BGH: "Vergewaltigte Prostituierte nicht erpressbar"
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BGH: "Vergewaltigte Prostituierte nicht erpressbar"
Eine ebenfalls interessante Entscheidung des 3 Strafsenats, wenn auch schon etwas älter:
Die SW war hier Opfer einer sexuellen Nötigung § 177 StGB,
nicht aber eines Raubes oder einer (schweren ) räuberischen Erpressung § 253
[wie die vorhergehende Instanz falsch geurteilt hatte und in der Revision aufgehoben wurde].
BGH, Beschluss vom 18. 1. 2011 - 3 StR 467/10
1
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 18. Januar 2011 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
2
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 16. August 2010 im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte der schweren sexuellen Nötigung schuldig ist; im Strafausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
3
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
4
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
5
Gründe: Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer sexueller Nötigung in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung zu der Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Dessen Revision rügt die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
6
1. Der Schuldspruch auch wegen schwerer räuberischer Erpressung hat keinen Bestand.
7
a) Nach den Feststellungen wollte der Angeklagte die Geschädigte, die in einem Wohnmobil der Prostitution nachging, durch Bedrohung mit einem ungeladenen Schreckschussrevolver dazu zwingen, ihn mit der Hand sexuell zu befriedigen. Er ließ sich von ihr die Preise für die Ausübung von Oral- und Vaginalverkehr nennen und erklärte sich damit einverstanden. Darauf ließ ihn die Geschädigte in das Wohnmobil ein und setzte sich vor ihm auf die Bettkante.
8
Nun zog der Angeklagte den Schreckschussrevolver hervor, hielt ihn der Geschädigten an den Kopf und bedeutete ihr, an seinem Geschlechtsteil zu manipulieren. Zwei Fluchtversuche der Geschädigten unterband er dadurch, dass er sie mit der freien Hand auf das Bett zurückdrückte. Aus Angst kam die Geschädigte dem Ansinnen schließlich nach. Nach kurzer Zeit gelang es ihr indes, unter dem erhobenen rechten Arm des Angeklagten, mit dem er immer noch den Revolver hielt, hindurchzuschlüpfen und das Wohnmobil zu verlassen.
9
b) Der Ansicht des Landgerichts, damit habe der Angeklagte die Geschädigte nicht nur [ERSTENS] genötigt, sexuelle Handlungen an ihm vorzunehmen (§ 177 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 StGB), sondern [ZWEITENS] auch dazu, auf die Geltendmachung einer Forderung in Höhe dessen, was "die Leistung des erwünschten sexuellen Dienstes … üblicherweise kostet", zu verzichten (§ 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b, §§ 253, 255 StGB), kann sich der Senat nicht anschließen.
Wird eine Prostituierte zur Vornahme sexueller Handlungen gezwungen, so erwachsen ihr hieraus, wie jedem Opfer einer sexuellen Nötigung oder Vergewaltigung, Ansprüche auf Ersatz des ihr durch die Tat entstandenen materiellen und immateriellen Schadens (§ 823 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB i. V. m. § 177 StGB, §§ 249, 253 BGB). Dienstvertragliche Ansprüche werden hierdurch nicht begründet. Daran ändert sich auch nichts, wenn der Täter zunächst das Vertrauen der Prostituierten dadurch erschleicht, dass er sich als normaler Freier ausgibt und Zahlungsbereitschaft vortäuscht. Aus § 1 Satz 1 ProstG [einseitig bindender Vertrag] ergibt sich nichts Gegenteiliges.
10
Nach dieser Bestimmung erwirbt eine Prostituierte nur dann eine rechtswirksame Forderung, wenn die sexuellen Handlungen gegen ein vorher vereinbartes Entgelt vorgenommen worden sind. Sie ist Ausnahmevorschrift zu § 138 Abs. 1 BGB [Sittenwidrigkeit] und bestimmt die Wirksamkeit des Anspruchs der Prostituierten auf das vereinbarte Entgelt trotz Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäfts [dass heißt doch wohl, der BGH geht nach wie vor von der Sittenwidrigkeit der Sexarbeit aus! ??? !!! ProstG nur eine "Ausnahmevorschrift"! Anm. Marc].
Zur Anwendbarkeit weitergehender allgemeiner Regelungen des Dienstvertragsrechts, wie § 612 Abs. 1 und 2 BGB [stillschweigende Vergütung], führt die Vorschrift NICHT.
Demgemäß kommt die Erpressung einer Prostituierten in der Form, dass ihr der Verzicht auf das vereinbarte Entgelt abgenötigt wird, erst dann in Betracht, wenn die abgesprochene sexuelle Handlung einvernehmlich vorgenommen worden ist.
11
Dies war hier ersichtlich nicht der Fall; denn die Geschädigte hat die Manipulationen am Geschlechtsteil des Angeklagten nicht einvernehmlich in der Erwartung einer zugesagten Entlohnung vorgenommen, sondern wurde hierzu gegen ihren Willen gezwungen. Danach bedarf es keiner näheren Betrachtung, ob die Flucht der Geschädigten überhaupt als Verzicht auf eine ihr zustehende - werthaltige (vgl. BGH, Beschluss vom 17. August 2006 - 3 StR 279/06, NStZ 2007, 95 f.) - Forderung gewertet werden könnte.
12
Auch eine Verurteilung des Angeklagten wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung kommt nicht in Betracht. Zwar ist es grundsätzlich denkbar, dass sich der Täter, der irrtümlich davon ausgeht, er werde sich durch die dem Opfer abgepresste Handlung, Duldung oder Unterlassung rechtswidrig bereichern, der versuchten Erpressung schuldig macht (untauglicher Versuch; s. etwa BGH, Urteil vom 20. September 2007 - 3 StR 274/07, NStZ 2008, 214).
