Flatrate Bordelle - Pro und Contra

Hier können SexarbeitInnen ihren Arbeitsplatz bzw. ihre Arbeitsbedingungen beschreiben. Was erlebt Ihr alles in Eurem Beruf?
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Kasharius
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Beitrag von Kasharius »

@"ehemaliger User"

ebenfalls AKZEPTIERT! :002

Kasharius grüßt

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Lycisca
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Beitrag von Lycisca »

"ehemaliger User" hat geschrieben:   mich hat der Ausdruck "paternalistisch" nur insofern gestört, als er teilweise auch in "internem" Zusammenhang angewandt zu werden scheint.
Da das Wort "paternalistisch" von mir eingebracht wurde, eine Klarstellung: Sich für andere einzusetzen, ist keinesfalls paternalistisch. Sondern die Unterstellung, es besser zu wissen, als die Betroffenen, und aus dieser Einstellung heraus ihre Entscheidungen nicht zu respektieren.

Zum Beispiel wurde Zwergen-Werfen mit paternalistischen Argumenten abgeschafft ("menschenunwürdige Tätigkeit", "Beleidigung einer körperlich benachteiligten Minderheit"). Die "Wurfzwerge" waren danach ohne Einkommen: Obwohl klar war, dass es keine "Zwang-Wurfzwerge" gibt, wurde ihnen die Entscheidungsfreiheit über ihren eigenen Körper mit spitzfindigen juristischen Argumenten schlichtweg abgesprochen.

Was für "Wurfzwerge" gilt, lässt sich 1-1 auf SW übertragen und so wurde auch in der Literatur das Verbot von SW mit dem vorgeschobenen Argument der "Menschenwürde" von Frauen im Allgemeinen vorgebracht. Diese vorgeschobenen Argumente sind aber leicht zu unterscheiden vom echten Einsatz für Menschenrechte: Jemand, der Menschenrechte respektiert, wird auch das Recht akzeptieren, über den eigenen Körper zu entscheiden.

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lust4fun
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RE: Flatrate Bordelle - Pro und Contra

Beitrag von lust4fun »

Zu dem Videobeitrag auf ORF1 (#79):

Da wird eine SW vorgestellt; der Kommentar aus dem Off:

"... hat sich freiwillig und ganz bewusst für diese Arbeit entschieden."

Welche Reflexe habt ihr, wenn ihr das hört?

Ich bleibe daran hängen, so dass ich beinahe vom weiteren Film abgelenkt bin. Ich weiß, die Wortwahl ist gut gemeint, aber was sagt sie wirklich aus?

Doppelte Tautologie:
Kann man sich für eine Arbeit entscheiden - unbewusst?
Kann man eine Entscheidung treffen - unfreiwillig?
Eine unbewusste Wahl ist keine Entscheidung.
Eine unfreiwillige Handlung ist eine Handlung unter Zwang, keine Entscheidung.
Eine Entscheidung IST freiwillig UND bewusst, sonst ist sie keine.

Die doppelte Absicherung soll jeden Verdacht im Keim ersticken. Dabei weckt sie erst den Verdacht. Sie hinterfragt die MOTIVE hinter der Entscheidung.
Aber Antworten gibt es keine. Wir erfahren nicht, WARUM die SW diese Arbeit macht.
Warum wird dann überhaupt danach gefragt?
Der Hörer wird auf eine Spur geschickt, die eine Sackgasse ist. Er soll zuerst abgeholt werden an seinem vermutlichen VORURTEIL, um es sogleich wieder reumütig zurückzunehmen.

Wenn mich ein Journalist in meiner beruflichen Tätigkeit so darstellen würde, könnte ich nicht weiterreden. Ich müsste zuerst zurückfragen: Wollen Sie mir etwas unterstellen? Wollen Sie wirklich meine Motive wissen? Welches Bild transportieren Sie da gerade? Meinen Sie, ich bräuchte Ihre unterstützende Verteidigung gegenüber den Hörern? Warum sprechen wir dann nicht wirklich darüber?...

