Ich weiss nicht, ob dieses Thema schonmal diskutiert wurde, dann sorry für meine mangelhafte Suche.
Öfter lese ich den Ausdruck "Abolitionisten" hier und anderswo in Verwendung für Leute und Gruppen, welche die Prostitution ablehnen. M.E. sollte dieser Ausdruck mit dieser Bedeutungsabsicht von SW-Bewegungen geradezu gemieden werden.
Erstens, weil dieser Ausdruck eine Bewegung beschreibt, welche die Abschaffung der (echten) Sklaverei im 19. Jahrhundert vorangetrieben hat. Die Protagonisten kamen einerseits aus "fortschrittlich" reliösen Kreisen, vor allem aber aus der Aufklärung. Wer diesen Ausdruck für P6-Gegner verwendet, tut den "echten" Abolitionisten m.E. erhebliches Unrecht, weil der Grundgedanken des Abolitionismus die Freiheit jedes menschlichen Individuums, unabhängig von der Rasse, ist.
Zweitens "ehrt" dieser Begriff sogar die P6-Gegner m.E. in unverdienter Weise und bestätigt sie sogar indirekt in ihrem Tun, da sie sich ja (auch) als Retter vermeintlich versklavter Personengruppen, Anbieter generell, verstehen. Und obwohl Sie eher eine gegenteilige Lebenseinstellung prägt, nämlich Anderen eine meist religiöse, insbesondere konservativ christliche (oder radikalfeministische) Lebensweise aufzuzwingen.
Dies wird m.E. auch klar in dem Selbstverständnis der sogenannten neo-abolitionistischen Feministinnen. Sie setzen voraus, dass Frauen bei uns vielfach in einem "Sklavenzustand" seien, insbesondere SW. Was m.E. Quatsch ist. Schon allein, weil die Existenz von männlichen SW diese Ideologie in tiefe Verwirrung stürzen muss *lach*. Es sind also m.E. keineswegs Abolitionisten, auch nicht "neo". Auch wenn sie sich so sehen wollen.
M.E. müßte also eher betont werden, dass P6-Gegner alles sein mögen, sicher aber keine Abolitionisten. Denn wer Ihnen diesen Begriff zubilligt "gesteht" m.E. zugleich, dass es Sklavenzustände im P6 nicht nur gibt, diese vielmehr sogar hochsignifikant sind.
Abolitionisten
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Ok, danke. Die Kritik kann ich gerne annehmen, der ich den Begriff wohl am häufigsten zuletzt verwendet habe.
Selbst für den Kontext Sexarbeit wird Abolutionismus (wörtl. = die Bewegung derer die etwas abschaffen wollen) mehrdeutig verwendet.
- Da gibt es einmal die Verwendung Abschaffung der Prostitution, die ich meist benutze, weil das für Sexworker am bedrohlichsten ist, ist es begrifflich am nächsten liegend.
- Dann gibt es die ursprüngliche Verwendung, d.h. die Abschaffung aller die Frauen und Sexworker kontrollierenden Maßnahmen wie z.B. Gesundheitskontrollen (Bsp. UK, Contagious Diseases Acts 1864) aber auch Bordelle (Bsp. Frankreich, Gesetzes/La loi Marthe Richard 1946).
Abolutionisten = Abschaffen wollen:
Was
- die Sklaverei
- die Sexarbeit allg.
- die Kontrollen und Ausbeutung der Sexarbeiter
Zwangsuntersuchung, Bordelle, Zuhälterei...
Prohibitionisten = Verbieten:
- den Alkoholkonsum
- die Prostitution allg. (Bsp. USA)
Länderübersicht
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=918

Siehe den begrifflichen Unterschied zwischen den Kategorien bei Sexworker Forum EU Studie und der Ministerin Baden-Württemberg
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=129681#129681
www.bit.ly/sexworkregimentation
Auf der Suche nach besseren Begriffen:
Prostitutionsgegner, Prohibitionisten, Ablitionisten, Antis, Fundamentalisten, Sittenwächter, P6-Feinde...
