Grüne zur Prostitution: Bürokraten im Bordell

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Tilopa
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RE: Grüne zur Prostitution: Bürokraten im Bordell

Beitrag von Tilopa »

Falls jemand Interesse hat, die Programmdebatte auf der Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen mitzuverfolgen, kann dies heute und morgen im Livestream unter http://www.gruene.de/ tun. Die Tagesordnung scheint vorzusehen, dass die Themen entlang der Kapitel des Programmentwurfs abgearbeitet werden - das Kapitel, in dem Prostitutionspolitik behandelt wird, "Gleichberechtigung schaffen" (SexarbeiterInnen, ProstitutionskundInnen und OrganisatorInnen von Sexarbeit sind von dieser schönen "Gleichberechtigung" allerdings nach wie vor ausgenommen), wird damit vermutlich heute am späten Abend oder morgen Vormittag debattiert.

Hier noch einmal der Programmentwurf inkl. Änderungsanträge für dieses Kapitel: http://www.gruene.de/fileadmin/user_upl ... n-2013.pdf

Und die Kapitel-Reihenfolge des gesamten Programms:
A) Teilhaben. Einmischen. Zukunft schaffen.
B) 100% sichere Energie
C) Anders Wirtschaften
D) Besser Haushalten
E) Teilhaben an guter Arbeit
F) Teilhaben an guter Bildung
G) Teilhaben an sozialer Sicherung
H) Teilhabe für Jung und Alt
I) Intakte Umwelt für alle
J) Neue Mobilität für alle
K) Verbraucherschutz für alle
L) Freies Netz für alle
M) Demokratie erneuern
N) Bürgerrechte stärken
O) Gleichberechtigung schaffen
P) Kunst und Kultur beflügeln
Q) Unsere Politik vor Ort
R) Unser gemeinsames Europa
S) Unsere eine Welt

Nachtrag 17:30 - Mittlerweile ist man schon beim Thema Netzpolitik, deshalb könnte es schon in 1-2 Stunden mit dem Kapitel "Gleichberechtigung" losgehen.
Zuletzt geändert von Tilopa am 27.04.2013, 17:40, insgesamt 3-mal geändert.

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Beitrag von Tilopa »

Außerdem möchte ich hier noch den offenen Brief von Dona Carmen e.V. an die Delegierten wiedergeben:


http://www.donacarmen.de/?p=378


Offener Brief an die Delegierten der Bundesdelegiertenversammlung von Bündnis 90 / Die Grünen

Die Bundesdelegiertenkonferenz vom 26. bis 28. April 2013 in Berlin beschließt das Wahlprogramm von Bündnis 90 / Die Grünen für die Bundestagswahl im September 2013. Der Entwurf des Wahlprogramms enthält 9 Zeilen zu 'Prostitution' und weitere 10 Zeilen zur so genannten 'Zwangsprostitution', bezeichnenderweise unter der Überschrift "Gewalt ächten" - typisch für Prostitutionsgegner, die Sexarbeit in der Prostitution zwang- und reflexhaft, ohne Bezug auf empirische Fakten, stets nur mit Gewalt und Kriminalität in Verbindung bringen.

Der entsprechende Passus im Wahlprogramm ("BTW-G-01" BTW-Prostitution-1 http://www.donacarmen.de/wp-content/upl ... ion-11.pdf ) sowie die darauf bezogenen Änderungsanträge verdeutlichen, dass die Partei Bündnis 90 / Die Grünen dem 1993 vom Bundeskriminalamt (BKA) aus der Taufe gehobenen Konzept einer "gewerberechtlichen Erlaubnispflicht für Prostitution" verpflichtet ist. Spätestens mit der Bundestagswahl 2013 erweisen sich Bündnis 90 / Die Grünen als Partei der Prostitutionsgegner. Ihre Vorstellungen sind nun auch in puncto 'Prostitution' kompatibel mit den programmatischen Vorstellungen der Rechtskonservativen in Deutschland. Darüber können einige wenige, liberal anmutende Beteuerungen in den Änderungsanträgen von Volker Beck et.al. nicht hinwegtäuschen.