13
Auch hat das Landgericht ausdrücklich festgestellt, dem Angeklagten sei es bei der Tat neben der Erzwingung der sexuellen Handlung auch darum gegangen, die Geschädigte zum Verzicht auf den für die manuelle Stimulation "üblichen Dirnenlohn" zu nötigen. Diese Feststellung findet indes in der Beweiswürdigung keine Stütze. Worauf das Landgericht seine entsprechende Überzeugung gründet, wird nicht dargelegt. Dessen hätte es aber bedurft, da entsprechende Überlegungen eines Sexualstraftäters mehr als fern liegen. Dass in einer erneuten Hauptverhandlung eine derartige subjektive Vorstellung des Angeklagten noch belegbar sein wird, erscheint ausgeschlossen. Mit Recht ist in Rechtsprechung und Literatur - soweit ersichtlich - bisher auch nicht erwogen worden, der Täter eines Gewalt-, Sexual- oder sonstigen Nichtvermögensdelikts, der sein Opfer nötigt, nach der Tat zu fliehen oder die Flucht des Täters zu dulden, könne sich deswegen der Erpressung schuldig gemacht haben, weil er hierdurch das Opfer zum Verzicht auf die durch die Tat begründeten Schadenersatz- und/oder Schmerzensgeldansprüche gezwungen habebe. Der Senat lässt daher die Verurteilung wegen schwerer räuberischer Erpressung entfallen und ändert den Schuldspruch entsprechend ab.
14
2. Die Abänderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung des Strafausspruchs, denn es ist nicht auszuschließen, dass die Bemessung der Strafe auf der Annahme beruht, der Angeklagte habe tateinheitlich zur schweren sexuellen Nötigung einen weiteren Verbrechenstatbestand verwirklicht (s. UA S. 15). Auf die zugehörigen Feststellungen hätte dieser Wertungsfehler keinen Einfluss; sie können deshalb aufrechterhalten bleiben.
http://lexetius.com/2011,181
Ergo: Wer eine SW zu ihrer Dienstleistung nötigt und sie dabei um das Entgelt prellt begeht keine räuberische Erpressung.
Wird die Dienstleistung aber zunächst einvernehmlich erbracht, der SW dann mit Gewalt das zuvor vereinamte Entgelt abgenommen, liegt Raub bzw. (schwere) räuberische Erpressung vor.
Kasharius grüßt
Die SW war hier Opfer einer sexuellen Nötigung § 177 StGB,
nicht aber eines Raubes oder einer (schweren ) räuberischen Erpressung § 253
[wie die vorhergehende Instanz falsch geurteilt hatte und in der Revision aufgehoben wurde].
BGH, Beschluss vom 18. 1. 2011 - 3 StR 467/10
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 18. Januar 2011 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
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1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 16. August 2010 im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte der schweren sexuellen Nötigung schuldig ist; im Strafausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
3
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
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2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
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Gründe: Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer sexueller Nötigung in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung zu der Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Dessen Revision rügt die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
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1. Der Schuldspruch auch wegen schwerer räuberischer Erpressung hat keinen Bestand.
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a) Nach den Feststellungen wollte der Angeklagte die Geschädigte, die in einem Wohnmobil der Prostitution nachging, durch Bedrohung mit einem ungeladenen Schreckschussrevolver dazu zwingen, ihn mit der Hand sexuell zu befriedigen. Er ließ sich von ihr die Preise für die Ausübung von Oral- und Vaginalverkehr nennen und erklärte sich damit einverstanden. Darauf ließ ihn die Geschädigte in das Wohnmobil ein und setzte sich vor ihm auf die Bettkante.
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Nun zog der Angeklagte den Schreckschussrevolver hervor, hielt ihn der Geschädigten an den Kopf und bedeutete ihr, an seinem Geschlechtsteil zu manipulieren. Zwei Fluchtversuche der Geschädigten unterband er dadurch, dass er sie mit der freien Hand auf das Bett zurückdrückte. Aus Angst kam die Geschädigte dem Ansinnen schließlich nach. Nach kurzer Zeit gelang es ihr indes, unter dem erhobenen rechten Arm des Angeklagten, mit dem er immer noch den Revolver hielt, hindurchzuschlüpfen und das Wohnmobil zu verlassen.
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b) Der Ansicht des Landgerichts, damit habe der Angeklagte die Geschädigte nicht nur [ERSTENS] genötigt, sexuelle Handlungen an ihm vorzunehmen (§ 177 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 StGB), sondern [ZWEITENS] auch dazu, auf die Geltendmachung einer Forderung in Höhe dessen, was "die Leistung des erwünschten sexuellen Dienstes … üblicherweise kostet", zu verzichten (§ 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b, §§ 253, 255 StGB), kann sich der Senat nicht anschließen.
Wird eine Prostituierte zur Vornahme sexueller Handlungen gezwungen, so erwachsen ihr hieraus, wie jedem Opfer einer sexuellen Nötigung oder Vergewaltigung, Ansprüche auf Ersatz des ihr durch die Tat entstandenen materiellen und immateriellen Schadens (§ 823 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB i. V. m. § 177 StGB, §§ 249, 253 BGB). Dienstvertragliche Ansprüche werden hierdurch nicht begründet. Daran ändert sich auch nichts, wenn der Täter zunächst das Vertrauen der Prostituierten dadurch erschleicht, dass er sich als normaler Freier ausgibt und Zahlungsbereitschaft vortäuscht. Aus § 1 Satz 1 ProstG [einseitig bindender Vertrag] ergibt sich nichts Gegenteiliges.
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Nach dieser Bestimmung erwirbt eine Prostituierte nur dann eine rechtswirksame Forderung, wenn die sexuellen Handlungen gegen ein vorher vereinbartes Entgelt vorgenommen worden sind. Sie ist Ausnahmevorschrift zu § 138 Abs. 1 BGB [Sittenwidrigkeit] und bestimmt die Wirksamkeit des Anspruchs der Prostituierten auf das vereinbarte Entgelt trotz Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäfts [dass heißt doch wohl, der BGH geht nach wie vor von der Sittenwidrigkeit der Sexarbeit aus! ??? !!! ProstG nur eine "Ausnahmevorschrift"! Anm. Marc].
Zur Anwendbarkeit weitergehender allgemeiner Regelungen des Dienstvertragsrechts, wie § 612 Abs. 1 und 2 BGB [stillschweigende Vergütung], führt die Vorschrift NICHT.