Selbst für den Kontext Sexarbeit wird Abolutionismus (wörtl. = die Bewegung derer die etwas abschaffen wollen) mehrdeutig verwendet.
- Da gibt es einmal die Verwendung Abschaffung der Prostitution, die ich meist benutze, weil das für Sexworker am bedrohlichsten ist, ist es begrifflich am nächsten liegend.
- Dann gibt es die ursprüngliche Verwendung, d.h. die Abschaffung aller die Frauen und Sexworker kontrollierenden Maßnahmen wie z.B. Gesundheitskontrollen (Bsp. UK, Contagious Diseases Acts 1864) aber auch Bordelle (Bsp. Frankreich, Gesetzes/La loi Marthe Richard 1946).
Abolutionisten = Abschaffen wollen:
Was
- die Sklaverei
- die Sexarbeit allg.
- die Kontrollen und Ausbeutung der Sexarbeiter
Zwangsuntersuchung, Bordelle, Zuhälterei...
Prohibitionisten = Verbieten:
- den Alkoholkonsum
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- Silberstern
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Ich stimme deinen Ausführungen zu, "ehemaliger User".
"Prohibitionisten" halte ich für die treffendste Bezeichnung für alle Personen und Gruppen, die eine Kriminalisierung der Sexarbeit in irgend einer Form befürworten.
Eine weitere Differenzierung in "Abolitionisten, Neo-Abolitionisten und (klassische) Prohibitionisten" mag akademisch gesehen zwar mitunter ihren Wert haben - sie ist im politischen Sprachgebrauch aber meist nicht nötig und bringt die von "ehemaliger User" angesprochenen Probleme, wie die absolut nicht angebrachte, implizite Aufwertung ihrer schlechten Sache und die Verharmlosung der Sklaverei mit sich.
Wer sich also im politischen Diskurs FÜR die Befreiung der Sexarbeit ausspricht, sollte vor Verwendung des Begriffs "Abolitionismus" kurz prüfen, ob der im jeweiligen Kontext tatsächlich geeignet ist.
"Prohibitionisten" halte ich für die treffendste Bezeichnung für alle Personen und Gruppen, die eine Kriminalisierung der Sexarbeit in irgend einer Form befürworten.
Eine weitere Differenzierung in "Abolitionisten, Neo-Abolitionisten und (klassische) Prohibitionisten" mag akademisch gesehen zwar mitunter ihren Wert haben - sie ist im politischen Sprachgebrauch aber meist nicht nötig und bringt die von "ehemaliger User" angesprochenen Probleme, wie die absolut nicht angebrachte, implizite Aufwertung ihrer schlechten Sache und die Verharmlosung der Sklaverei mit sich.
Wer sich also im politischen Diskurs FÜR die Befreiung der Sexarbeit ausspricht, sollte vor Verwendung des Begriffs "Abolitionismus" kurz prüfen, ob der im jeweiligen Kontext tatsächlich geeignet ist.
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- Gelehrte(r)
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RE: Abolitionisten
Ich denke, es ist für den Sprachgebrauch von Vorteil, wenn man die vordergründige Motivation der Benannten bezeichnet.
Feministisch oder sozialpolitisch motivierte Anti-P6-Arbeit hat den Anspruch, SW aus ihrem aktuellen Stand "herauszuführen" (Ausstiegshilfe und Kampf gegen moderne Sklaverei). Da passt der Begriff "Abolitionismus" schon, so lange der Kontext klar ist, dass man nicht vom 19. Jahrhundert spricht.
Das "ehrt" diejenigen auch nicht, sondern nimmt ihren Standpunkt ernst, um überhaupt mit ihnen oder über sie zu reden. Die ideologiekritische Dekonstruktion, dass diese Leute in Wirklichkeit den SW eine andere moralische Lebensweise aufzwingen wollten, sprich in Wirklichkeit gar keine "Befreier" (Abolitionisten) seien, würde zu einem ständigen Nebenkampfplatz führen. Die so Beschriebenen würden diese Beschreibung nämlich nicht akzeptieren und die Auseinandersetzung mit ihnen würde sich im philosophischen Gestrüpp verlieren - zum Nachteil der selbstbestimmten SW.