Sind wir in der Prostitutionsdebatte schon froh, wenn das Codewort "freiwillig" an irgendeiner Stelle untergebracht ist? Sind wir dankbar dafür, dass der Redakteur zeigt, dass er sein eigenes Vorurteil überwunden hat?

Oder ist es nicht doch viel mehr die Sprache der fürsorglichen, gut meinenden Anthropologen des 19. Jahrhunderts, die über ihre "fremden" und "exotischen" Wilden berichten, die so ganz anders sind, die uns irritieren und gerade deshalb eines Schutzes bedürfen?

Ein Zeichen dafür, wie weit wir noch entfernt sind von einer Normalität?

Etwas aufgebauscht von mir. Will nichts dramatisieren und wollte euch nicht langweilen.
Lieben Gruß
lust4fun


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Beitrag von ehemaliger User »

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Lycisca hat geschrieben:Da das Wort "paternalistisch" von mir eingebracht wurde, eine Klarstellung: Sich für andere einzusetzen, ist keinesfalls paternalistisch. Sondern die Unterstellung, es besser zu wissen, als die Betroffenen, und aus dieser Einstellung heraus ihre Entscheidungen nicht zu respektieren.
Danke für die Klarstellung. Wobei m.E. insbesondere der letzte Halbsatz entscheidend ist. "Besserwissen" kann vorkommen und ist keine Schande ;o)). Entscheidungen dagegen sind m.E. auch dessen ungeachtet absolut zu respektieren.

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Beitrag von hedonism »

Zu dem Thema spriessen ja die absurdesten Beiträge.... http://radio-schwachsinn.blogspot.co.at ... -rate.html
BEVOR DU ÜBER JEMANDEN URTEILST, ZIEH DIR SEINE SCHUHE AN UND GEH DEN SELBEN WEG......

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Kasharius
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Beitrag von Kasharius »

@lust4fun

ich finde da wirfst Du mit Deinem Posting eine ganz spannende Frage auf. Letztendlich geht es doch um das Problem, ob "selbstbestimmte" Lebensentscheidungen in einer demokratisch-pluralistischen Gesellschaft überhaupt möglich sind - insbesondere bezogen auf die Entscheidung, selbstbestimmt SExarbeit auszuüben...

Bin gespannt auf weitere postings dazu.

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RE: Flatrate Bordelle - Pro und Contra

Beitrag von La Marfa »

@ Kasharius
Meinst du damit ganz grundlegend die stets bestehende Spannung, wenn die Selbstbestimmung und Durchsetzung der eigenen Freiheit und des eigenen Willes auf diese Interessen beim jeweils anderen trifft?

La Marfa

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Kasharius
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Beitrag von Kasharius »

@La Marfa

ja genau das meinte ich.

Freue mich auf Deine/Eure Antworten

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Tanja_Regensburg
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Beitrag von Tanja_Regensburg »

Jessas, hier üerschlägt sich ja alles....

......Tanja weiß es nicht, so wie sie selber sagte, sie hat solche Arbeit nicht erlebt, sondern "ist dafür"......

Das stimmt so nicht ganz.

Ich hab im Swinger/Partytreff "Joy" Ingolstadt ( heute leider ein ganz normaler Puff) während meiner Swingerzeit als Solodame "gejobbt"

wir haben 2005 da für den Abend 30€ bekommen, Entritt und Essen frei.
Dafür sollten wir uns um die Solo-Herren kümmern.
(Damals hab ich mir nicht bewusst gemacht, dass ich damit als Prostituierte arbeite)

Wenn ich da in Stundenlohn umrechnen würde (19-2 Uhr), käme ich auf ca 4,40€ die Stunde und wenn ich es in Männer umrechnen sollte ( ca 6 bis 10), auf 3€ bis 5€ pro Kontakt.

Niemand hat mich gezwungen oder genötigt, und ich fand es gut, mir da nebenbei knapp 100€ am Wochenende zu verdienen.

Waren immerhin 360€ im Monat. und für mich wesentlich einfacher und leichter Verdient als in einem Putzjob oder beim Regaleauffüllen.

