Gemeinsam sind wir stark - Einzeln müssen wir betteln

Beiträge betreffend SW im Hinblick auf Gesellschaft bzw. politische Reaktionen
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Marc of Frankfurt
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Sexworker Union 1

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Warum wir Sexworker Gewerkschaften brauchen:

Vortrag von Thierry Schaffauser @ Sex Worker Freedom Festival in Kolkata



Bild
(c) MattLemonPhotography


"We need to form trade unions to defend our rights and improve work conditions."
-Thierry Schaffauser

Slide show:
:007 https://docs.google.com/presentation/em ... PeEmIJYWOQ :007


( http://thierryschaffauser.wordpress.com ... -unionise/ )
Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 25.07.2012, 03:39, insgesamt 4-mal geändert.

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Sexworker Union 2

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Fachbuch Sexworker Gewerkschaften Weltweit:

“An Agency of Their Own”



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Book Review of: "An Agency of Their Own", a book by Prof. Gregor Gall, published by Zero books.

As a reference book “An agency of Their Own” explains and records the development of sex worker unions around the ...

http://harlotsparlour.wordpress.com/201 ... their-own/

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Syndicat Travail du Sexuel - STRASS

Beitrag von Doris67 »

Marc hat mich gebeten, hier mal was zur Organisation des STRASS (französische Sexarbeitergewerkschaft, der ich angehöre) zu posten.

Also:

Formal ist der STRASS ist ein schlichter e.V., wie alle französischen Gewerkschaften, und besitzt daher auch die für einen e.V. oblgatorische Satzung und die entsprechenden Organe (Vollversammlung, Verwaltungsrat usw). In Anlehnung an andere französische Gewerkschaften haben wir eine Generalsekretärin statt einer Präsidentin (wie im e.V. üblich), was aber an deren Rolle, Befugnissen und Verantwortungen nichts ändert.

Über unsere Statuten hinaus haben wir uns interne Regeln ( http://www.strass-syndicat.org/doc/RI.pdf ) und, vor allem, eine interne Ethikcharta ( http://www.strass-syndicat.org/doc/charte.pdf ) auferlegt, damit unsere gemeinsamen poltischen Grundpositionen genau definiert sind, und auch, wer unsere ôffentliche Kommunikation definiert (uner gewählter Verwaltungsrat) und wer öffentlich in unserem Namen sprechen kann (unsere gewählten Sprecher-/innen). Die Einhaltung dieser Regeln ist für alle Mitglieder des STRASS verbindlich.

Unsere Mitglieder gehören zu zwei Kategorien: entweder aktive Sexarbeiter/-innen, die Stimm- und Wahlrecht (aktiv und passiv) in der Gewerkschaft haben, oder andere Mitglieder (z.B. ehemalige Sexarbeter/-innen, Unterstützer/-innen...), die kein Stimm- und Wahlrecht (weder aktiv noch passiv) in der Gewerkschaft haben. Unsere aktuellen Jahresbeiträge belaufen sich auf 10.- Euro (oder mehr, falls man freiwillig mehr geben möchte) für aktive Sexarbeiter/-innen und 20.- Euro (oder mehr) für alle anderen. Ausdrücklich NICHT Mitglieder werden, egal in welcher Form, können Betreiber von Sexarbeit aller Art: unsere Gewerkschaft will keine Bosse in ihren Reihen, das würde nur kontraproduktive interne Interssenkonflikte und Richtungskämpfe bewirken, sowie ein Imageproblem in der öffentlichkeit (unsere Gegner/-innen versuchen sosieso schon andaurend, uns als verkappte Zuhälter oder Marionetten von Zuhältern zu diskreditieren, dem wollen wir nicht auch noch Vorschub leisten). Nach unserem Verständnis muß eine Gewerkschaft auschließlich von Arbeitern/-innen und für Arbeiter/-innen getragen werden, wir legen sehr viel Wert auf unsere Selbstorganisation und Unabhängigkeit.

