müller. "Viele Leute wollen das Problem nicht sehen."

Marie und ihre Freundin Tine vom Team Nimm 2 studieren Soziale Arbeit an der Hochschule in Ludwigsburg. Sie hat noch nie bei einem Geocache mitgemacht, sagte die 23-jährige Marie. "Doch das ist eine gute Möglichkeit, auch mal andere Ecken von Stuttgart kennenzulernen." An jeder Station erhielten sie einen Auszug aus dem Tagebuch von Oxana, einer Zwangsprostituierten. "Das Tagebuch basiert auf einem realen Fallbeispiel. Nur der Name der Frau ist geändert", so Ralf Müller. Neben dem Fraueninformationszentrum und dem Landgericht war auch die Bahnhofsmission auf der Karte verzeichnet.

Familien werden um alles betrogen

Der kleine Posten zwischen Gleis 3 und Gleis 4 am Hauptbahnhof wird von den meisten Reisenden kaum wahrgenommen. Es sei denn, sie suchen nach Hilfe, weil sie ihren Geldbeutel verloren haben, sie frieren oder einfach nur Hunger haben. "Wir sind für alle Menschen da, die unsere Unterstützung brauchen", sagte der Mitarbeiter der Bahnhofsmission, Heiko Nowak. "Und eben auch für Menschen, die hier am Bahnhof stranden." Er und seine Kollegen kommen immer wieder in Kontakt mit Opfern von Menschenhändlern. Wie mit dem Vater von zwei Söhnen aus Osteuropa, der mit dem guten Glauben auf einen Job in der Landwirtschaft nach Stuttgart gekommen ist. Dem Vermittler hatte er 1000 Euro dafür bezahlt. "Aber es war ein Betrug", erzählte Heiko Nowak. "Die Familie stand plötzlich ohne alles da."

http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhal ... 52ac5.html
I wouldn't say I have super-powers so much as I live in a world where no one seems to be able to do normal things.

ehemaliger_User
verifizierte UserIn
verifizierte UserIn
Beiträge: 2968
Registriert: 27.04.2008, 15:25
Ich bin: Keine Angabe

Beitrag von ehemaliger_User »

Gesundheit
Krankenbett im Rotlicht
Viola Volland, 05.11.2012 19:13 Uhr

Stuttgart - Jolanda sitzt breitbeinig auf einem weißen Ledersofa und wimmert. Die Perücke mit den langen glatten Haaren, die sie sonst für ihre Freier trägt, hat sie achtlos hinter sich geworfen. Über ihr an der Wand hängt ein pastellfarbener Jesus in einem goldenen Plastikrahmen. Der Sohn Gottes schaut geradeaus in den kleinen, schmucklosen Raum, der der Prostituierten als Küche, Wohn- und Esszimmer dient. Roter Stoff ist mit Reißzwecken an der Tapete befestigt, das Fenster ist abgehängt. Jolanda stöhnt.

Sie trägt nur eine Fleecejacke, ansonsten ist sie nackt. Ihre Brüste hängen auf ihren dicken Bauch herunter. Sie krümmt sich zusammen, die eine Hand reibt den Bauch, mit der anderen fasst sie sich an die Stirn. Ihre Augen sind feucht, doch es rinnt keine Träne über das breite, schmerzverzerrte Gesicht, das mal hübsch gewesen sein mag. Jolanda ist 46. Sie sieht älter aus.

"Willst sterben hier, oder was?", fragt Martha und zieht an einer Zigarette. Der Rauch vermischt sich mit dem Geruch kalter Nudelsuppe. Auf einem Campingkocher steht ein Topf, in dem aufgequollene Fertignudeln in braunem Wasser schwimmen. "Bist krank oder bist nicht krank", fragt die Zimmernachbarin, die wie Jolanda in Wirklichkeit anders heißt. Martha ist eine Institution im Leonhardsviertel. Viele Huren kommen zu ihr, wenn sie Sorgen und Probleme haben. Doch jetzt ist Martha genervt. Seit Tagen geht das so: Jolanda arbeitet nicht. Sie leidet nur.