Völlig indiskutabel und jenseits von Gut und Böse sind die Änderungsanträge "BTW-G-01-177" sowie "BTW-G-01-192-2" der baden-württembergischen Grünen mit ihrer evangelikalen Landesvorsitzenden, der Prostitutionsgegnerin Thekla Walker (ehemals Evangelisches Missionswerk für Südwestdeutschland). Sie möchten, dass Sexarbeiter/innen in der Prostitution zukünftig "unter Polizeischutz stehen"! (vgl. "BTW-G-01-177", Zeile 66 BTW-G-01-Prostitution-1 http://www.donacarmen.de/wp-content/upl ... ion-11.pdf )

Die Änderungsanträge der Südwest-Grünen atmen den Geist des repressiven Obrigkeits-staates und sind die 1:1-Übernahme der Forderungen von BKA und Innenminister. Das Original, aus dem abgeschrieben wurde, ist das am 11.10.2010 vom Bremer Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) vorgelegte Positionspapier "Regulierungsbedarfe im Zusammenhang mit der Prostitutionsausübung zur Bekämpfung des Menschenhandels und der Zwangs-prostitution", das die 191. Innenministerkonferenz am 18./19. November 2010 in Hamburg einstimmig verabschiedet hat. Die von den Südwest-Grünen geforderte polizeiliche Reglementierung von Prostitution dient ausschließlich polizeilichen Überwachungsinteressen, nicht aber – wie behauptet – dem Schutz von Frauen in der Prostitution. Sie ist von Sexarbeiter/innen nie gefordert worden! Die mit Hinweis auf den "massiven Zustrom junger Osteuropäerinnen" gerechtfertigten repressiven Konzepte einer Regulierung von Prostitution bedienen rassistische Vorurteile und zeigen, wes Geistes Kind die Antragsteller/innen sind.

Die Anträge der Südwest-Grünen taugen noch nicht einmal, den scheinbar in eine liberalere Richtung weisenden Änderungsantrag "BTW-G-01-177-1" von Volker Beck et.al. in einem vorteilhaften Licht erscheinen zu lassen. Auch dessen Änderungsantrag pflastert den Weg zu einer polizeilichen Regulierung von Prostitution und ist nichts anderes als die Rückabwicklung des Prostitutionsgesetzes von 2002. Angeblich setzt dieser Änderungsantrag nicht auf "Einschränkungen", sondern auf "Recht", wenn man wie Beck u.a. fordert, dass "Prostitutionsbetriebe ab einer bestimmten Größe der gewerberechtlichen Erlaubnispflicht unterliegen" sollen. Doch wer im Jahre 2013 noch behauptet: "Durch gewerberechtliche Überprüfungen von Prostitutionsstätten und ihren BetreiberInnen wollen wir Prostituierte schützen und ihre Arbeitsbedingungen sicherer machen" – der streut den grünen Delegierten Sand in die Augen.

Wer die einschlägige Debatte der letzten Jahre aufmerksam verfolgt hat, weiß: Die "gewerberechtliche Erlaubnispflicht" dient nur einem einzigen Ziel, nämlich der Ermöglichung jeder-zeitiger, verdachtsunabhängiger und flächendeckender Polizei-Kontrollen mit dem Ziel der Eindämmung von Prostitution. Über dieses Interesse schweigt Volker Beck. Und er schweigt auch darüber, dass die "gewerberechtlichen Überprüfungen" selbstverständlich von der Polizei, nicht aber von gewerberechtlich 'zuständigen Behörden' ausgeübt werden sollen. Schon vor zwei Jahren erklärte daher die Hamburger GAL: "Für falsch halten wir aber den Vorschlag, dies im Gewerberecht zu regeln… Hamburg ist damit schon einen Schritt weiter als die Diskussion der Innenministerkonferenz." (www.gal-fraktion.de, 18.11.2010) Die Bremer Grünen machen sich gegenwärtig stark für ein "Bremisches Prostitutionsstättengesetz", wonach die "Erlaubnis" für Prostitutionsstätten von der Innenbehörde (!) erteilt und die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten der "Ortspolizeibehörde" (!) überantwortet wird.
Diese Praxis ist tausendmal aufschlussreicher als die Antragslyrik von Beck und anderen!