Finanzieren tut sich der STRASS ausschließlich selbst, über Mitgliedsbeiträge und Spenden. Für besondere Projekte fragen wir schon mal bei spezialisierten ONG (z.B. Mama Cash) an, staatliche Subventionen u.ä. sind aber ausgeschlossen für uns: wir wollen unabhängig bleiben. Und wir müssen es auch bleiben, da wir sonst keine politische Handlungsfreiheit mehr haben, und die ist aktuell in Frankreich dringendst nötig. Kurz, wir haben kein Geld aber wir nutzen es :-)

Territorial gesprochen sind wir föderal aufgebaut: Jedes unserer aktiven Mitglieder (also aktive Sexarbeiter/-innen) kann in einem Ort oder einer Region eine Sektion des STRASS aufmachen, die sich dann selbst organisiert. Da wir als überhaupt erste Sexarbeitergewerkschaft in Frankreich bei Null angefangen haben, sind wir auch dreieinhalb Jahre nach unserer Gründung (März 2009) immer nochh im Aufbau und in der Entwicklung begriffen. Wir haben im Augenblick (Zahlen von 2011) ca. 500 Mitglieder (davon ca. 300 Sexarbeiter/-innen), und Sektionen in 12 französischen Städten/Regionen, sowie in drei benachbarten ausländischen Städten (siehe Liste hier: http://site.strass-syndicat.org/contact/ ).

So weit erst mal. Falls ihr Fragen habt, nur zu.
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Marc of Frankfurt
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Re: Syndicat Travail du Sexuel - STRASS

Beitrag von Marc of Frankfurt »

300 organisierte aktive Sexworker bei STRASS in Frankreich seit 2009 das ist doch mal eine Hausnummer.

Danke für die wertvollen Infos und Links.

300 bei 20.000 geschätzten SW in Frankreich = 1,5% gewerkschaftlicher Organisierungsgrad.

(Wir in Deutschland haben ca. 25% oder 20 Millionen mehr Einwohner als Frankreich, aber wir rechnen meist mit 20x mehr = 400.000 Sexworkern
(entspricht 5 Promille SW/Einwohner in D, statt 0,3 Promille in Frankreich).

Hydra e.V. Berlin hatt diese Zahl irgendwann mal in den 80er Jahren geschätzt und leichtsinnig veröffentlicht vmtl. um eine starke Hurenbewegung zu suggerieren, woraufhin aber der Bundesrechnungshof umgehend die dem Staat entgehenden Einkommensteuern ausgerechnet hat ... so kam dann wohl die Legalisierung und das ProstG 2002 zu stande *LOL*)







Ellena in Australien erzählt gerade dass Scarlet Alliance "peer educator contacts per year" statt Members zählen und auf 20.000 kommen für Australien (22 Mio Einw. ergibt 1 Promille).

In unserer Welt Sex Work Datenbank www.bit.ly/sexworkinternet sind 160 SW NGOs mit ca. 4.377 FB friends/member/likes gelistet was 700.000 weltweit vernetzte Aktivisten/User ergibt (enthält natürlich Mehrfachzählungen, aber eben auch nur on-line folks).

Durbar.org West-Bengalen nennt 40.000-65.000 organisierte Sexworker. Auf der Parade vom SWFF in Kolkata waren 5.000 inkl. der 700 SW Delegierten der Konferenz aus 40 Ländern.

Die Sexworker Versorgungsquote schwankt im Promille-Bereich SW je Einwohner.

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mehr







Bei Sexworkern gilt der Spruch "Mein Körper ist mein Kapital".

Damit ist die werbliche Attraktivität und Sexyness/Sexappeal des Sexworker-Bodies/Körper gemeint. Das ist bekanntlich biologisch-bedingt eine degressive/schrumpfende Kapitalanlage im Gegensatz zu Finanzkapital mit Zinseszins (was ohne Eigenarbeit theoretisch unendlich wachsen kann bis zur nächsten Finanzkrise).