Jolandas Problem ist so groß wie eine Kastanie: 32,6 mal 26,2 Millimeter misst der Gallenstein in ihrem Bauch. Erst vor fünf Tagen landete sie mit akuten Gallenkoliken in der Notaufnahme einer Stuttgarter Klinik. Mit Schmerztabletten in der Handtasche kehrte sie ins Leonhardsviertel zurück – und mit dem Wissen: die Entfernung des Steins würde mindestens 3000 Euro kosten. Jolanda hat keine 3000 Euro, und sie hat keine Krankenversicherung, die den Betrag für sie übernehmen würde.

Privatversicherung kommt für die Prostituierten nicht infrage

Die Armutsprostituierten aus dem Leonhardsviertel seien alle nicht krankenversichert, sagt die Sozialarbeiterin Sabine Constabel vom Sozialdienst des Gesundheitsamts, die das Prostituiertencafé La Strada im Rotlichtviertel betreut. Sie hätten kein Geld und seien überfordert.

Eigentlich müsste sich Jolanda privat krankenversichern. Wer nie angestellt, sondern nur selbstständig in Deutschland gearbeitet hat, muss von einer gesetzlichen Krankenversicherung nicht aufgenommen werden. Auch sonst wäre ein Einstig in die gesetzliche Versicherung nach Jahren ohne Schutz teuer: Bis Dezember 2007 könnten die Kassen nicht bezahlte Beiträge rückfordern. Sich privat zu versichern komme für die Betroffenen nicht infrage, sagt die Sozialarbeiterin. Wegen der Berufsrisiken sind die Versicherungssätze für Prostituierte hoch, die Leistungen sind für sie meist eingeschränkt.

"Nicht Ambulanz", haucht Jolanda mit dunkler, kratziger Stimme. "Kein Geld." Sie reibt sich wieder über den Bauch. Maria, eine dritte Prostituierte, massiert ihr den Rücken. "Bist krank", meint Martha forsch und drückt ihre Zigarette in einem Teller aus. Da nickt Jolanda. Endlich. Die Frauen im Raum rufen den Rettungswagen. Sie hoffen, dass es diesmal anders läuft als vor fünf Tagen. Dass Jolanda diesmal operiert wird.

Es gibt in Stuttgart Anlaufstellen für Nichtkrankenversicherte: neben dem städtischen Gesundheitsamt ist das jeden Mittwoch die Sprechstunde der Malteser-Migrantenmedizin beim Marienhospital. Alle zwei Wochen kommt zudem ein Arzt des Gesundheitsamts abends ins La Strada. Er hat Zeit für höchstens zwölf Frauen. Wer zu spät kommt, muss zwei Wochen warten. Ohnehin sind die Möglichkeiten begrenzt. Bei einer Bronchitis können die Ärzte helfen, jedoch nicht bei einem Beinbruch. "Wir können Diagnosen stellen, aber keine Operationen durchführen", sagt Regine Martis-Cisic vom Malteser-Hilfsdienst.

Auch das Gesundheitsamt bietet nur ein medizinisches Basisangebot. Der zuständige Sachgebietsleiter Martin Priwitzer hat selbst schon die Sprechstunde im La Strada übernommen. Jedes Mal sei mindestens eine Frau mit akuten Problemen dabei, die eigentlich in einer Klinik behandelt werden müsste, berichtet der Facharzt für öffentliches Gesundheitswesen und Sozialmedizin. Bei seiner letzten Sprechstunde kam zum Beispiel eine Prostituierte, die eine künstliche Hüfte bräuchte. Auch sie ist nicht versichert, auch sie kann sich die Operation nicht leisten. Keine Stuttgarter Klinik schicke jemanden weg, der lebensbedrohlich krank sei, betont der Arzt. Alles andere werde jedoch "sehr restriktiv" behandelt, ist seine Erfahrung.