Demgemäß kommt die Erpressung einer Prostituierten in der Form, dass ihr der Verzicht auf das vereinbarte Entgelt abgenötigt wird, erst dann in Betracht, wenn die abgesprochene sexuelle Handlung einvernehmlich vorgenommen worden ist.
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Dies war hier ersichtlich nicht der Fall; denn die Geschädigte hat die Manipulationen am Geschlechtsteil des Angeklagten nicht einvernehmlich in der Erwartung einer zugesagten Entlohnung vorgenommen, sondern wurde hierzu gegen ihren Willen gezwungen. Danach bedarf es keiner näheren Betrachtung, ob die Flucht der Geschädigten überhaupt als Verzicht auf eine ihr zustehende - werthaltige (vgl. BGH, Beschluss vom 17. August 2006 - 3 StR 279/06, NStZ 2007, 95 f.) - Forderung gewertet werden könnte.
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Auch eine Verurteilung des Angeklagten wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung kommt nicht in Betracht. Zwar ist es grundsätzlich denkbar, dass sich der Täter, der irrtümlich davon ausgeht, er werde sich durch die dem Opfer abgepresste Handlung, Duldung oder Unterlassung rechtswidrig bereichern, der versuchten Erpressung schuldig macht (untauglicher Versuch; s. etwa BGH, Urteil vom 20. September 2007 - 3 StR 274/07, NStZ 2008, 214).
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Auch hat das Landgericht ausdrücklich festgestellt, dem Angeklagten sei es bei der Tat neben der Erzwingung der sexuellen Handlung auch darum gegangen, die Geschädigte zum Verzicht auf den für die manuelle Stimulation "üblichen Dirnenlohn" zu nötigen. Diese Feststellung findet indes in der Beweiswürdigung keine Stütze. Worauf das Landgericht seine entsprechende Überzeugung gründet, wird nicht dargelegt. Dessen hätte es aber bedurft, da entsprechende Überlegungen eines Sexualstraftäters mehr als fern liegen. Dass in einer erneuten Hauptverhandlung eine derartige subjektive Vorstellung des Angeklagten noch belegbar sein wird, erscheint ausgeschlossen. Mit Recht ist in Rechtsprechung und Literatur - soweit ersichtlich - bisher auch nicht erwogen worden, der Täter eines Gewalt-, Sexual- oder sonstigen Nichtvermögensdelikts, der sein Opfer nötigt, nach der Tat zu fliehen oder die Flucht des Täters zu dulden, könne sich deswegen der Erpressung schuldig gemacht haben, weil er hierdurch das Opfer zum Verzicht auf die durch die Tat begründeten Schadenersatz- und/oder Schmerzensgeldansprüche gezwungen habebe. Der Senat lässt daher die Verurteilung wegen schwerer räuberischer Erpressung entfallen und ändert den Schuldspruch entsprechend ab.
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2. Die Abänderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung des Strafausspruchs, denn es ist nicht auszuschließen, dass die Bemessung der Strafe auf der Annahme beruht, der Angeklagte habe tateinheitlich zur schweren sexuellen Nötigung einen weiteren Verbrechenstatbestand verwirklicht (s. UA S. 15). Auf die zugehörigen Feststellungen hätte dieser Wertungsfehler keinen Einfluss; sie können deshalb aufrechterhalten bleiben.
http://lexetius.com/2011,181
Ergo: Wer eine SW zu ihrer Dienstleistung nötigt und sie dabei um das Entgelt prellt begeht keine räuberische Erpressung.
Wird die Dienstleistung aber zunächst einvernehmlich erbracht, der SW dann mit Gewalt das zuvor vereinamte Entgelt abgenommen, liegt Raub bzw. (schwere) räuberische Erpressung vor.
Kasharius grüßt
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Kommentar zum BGH-Urteil
Schlimmes BGH Urteil!
Bundesgerichtshof
BGH, Beschluss vom 18. 1. 2011 - 3 StR 467/10
(Warum müssen sich Juristen umständlich verkomplizierend ausdrücken z.B. nicht uninteressant = interessant. Ich habe mir erlaubt das oben zu vereinfachen)
1. Interessant, wie auch dieses BGH-Urteil das ProstG www.sexworker.at/prostg herabwürdigt auf eine "Ausnahmevorschrift". (Habe das im Urteil oben gelb gemarkert.)
Schon zuvor nach dem Inkrafttreten des ProstG hatte der BGH an der "grundsätzlichen Sittenwidrigkeit" der Prostitution weiter festgehalten (i.S.v. es ist immer möglich, dass es im konkreten Fall trotz Existenz des ProstG sittenwidrig ist) und hatte lediglich zugestanden, die "schlechthinige Sittenwidigkeit" (eine ungeprüft immer geltende Sittenwidrigkeit) sei aufgrund des ProstG entfallen.
So konnte der BGH urteilen, weil aufgrund eines damals notwendigen politischen Kompromisses das ProstG nur im Bundestag aber nicht Bundesrat vollste Unterstützung bekam und der Wegfall der Sittenwidrigkeit somit im ProstG selbst NICHT ausdrücklich formuliert ist, sondern nur in der anhängenden Gesetzesbegründung.
www.sexworker.at/prostg
Das heißt Richter haben immer noch die Pflicht oder Freiheit zu prüfen, ob nicht im konkreten Fall doch noch von sittenwidriger Prostitution auszugehen ist (Jugendschutz, Sperrgebiet etc.).
2. Ferner hat das Urteil einen schalen Beigeschmack, weil durch raffinierte juristisch-zeitlich-kausale Argumentation, der Tatbestand der Erpressung hier ABERKANNT und die Rechtsprechung der vorhergehenden Instanz korrigiert wird.
(Räuberische) Erpressung § 253 ff. verlangt einen Vermögensschaden. Und in der Prostitution liegt das m.E. immer vor, weil die Sex-Dienstleistung bepreist ist, also einen Geldwert hat (aber natürlich liegt genau darin das Tabu der Sexarbeit und das ist bekanntlich genau der Grund für die Kontroverse um die Sittenwidrigkeit). D.h. das hohe Gericht hat sich hier geweigert, den Wert von Sexdienstleistung, Sexappeal, sexueller Kunstfertigkeit oder Sexpotentialität des Sexworkers anzuerkennen. Somit wurde Sex-Arbeit oder Sex-Geschäft auf lediglich Sex zurückgestutzt.