Das Prinzip der SexARBEIT und jeder Arbeit besteht ja gerade darin, das biologische Kapital in kulturelles oder monetäres (Geld-) Kapital umzuwandeln, um möglichst nachhaltig (=langfristig) leben zu können und im Alter versorgt zu sein (Transformationsgesetz des Lebens = Kondensation von Lebensenergie in Materie und Ressourcen).

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Wegen der hohen Jugendverdienste (was auch Zuhälter wissen/ausnutzen) frage ich mich, wie man es evt. effizienter organisieren kann, um von Vielverdiener_innen auch gerechterweise/fairerweise höhere Gewerkschaftsbeiträge zu bekommen. Bei STRASS habt ihr da die Möglichkeit von Spenden geschaffen (werbt ihr dafür aktiv?), aber der verpflichtenden Jahresbeitrag ist möglichst niederschwellig/inkludierend festgesetzt, so dass keine Prekärverdiener_innen/Nebenerwerbler_innen ausgeschlossen sind. Das ist somit mehr ein symbolischer Mitglieds-Betrag, denn eine Finanzierungsbasis ergibt das nicht. Vermutlich sind nichteinmal die Bürokosten für Mitgliederverwaltung gedeckt. Also besteht ständig die Notwendigkeit bei politisch geforderten Kampagnen und Aktivitäten erstmal Finanzierungskampagnen zu starten. Den Vorteil den das hat ist dass zumindest Bewegung in die Bude, den Verein/Gewerkschaft kommt und die Leute gezwungen sind in die Gänge zukommen etwas gemeinsam zu initiieren. So wird die Gemeinschaft fortentwickelt.

Aber wenigstens habt ihr eine landesweite SW Organisation, was wir in Deutschland und Österreich noch nichteinmal haben abgesehen vom Bufas-Beirat, der den Sexworker Only Day (ehemals Hurenkongress) organisiert. In der Schweiz gibt es www.prokore.ch was aber seit längerem nicht mehr aktiv an die Öffentlichkeit getreten ist, vmtl. ebenfalls mangels aktiver Mitglieder und fehlender Attraktivität der Mitarbeit wg. fehlender langfristiger Finanzierung.

Wir müssen daher diese Selbstorganisations-Gedanken unbedingt fortentwickeln, um unsere Organisationen und Interessenvertretungen zu stärken. Daher sind viele sicher auch gespannt auf deine Präsentation bei den 1. Frankfurter Prostitutionstagen.

(Überlege mal ob du eine Audio/Video-Aufzeichnung machen willst, um die Infos später weiter verbreiten zu könnnen. Oder wie wär es mit einer Prezi-Präsentation statt Powerpoint;-)

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Re: Syndicat Travail du Sexuel - STRASS

Beitrag von Doris67 »

          Bild
Marc of Frankfurt hat geschrieben:300 bei 20.000 geschätzten SW in Frankreich = 1,5% gewerkschaftlicher Organisierungsgrad.
Nur sind diese 20000 völlig falsch: das ist (angeblich) die Zahl der Sexarbeiter/-innen vom Straßenstrich (also sowieso schon eine kleine Minderheit, bei der Repression des Straßenstrichs die in Frankreich seit 2003 herrscht) die mal irgendwie mit der Polizei zu tun bekommen haben (also eine kleine Minderheit der kleinen Minderheit). Diese Zahl wird seit Jahren vom Staat (genauer: vom Zentralen Dienst zur Bekämpfung des Menschenhandels, OCRTEH, der Name sagt alles...) verbreitet, betrifft fast ausschließlich Migranten/-innen (also noch mal eine Minderheit der Minderheit der Minderheit...), und ist zudem nie aktualisiert worden. Wir bezweifeln und bekämpfen diese Zahl seit Jahren, denn sie kann nicht stimmen: wenn in Großbritannien, mit ziemlich genau so viel Einwohnern wie in Frankreich, es staatlich geschätzt mindestens 300000 Sexarbeiter/-innen gibt, kann es in Frankreich nicht fünfzehnmal weniger davon geben, das ist unmöglich, und entspricht auch nicht unserer Erfahrung.