Der argumentative Hebel liegt doch darin, den wunden Punkt der abolitionistische These ins Bewusstsein zu bringen: Die Person, die ich befreien will, will gar nicht befreit werden. Und zwar nicht aus einer Schwäche oder Alternativlosigkeit heraus, sondern aus einer selbstbewussten prinzipiellen Haltung heraus. Diese Auseinandersetzung steht in Deutschland und ähnlich gestrickten Gesellschaften im Vordergrund.
Die kriminalisierende, prohibitionistische Aktivität lässt sich davon unterscheiden. Hier spielen die moralischen Haltungen zur "richtigen" Lebensführung eine größere Rolle. Stärker als die "Befreiung" ist hier die Tendenz zum Verbot und zur Freierbestrafung. Die "schwedische" Denkweise sieht es nicht als problematisch an, ein allgemein "richtiges" Leben zu beschreiben und dann juristisch für alle durchzusetzen. Diese Denkweise ist aber nach den meisten Analysen in Deutschland weniger präsent bzw. sogar eher fremd.
Wie gesagt, ich glaube, man verheddert sich immer in Definitionsfragen, wenn man diese Unterscheidungen nicht trifft. Wer in einer Auseinandersetzung sich vom Gegner falsch bezeichnet fühlt, kann immer damit trumpfen, dass man falsch verstanden wird. Zur Sache kommt man dann nicht mehr. Ich würde deshalb gerade nicht wie Tilopa definieren, dass Prohibitionismus der Oberbegriff für Kriminalisierung in der Sexarbeit sei, dem der Abolitionismus lediglich untergeordnet ist.
Ich bin mir nicht sicher, ob diejenigen, die für eine Befreiung aus der Sexarbeit eintreten, sich selbst überhaupt irgendwo als Abolitionisten bezeichnen. Aber auch wenn es nur eine Fremdbezeichnung wäre, hätte sie den Vorteil, dass die Angesprochenen sich nicht sofort gegen den Begriff wehren. Selbst wenn sie sich durch diese Bezeichnung geadelt fühlten, könnte man die Auseinandersetzung mit ihnen gezielter führen.
Feministisch oder sozialpolitisch motivierte Anti-P6-Arbeit hat den Anspruch, SW aus ihrem aktuellen Stand "herauszuführen" (Ausstiegshilfe und Kampf gegen moderne Sklaverei). Da passt der Begriff "Abolitionismus" schon, so lange der Kontext klar ist, dass man nicht vom 19. Jahrhundert spricht.
Das "ehrt" diejenigen auch nicht, sondern nimmt ihren Standpunkt ernst, um überhaupt mit ihnen oder über sie zu reden. Die ideologiekritische Dekonstruktion, dass diese Leute in Wirklichkeit den SW eine andere moralische Lebensweise aufzwingen wollten, sprich in Wirklichkeit gar keine "Befreier" (Abolitionisten) seien, würde zu einem ständigen Nebenkampfplatz führen. Die so Beschriebenen würden diese Beschreibung nämlich nicht akzeptieren und die Auseinandersetzung mit ihnen würde sich im philosophischen Gestrüpp verlieren - zum Nachteil der selbstbestimmten SW.
Der argumentative Hebel liegt doch darin, den wunden Punkt der abolitionistische These ins Bewusstsein zu bringen: Die Person, die ich befreien will, will gar nicht befreit werden. Und zwar nicht aus einer Schwäche oder Alternativlosigkeit heraus, sondern aus einer selbstbewussten prinzipiellen Haltung heraus. Diese Auseinandersetzung steht in Deutschland und ähnlich gestrickten Gesellschaften im Vordergrund.