Jolanda wuchtet sich hoch, schleppt sich ins Arbeitszimmer nebenan, kehrt Minuten später schwankend in schwarzer Hose, weitem grünen T-Shirt und Badeschlappen zurück. Wirft sich wieder aufs Sofa. Martha guckt sie streng an: "Wenn du bist im Krankenhaus, nicht mit große Mund", schärft sie ein. Jolanda kann ruppig sein. Das Leben hat sie hart werden lassen. Aber es hat ihr nicht den Stolz genommen.

Aufgewachsen in einem Slum in Santo Domingo

Seit 20 Jahren ist Jolanda Prostituierte im Stuttgarter Leonhardsviertel – "aus Not, nicht aus Spaß", wie sie sagt. Jolanda ist in einem Slum in Santo Domingo aufgewachsen. Sie kann weder lesen noch schreiben und hängt einem katholischen Voodoo-Glauben an. So lässt sie sich nicht fotografieren aus Angst um ihre Seele. Und an ihre Zimmertür hat sie unter die Postkarte der heiligen Clara ein geweihtes, angebissenes Brötchen geklebt. Es soll bewirken, dass sie immer etwas zu essen hat.

Jeden Euro, den Jolanda entbehren kann, schickt sie an ihre Familie in die Dominikanische Republik. Ihre Mutter, das hat sie einmal einer Helferin des Café La Strada anvertraut, sei die einzige Person, für die sie echte Liebe empfinde. Richtig verliebt war Jolanda noch nie.

Die Stuttgarter Kliniken befinden sich in einer undankbaren Rolle. Sie sollen Kranken helfen, aber auch wirtschaftlich arbeiten. Beim Klinikum Stuttgart wird eine Trennlinie gezogen: Notfälle, bei denen es laut Definition "um Leib und Leben" geht, werden "selbstverständlich behandelt", sagt Klinikumssprecherin Ulrike Fischer. Anders ausgedrückt: wer den Tag oder die Nacht nicht überleben würde, wird operiert. Und es gibt die sogenannten elektiven Fälle, die planbar sind, wie ein Hüftgelenk. "Bei elektiven Fällen verlangen wir eine Kostenübernahmegarantie, diese ist auch vom Sozialamt möglich", so Fischer.

Auch bei Notfällen versuche man, sich die Kosten im Nachhinein von der Agentur für Arbeit oder dem Sozialamt wiederzuholen. "Wir sind da auf eine Mitwirkung der Patienten angewiesen, diese fehlt leider häufig", sagt der Leiter des stationären Patientenmanagements beim Klinikum, Michael Bremer. Doch ohne Mitwirkung würden die Anträge abgelehnt. 241 Fälle ohne Krankenversicherung habe es allein in den Monaten Juni bis einschließlich September gegeben. Seit Juni wird die Zahl gesondert erfasst, weil die Fälle stark zugenommen haben. 23 habe man nachversichern können, beim Rest befürchtet das Klinikum, auf den Kosten sitzen zu bleiben.

Als die Tür des Rettungswagens vor dem Eingang des Marienhospitals wieder aufgeht, sind zunächst nur die Rückseiten der roten Badelatschen auf der Liege zu sehen. Jolanda ist wach, aber sie scheint ihre Umgebung kaum wahrzunehmen. Im Warteraum der Notfallpraxis sitzen ein gelangweilt aussehendes Pärchen und ein junger Mann, der auf sein Smartphone starrt. Für diese Patienten lautet die Frage nicht ob, sondern wann sie behandelt werden.

"Wie, die Frau hat keine Krankenversicherung?" Die Dame am Empfang verzieht genervt das Gesicht. Aber Jolanda darf zum Arzt, und Maria – auch sie heißt eigentlich anders – soll als Über­setzerin mitkommen. Nach der Untersuchung heißt es, die Patientin müsse dableiben. Eine Schwester beugt sich zu ihr. "Man muss die Ursachen für die Schmerzen bekämpfen", sagt sie mit warmer Stimme. Jolanda schaut sie aus Schlitzen an. "Kein Geld", haucht sie. Das kriege man hin, sagt die Schwester. Sie habe gehört, es gebe da "irgendeinen Topf".