Aber allein die gestohlene(!) Zeit ist m.E. schon ein Vermögensschaden, wo opportunistische Kosten und entgangene Gewinne angefallen sind, die auch einfach zu bemessen gewesen wären. Aber das Gericht weigert sich konkludente = stillschweigende Vergütung anzuerkennen. Das Gericht hat eine weitergehende Zuständigkeit des Dienstvertragsrechtes VERNEINT! Ein schwerer Defizit des ProstG bzw. der nicht erfolgten "Ausstrahlwirkung" auf die sich RA von Galen in ihrem dennoch beachtenswerten Kommentar zum ProstG beruft.
Es ist m.E. etwas anderes, ob ich etwas unerlaubterweise nutze oder mir erpresserisch zu eigen mache, was jemand privat besitzt oder erstellt hat (z.B. einen Text, Bild, Gartenfrucht) oder ob das ein gewerblich erzeugtes Gut ist z.B. einer Firma, Künstlers, Handwerkers oder Sexworkers und daneben ein Preisschild plus Firmenschild hängt, bzw. davon auszugehen ist, dass ein Preis d.h. der Vermögenswert allgemein bekannt ist. Was soll der Quatsch, nur eine Prostituierte könne erpresst werden, mit der man zuvor einen Preis ausgehandelt habe? Lächerlich!!! Das ist Hohn ins Gesicht alle Sexarbeiter, von denen man Anwendung der Kontrollen des Gewerberechts und Gewerbesteuerzahlung abverlangt / abverlangen will.
3. Das Urteil erinnert - möglicherweise ungewollt und möglicherweise unberechtigt - an die frühere unsägliche "Rechtstradition", wonach Sexarbeiter nicht vergewaltigt werden können, weil sie ja dadurch dass sie Sexarbeiter sind, bereits einer promiskuitiven ("wahllosen") Sexualität und Partnerwahl mit wildfremden Männern zugestimmt hätten.
Dazu hier weitere Entscheidungen und Querverweise
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=25947#25947
aus mehreren Ländern. Insbesondere das erfreuliche Urteil aus Italien, wo der Vergewaltigungstatbestand allein wg. nachträglichem Nichtbezahlen eindeutig bejaht wurde
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=78748#78748
Wer findet das Urteil auch so empörend?
Bundesgerichtshof
BGH, Beschluss vom 18. 1. 2011 - 3 StR 467/10
(Warum müssen sich Juristen umständlich verkomplizierend ausdrücken z.B. nicht uninteressant = interessant. Ich habe mir erlaubt das oben zu vereinfachen)
1. Interessant, wie auch dieses BGH-Urteil das ProstG www.sexworker.at/prostg herabwürdigt auf eine "Ausnahmevorschrift". (Habe das im Urteil oben gelb gemarkert.)
Schon zuvor nach dem Inkrafttreten des ProstG hatte der BGH an der "grundsätzlichen Sittenwidrigkeit" der Prostitution weiter festgehalten (i.S.v. es ist immer möglich, dass es im konkreten Fall trotz Existenz des ProstG sittenwidrig ist) und hatte lediglich zugestanden, die "schlechthinige Sittenwidigkeit" (eine ungeprüft immer geltende Sittenwidrigkeit) sei aufgrund des ProstG entfallen.
So konnte der BGH urteilen, weil aufgrund eines damals notwendigen politischen Kompromisses das ProstG nur im Bundestag aber nicht Bundesrat vollste Unterstützung bekam und der Wegfall der Sittenwidrigkeit somit im ProstG selbst NICHT ausdrücklich formuliert ist, sondern nur in der anhängenden Gesetzesbegründung.
www.sexworker.at/prostg
Das heißt Richter haben immer noch die Pflicht oder Freiheit zu prüfen, ob nicht im konkreten Fall doch noch von sittenwidriger Prostitution auszugehen ist (Jugendschutz, Sperrgebiet etc.).
2. Ferner hat das Urteil einen schalen Beigeschmack, weil durch raffinierte juristisch-zeitlich-kausale Argumentation, der Tatbestand der Erpressung hier ABERKANNT und die Rechtsprechung der vorhergehenden Instanz korrigiert wird.
(Räuberische) Erpressung § 253 ff. verlangt einen Vermögensschaden. Und in der Prostitution liegt das m.E. immer vor, weil die Sex-Dienstleistung bepreist ist, also einen Geldwert hat (aber natürlich liegt genau darin das Tabu der Sexarbeit und das ist bekanntlich genau der Grund für die Kontroverse um die Sittenwidrigkeit). D.h. das hohe Gericht hat sich hier geweigert, den Wert von Sexdienstleistung, Sexappeal, sexueller Kunstfertigkeit oder Sexpotentialität des Sexworkers anzuerkennen. Somit wurde Sex-Arbeit oder Sex-Geschäft auf lediglich Sex zurückgestutzt.
Aber allein die gestohlene(!) Zeit ist m.E. schon ein Vermögensschaden, wo opportunistische Kosten und entgangene Gewinne angefallen sind, die auch einfach zu bemessen gewesen wären. Aber das Gericht weigert sich konkludente = stillschweigende Vergütung anzuerkennen. Das Gericht hat eine weitergehende Zuständigkeit des Dienstvertragsrechtes VERNEINT! Ein schwerer Defizit des ProstG bzw. der nicht erfolgten "Ausstrahlwirkung" auf die sich RA von Galen in ihrem dennoch beachtenswerten Kommentar zum ProstG beruft.