Natürlich kann ich an einem Abend nicht komplett hinter Kulissen schauen,(Pussyclub) aber mir doch einen Eindruck verschaffen, wenn ich in einem Flatrateclub bin, da ich mich dort mit Kolleginnen unterhalten habe.Ich habe ihre Argumente verstanden und konnte sie nachvollziehen.

Flatrate begegnet uns übrigens in vielen Formen.

GangBang Veranstaltungen... Eintrittsgeld, das nach Abzug der Unkosten unter den Frauen geteilt wird....

Escort Overnight, wo auch nicht stundenweise, sondern ein "Pauschale" abgerechnet wird, all incusive (was servicemäßig angeboten wird)

Staffelung der Stundenpreise.... und und und

Übrigens man sitzt auch in Wohnungen durchaus und verdient 0€ pro Kunden, weil es Tage gibt, an denen die Unkosten die Einnahmen übersteigen.

Da sitzt man dann 16 - 18 Stunden und hat an miesen Tagen 1 oder gar keinen Kunden.....das darf man dann am Tag drauf wieder versuchen aufzuholen und da ist man durchaus genötigt auch mal nen Kunden zu machen, den man eigentlich nicht machen möchte, um die Miete zahlen zu können....

Das ist aber das Risiko, das viele Selbständige tragen....

Aufträge zu akzeptieren, die nicht so toll sind oder einfach mal weniger einbringen.

Auf welchen Wolken schwebt ihr denn?

Jede Angebotssparte im Paysex hat ihre Berechtigung.

Ich bin vehement dagegen mich hier über oder unter jemanden zu stellen, und schon gar nicht spalten zu lassen.

Ich mag auch nicht urteilen "von oben herab" über andere, die sich ihren Möglichkeiten entsprechend einen Arbeitsplatz gesucht oder geschaffen haben, auch wenn es nicht meinen Vorstellungen entspricht.

Wir werden hier nicht auf einen gemeinsamen Nenner kommen, aber den kleinsten gemeinsamen sollten wir doch erarbeiten können.

Alle Sparten müssen legal bleiben!

Reden können wir über Arbeitsbedingungen und Mindeststandarts.

Kunden möchte ich nicht klassifiziert wissen in Unterschicht, Mittelschicht oder Oberschicht, "what ever" das sein soll.....

Denn Arschlöcher und Grobiane, respektlose Ignoranten und Grenzübertreter gibt es in jedem Preissement!

Tut mir leid, ich hab nicht studiert , so dass ich mich eschliffenen Wortes ausdrücken kann, aber wenn man mit den Füßen auf dem Boden bleibt, dann sollte man auch anerkennen, dass es verschiedenste Möglichkeiten geben muss für SexworkerInnen, die sich dafür entschieden haben so ihr Geld zu verdienen.

Unwürdig ist für mich pro kg gezupfte Erdbeeren 63 Cent zu bekommen und dabei den Körper 10 bis 12 Std schinden zu müssen.. meine persönliche Meinung... und trotzdem kommen jedes Jahr zig Erntehelfer die monatelang in Containern schlafen um so hier Geld zu verdienen.

Da gibts noch viele viele Beispiele.....

Jeder Mensch muss irgendwie und irgendwo arbeiten, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen.

Manche tun das in Fabriken,im Schichtdienst für 8,50 €, andere arbeiten Selbständig und ihnen bleibt kaum was zum leben, weil sie immer wieder in ihre kleinen Firmen investieren müssen und die Auftagslagen nicht stabil sind....

andere verdienen monatlich 2, 5 10 000 € und mehr bei gleichem Zeitaufwand.

Da ich keine dementsprechende Ausbildung habe, vielleicht auch weil ich nicht so intelligent bin wie nötig, oder einfach weil ich keine Lust hatte, mich neben dem Managen meiner Familie noch fortzubilden... sind mir Jobs in denen es Voraussetzung ist bestimmte Diplome vorzuweisen, verwehrt.... damit auch eventuell höheres Einkommen als Angestellte ...

Es gibt durchaus Frauen, die aus persönlichen Umständen heraus, einfach keine Möglichkeit sehen Independent zu arbeiten....

Die für sich entscheiden, das sichere Einkommen zu wählen indem sie in einem Partytreff/Flatrateclub arbeiten!