Derartige Regelungen sind den Interessen der Sexarbeiter/innen diametral entgegengesetzt. Sie fordern die freie und ungehinderte Ausübung ihres Berufs und eine Gleichstellung mit anderen Berufen. Doch damit will Bündnis 90/Die Grünen offenbar nichts mehr zu tun haben. Statt mehr Rechte für Sexarbeiter/innen fordern sie mehr polizeiliche Kontrollrechte. So Grünen-Fraktionschefin Renate Künast gegenüber der 'Passauer Neuen Presse': "'Wir wollen zum Schutz der Frauen, dass Arbeits- und Hygiene-Standards in Zukunft verbindlich festgelegt und kontrolliert werden', so Künast. Dafür müssten Prostitutionsbetriebe in Zukunft als Gewerbe einer Anmelde- und Überprüfungspflicht unterliegen. 'Daraus ergeben sich auch mehr Kontrollmöglichkeiten für die Polizei', erklärte die Grünen-Politikerin."(18.12.2012)

Warum aber noch "mehr Kontrollmöglichkeiten für die Polizei", wenn die Bundesregierung erst jüngst auf Anfrage des Bundestagsabgeordneten Volker Beck einen seit Jahren anhaltenden Rückgang der so genannten 'Zwangsprostitution' einräumen musste?

Doña Carmen e.V., die Organisation für die politischen und sozialen Rechte von Prostituierten hat erst kürzlich auf dem "Koordinierungstreffen Pro Prostitution" in Frankfurt/Main ein "Alternativprogramm zur Politik von Konzessionierung und Registrierung" vorgelegt. Selbständig ausgeübte Prostitution ist im Gewerbe-, Steuer- und Baurecht endlich als "freiberufliche Tätigkeit" anzuerkennen und damit nicht per Gewerberecht zu regulieren. Für die Verbesserung von Arbeitsbedingungen braucht man wie in anderen Wirtschaftsbereichen keine Polizei, sondern die Anerkennung von Prostitutionsbetrieben als 'anzeigepflichtige Betriebe' nach § 14 Gewerbeordnung (für die die Untersagungsbestimmungen nach § 35 GewO gelten), eine konsequente Anwendung des Bauordnungsrechts sowie die Einrichtung einer BundesSexarbeitskammer, die entsprechende Zielvereinbarungen mit Prostitutionsstätten schließt. Sexarbeiter/innen brauchen keine Polizei, die ihre Angelegenheiten regelt, sondern können dies mittels Selbstverwaltungsorganen. (Vgl. http://www.donacarmen.de/wp-content/upl ... IERUNG.pdf )

Als Organisation, die seit vielen Jahren für politische und soziale Rechte von Sexarbeiter/innen eintritt, rät Doña Carmen e.V. allen grünen Delegierten - wenn sie von den tatsächlichen Verhältnissen in der Prostitution schon keine Ahnung haben -einfach mal die Klappe zu halten und entsprechende Passagen ihres Wahlprogramms schlicht und einfach zu streichen. Weniger wäre mehr!

"Regulierung von Prostitution: Ja!- Konzessionierung: Nein danke!"

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Beitrag von alana »

Wir sollen nach Meinung von Thekla Walker unter Polizeischutz? Also die Bullen als Zuhälter? LOL...

Ideen haben die...