Es ist m.E. etwas anderes, ob ich etwas unerlaubterweise nutze oder mir erpresserisch zu eigen mache, was jemand privat besitzt oder erstellt hat (z.B. einen Text, Bild, Gartenfrucht) oder ob das ein gewerblich erzeugtes Gut ist z.B. einer Firma, Künstlers, Handwerkers oder Sexworkers und daneben ein Preisschild plus Firmenschild hängt, bzw. davon auszugehen ist, dass ein Preis d.h. der Vermögenswert allgemein bekannt ist. Was soll der Quatsch, nur eine Prostituierte könne erpresst werden, mit der man zuvor einen Preis ausgehandelt habe? Lächerlich!!! Das ist Hohn ins Gesicht alle Sexarbeiter, von denen man Anwendung der Kontrollen des Gewerberechts und Gewerbesteuerzahlung abverlangt / abverlangen will.
3. Das Urteil erinnert - möglicherweise ungewollt und möglicherweise unberechtigt - an die frühere unsägliche "Rechtstradition", wonach Sexarbeiter nicht vergewaltigt werden können, weil sie ja dadurch dass sie Sexarbeiter sind, bereits einer promiskuitiven ("wahllosen") Sexualität und Partnerwahl mit wildfremden Männern zugestimmt hätten.
Dazu hier weitere Entscheidungen und Querverweise
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=25947#25947
aus mehreren Ländern. Insbesondere das erfreuliche Urteil aus Italien, wo der Vergewaltigungstatbestand allein wg. nachträglichem Nichtbezahlen eindeutig bejaht wurde
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=78748#78748
Wer findet das Urteil auch so empörend?
Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 15.04.2013, 11:44, insgesamt 2-mal geändert.
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Die juristischen winkelzüge, wo wie und wann eine bezahlung getätigt oder in aussicht gestellt werden muss, um eine schwere räuberische erpressung (immerhin mit waffengewalt = also todesangst für die betroffene sw) zu rechtfertigen, sind mir wie immer zu hoch.
aber dass der BGH in diesem zusammenhang tatsächlich noch immer von einer SITTENWIDRIGKEIT DES RECHTSGESCHÄFTES fabuliert, ist schockierend.
die aufhebung der sittenwidrigkeit ist doch der kern, die essenz des prostitutionsgesetzes, und die wird nun von hoher stelle negiert.
eine gedankliche verknüpfung zum thema "kann eine prostituierte überhaupt vergewaltigt werden?" ist auch bei mir gegeben, es hätte nur noch gefehlt dass auch der soziale unwert dieser tätgkeit noch gleich mit im urteil betont wird.
aber dass der BGH in diesem zusammenhang tatsächlich noch immer von einer SITTENWIDRIGKEIT DES RECHTSGESCHÄFTES fabuliert, ist schockierend.
die aufhebung der sittenwidrigkeit ist doch der kern, die essenz des prostitutionsgesetzes, und die wird nun von hoher stelle negiert.
eine gedankliche verknüpfung zum thema "kann eine prostituierte überhaupt vergewaltigt werden?" ist auch bei mir gegeben, es hätte nur noch gefehlt dass auch der soziale unwert dieser tätgkeit noch gleich mit im urteil betont wird.
liebe grüsse malin
eventuell fehlende buchstaben sind durch meine klemmende tastatur bedingt :-)
eventuell fehlende buchstaben sind durch meine klemmende tastatur bedingt :-)
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@Marc
erstmal Danke für das weitergehende edieren.
@Marc@malin
die Sittenwidrigkeit der Prostitution auch nach Verabschiedung des Prostitutionsgesetzes in der Logik einiger Juristen erklärt sich dadurch, daß die SW nach dem ProstG Anspruch auf das vereinbarte Entgelt, der Kunde aber keinen rechtlich durchsetzbaren Anspruch auf die (zuvor vereinbarte ) Handlung hat. Dies kann er nur als Einrede gegen das Zahlungsbegehren der SW geltend mach; ist aber wegen Vorkasseprinzip meist obsolet. Es handelt sich hier eben nicht um ein Vertrgagsverhältnis auf Augenhöhe von Leistung und Gegenleistung, jedenfalls nicht rechtsdogmatisch. Das ist einer der Geburtsfehler des Prostitutionsgesetzes der m.E. korrigiert gehört. Vorschläge dazu gibt es ja (auch von mir in meiner Diss.).
Kasharius grüßt
erstmal Danke für das weitergehende edieren.
@Marc@malin
die Sittenwidrigkeit der Prostitution auch nach Verabschiedung des Prostitutionsgesetzes in der Logik einiger Juristen erklärt sich dadurch, daß die SW nach dem ProstG Anspruch auf das vereinbarte Entgelt, der Kunde aber keinen rechtlich durchsetzbaren Anspruch auf die (zuvor vereinbarte ) Handlung hat. Dies kann er nur als Einrede gegen das Zahlungsbegehren der SW geltend mach; ist aber wegen Vorkasseprinzip meist obsolet. Es handelt sich hier eben nicht um ein Vertrgagsverhältnis auf Augenhöhe von Leistung und Gegenleistung, jedenfalls nicht rechtsdogmatisch. Das ist einer der Geburtsfehler des Prostitutionsgesetzes der m.E. korrigiert gehört. Vorschläge dazu gibt es ja (auch von mir in meiner Diss.).
Kasharius grüßt

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Sonderkonstrukt: einseitig bindender Vertrag
Vorschläge das ProstG fortzuentwickeln müssen wir noch bekannter machen, auch so dass Sexworker es verstehen und weitergeben können (z.B. ihren Kunden;).
(Es darf nicht passieren, dass Sexworker ihre eigenen Gesetze z.B. Steuer nicht verstehen können, vgl. Düsseldorf...)
Das Sonderkonstrukt des nur einseitig bindenden Vertrages wurde uns bisher als Schutz für die Sexworker verkauft. Tatsächlich ist es auch ein bevormundender Paternatlismus, wo Sexworker wie nicht-voll-geschäftsfähige Kinder behandelt werden...
Ok, wenn einige Juristen undogmatisch = sittenwidrig setzen, dann ist alles klar *lol*
Habe deine Diss bisher nicht gelesen. Evt. magst du die Vorschläge als Stichpunkte nochmal nennen. Danke.
Am besten hier: www.sexworker.at/prostg
(Es darf nicht passieren, dass Sexworker ihre eigenen Gesetze z.B. Steuer nicht verstehen können, vgl. Düsseldorf...)