Wieso kann man das nicht akzeptieren und fängt hier in eigenen Reihen an abzugrenzen und für "unwert" zu erachten.?

Wieso unterhalten wir uns nicht lieber darüber wie Grundstandarts erarbeitet werden können, wie Arbeitsplatzbedingungen verbessert werden können...?

Ich bin dafür Betriebe nach dem Gewerberecht zu regulieren.
Auch Wohnungen, Agenturen und Zusammenschlüsse von mehreren Kolleginnen, sofern sie nicht ausschließlich alleine arbeiten.

Jede Sparte muss ihre eigenen "Arbeitsplatzanforderungen" definieren, denn ich möchte nicht darüber bestimmen, was in einem DominaStudio erlaubt sein sollte, und wie das geregelt werden muss, da ich davon nur minimal Ahnung habe, genausowenig wie ich möchte, dass jemand, die in einem Laufhaus/Straße7Sexualbegleitung usw arbeitet meine Anforderungen in dem Bereich, in dem ich arbeite bestimmt.

Wenn wir das dann haben, können wir versuchen einen gemeinsamen Nenner zu finden als unbedingtes Basis "Muss sein" und dann für die einzelnen Sparten abgestimmtes zusätzliche Regelungen.

Wenn man Handwerker nimmt, dann gibt da auch Regelungen, die alle Handwerker betreffen und dann nochmal unterteilt... in Metzger, Schreiner, Friseure usw....

Weil es wäre wohl nicht zieführend, wenn der Friseur sich an genau die selben Hygienevorschriften in seinem Betrieb halten müsste wie der Metzger, bzw umgekehrt.

Verbote sind definitiv der falsche Weg...

LG Tanja

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Kasharius
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Beitrag von Kasharius »

@Tanja

hättest Du den Ideen oder Vorschläge, ungeachtet dessen was aktuell politisch diskutiert wird, wie solche gewerberechtlichen Regelungen aussehen könnten?

Kasharius grüßt

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La Marfa
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RE: Flatrate Bordelle - Pro und Contra

Beitrag von La Marfa »

@ Kasharius
Vielleicht kann man das anderes herum aufrollen?

Wir leben in einer Gesellschaft, in der faktisch bestimmte Regeln und Moralvorstellungen vorherrschen. Und eine Vielzahl oder die Mehrheit hat diese Vorstellungen adaptiert und lebt diese. Dazu gehört z.B. mal auf Beziehungen und Sexualität schauend u.a. das Konstrukt der Ehe, das der (manchmal seriellen) Monogamie ...
Viele oder sogar die Mehrheit der Menschen hier leben das und / oder streben danach, weil sie das so wollen.

Das hakt schon mit der Entscheidung, Sexwork auszuüben.

Man kann nun natürlich hergehen und das in Gänze anzweifeln, dass die Menschen, die sich in solche Sicherheiten flüchten, nur Angst haben, etwas anderes zu wollen. Aber sie wollen es nun mal und es wäre zumindest ein langer Prozess, neue gesellschaftliche Verabredungen zu installieren. Mit mehr Freiheiten für alle. Aber welche sollen das sein, denen dann wieder ein gesellschaftlicher Konsens zugrunde liegt? Wo sollen die Einschränkungen festgelegt werden, die die eigene persönliche Freiheit und den eigenen persönlichen Willen beschränken, um nicht das Recht des Stärkeren wieder zu implementieren.

Das sind die heutigen Gegebenheiten des gesellschaftlichen Konsenz´ in Deutschland, in denen durchaus Sexwork sich wie ein Stein im Gefüge der Mehrheit anfühlen kann.

La Marfa


PS: @ Tanja
Über den Vorwurf des Klassifizierens von Gästen in (Unter)Schichten waren wir hier eigentlich schon hinaus, ebenso wie darüber, dass hier andere Sexworker-Personen als unwert erachtet werden. Das wieder aufzuwärmen bringt nicht weiter.