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Tilopa
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Beitrag von Tilopa »

Habe mir den Livestream angetan, hat sich aber nicht gelohnt:
Eine öffentliche Debatte und Abstimmungen zum Kapitel gab es nicht, denn durch die Arbeit der Antragskommission konnten "alle Änderungsanträge integriert oder modifiziert übernommen werden, einige wenige wurden von den Antragssteller_Innen zurück gezogen".

Es gab drei Redebeiträge, bei denen in zweien das Thema Prostitution ganz am Rande kurz erwähnt wurde - dort bekannte man sich in je wenigen Halbsätzen zu den Gesetzesänderungen von 2002 und beteuerte, man wolle das Prostitutionsgesetz jetzt im Interesse der Frauen in der Prostitution weiterentwickeln und energisch gegen Zwang und Missbrauch vorgehen.

Was nun eigentlich beschlossen wurde, ist meines Wissens momentan noch nicht veröffentlicht.

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Beitrag von fraences »

Danke. Hab mir es auch angetan, und dachte am Ende des Livestreams ich hätte es verpasst. Aber durch deine Rückmeldung jetzt, bin ich doch sehr beruhigt. Prostitution wurde nur kurz gestreift, nichts detailiertes, wie es in der Zeitung stand.

Frage: Wenn es nicht öffentlich abgestimmt wird, kann das auch heißen, das der Antrag nicht mehrheitlich angenommen wurde?
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Beitrag von Tilopa »

Ein interessanter Parteitagsbeschluss ist doch schon veröffentlicht, dieser bezieht sich jedoch nicht auf das Bundestags-Wahlprogramm, sondern fand sich unter dem Tagesordnungspunkt "Verschiedenes", ist also ein allgemeiner Beschluss. Interessant ist er trotzdem, denn er lautet:

"Für den Erhalt der freiheitlich-demokratischen Rechte aller Menschen - Keine "präventiv-polizeilichen" Zwangstests bei HIV und Hepatitis
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sprechen sich gegen Zwangstests hinsichtlich Infektionskrankheiten aus.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN lehnen Regelungen, die so genannte präventiv-polizeiliche Testungen bei Infektionskrankheiten ermöglichen, sowohl im Polizeigesetz des Bundes als auch in den Polizeigesetzen der Länder bzw. in Landesgesetzen über die öffentliche Sicherheit und Ordnung ab.
In denjenigen Bundesländern, in denen es bereits entsprechende Ermächtigungsgrundlagen gibt, wirken BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf eine Abschaffung hin."

http://www.gruene.de/fileadmin/user_upl ... atitis.pdf

Das muss für die künftige Politik bezüglich Zwangstests bei Prostituierten und Freiern zwar noch überhaupt nichts heißen, schizophren wäre es damit aber zumindest schon.

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Beitrag von fraences »

Das ist ein Super Hinweis. Danke.
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Beitrag von Tilopa »

@Fraences: Welcher endgültige Text jetzt beschlossen wurde, wissen wir leider erst, wenn dieser (hoffentlich in den nächsten Stunden bis Tagen) veröffentlicht wird. Alle Antragssteller haben sich, moderiert durch die vom Bundesvorstand bestellte Antragskommission, hinter den Kulissen auf irgendeine Kompromissfassung geeinigt. In dieser seien die meisten Anträge in irgend einer Form integriert, einige wenige zurück gezogen worden, sagte Ska Keller, die die Koordinatorin für dieses Kapitel war. Diese Kompromissfassung wurde dann den Delegierten lediglich zur Abstimmung vorgelegt und - wenig überraschend - mit großer Mehrheit angenommen.

Das kann konkret natürlich zunächst einmal alles bedeuten, deshalb müssen wir nun wohl oder übel abwarten. Vermutlich werden die Beschlussfassungen der Kapitel nach und nach auf dieser Seite veröffentlicht werden: http://www.gruene.de/partei/bdk-in-berl ... gramm.html

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Beitrag von fraences »

@Tilopa
Ich bin sehr froh das Du uns hier so fundierteS politisches Wissen mit uns teilst. Es hat großen Wert für uns, das Du uns Einblick in die formalen Abläufe gibst.
Herzlich Dank.