Unser gewerkschaftlicher Organisierungsgrad ist also in Wirklichkeit leider (noch) sehr schwach.

          Bild
Marc of Frankfurt hat geschrieben:
Wegen der hohen Jugendverdienste (was auch Zuhälter wissen/ausnutzen) frage ich mich, wie man es evt. effizienter organisieren kann, um von Vielverdiener_innen auch gerechterweise/fairerweise höhere Gewerkschaftsbeiträge zu bekommen. Bei STRASS habt ihr da die Möglichkeit von Spenden geschaffen (werbt ihr dafür aktiv?), aber der verpflichtenden Jahresbeitrag ist möglichst niederschwellig/inkludierend festgesetzt, so dass keine Prekärverdiener_innen/Nebenerwerbler_innen ausgeschlossen sind. Das ist somit mehr ein symbolischer Mitglieds-Betrag, denn eine Finanzierungsbasis ergibt das nicht. Vermutlich sind nichteinmal die Bürokosten für Mitgliederverwaltung gedeckt. Also besteht ständig die Notwendigkeit bei politisch geforderten Kampagnen und Aktivitäten erstmal Finanzierungskampagnen zu starten. Den Vorteil den das hat ist dass zumindest Bewegung in die Bude, den Verein/Gewerkschaft kommt und die Leute gezwungen sind in die Gänge zukommen etwas gemeinsam zu initiieren. So wird die Gemeinschaft fortentwickelt.
Niemanden auszuschließen ist auch unser Ziel, denn gerade in Frankreich sind sehr viele Sexarbeiter/-innen in finanziell prekärer Lage. Laufende Kosten haben wir sehr wenige (wir sind alle ehrenamtlich tätig, ein Büro wird uns bei Bedarf von Act Up-Paris solidarisch zur Verfügung gestellt, unsere Website kostet kaum was, Flyer/Plakate/usw auch nicht, usw) (einzig unsere zwei Juristinnen werden bezahlt, dafür haben wir aber ein projektgebundenes Budget von Mama Cash erhalten, das nicht für andere Aktivitäten benutzt werden kann). Aktiv für Spenden werben tun wir öffentlich nicht, das brächte uns schnell ein Imageproblem ein durch Angriffe unserer Gegner/-innen (der Art "schaut mal, diesen Zuhältermarionetten geht's ja nur um's Geld"). Wenn uns Leute solidarisch ansprechen, schlagen wir vor, sie könnten als Unterstützer/-innen Mitglieder werden, oder spenden. Viel kommt so trotzdem nicht rein. Unsere Mittel reichen aber.

          Bild
Marc of Frankfurt hat geschrieben: Aber wenigstens habt ihr eine landesweite SW Organisation, was wir in Deutschland und Österreich noch nichteinmal haben abgesehen vom Bufas-Beirat, der den Sexworker Only Day (ehemals Hurenkongress) organisiert. In der Schweiz gibt es www.prokore.ch was aber seit längerem nicht mehr aktiv an die Öffentlichkeit getreten ist, vmtl. ebenfalls mangels aktiver Mitglieder und fehlender Attraktivität der Mitarbeit wg. fehlender langfristiger Finanzierung.

Wir müssen daher diese Selbstorganisations-Gedanken unbedingt fortentwickeln, um unsere Organisationen und Interessenvertretungen zu stärken. Daher sind viele sicher auch gespannt auf deine Präsentation bei den 1. Frankfurter Prostitutionstagen.