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Melanie_NRW
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Re: RE: Flatrate Bordelle - Pro und Contra

Beitrag von Melanie_NRW »

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La Marfa hat geschrieben: PS: @ Tanja
Über den Vorwurf des Klassifizierens von Gästen in (Unter)Schichten waren wir hier eigentlich schon hinaus, ebenso wie darüber, dass hier andere Sexworker-Personen als unwert erachtet werden. Das wieder aufzuwärmen bringt nicht weiter.
Bislang dachte ich, das hier jeder seine Meinung schreiben darf... Der Beitrag von Tanja ist für mich jedenfalls der beste/treffenste im ganzen Thread und ich bin froh, das sie es so geschrieben hat.

Und zum restlichen: Ich denke nicht, das der Großteil der Gesellschaft ein Problem mit Prostitution hat. Schaut man sich anonyme Umfragen an oder allein meine persönlichen Erfahrungen in meinem privaten (normalen bis konservativen) Umfeld sagen mir etwas ganz anderes.

Das Problem liegt einzig und allein darin, das es nach wie vor ein Tabuthema ist. Ebenso wie etwas "ausgefallene" Sexpraktiken. Wobei man da auch schon wieder streiten kann, was ausgefallen bedeutet :)

Warum würde denn sonst so massiv Stimmung gemacht werden müssen um die Meinungen der Bürger zu manipulieren?
Und da sind wir schon wieder beim Beitrag des ORF. Es ist schon wieder soweit, das man extra betonen muss, dies freiwillig zu machen, weil die angeblichen Fakten der sonstigen Medien ja permanent etwas anderes behaupten.

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Tanja_Regensburg
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RE: Flatrate Bordelle - Pro und Contra

Beitrag von Tanja_Regensburg »

Wenn man diese Definition von Gewerbereht zu Grunde legt

Was ist Gewerbereht

bin ich der Meinung, dass es gut erklärt ist.

Zitate...

Gewerbeordnung

......Im Allgemeinen wird die Gründung und die Ausübung eines Gewerbes, welches sich auf die unterschiedlichsten Branchen beziehen kann, unterstützt, weswegen von Seiten des Staates die Schranken für den einzelnen Gewerbebetreiber so gering wie möglich gehalten werden.

Im Normalfall reicht eine einmalige Anmeldung bei der zuständigen Gemeinde aus.

Aus der Gewerbeordnung gehen Bestimmungen und Auflagen hervor, die für die einzelnen Gewerbe gelten.

Sie enthält auch Vorschriften die dem Schutz der Arbeiternehmer zugeordnet werden, um ein faires Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu schaffen.


Weitergehend dient die Gewerbeordnung der Prävention von Gefahren, da besonders bei Gewerben, bei denen das Potential zur Korruption und anderen kriminellen Handlungen gegeben ist, ein Kontrollmechanismus fungieren muss.

Die gewerbliche Freiheit wird zum Schutze der Allgemeinheit in einigen Punkten eingeschränkt, um das Risiko von Missbrauch zu minimieren.


Sonderregelungen des Gewerberechts

Im Laufe der Zeit haben sich aus der GewO, weitergehende Regelungen entwickelt, welche auf bestimmte Bereiche spezialisiert sind.

Wichtige Vertreter hierfür sind das Gaststättengesetz (GastG), die Handwerksordnung (HandwO) und Personenbeförderungsgesetz (PbefG).

Das Gaststättengesetz regelt die Voraussetzungen die benötigt werden, um die Erlaubnis zu erhalten einen Gaststättenbetrieb zu führen.

In der Handwerksordnung wird zwischen zahlungspflichtigem und zahlungspflichtigem Handwerk separiert.

Das Personenbeförderungsgesetz regelt die entgeltliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Bussen und anderen Kraftfahrzeugen und schreibt eine Genehmigung vor.


Das Prostitutionsgesetz......

Daran müssen wir gemeinsam arbeiten in Arbeitsgruppen

Ich kann definieren, was in meiner Sparte wichtig ist...

Escort/ Haus und Hotelbesuche/ Apartments

Ich kann mithelfen bei Wohnung, in der mehrere Kolleginnen arbeiten ...

wenig Ahnung hab ich von Straße, Laufhaus, Bordelle, FKK-Clubs, Clubs, Domina Studios, Sexualbegleitung, Tantra, Massage, usw....