Das Sonderkonstrukt des nur einseitig bindenden Vertrages wurde uns bisher als Schutz für die Sexworker verkauft. Tatsächlich ist es auch ein bevormundender Paternatlismus, wo Sexworker wie nicht-voll-geschäftsfähige Kinder behandelt werden...
Ok, wenn einige Juristen undogmatisch = sittenwidrig setzen, dann ist alles klar *lol*
Habe deine Diss bisher nicht gelesen. Evt. magst du die Vorschläge als Stichpunkte nochmal nennen. Danke.
Am besten hier: www.sexworker.at/prostg
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Entschuldigung, falls es eine blöde Frage sein sollte, aber verstehe ich das richtig, dass es als wünschenswert angesehen wird, wenn Kunden den Erhalt einer SW Dienstleistung grundsätzlich durchsetzen können?
Wenn ja, was wird dann aus dem in anderen Bereichen geltenden grundsätzlichen Kontrahierungszwang? Kontrahierungszwang bedeutet, dass beispielsweise ein Dienstleister, der Dienstbereitschaft signalisiert (beispielsweise durch Anzeigen etc.) nicht im Einzelfall einen Kunden ablehnen darf, außer wenn es in dem konkreten Fall rechtswidrig wäre oder "überobligatorisch" (dies wäre beispielsweise wenn ein Kunde beim Mac reinkommt und 1000 Burger zum sofortigen Mitnehmen bestellt, das schafft ein normaler Mac einfach nicht).
Bzw. wäre es auch "Paternalismus", wenn speziell für den SW-Bereich die Privatautonomie (der Gegenpol zum Kontrahierungszwang, also dass beispielsweise Kunden "grundlos" abgelehnt werden dürfen) Vorrang vor dem Kontrahierungszwang bekäme (durch gesetzliche Sonderregelung). Falls ein Vorrang der Privatautonomie (ausnahmsweise) für SW vorgesehen werden sollte, womit wäre das zu begründen vor dem Hintergrund, dass SW anderen Dienstleistungen (rechtlich) gleich gestellt werden soll?
Wenn ja, was wird dann aus dem in anderen Bereichen geltenden grundsätzlichen Kontrahierungszwang? Kontrahierungszwang bedeutet, dass beispielsweise ein Dienstleister, der Dienstbereitschaft signalisiert (beispielsweise durch Anzeigen etc.) nicht im Einzelfall einen Kunden ablehnen darf, außer wenn es in dem konkreten Fall rechtswidrig wäre oder "überobligatorisch" (dies wäre beispielsweise wenn ein Kunde beim Mac reinkommt und 1000 Burger zum sofortigen Mitnehmen bestellt, das schafft ein normaler Mac einfach nicht).
Bzw. wäre es auch "Paternalismus", wenn speziell für den SW-Bereich die Privatautonomie (der Gegenpol zum Kontrahierungszwang, also dass beispielsweise Kunden "grundlos" abgelehnt werden dürfen) Vorrang vor dem Kontrahierungszwang bekäme (durch gesetzliche Sonderregelung). Falls ein Vorrang der Privatautonomie (ausnahmsweise) für SW vorgesehen werden sollte, womit wäre das zu begründen vor dem Hintergrund, dass SW anderen Dienstleistungen (rechtlich) gleich gestellt werden soll?
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@"ehemaliger User"
hallo erstmal. Schn wieder von Dir zu lesen. In der Sache geht es hier nicht um einen Kontrahierungszwang oder das Recht von SW Kunden (v o r Vertragsschluss) ablehnen zu können. Das Prostitutionsgesetz geht in seiner rechtsdogmatischen Konstruktion davon aus, daß nach erfolgtem Vertragsschluss, also der Annahme des jeweiligen Angebotes auf Abschluss des sexuellen Dienstleistungsvertrages eben nur ein Anspruch auf das Entgelt, nicht aber auf die sexuelle Dienstleistung besteht; wie gesagt immer unter der Prämisse, daß der Vertrag, er bedarf ja keiner Schriftform, zustande gekommen ist. Wenn der Kunde abgelehnt wird oder man sich über den Inhalt des Vertrages gar nicht einig wird, kommt der Vertrag gar nicht zu Stande und es gibt, zumindest rechtlich, auch kein Problem.
Besteht aber Einigkeit darüber, was von der/dem SW gesculdet wird und was der Kunde dafür bezahlt, dann und nur dann greifen die so beschriebenen rechtsdogmatischen zivilrechtlichen Regelungen des ProstG.
Ich hoffe ich konnte mich halbwegs verständlich machen!? Wenn nicht:Löchert mich mit Nachfragen!
@Marc
ich habe die Vorschläge und weitere Auszüge der Diss. hier im Forum unter REchts-Tips eingestellt. Es tut mir übrigen Leid wenn das bloße Einstellen von Entscheidungen trotz Edierung nicht ausreichend Euren Interessen dienlich ist. Ich werde bemüht sein, sie noch stärker zu erläutern; ist halt auch eine Zeitfrage neben Arbeit und Privatleben...
Aber ich gelobe Besserung...
Kasharius grüßt
hallo erstmal. Schn wieder von Dir zu lesen. In der Sache geht es hier nicht um einen Kontrahierungszwang oder das Recht von SW Kunden (v o r Vertragsschluss) ablehnen zu können. Das Prostitutionsgesetz geht in seiner rechtsdogmatischen Konstruktion davon aus, daß nach erfolgtem Vertragsschluss, also der Annahme des jeweiligen Angebotes auf Abschluss des sexuellen Dienstleistungsvertrages eben nur ein Anspruch auf das Entgelt, nicht aber auf die sexuelle Dienstleistung besteht; wie gesagt immer unter der Prämisse, daß der Vertrag, er bedarf ja keiner Schriftform, zustande gekommen ist. Wenn der Kunde abgelehnt wird oder man sich über den Inhalt des Vertrages gar nicht einig wird, kommt der Vertrag gar nicht zu Stande und es gibt, zumindest rechtlich, auch kein Problem.