(Überlege mal ob du eine Audio/Video-Aufzeichnung machen willst, um die Infos später weiter verbreiten zu könnnen. Oder wie wär es mit einer Prezi-Präsentation statt Powerpoint;-)
Eine landesweite politische Selbstorganisation der Sexarbeiter/-innen in Deutschland erscheint auch mir immer dringlicher, so wie ich die reaktionäre Entwicklung bei euch sehe (siehe z.B. http://www.donacarmen.de/wp-content/upl ... ierung.pdf ). Und ich kann euch nur empfehlen, das auch bei euch in Form einer regelrechten Sexarbeitergewerkschaft aufzuziehen, das ist meines Erachtens die schlagkräftigste Form der politischen Organisation für Sexarbeiter/-innen.

Was die Prostitutionstage im November betrifft, ich darf da gerne gefilmt werden, kein Problem meinerseits. Über die Form der Präsentation hab ich noch nicht entschieden, mal schauen was am praktischsten ist.
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Sexworker-Gewerkschafts-Kasse

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Danke für die Infos. Das mit dem Sexworker-Forum als Gewerkschaft sehe ich so wie du. Aber die Position ist stittig. Mir fällt gerade noch der wirtschaftliche Aspekt der Gewerkschaft als Versicherung ein. Z.B. die Streik-Kasse.


Da verlangen die Gewerkschaften in Deutschland einen deutlich höheren und zwar monatlichen Mitgliedspreis und bauen so für die Belegschaft einen Kapitalstock auf, um im Kisenfall (Streik) Handlungsmacht zu haben (Kriegskasse).

Bei Sexworkern wäre dass dann nicht der Konflikt Arbeiter-Unternehmer/Bordell, sondern Arbeiter-Staat im Fall von Prostitutionsverbot/Strafe z.b. als Hilfe für Lebenshaltungskostenzuschuß bei Berufsverbot und Ausstieg/Umschulung...


Wg. diesem prekären Finanzaspekt gab es bei Hydra e.V. Berlin früher sowohl einen
- Rechtshilfefond (Aspekt Rechtschutzversicherung)
- Sozialfond (Aspekt Streikkasse/Sozialversicherung)

Leider beides kaum entwickelt mit wenig Kapitalstock d.h. keine wirkliche starke Nothilfe auf die sich viele Sexarbeiterinnen verlassen könnten.





Ganz anders in Indien (weltgrößte Demokratie). Da hat eine Sexworker Kooperative und Sozialkasse (Sexworker Banking) das Klima und die Arbeitsbedingungen im weltgrößten Rotlichtviertel Sonagashi in Kolkata regelrecht auf den Kopf gestellt.

USHA (wört.: "aufgehender Stern")
Usha Multipurpose co-operative society Ltd.
Sex workers Co-operative in West Bengal
Economic cooperative by DMSC (Durbar.org "die Unwiderstehlichen")
Sex workers' collective bank in Kolkata has 17.000 members (bank accounts) und ein Gesamtkapital von
Rs 13 crore [x10^7 = 130 000 000 INR (Indische Rupies) = 2 Mio EUR]

Bild
@ SWFF


Kolkata seit 1995
www.durbar.org/html/micro_credit.asp und mit Video
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=88957#88957 mit attachment 2011!!!

Mumbai seit 2007
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=28812#28812 und weiter unten auf Deutsch
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=59913#59913
Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 19.08.2012, 17:18, insgesamt 1-mal geändert.