Dazu brauchts Verteterinnen der einzelnen Sparten, die zunächst mal für sich definieren, wie solche Standarts aussehen müssenen und dazu braucht man auch Betreiber, die mitarbeiten an diesen "Voraussetzungen", die umsetzbar sein müssen.

Probleme sehe ich allerdings dabei, eine gute Mitte zu finden, da viele Kolleginnen auf Grund ihrer Prägungen und Erfahrungen eher geringe Anforderungen stellen, während andere sehr hohe stellen.
Totzdem sollte es uns gelingen, wenn beide Seiten sich bewegen, sich in der Mitte zu treffen.


Das geht nicht in überhasteten Schnellschüssen sondern bedeutet Arbeit und muss langsam wachsen.
Nachbesserungen sollten möglich sein, damit man sich an Veränderungen anpassen kann.

Im Moment sind wir erstmal gezwungen uns zu vernetzen und gemeinsam unsere Stimme zu erheben, um nicht überrollt zu werden von den zu erwartenden, Prostitution verdrängen wollenden Regulierungen und den Verboten....

Parallel müssen wir beginnen an sinnvollen Vorschlägen zu arbeiten. Das geht nur gemeinsam und nicht dadurch, dass wir uns selbst in der Gruppe der SexworkerInnen erst Daseinsberechtigungen behaupten müssen.

LG Tanja

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Beitrag von Kasharius »

@Tanja

erst mal Danke für Deine Gedanken. Du plädierst dann aber auch er für eine Anmelde- aber keine Erlaubnispflicht und sprichst Dich dagegen aus, wie im Entwurf der Bundesregierung ja vorgesehen, Prostitutionsstätten (müsste näher definiert werden!) als überwachungsbedürftigen Gewerbezweig zu regeln...?

Würdest Du/würdet Ihr unabhängig von der einzelen SW-Branche gewerberechtliche Unterschiede zwischen Betreiber und (selbstständig) tätiger SW machen...?

Kasharius grüßt :006

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Beitrag von Lycisca »

Wenn es um Regelungen geht, muss nicht alles neu erfunden werden. Vom United Nations Development Programme (Sex Work and the Law in Asia and the Pacific, 2012) wurden die Regelungen in Neuseeland und New South Wales (Australien) als Positivbeispiele hervorgehoben. Insbesondere werden in Neuseeland Appartments erst dann diesen Regelungen unterworfen, wenn in ihnen mehrere SW arbeiten.

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Kasharius
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Beitrag von Kasharius »

@Lycisca

na das wäre auch schon ein Ansatz. Es ist immer gut über den nationalen Tellerrand zu schauen. Was ich Dich bei dieser Gelegenheit noch fragen wollte: Hat eigentlich Österreich die EU-Richtlinie gegen Menschenhandel in nationales Recht kodifiziert, und wenn ja, wie?


Kasharius grüßt herzlich

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Beitrag von Kasharius »

Noch zur Frage der Freiwilligkeit: Eingedenk all Eurer wichtigen Anmerkungen würde ich von freiwillig praktizierter Sexarbeit ausgehen wenn der/die betreffende SW aufgrund eines eigenen, nicht von Dritten maßgeblich beeinflussten Entscheidungsprozesses sich dazu entschieden hat, die Arbeitsbedingungen im wesentlichen selbst bestimmen und jederzeit sanktionslos, also ohne von Dritten daran gehindert zu werden, aufhören kann. Außerdem gehört nach meiner Auffassung zu freiwilliger und selbstbestimmter Sexarbeit, ungeachtet des Rechts Kunden ablehnen zu können, eine gewisse Grundemphatie gegenüber dem, was ich in der Sexarbeit tue und gegebnüber der potentiellen Kundschaft....

Das wäre mein Erklärungsansatz...


Kasharius grüßt nochmals herzlich

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Beitrag von Tanja_Regensburg »

@ Kasharius,

ich kann hier im Moment nur für mich sprechen, lasse mich aber gerne auf andere Sichtweisen ein, da ich nicht immer den allumfassenden politischen Überblick habe ....