Es gibt keinen speziellen Topf für Fälle wie Jolanda. "Es stimmt aber nicht, dass die Krankenhäuser alles ablehnen", versichert die Geschäftsführerin des Marienhospitals, Monika Röther. Allein im Jahr 2011, rechnet der Leiter des Rechnungswesens des Krankenhauses, Johann Marx, vor, habe man knapp 200 000 Euro ausbuchen müssen. Allesamt Kosten von Fällen, bei denen die Patienten nicht zahlen konnten. Üblicherweise werde bei der Aufnahme ein Antrag über die Übernahme der Kosten zum Beispiel beim Sozialamt gestellt, es sei denn, die Aufnahme passiere nachts. Dann werde das am Morgen nachgeholt.

Sie muss operiert werden

"Wir loten alle Möglichkeiten aus, dazu gehören auch Ratenzahlungen", sagt seine Mitarbeiterin Marion Degner. Allerdings hätten viele Betroffene Angst, offen zu sprechen. Migranten befürchteten oft, ausgewiesen zu werden. Dabei unterliege das Klinikpersonal der Schweigepflicht. "Die Leute müssen sich trauen, viele würden die Kosten erstattet bekommen", sagt Degner. Das Sozialamt bestätigt, dass es "bei Notfällen" zahlt. Ein zu operierender Gallenstein klinge für ihn nach einem Fall, bei dem sie die Kosten übernehmen würden, sagt der Amtsleiter Walter Tattermusch.

Maria hält Jolandas Hand. Die Prostituierte liegt in der Notaufnahme am Tropf. Schmerzmittel fließt in ihre Vene. Gerade hat Jolanda die Botschaft vom Arzt bekommen, dass sie operiert werden müsse – in den nächsten Tagen. Akut bestehe keine Lebensgefahr. "Sie haben eine tickende Zeitbombe im Körper", erklärt er ihr mit ernster Stimme, macht aber auch klar: "Auf eigene Rechnung können wir das nicht machen, es kommen Kosten auf Sie zu." Wieder ist die Rede von 3000 bis 4000 Euro.

Maria übersetzt, Jolanda schüttelt den Kopf. "Operation gut, aber kein Geld. Keine Operation." Sie will das Krankenhaus verlassen. Der Arzt warnt sie, nicht zu lange mit dem Eingriff zu warten. Dann geht er zum nächsten Patienten. Jolanda schaut Maria an. Sie will nach Santo Domingo fliegen und sich dort operieren lassen, sagt sie. Womit sie den Flug bezahlt? Jolanda schließt die Augen. Die Infusion wirkt. ­Zumindest diese Nacht wird sie keine Schmerzen mehr haben.

Nachtrag:

Eine Woche später. Wieder sitzt Jolanda halb nackt auf ihrem Sofa. Vielleicht gibt es Geld für die Operation, erzählt ihr Sabine Constabel vom Gesundheitsamt. Die Sozialarbeiterin lächelt, aber nur kurz. Jolanda schüttelt den Kopf. Sie will nicht mehr in Deutschland operiert werden. Sie hat mit ihrer Familie gesprochen. Ihre Familie will, dass sie nach Hause kommt für die Operation. "Wenn du dich in Deutschland operieren lässt, stirbst du", habe ihre Mutter gesagt. Jolanda glaubt ihrer Mutter.

http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhal ... 701af.html

Nur so nebenbei:
Träger des Marienhospitals sind die "Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul" in Untermarchtal - ein katholischer Orden.

Und:
Die Stadt Stuttgart nimmt jährlich ca. 700.000 EUR an "Vergnügungssteuern" aus sexuellen Dienstleistungen ein.

Wenn schon Vergnügungssteuern, dann zweckgebunden!
Auf Wunsch des Users umgenannter Account

Benutzeravatar
fraences
Admina
Admina
Beiträge: 7426
Registriert: 07.09.2009, 04:52
Wohnort: Frankfurt a. Main Hessen
Ich bin: Keine Angabe

RE: LokalNachrichten: STUTTGART & BW

Beitrag von fraences »

Leonhardsviertel
Kirche fordert Aufklärung im Fall Eckert



Stuttgart - Die Evangelische Landeskirche Kirche will den Fall Paul Eckert prüfen. Das kündigte ihr Sprecher am Donnerstag an. „Gewerblicher Sex ist mit kirchlicher Moralvorstellung nicht vereinbar. Deshalb wird es zur weiteren Klärung des Sachverhalts Gespräche geben“, sagte Oliver Hoesch am Donnerstag. Auch der Bezirksbeirat Mitte erwartet Aufklärung – laut Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle (Grüne) „am besten von Herrn Eckert selbst“.