Besteht aber Einigkeit darüber, was von der/dem SW gesculdet wird und was der Kunde dafür bezahlt, dann und nur dann greifen die so beschriebenen rechtsdogmatischen zivilrechtlichen Regelungen des ProstG.
Ich hoffe ich konnte mich halbwegs verständlich machen!? Wenn nicht:Löchert mich mit Nachfragen!
@Marc
ich habe die Vorschläge und weitere Auszüge der Diss. hier im Forum unter REchts-Tips eingestellt. Es tut mir übrigen Leid wenn das bloße Einstellen von Entscheidungen trotz Edierung nicht ausreichend Euren Interessen dienlich ist. Ich werde bemüht sein, sie noch stärker zu erläutern; ist halt auch eine Zeitfrage neben Arbeit und Privatleben...
Aber ich gelobe Besserung...

Kasharius grüßt

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womit man mal wieder sieht, dass die gesetzeslage zu anderen dienstleistungen nur schwerlich auf den paysex übertragbar sind.
ich für meinen teil habe jedenfalls spontan diverse gründe im kopf, die ein abbrechen der handlung und ablehnen des kunden auch NACH vertragsabschluss zwingend notwendig machen würden...natürlich unter anteiliger, fairer geldrückgabe.
aber eine verpflichtung zur service erbringung nach einmal geschlossenem (mündlichem) vertrag wäre für mich indiskutabel.
in dieser hinsicht ist paysex definitiv kein job wie jeder andere!
ich für meinen teil habe jedenfalls spontan diverse gründe im kopf, die ein abbrechen der handlung und ablehnen des kunden auch NACH vertragsabschluss zwingend notwendig machen würden...natürlich unter anteiliger, fairer geldrückgabe.
aber eine verpflichtung zur service erbringung nach einmal geschlossenem (mündlichem) vertrag wäre für mich indiskutabel.
in dieser hinsicht ist paysex definitiv kein job wie jeder andere!
liebe grüsse malin
eventuell fehlende buchstaben sind durch meine klemmende tastatur bedingt :-)
eventuell fehlende buchstaben sind durch meine klemmende tastatur bedingt :-)
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@Kasharius
Danke, ich lese Deine Beiträge hier sehr gerne und halte sie für äußerst hilfreich beim Verständnis der komplexen Materien.
Klar, die Frage des Kontrahierungszwangs ist ein vorvertraglicher Aspekt und keiner des geschlossenen Vertrages. Was ich damit ansprechen wollte, dass es wohl eher nicht möglich ist, übliche zivilrechtliche Maßstäbe an SW-Verträge (und deren Entstehen) anzulegen. Ich sehe da auch eher ein Dilemma des Gesetzgebers.
Entweder wird eine SW, ganz wie bei anderen Verträgen auch, zur "Vertragstreue" angehalten, also sie muss leisten, es sei denn es läge ein Fall der Unmöglichkeit vor ("unmöglich" im objektiven Sinne, subjektive Tatbestände scheiden im Zivilrecht in aller Regel aus). Oder es wird etwas konstruiert, das die SW von der Leistungspflicht entbindet, per Sonderregelung, und stattdessen die Rückabwicklung erlaubt. Letzteren Weg ist der Gesetzgeber gegangen, wobei eine solche Sonderregelung ja auch Gründe haben muss. Die "teilweise" Sittenwidrigkeit ist da möglicherweise ein Krücke. Anders wäre es nur schwer zu begründen, warum ausgerechnet SW von einer Leistungspflicht generell entbunden werden sollen.
Die vorvertragliche Frage des Kontrahierungszwangs ist dabei m.E. nur ein weiterer Aspekt, welcher Sonderregelungen, in Abweichung vom allgemeinen Zivilrecht, erfordert. Aber auch hierfür müssen dann zivilrechtliche (objektive) Gründe gefunden werden. Es sind also zwei Seiten eines Problems, denke ich.
Grundsätzlich könnte all dies durch ein erheblich erweitertes Prostitutionsgesetz geregelt werden, Spezialgesetze haben Vorrang vor allgemeinen Gesetzen. Wenn ich bedenke, dass beispielsweise das Markengesetz ganze 165 Paragrafen hat, dann ist das vermutlich für die meisten Menschen wichtigere ProstG geradezu steinzeitlich (im rechtlichen Sinne). Und läßt daher auch den Gerichten einen extremen Spielraum, irgendwelche persönlichen Rechtsauffassungen der Richter (m/w) Entscheidungen beeinflussen zu lassen.
Dieser (meiner) Auffassung steht natürlich auch gegenüber, dass vermutlich die Anbieterseite ohnehin zusätzlichen Regelungen ablehnend gegenüber steht. Das ist das Dilemma, wie ich es sehe, nämlich dass folglich der (auch bequemere) Weg genommen wird, nämlich sich erst gar keine Gedanken darüber zu machen, wie ein wirklich brauchbares und auch Gerichte quasi an die Kandare nehmendes ProstG aussehen könnte.
@ Malin
Eben das ist das "Problem". Dass nämlich m.E. keine "Gleichstellung" mit beliebigen Dienstleistungsverträgen erfolgen kann, sondern vielmehr ein umfassendes "Lex Specialis" benötigt wird. Nur ohne "Druck" macht das kein Politiker. Und dieser Druck muss von den "interessierten Kreisen" kommen, nämlich der Anbieter.
Danke, ich lese Deine Beiträge hier sehr gerne und halte sie für äußerst hilfreich beim Verständnis der komplexen Materien.
Klar, die Frage des Kontrahierungszwangs ist ein vorvertraglicher Aspekt und keiner des geschlossenen Vertrages. Was ich damit ansprechen wollte, dass es wohl eher nicht möglich ist, übliche zivilrechtliche Maßstäbe an SW-Verträge (und deren Entstehen) anzulegen. Ich sehe da auch eher ein Dilemma des Gesetzgebers.