Doris67
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Beitrag von Doris67 »

Nun ja, damit Streiks Sinn habe müssen m.E. (mindestens) zwei Bedingungen erfüllt sein : 1) es gibt eine Verbesserung zu erkämpfen, d.h. es geht um einen bereits auf irgendeine Art anerkannten Beruf, 2) es besteht ein (umkehrbares) anerkanntes Kräfteverhältnis mit einem Arbeitgeber. Von beidem sind wir in Frankreich derzeit sehr weit entfernt, wir sind gezwungen, erst einmal um unser nacktes Existenzrecht gegen die drohende Prohibition zu verteidigen. Ein Streik unsererseits würde unter diesen Umständen völlig ins Leere laufen, uns wahrscheinlich sogar eher schaden als nützen. Daher auch bisher keine Überlegungen zu einer Streikkasse (die zudem auch eine Masse bräuchte die wir bisher nicht haben).
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Beitrag von Doris67 »

Bin gerade auf diesen Artikel zu einem Buch über Sexarbeitergewerkschaften gestoßen: http://shirazsocialist.wordpress.com/20 ... -new-book/
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Beitrag von Doris67 »

Und ein etwas älterer Artikel (auf Französich) zum gleichen Thema, von einem Aktivisten des STRASS: http://www.contretemps.eu/interventions ... r·ses-sexe
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Forts.: Sexworker Bank

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Folgendes Attachment von hier zeigt die einmaligen Leistungen von
Wir brauche so eine Infrastruktur von Sexworker-Firmen und Dienstleistungs-Kooperativen in jedem Land und in jedem Rotlichtbezirk !!!

USHA ("aufgehender Stern") ist ein Rollenmodell was es zu kopieren gilt.




In Europe check out Mama Cash of Amsterdam new "Red Umbrella Fund": www.mamaCash.org/page.php?id=3013
(open for grant applications now)

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Selbstorganisation in Genf

Beitrag von Marc of Frankfurt »

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Neugegründete Schweizer Sexworker Gewerkschaft:
Sex Workers’ Syndicate (STTS)



STTS is based in the Pâquis neighborhood of Geneva (Altstadtviertel direkt am Genfer See. Französisch-sprechende Schweiz bedeutet leider eine gewisse Sprachbarriere zu uns vom Sexworker Forum. Allerdings ist Genf der Sitz der UN-Gremien, wo unsere Schattenberichte zu Sexwork in Deutschland und Österreich bearbeitet werden. Und einen guten Kontakt zu STRASS haben wir ja inzwischen auch;).

STTS aims to operate alongside the organisation Aspasie, which has advocated for prostitutes in Geneva since 1982.

www.swissinfo.ch/eng/i.html?cid=33519714

www.aspasie.ch
www.facebook.com/pages/Aspasie/115934561812511

___
Siehe auch die Lebensgeschichte von der Grisélidis Réal - www.centreGriselidisReal.org

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Beitrag von Doris67 »

Was ich bisher zu dieser Schweizer Gründung lesen konnte las sich wie eine Lobby reicher Schweizer Huren die sich gegen arme migrante Huren richtet (welche angeblich die Preise verderben), und die zu diesem Zweck eng mit der Polizei zusammenarbeiten will.

So etwas als "Gewerkschaft" zu bezeichnen (d.h. als kämpferische Vertretung von AbeiterInnenrechten) ist bestenfalls eine ziemlich unverschämte Mogelpackung, und schlimmstenfalls ein Rückschritt für unsere Kämpfe. In einer Gewerkschschaft geht es darum, gleiche Rechte für alle zu erkämpfen. Nicht darum, Partikularinteressen innerhalb eines Berufs durchzusetzen. Es geht um Überzeugungen, nicht um Vorteile.

Mal sehen, wie sich das entwickelt.
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Überlegungen und Reaktionen aus Wien

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Das hört sich ja nicht so toll an. Warten wir mal ab, bis sich die Aktivistinnen vorstellen und mit uns vernetzen hier oder auf FB...
___



Situation in Österreich:

Andrea Schober von der GPA (Gewerkschaft der privaten Angestellten www.gpa-djp.at) stellte klar, dass bislang noch nie Prostituierte die Beratungsstellen der Gewerkschaft für arbeitsrechtliche Beratungen in Anspruch genommen hätten. Zwar würde die GPA prinzipiell auch prekär Beschäftigte und neue Selbständige vertreten und somit auch Prostituierte, aber der Zugang zum Milieu sei ein sehr schwieriger.