Am Donnerstag ist durch die Recherchen unserer Zeitung bekannt geworden, dass Paul Eckert mit 50 Prozent Miteigentümer an drei Häusern im Leonhardsviertel ist. In mindestens einem Haus wohnen und arbeiten Prostituierte. Das sei ihm „bekannt“, hat der 55-jährige Rechtsanwalt bestätigt. Ein weiteres Gebäude im Rotlichtviertel, das von einem großen Bordell-Betrieb genutzt wird, befinde sich „seit Jahrzehnten in Familienbesitz“. Er selbst habe mit diesem Gebäude überhaupt nichts zu tun.

Für die Kirche sind Eckerts Immobilien im Rotlichtbezirk relevant, weil der aktive Christ im November 2007 in die Synode der Evangelischen Landeskirche gewählt worden ist. Im politischen Bereich stellt sich die Frage der Befangenheit, nachdem Eckert 2009 auf Wunsch der CDU vom Gemeinderat in den Bezirksbeirat Mitte bestellt wurde.

Eckert wurde im November 2007 in die Synode gewählt

Nach Lage der Dinge wäre es nicht überraschend, wenn die Kirche einen freiwilligen Verzicht Eckerts auf seine Kirchenämter erwartet. Dabei geht es um die Synode, aber auch um das Kirchliche Verwaltungsgericht, in das der Jurist 2010 berufen wurde. Einen Rückzug zu erzwingen wäre heikel, da die 30 Theologen und 60 Laien der Synode in Württemberg – anders als in anderen Landeskirchen – alle sechs Jahre direkt von allen Kirchenmitgliedern gewählt werden.

Diese besondere Legitimationsbasis der Synode, die als gesetzgebende Versammlung der Kirchenleitung fungiert und den Haushalt beschließt, kann kritisch werden. In Paragraf 4 der Kirchenverfassung steht: „Die Landessynode vertritt die Gesamtheit der evangelischen Kirchengenossen.“ Dementsprechend hoch sind die Ansprüche der Kirchenmitglieder an die Gewählten.

Eckert wurde im November 2007 in die Synode gewählt, er vertritt dort die einflussreiche Christusbewegung „Lebendige Gemeinde“. Dieses Netzwerk, das seine Ursprünge im Pietismus hat, gilt kirchenintern als sehr konservativ.

Auch der für Stuttgart-Mitte zuständige evangelische Stadtdekan hat sich am Donnerstag geäußert. „Ich bin überrascht über die Berichte“, sagte Hans-Peter Ehrlich. Er werde auf Eckert zugehen und auch dessen Eigentumsverhältnisse im Leonhardsviertel ansprechen, kündigte Ehrlich an. Es dürfe aber keinesfalls zur Vorverurteilung kommen. „Wer ein Kirchenamt inne hat, kann aber auch die Gesamtverpflichtung gegenüber allen Gemeindemitgliedern nicht außer Acht lassen“, gibt Ehrlich zu bedenken.

Eckert räumt selbst ein, dass er „befangen sein könnte“

Auch die Frage, ob Eckert als Immobilienbesitzer im Leonhardsviertel im Bezirksbeirat befangen ist oder nicht, wird nicht leicht zu klären sein. Eckert räumt selbst ein, dass er „befangen sein könnte“, wenn der Bezirksbeirat Themen bespreche, die auf das Rotlicht im Viertel abzielten. Darum nehme er zu solchen Tagesordnungspunkten an den Sitzungen nicht teil. Doch an diese Regel hat sich Eckert nach Auskunft der Stadt zumindest am 5. März 2012 nicht gehalten. An dem Tag stand die neue städtische Vergnügungsstättensatzung auf der Tagesordnung, die auch für Immobilienbesitzer im Viertel erhebliche Bedeutung hat.