Entweder wird eine SW, ganz wie bei anderen Verträgen auch, zur "Vertragstreue" angehalten, also sie muss leisten, es sei denn es läge ein Fall der Unmöglichkeit vor ("unmöglich" im objektiven Sinne, subjektive Tatbestände scheiden im Zivilrecht in aller Regel aus). Oder es wird etwas konstruiert, das die SW von der Leistungspflicht entbindet, per Sonderregelung, und stattdessen die Rückabwicklung erlaubt. Letzteren Weg ist der Gesetzgeber gegangen, wobei eine solche Sonderregelung ja auch Gründe haben muss. Die "teilweise" Sittenwidrigkeit ist da möglicherweise ein Krücke. Anders wäre es nur schwer zu begründen, warum ausgerechnet SW von einer Leistungspflicht generell entbunden werden sollen.
Die vorvertragliche Frage des Kontrahierungszwangs ist dabei m.E. nur ein weiterer Aspekt, welcher Sonderregelungen, in Abweichung vom allgemeinen Zivilrecht, erfordert. Aber auch hierfür müssen dann zivilrechtliche (objektive) Gründe gefunden werden. Es sind also zwei Seiten eines Problems, denke ich.
Grundsätzlich könnte all dies durch ein erheblich erweitertes Prostitutionsgesetz geregelt werden, Spezialgesetze haben Vorrang vor allgemeinen Gesetzen. Wenn ich bedenke, dass beispielsweise das Markengesetz ganze 165 Paragrafen hat, dann ist das vermutlich für die meisten Menschen wichtigere ProstG geradezu steinzeitlich (im rechtlichen Sinne). Und läßt daher auch den Gerichten einen extremen Spielraum, irgendwelche persönlichen Rechtsauffassungen der Richter (m/w) Entscheidungen beeinflussen zu lassen.
Dieser (meiner) Auffassung steht natürlich auch gegenüber, dass vermutlich die Anbieterseite ohnehin zusätzlichen Regelungen ablehnend gegenüber steht. Das ist das Dilemma, wie ich es sehe, nämlich dass folglich der (auch bequemere) Weg genommen wird, nämlich sich erst gar keine Gedanken darüber zu machen, wie ein wirklich brauchbares und auch Gerichte quasi an die Kandare nehmendes ProstG aussehen könnte.
@ Malin
Eben das ist das "Problem". Dass nämlich m.E. keine "Gleichstellung" mit beliebigen Dienstleistungsverträgen erfolgen kann, sondern vielmehr ein umfassendes "Lex Specialis" benötigt wird. Nur ohne "Druck" macht das kein Politiker. Und dieser Druck muss von den "interessierten Kreisen" kommen, nämlich der Anbieter.
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@"ehemaliger User"
es stellt sich aber auch die Frage, ob man zivilrechtlich die Prostitution überhaupt hätte regeln müssen; deren Sittenwidrigkeit war ja ein Ergebnis der Rechtssprechung und der Auslegung des § 138 BGB. Es stand ja in keinem Zivilgesetz geschrieben, daß Verträge mit SW immer Sittenwidrig sind....Man hättre von dieser Rechtssprechung ja auch einfach Abstand nehmen können und normales Dienstvertragsrecht anwenden können...?!
Nur mal so ein Gedanke...
Und im Übrigen: Was heißt den eigentlich Prostitution ist kein Beruf wie jeder andere...? Welcher Beruf ist wie jeder andere...?
Kasharius grüßt fragend
es stellt sich aber auch die Frage, ob man zivilrechtlich die Prostitution überhaupt hätte regeln müssen; deren Sittenwidrigkeit war ja ein Ergebnis der Rechtssprechung und der Auslegung des § 138 BGB. Es stand ja in keinem Zivilgesetz geschrieben, daß Verträge mit SW immer Sittenwidrig sind....Man hättre von dieser Rechtssprechung ja auch einfach Abstand nehmen können und normales Dienstvertragsrecht anwenden können...?!
Nur mal so ein Gedanke...
Und im Übrigen: Was heißt den eigentlich Prostitution ist kein Beruf wie jeder andere...? Welcher Beruf ist wie jeder andere...?
Kasharius grüßt fragend

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Normales Dienstvertragsrecht würde ich eben für mehr als problematisch halten, wegen der vielfältigen rechtliche Zwänge, welche sich aus dem BGB und der allgemeinen Rechtsprechung hierzu ergeben, und für P6 Dienstleister in bestimmten Situationen ziemlich problematisch werden können (Entfall der "Sittenwidrigkeits-Rechtsprechung" angenommen).Kasharius hat geschrieben:@"ehemaliger User"
es stellt sich aber auch die Frage, ob man zivilrechtlich die Prostitution überhaupt hätte regeln müssen; deren Sittenwidrigkeit war ja ein Ergebnis der Rechtssprechung und der Auslegung des § 138 BGB. Es stand ja in keinem Zivilgesetz geschrieben, daß Verträge mit SW immer Sittenwidrig sind....Man hättre von dieser Rechtssprechung ja auch einfach Abstand nehmen können und normales Dienstvertragsrecht anwenden können...?!
Nur mal so ein Gedanke...
Und im Übrigen: Was heißt den eigentlich Prostitution ist kein Beruf wie jeder andere...? Welcher Beruf ist wie jeder andere...?
Kasharius grüßt fragend
Zwar sind die meisten BGB Bestimmungen abdingbar (es können abweichende vertragliche Individualvereinbarungen getroffen werden), aber solche Vereinbarungen wären aus Beweislastgründen schriftlich zu schließen (weil sonst, ohne Beweismittel, es auf die BGB Bestimmungen zurückfällt), es ist aber eher unwahrscheinlich, dass die hier relevanten "Verkehrskreise" da offen für sind. Auch eine Anbringung in AGB dürfte schwierig sein, jedenfalls in Hinblick auf die Wirksamkeit "überraschender" Bestimmungen.
Nicht ohne Grund gibt es ja in diversen Bereichen Lex Specialis, nur mal als Beispiel die Fahrzeugführerhaftung im StVG, weil §823 BGB und die Rechtsprechung dazu als nicht "passend" bzw. "ausreichend" angesehen wurde. Und, nicht unwichtig, weil den Gerichten bei der Behandlung der Frage nicht allzu freie Hand gegeben werden sollte, also Sicherung der einheitlichen Rechtsprechung.