www.news.at/a/sexarbeit-gewerkschaft-pr ... esterreich

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Beitrag von Lycisca »

Marc of Frankfurt hat geschrieben:Das hört sich ja nicht so toll an.
Das hört sich genauso an, wie es von einer gewerkschaftlichen Vertretung zu erwarten wäre: Die Interessen der eigenen Mitglieder werden mit aller Macht vertreten ... wer draussen ist, hat es dann doppelt so schwer. So ist es durchaus auch am regulären Arbeitsmarkt ... siehe in Europa die hohe Zahl von jungen Leuten, die es nicht geschafft haben, überhaupt in den Arbeitsmarkt einzusteigen und die daher nicht gewerkschaftlich vertreten sind.

Da zeigt sich der Vorzug vom menschenrechtsorientierten Ansatz in diesem Forum: Die Forderungen beschränken sich auf die Beseitigung des gravierendsten Missstandes ... Rechte, die selbstverständlich sein sollten, werden Sexarbeitern weiterhin verwehrt. Diese Forderung schließt niemanden aus und kann von allen unterstützt werden.

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Beitrag von Aoife »

          Bild
Doris67 hat geschrieben:In einer Gewerkschschaft geht es darum, gleiche Rechte für alle zu erkämpfen. Nicht darum, Partikularinteressen innerhalb eines Berufs durchzusetzen. Es geht um Überzeugungen, nicht um Vorteile.
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Lycisca hat geschrieben:Das hört sich genauso an, wie es von einer gewerkschaftlichen Vertretung zu erwarten wäre: Die Interessen der eigenen Mitglieder werden mit aller Macht vertreten ... wer draussen ist, hat es dann doppelt so schwer.
Sehr gegensätzliche Meinungen - vielleicht aber auch nur eine Folge der unterschiedlichen Sprachen?

Für Deutschland und UK sehe ich es genauso wie Lycisca in Österreich - aber vielleicht bedeutet "Gewerkschaft" auf Französisch (welches ich nicht beherrsche) genau das was Doris schreibt?

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Beitrag von Doris67 »

Lycisca: Was du beschreibst nennen wir in Frankreich "syndicalisme de confort", also "Komfortgewerkschafterei", im Gegensatz zu "syndicalisme de lutte", also "Kampfgewerkschafterei". Wir vom STRASS verstehen eine Gewerkschaft nicht als Interessenvertretung/Lobby, sondern als eine Kampforganisation.

Daß es bei Sexarbeitergewerkschaften, und zwar nicht nur hier in Frankreich, wohl kaum um Komfort gehen kann, sondern um Kampf für grundlegende Anerkennung unser Berufs und gleiche Rechte für uns, und immer öfter auch um Kampf um unser nacktes gesellschaftliches Überleben als Sexarbeiter/-innen, ist wohl ziemlich eindeutig, wenn man sich die internationale Lage der Sexarbeit im allgemeinen und insbesondere die aktuellen prohibitionistischen Angriffe auf breiter Front anschaut. In diesem Kontext kommt ein Ansatz wie der, den ich bisher bei der neuen Schweizer "Gewerkschaft" ausgemacht habe, denkbar ungelegen und ist kontraproduktiv. Ich würde diese Schweizer Kolleginnen aber auch gern mal zum persönlichen Austausch treffen, vielleicht verhält sich das alles ja auch anders als es aussieht.
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Beitrag von Doris67 »

P.S.: Der STRASS geht völlig mit dem Lycisca erwähnten menschentrechtlichen und allgemeinrechtlichen Ansatz konform. Das schließt gewekschaftliche Arbeit, im kämpferischen Sinne, in keiner Weise aus.
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Beitrag von Ariane »

Was die Einschätzung von Doris bzgl. der neuen Schweizer SW-Gewerkschaft betrifft, gehe ich völlig konform. Hier organisiert sich eine Interessengruppe, um Migrantinnen auszuschliessen und den Markt zum eigenen Vorteil zu nutzen. Auch in Deutschland gibt es Sexworker, die sich regelmässig mit derlei Interessen hervortun. Manche auch mit der Mogelpackung, sog. "Zwangsprostituierten" helfen zu wollen. Die Rechnung "Migrantinnen = Zwangsprostituierte" zeigt auch das Ausmass der Verstörung an, die die Berichterstattung zu Sexarbeit und Menschenhandel ausgelöst hat und interessengeleitet vermischt werden.