Bezirksvorsteherin Kienzle hat am Donnerstag angekündigt, zur Frage von Eckerts Befangenheit laut Paragraf 18 der Gemeindeordnung eine Prüfung einzuleiten. „Ich fände es auch angemessen, wenn sich Herr Eckert bei der nächsten Sitzung am 19. November selbst dazu erklärt“, sagte Kienzle. Die Verwaltung teilte am Donnerstag auf Anfrage mit, dass „aus Sicht der Stadt eine Befangenheit von Herrn Eckert nicht gegeben“ sei. Doch die Feststellung, ob ein Mitglied des Bezirksbeirats befangen ist, trifft laut Gemeindeordnung der Bezirksbeirat.

In der Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums zur Gemeindeordnung heißt es, dass Befangenheit bereits dann vorliege, wenn „die Möglichkeit einer Interessenkollision“ gegeben ist. Es gehe darum, „schon den bösen Schein zu vermeiden“ und die „Sauberkeit“ der Verwaltung zu wahren.

Am Donnerstag hat die Stadt bestätigt, dass es Gespräche über einen Kauf das Gebäudes Jakobstraße 4 gab. Das Haus, in dem laut Polizei zurzeit eine Prostituierte arbeitet, gehört zu den Immobilien im Rotlichtviertel, an denen Eckert 50 Prozent hält. 1980 hatte es die Kommune an ihn und einen Angehörigen veräußert. Nun soll das Haus, das inzwischen in einem desolaten äußeren Zustand ist, zurück an die Stadt gehen.

http://www.stuttgarter-nachrichten.de/i ... 94713.html

Eckert will kein Rotlicht mehr in seinen Häusern

Stuttgart - Paul Eckert, der im Stuttgarter Rotlichtviertel 50 Prozent an drei Immobilien hält, will nicht auf seine Ämter bei der Evangelischen Landeskirche verzichten. Das geht aus einer Erklärung hervor, die Eckert am Montag der Kirche zur Veröffentlichung zukommen lassen hat.

„Ich muss zur Kenntnis nehmen, dass die Nutzung von meinem Vater und mir gemeinsam gehörenden Immobilien zu Zwecken der Prostitution für Irritationen sorgt“, schreibt der 55-jährige Rechtsanwalt, der seit 2007 der Synode der Landeskirche Württemberg – dem direkt gewählten Kirchenparlament – angehört und dort die konservative Christusbewegung Lebendige Gemeinde vertritt. 2010 wurde Eckert zudem ans Verwaltungsgericht der Kirche berufen.

„Diese Irritationen, die ich bedaure, sind für mich insofern auch verständlich, als ich kirchlich engagiert bin und sich Sex gegen Geld nicht mit christlichen Wert- und ­Moralvorstellungen in Einklang bringen lässt“, erklärt Eckert und verspricht:. „ Deshalb – und um Schaden von der Kirche und den Gremien, denen ich angehöre, fernzuhalten – werde ich alles mir Mögliche tun, um in besagten Immobilien Prostitution in Zukunft auszuschließen.“

Eckert sei sich teilweiser problematischen Nutzung bewusst

Er habe bereits die Übernahme eines Hauses durch die Stadt eingeleitet und am vergangenen Samstag dem Mieter des anderen Hauses die Kündigung ausgesprochen, so Eckert. „Auf diese Weise Klarheit zu schaffen, ist mir auch deshalb wichtig, weil ich mein kirchliches Engagement, das mir am Herzen liegt, gerne fortsetzen möchte.“ Ein weiteres Haus gegenüber einer Grundschule, in dem ein großes Bordell untergebracht ist, gehört laut Eckert nicht ihm, sondern „meinen Eltern“. Von diesem Haus ist in ­seiner persönlichen Erklärung keine Rede.