Die kriminalisierende, prohibitionistische Aktivität lässt sich davon unterscheiden. Hier spielen die moralischen Haltungen zur "richtigen" Lebensführung eine größere Rolle. Stärker als die "Befreiung" ist hier die Tendenz zum Verbot und zur Freierbestrafung. Die "schwedische" Denkweise sieht es nicht als problematisch an, ein allgemein "richtiges" Leben zu beschreiben und dann juristisch für alle durchzusetzen. Diese Denkweise ist aber nach den meisten Analysen in Deutschland weniger präsent bzw. sogar eher fremd.
Wie gesagt, ich glaube, man verheddert sich immer in Definitionsfragen, wenn man diese Unterscheidungen nicht trifft. Wer in einer Auseinandersetzung sich vom Gegner falsch bezeichnet fühlt, kann immer damit trumpfen, dass man falsch verstanden wird. Zur Sache kommt man dann nicht mehr. Ich würde deshalb gerade nicht wie Tilopa definieren, dass Prohibitionismus der Oberbegriff für Kriminalisierung in der Sexarbeit sei, dem der Abolitionismus lediglich untergeordnet ist.
Ich bin mir nicht sicher, ob diejenigen, die für eine Befreiung aus der Sexarbeit eintreten, sich selbst überhaupt irgendwo als Abolitionisten bezeichnen. Aber auch wenn es nur eine Fremdbezeichnung wäre, hätte sie den Vorteil, dass die Angesprochenen sich nicht sofort gegen den Begriff wehren. Selbst wenn sie sich durch diese Bezeichnung geadelt fühlten, könnte man die Auseinandersetzung mit ihnen gezielter führen.
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Der Begriff wird im Englischen und im Französischen (und wahrscheinlich auch in anderen Sprachen, hab ich nicht überprüft) seit vielen Jahren standardmäßig von ausdrücklich Sexarbeit abschaffen Wollenden für sich selbst verwendet. Ich sehe also nicht, warum er für uns problematisch sein sollte. Auch wenn ich persönlich diese Gestalten bevorzugt als Prohibitionisten/-innen kenntlich mache :-)
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Wenn die sich selbst so nennen, sicherlich nicht ohne Absicht mit der (aus historischer Kenntnis bedingten) Assoziation, wie ich und viele Andere sie haben, nämlich "Sklavenbefreiung", dann ist es m.E. Etikettenschwindel.Doris67 hat geschrieben:Der Begriff wird im Englischen und im Französischen (und wahrscheinlich auch in anderen Sprachen, hab ich nicht überprüft) seit vielen Jahren standardmäßig von ausdrücklich Sexarbeit abschaffen Wollenden für sich selbst verwendet. Ich sehe also nicht, warum er für uns problematisch sein sollte. Auch wenn ich persönlich diese Gestalten bevorzugt als Prohibitionisten/-innen kenntlich mache :-)
Marc hat natürlich recht, dass der Begriff an sich lediglich "Abschaffer" bedeutet. Aber wenn man/frau den Begriff beispielsweise bei Wikipedia nachschaut, dann wird praktisch ausschließlich auf die Sklavenbefreiung verwiesen. Eine außenstehende Person, welche den Begriff nachguckt, wundert sich m.E. dann, warum die P6-Anbieter die P6-Gegner mit einem positiven Begriff, nämlich der Befreiung von Sklavenschaft, bezeichnen. Das ist mein "Problem" ... Ganz abgesehen davon, dass damit der Sklavenzustand - und damit implizit auch Menschenhandel - scheinbar sogar "zugestanden" wird *schiel*.
Ebenso würde ich mich weigern, für islamistische "Aufständische" in Syrien den Begriff "Freiheitskämpfer" zu verwenden bzw. zu akzeptieren. Weil sie genau dies nicht sind, im Gegenteil.
Und genau da schließt sich m.E. der Kreis, jedenfalls die religiös motivierten "Abolitionisten" sind ebenfalls genau das Gegenteil von "Befreiern", die meisten Religionen leben eher vom Gängeln ihrer "Schäfchen". Krass ausgedrückt, diese sogenannten "Abolitionisten" fördern eher eine milde Form von Sklavenschaft.