Marc, frag mal Thierry Schaffhauser zu seinen Erfahrungen bei GMB UK. Bei Verdi hab ich es getan. Ähnliches Resultat wie GPA. Die Ursachen sind die gleichen. Kein Interesse kann man nicht so ohne weiteres ableiten, eher, dass die wenigsten Sexworker über diese Organisationsform überhaupt informiert sind, geschweige darin einen Vorteil für sich sehen. Meines Erachtens ist die Frage und auch Stärke der Selbstorganisation und Bereitschaft vom Ausmass der Repression und Informiertheit abhängig. Die Regulierungen in Frankreich bewirken, dass im Prinzip legale Sexarbeit so gut wie unmöglich ist, ähnlich Grossbritannien, ausser man arbeitet allein, ist dabei einigen Risiken ausgesetzt, jeder Vermieter von Wohn- und Arbeitsraum an Sexworker wird mittlerweile als Menschenhändler verbucht. Das und vieles mehr zeigen ja auch die Bekanntmachungen des ECP (English Collective of Prostitutes). Oder sprechen wir von den Bedingungen grösstmöglicher Sicherheit am Arbeitsplatz ohne Ausbeutung. Regulierungen, Zonierungen, Lizensierungen schaffen und fördern im Regelfall nur Oligopole in der Sex-Industrie, Abhängigkeiten und massieren Ausbeutungsverhältnisse siehe auch der Fall Nevada U.S. Der einzige Weg ist der neuseeländische Weg, dann braucht man auch nicht mehr über Gewerkschaft sprechen. In den meisten Ländern dieser Welt gibt es rein SexarbeiterInnen geführte Interessenvertretungen. In den deutschsprachigen Ländern nicht. Die Ursachen eines hohen oder geringen Organisationsgrads liegen im Ausmass von Repression, aber auch politischer Kultur begründet. Das Interesse an politischer Partizipation fällt nicht vom Himmel. Zeitbudget, Lebensumstände vieler Sexworker kommen hinzu, dass sie sich garnicht mit den vielen rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen und Rechten rund um ihren Job auseinandersetzen können. Viele kennen ihre Rechte garnicht oder sie werden ihnen vorenthalten, auch die Information. In Deutschland.
Hinzu kommt, dass die wenigsten Sexworker sich als "ArbeiterIN" identifizieren können oder wollen, wenngleich der Begriff im Gegensatz zu Prostitution einen progressiven Geist hat und für die Durchsetzung sozialer und politischer Rechte massgeblich ist. Vor dem Hintergrund, dass sich die meisten Sexworker als Selbständige oder Freiberufler begreifen, ist die Identität eines "Arbeiters" schwer vermittelbar.
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Beitrag von Aoife »

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Ariane hat geschrieben:Kein Interesse kann man nicht so ohne weiteres ableiten, eher, dass die wenigsten Sexworker über diese Organisationsform überhaupt informiert sind, geschweige darin einen Vorteil für sich sehen.
Stimmt so sicherlich, ist aber zumindest bezüglich VERDI auch umgekehrt richtig: Ich habe die Zusammenarbeit seitens sexworker.at auf Bundesebene angeboten - und bekam zur Antwort ich solle mich an den zuständigen Ortsverband wenden. Sieht zumindest für mich nicht wirklich nach Interesse aus :002

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Beitrag von Ariane »

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