Liebe Grüße, Fraences
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Transparente Entscheidungsfindung?

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Eine öffentliche Debatte und Abstimmungen zum Kapitel [Sexwork / Prostitution / Menschenhandelsbekämpfung] gab es nicht, denn durch die Arbeit der Antragskommission...

Das ist schon eine gewisse ernüchternde Offenbarung, wie da ein "undemokratisches Element" zur Vorselektierung der Anträge, bei den traditionellen Parteien hereinkommt, die nicht die modernen möglichen Verfahren von "Liquid Democracy" und Internet-Vernetzung einsetzen (ständiger Parteitag).


www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=124283#124283 SW only
http://de.wikipedia.org/wiki/Liquid_Democracy
http://wiki.piratenpartei.de/Liquid_Democracy



Dieses Entscheidungsproblem wird auch auf www.sexwork-deutschland.de zukommen (Inklusion & Transparenz). Wie können die vielen Sexworker im Lande beteiligt werden, die nicht zu persönlichen Treffen anreisen. Wird man das Internet, die sozialen communities z.B. das Sexworker Forum nutzen und formal einbinden, um niederschwellig verteilt arbeiten zu können und so Entscheidungen transparent vorzubereiten...

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Beitrag von Tilopa »

Bezüglich der innerparteilichen "Demokratie" bei den Grünen (und ganz sicher bei den anderen großen Parteien ebenfalls) sollte man sich in der Tat keine Illusionen machen.

Dass die Delegierten vielfach nur solche im Hintergrund verhandelten Vorlagen zum Abnicken bekommen ist das eine, nicht vergessen sollte man aber auch, dass dem noch eine andere Art der Selektion vorausgeht:
Delegierter für einen Bundesparteitag wird man ja ebenfalls nicht ohne weiteres, da sollte man in der Regel schon auf Landesebene im Sinne des Partei-Mainstreams extrem gut vernetzt sein (mit dem dafür erforderlichen Aufwand an Freizeit und finanziellen Mitteln). Abkürzungen für "unkonventionelle" Mitglieder sind zwar ebenfalls teilweise möglich, z.B. über verschiedene Arbeitsgruppen oder die Grüne Jugend, aber in der Tendenz sollte man seine Konformität schon hinreichend unter Beweis gestellt haben, bevor man zu solchen beschlussfassenden Gremien überhaupt zugelassen wird.

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Beitrag von Tilopa »

Das sind aber (man könnte sagen - zum Glück) Probleme, die www.sexwork-deutschland.de aus meiner Sicht derzeit noch nicht hat. Im Gegenteil - zunächst einmal geht es ja noch darum, die Sache mit Kraft weiter voranzutreiben. Bei hinreichend kleiner Mitgliederzahl sind Basisdemokratie und Liquid Democracy bei gegenseitigem Respekt, offener Kommunikation und geringen Interessenkoflikten ohnehin noch fast von allein umgesetzt. Ob das dann in Zukunft bei 10.000 bis 100.000 Mitgliedern ( :-) ) weiter so bleibt und bleiben kann, ist tatsächlich die Frage, aber ich denke zumindest, die Strukturen würden sich schon an die wachsenden Aufgaben anpassen.