Es sei „zu begrüßen“, dass sich Eckert der teilweise problematischen Nutzung der Immobilien bewusst sei und „deren Unvereinbarkeit mit seinen kirchlichen Ehrenämtern anerkennt“, sagte Oliver Hoesch, Sprecher der Evangelischen Landeskirche, am Montag. Die rasche Trennung von dem Haus und die Kündigung seien „konsequent“. Zuvor hatte unsere Zeitung über Eckerts Vermietungen im Rotlichtviertel berichtet.

In der offiziellen Erwiderung der Landeskirche wird allerdings deutlich, dass man sich mehr Entschlossenheit von Eckert erwartet hätte. „Bedauerlich dagegen ist, dass er nicht bis auf weiteres seine Kirchenämter ruhen lässt. Das wäre nicht nur gut für die Ämter, sondern auch gut für ihn selbst gewesen“, sagte Hoesch. Denn nach Abwicklung der genannten Schritte wäre der 55-Jährige „sicher freier gewesen, diese Ämter auszuüben, als dies aktuell der Fall sein kann“.

Als Bezirksbeirat befangen?

2009 hatte das langjährige CDU-Mitglied Eckert für den Gemeinderat kandidiert, den Einzug ins Gremium aber verfehlt. Stattdessen wurde er für die CDU in den Bezirksbeirat in Stuttgart-Mitte bestellt – und damit in den Stadtbezirk, in dem er die besagten ­Immobilien im Leonhardsviertel hat.

Gegenüber unserer Zeitung sagte Eckert, er akzeptiere, dass er als Bezirksbeirat und Hauseigentümer befangen sein könnte. Wo eine Interessenskollision konkret zu befürchten sei, habe er die Sitzungen stets verlassen. Nach Auskunft der Stadt war Eckert allerdings im März 2012 bei einer Sitzung anwesend, bei der die für das Sex-Gewerbe und die Hausbesitzer im Leonhardsviertel gleichermaßen wichtige neue Vergnügungsstättensatzung behandelt wurde.

Die Frage, ob ein Bezirksbeirat befangen ist oder nicht, muss der Bezirksbeirat beantworten. Die nächste Sitzung ist am 19. November. Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle (Grüne) hält es für angemessen, dass sich Eckert dann zur Sache „selbst erklärt“.

http://www.stuttgarter-nachrichten.de/i ... 38a63.html

edit bei ehemaliger_User: Formatierung bereinigt
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)

*****
Fakten und Infos über Prostitution

Benutzeravatar
fraences
Admina
Admina
Beiträge: 7426
Registriert: 07.09.2009, 04:52
Wohnort: Frankfurt a. Main Hessen
Ich bin: Keine Angabe

RE: LokalNachrichten: STUTTGART & BW

Beitrag von fraences »

Prostitution in Stuttgart
Kein Bordell am Neckartor


Die Stadt versucht, ein ungebremstes Wachstum der Prostitution zu verhindern.

Stuttgart - Bereits seit fast drei Jahren führt ein Investor am Neckartor in einem Mehrfamilienhaus einen bordellartigen Betrieb, in dem mehrere Frauen ihrem Gewerbe nachgehen. Nun hatten die Gebäudeeigentümer gehofft, das ganze Haus in ein großes sogenanntes Laufhaus – ähnlich dem Dreifarbenhaus in der Innenstadt – umwandeln zu dürfen. Die übrigen bisherigen Wohnungen sollten dafür aufgegeben und in Zimmer aufgeteilt werden, in denen Prostituierte sich einmieten und ihre Kunden empfangen.

Nun hat das Verwaltungsgericht Stuttgart den Investoren einen Strich durch die Rechnung gemacht. Die Richter untersagten den Eigentümern die Erweiterung zu einem Laufhaus.

Ein zweijähriger Rechtsstreit endet vorläufig

Mit der Entscheidung am Dienstag endet ein mehr als zweijähriger Rechtsstreit zwischen den Investoren und der Stadt Stuttgart. Die Rechtslage ist kompliziert: Bereits im Dezember 2010 hatten die Hauseigentümer bei der Kommune angefragt, ob eine Nutzungsänderung möglich sei. Man wolle die Wohnungen aufgeben und in ihnen elf Zimmer an Prostituierte vermieten und in einer Einheit Wohnungsprostitution ermöglichen.