Die Nutzung verschiedener Internettools würde sicherlich auch und gerade in der Anfangsphase sehr hilfreich sein.
Aus meiner Sicht essentiell wären:
-Etherpad zur Einbeziehung möglichst vieler Personen bei der kollektiven Erarbeitung von Texten (Pressemitteilungen, Stellungnahmen, Thesenpapiere, Konzepte, Beschlussvorlagen usw.).
-Internetforum für Diskussionen: Möglicherweise (fürs Erste) integriert in dieses hier, um eine Fragmentierung der Community zu vermeiden
-Mailingliste zur Information über alle besonders relevanten Ereignisse, Fortschritte, Diskussionen usw.: Hat auch eine wichtige Funktion, um eher passive Mitglieder informiert und bei der Stange (kein Wortspiel beabsichtigt) zu halten.
Weiterhin wäre es sicherlich auch nicht gut, die politische Arbeit nur über das Internet laufen zu lassen, denn das entfaltet bei weitem nicht die Dynamik persönlicher Treffen. Vielleicht ergibt sich ja durch weiteres Wachstum relativ schnell die Möglichkeit, den bundesweiten Treffen auch weniger formale, regionalere Treffen ("Stammtische" oder so etwas in der Art) hinzuzufügen, deren Kosten bezüglich Zeit und An-/Abfahrt für die Teilnehmden jeweils nicht so hoch sind, die die Gemeinschaft aber zusammenschweißen und für die Entwicklung neuer Ideen hilfreich sind.

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Beitrag von Tilopa »

Und noch etwas fällt mir anlässlich des Programmparteitages der Grünen ein:
Wir sollten auf jeden Fall bis zur Bundestagswahl eine Analyse/Gegenüberstellung der Wahlprogramme aller Parteien erarbeiten und eventuell sogar eine Wahlempfehlung aussprechen, nach dem Muster, wie das z.B. der "Deutsche Hanf Verband" regelmäßig tut:

http://hanfverband.de/index.php/themen/ ... swahl-2009

http://hanfverband.de/index.php/themen/ ... chsen-2013

Das würde nämlich zumindest Druck auf all jene Politiker machen, die davon überzeugt sind, dass sie im Interesse von Sexworkern handeln, diesen endlich mal zuzuhören und sich deren politische Forderungen auch zueigen zu machen.

Was meint ihr, was wäre dafür das geeignetste Werkzeug? Ein Thread im Forum? Lemma im Wiki von sexworker.at? Etherpad?

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Beitrag von Tilopa »

Hier die Rede von Astrid Rothe-Beinlich zum Kapitel "'Gleichberechtigung' schaffen" (der dann lediglich noch zwei geloste 3-minütige Redebeiträge folgten). Ich bin gerade im Büro und an einem Rechner ohne Lautsprecher - kann es deshalb nicht nachprüfen, aber wenn ich mich recht erinnere, sagte sie irgendwo im letzten Drittel was zur Prostitutionspolitik:


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Beitrag von Tilopa »

Das beschlosssene Programmkapitel ist nun veröffentlicht:

http://www.gruene.de/fileadmin/user_upl ... haffen.pdf

Zur Prostitution:
"Das rot-grüne Prostitutionsgesetz hat den Bereich des Sexgewerbes entkriminalisiert und die Doppelmoral rechtlich beendet. Das war ein längst überfälliger Schritt. Eine Rückkehr zum Verbot der Prostitution würde die Prostituierten in die Illegalität drängen, ihre Arbeitsbedingung weiter verschlechtern und sie stärker der Gefahr von gewalttätigen Übergriffen aussetzen. Allerdings blieb man damals auf halbem Wege stehen. Deshalb werden wir das Prostitutionsgesetz im Bundestag weiterentwickeln. Unser Ziel ist der möglichst weitgehende Schutz von Prostituierten. Das Beratungs- und Hilfsangebot wollen wir ausbauen und niedrigschwellig zugänglich machen. SexarbeiterInnen müssen über ihre Rechte aufgeklärt werden. Wir wollen einen Ausbau der Ausstiegsprogramme. Dabei setzen wir nicht auf Einschränkungen, sondern auf das Recht: So sollen unter anderem Prostitutionsbetriebe ab einer bestimmten Größe der gewerberechtlichen Erlaubnispflicht unterliegen. Durch gewerberechtliche Überprüfungen von Prostitutionsstätten und ihren BetreiberInnen wollen wir SexarbeiterInnen schützen und ihre Arbeitsbedingungen sicherer machen. Außerdem wollen wir sie rechtlich besser schützen vor Mietwucher und Ausbeutung und überprüfen, inwieweit der Zugang zur Sozialversicherung verbessert werden kann. Wir wollen zusätzlich kostenfreie medizinische Beratungsangebote für SexarbeiterInnen schaffen."