Dies lehnten die Stadt und später das Regierungspräsidium Stuttgart aber mit Verweis auf den Bebauungsplan ab. Denn das Gebäude stehe am Neckartor in einem Gebiet, in dem die Vergnügungsstättensatzung der Kommune ein Bordell oder einen bordellartigen Betrieb verbiete.Der Anwalt der Kläger hatte hingegen argumentiert, dass diese Satzung nicht für das Grundstück gelte, auf dem das Haus steht. Für dieses Areal sei der Bebauungsplan Neckar-/Hauffstraße ausschlaggebend. Dieser sehe für das Gebäudegrundstück die Möglichkeit vor, eine Verkehrsfläche an­zulegen. Und für ein nicht bebaufähiges Areal gelte generell keine Vergnügungsstättensatzung. Somit sei am Neckartor ein Bordell erlaubt, so der Anwalt im Umkehrschluss in seiner Klage.

Hinzu komme, dass es in der Nachbarschaft des Hauses bereits vier weitere Bordelle gebe, die die Stadt dulde. Und wegen des Gleichheitsgrundsatzes müsse seinen Mandanten das Laufhaus am Neckartor erlaubt werden. Die Stadt bestätigt zwar, dass es diese Etablissements gibt, doch auch diese seien nicht genehmigt.

In der Nachbarschaft gibt es bereits Bordelle

Nun haben die Richter die Klage der Investoren abgewiesen, ihren bordellartigen Betrieb zu erweitern. Eine schriftliche Begründung wird in den nächsten Wochen nachgereicht. Das Urteil gilt nicht für die bereits angebotene Prostitution in dem Gebäude. Die Stadt ist allerdings der Ansicht, dass das Etablissement prinzipiell nichts am Neckartor verloren hat. Eine sogenannte Nutzungsuntersagung liegt für den Betrieb bereits vor. Derzeit liegt der Fall beim Regierungspräsidium als übergeordneter Behörde. Es gilt jedoch als wahrscheinlich, dass auch diese Streitfrage vor dem Verwaltungsgericht geklärt werden muss. Bis dahin duldet die Stadt das bestehende Etablissement. Denn um den Betrieb unverzüglich zu unterbinden, müsste die Kommune nachweisen, dass eine akute Gefahr für Leib und Leben der Bewohner und der Besucher vorliegt.

Die Gewinne in der Branche sind enorm

Mit Bebauungsplänen und Vergnügungsstättenverordnungen versucht die Stadt im Bereich der Prostitution, ein ungebremstes Wachstum zu verhindern. Doch sind die Gewinne in der Branche enorm. Daher nutzen Investoren und Prostituierte jede rechtliche Möglichkeit, ein Aus für Etablissements zu verhindern. Damit ziehen sich Rechtsstreitigkeiten oftmals über mehrere Jahre hin. Laut der Stadt laufen zurzeit mehrere solcher Verfahren.


http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhal ... 0766f.html
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)

*****
Fakten und Infos über Prostitution

ehemaliger_User
verifizierte UserIn
verifizierte UserIn
Beiträge: 2968
Registriert: 27.04.2008, 15:25
Ich bin: Keine Angabe

Beitrag von ehemaliger_User »

Das gibt es auch bei anderen Projekten. Die Stadt Böblingen klagt gegen die Stadt Sindelfingen gegen die Erweiterung des "Breuningerland" wegen Verstoss gegen irgendwelche Vorschriften.

Dazu kommt, dass am Neckartor die höchste Feinstaubbelastung in Deutschland gemessen wird. Und die Hausbesitzer setzten wegen dieser Schmutz- und Lärmbelastung seit 2006 Stadt und Land juristisch unter Druck.

Die "Stuttgarter Nachrichten" titelten im März 2012:
Feinstaubhaus soll Großbordell werden
http://www.stuttgarter-nachrichten.de/i ... 176f3.html

Zu laut und schmutzig für Wohnungen, dank hoher "Rotation" für SexarbeiterInnen "gut genug"?
Auf Wunsch des Users umgenannter Account