Zum 'Menschenhandel':
"Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung ist eine eklatante Menschenrechtsverletzung und eine schwere, abscheuliche Straftat. Die Umsetzung der Europaratskonvention und der EU-Opferschutzrichtlinie gegen Menschenhandel erfordert gesetzliche Neuregelungen auch auf nationaler Ebene. Die Opfer müssen besser vor Abschiebungen geschützt werden, insbesondere, aber nicht nur während laufender Gerichtsverfahren. Ein dauerhaftes Bleiberecht würde ihre Anzeige- und Aussagebereitschaft deutlich erhöhen und so zur Ermittlung der TäterInnen und Erhellung der Strukturen führen. Menschenhandelsopfer, die als Zeuginnen auftreten, brauchen ein umfassendes Opferschutzprogramm. Freier von Zwangsprostituierten müssen auch strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können, wenn ihnen bekannt ist, dass es sich bei dem Opfer um eine Zwangsprostituierte handelt. Außerdem brauchen alle Opfer von Zwangsehen ein eigenständiges und dauerhaftes Rückkehrrecht."

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Beitrag von Melanie_NRW »

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Tilopa hat geschrieben:Und noch etwas fällt mir anlässlich des Programmparteitages der Grünen ein:
Wir sollten auf jeden Fall bis zur Bundestagswahl eine Analyse/Gegenüberstellung der Wahlprogramme aller Parteien erarbeiten und eventuell sogar eine Wahlempfehlung aussprechen, nach dem Muster, wie das z.B. der "Deutsche Hanf Verband" regelmäßig tut:

http://hanfverband.de/index.php/themen/ ... swahl-2009

http://hanfverband.de/index.php/themen/ ... chsen-2013

Das würde nämlich zumindest Druck auf all jene Politiker machen, die davon überzeugt sind, dass sie im Interesse von Sexworkern handeln, diesen endlich mal zuzuhören und sich deren politische Forderungen auch zueigen zu machen.

Was meint ihr, was wäre dafür das geeignetste Werkzeug? Ein Thread im Forum? Lemma im Wiki von sexworker.at? Etherpad?
Das halte ich für eine sehr gute Idee und wäre für viele sicher hilfreich.

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Beitrag von Melanie_NRW »

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Tilopa hat geschrieben:Hier die Rede von Astrid Rothe-Beinlich zum Kapitel "'Gleichberechtigung' schaffen" (der dann lediglich noch zwei geloste 3-minütige Redebeiträge folgten). Ich bin gerade im Büro und an einem Rechner ohne Lautsprecher - kann es deshalb nicht nachprüfen, aber wenn ich mich recht erinnere, sagte sie irgendwo im letzten Drittel was zur Prostitutionspolitik:

Ab Minute 6:50 ca sagt sie kurz etwas dazu...

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Marc of Frankfurt
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Beitrag von Marc of Frankfurt »

Hier ist der Thread zum Thema

Wahlprüfsteine - Wahlomat Sexarbeit - Parteien zur Wahl

www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=4604

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Marc of Frankfurt hat geschrieben:Hier ist der Thread zum Thema

Wahlprüfsteine - Wahlomat Sexarbeit - Parteien zur Wahl

www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=4604
Danke, den kannte ich noch nicht - dann geht es diesbezüglich dort weiter :)

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RE: Grüne zur Prostitution: Bürokraten im Bordell

Beitrag von lust4fun »

Thekla Walker hat hier auf Volker Beck geantwortet.
Dazu gibt es ein Diskussion mit Beiträgen von SW wie Lilien Cartride und Ariane.