Stimmt, meiner Meinung ist eine Anmeldepflicht beim Finanzamt für selbständig arbeitende Sexarbeiterinnen in Ordnung.

Nicht in Ordnung ist, dass ich eine Erlaubnis brauche um legal arbeiten zu können.

Ja, ich mache auch einen Unterschied zwischen Betreibern von Prostitutionsbetrieben und in der Sexarbeit selbständig tätigen Anbieterinnen.

Apartments in denen einzelne Damen arbeiten, Laufhäuser sind für mich gewerbliche Zimmervermietung....

ähnlich einem Hotel oder einer Pension.

Clubs, Bordelle usw könnten meiner Meinung nach über Gaststättenrecht kombiniert mit gewerblicher Zimmervermietung reguliert werden.

Agenturen/Vermittler sind Dienstleister.....

Studios, Wohnungen mt maximal 3 bis 4 Kolleginnen usw sind wohl eher Kleinbetriebe...

Ich würde befürworten, wenn Betreiber an einer Unterweisung teilnehmen müssen, ähnlich wie im Gaststättenbereich, allerdings prostitutionsspezifisch, um sicher zu stellen, dass grundlegende Informationen vorhanden sind über Rechte, Pflichten, Voraussetzungen und Standarts.

Freiwillige Zertifizierung eines Betriebes kann ein Qualitätsmerkmal sowohl für SexarbeiterInnen wie Kunden sein.

Ich befürworte auch, dass Einsteigerinnen an einer Einstiegsinformation (Coaching durch Kolleginnen mit einer eventuellen Zusatzausbildung) teilnehmen sollten, um dort Basics zu Gesundheit, Sicherheit und anderen relevanten Bereichen (Buchführung usw),zu erhalten, sich über Rechte, Pflichten, Voraussetzungen in der Prostitution , und Alternativen zu Berufsumorientierungen zu informieren.

Wichtig sind auch Qualifizierungen und Fortbildung, z.B Tantra, Sexualbegleitung, Dominaausbildungen usw durch erfahrene Kolleginnen...

da gibt es so einiges, was ich als sinnvoll erachten würde, aber das ist eben nur meine persönliche Meinung.... andere mögen es weniger umfangreich. Wichtig ist dass wir uns darüber austauschen und ein Ergebnis erzielen, mit dem die meisten leben können.

LG Tanja

PS Danke Melanie für dein Posting.

@ La Marfa....

Ich gebe zu, ich habe ein Problem mit deiner "dominanten" Art, auch wenn ich einiges von dem was du schreibst durchaus nachvollziehen kann.
Es wäre schön, wenn du auch zulassen könntest, dass andere Menschen Dinge anders sehen als du, denn es gibt zig Millionen von Prägungen die nicht alle zum selben Empfinden führen.

Es wäre wichtig, wenn wir eigene festgefahrene Positionen verlassen, und uns auch unvoreingenommen andere Sichtweisen und Positionen ansehen,.. eventuell auch verstehen können.

Vielfalt ist wichtig, damit sich jede und jeder genau das aussuchen kann womit sie/er am besten zurecht kommt.

Staatlich Konzessionierte Bordelle mit staatlich konzessionierten Prostituierten sind für mich der falsche Weg, da viele dann illegal weiter machen und somit rechtlos und schutzlos sind....

Nochmal, mir ist klar, dass nicht alle Frauen naturgeil sind und deshalb in der Prostitution arbeiten, aber ich möchte nach wie vor die freie Wahl haben, ob ich einen Job annehmen muss bei dem ich pro Std maximal 10€ verdienen kann und deshalb täglich viel Zeit investieren muss, oder ob ich mich dazu entscheide in der Prostitution zu arbeiten und dafür weniger Zeit aufwenden muss, um auf einen ähnlichen Verdienst zu kommen,
Dieses Recht spreche ich auch Migrantinnen nicht ab, die auf Grund des Wohlstandsgefälles hier ihr "Glück" suchen, obwohl sie der Sprache nicht mächtig sind, oder vom Bildungs- und Ausbildungsstand keine andere Mögichkeit sehen.

Dass man in den einzelnen Herkunftsländern für Verbesserungen der dortigen Situation eintreten muss, bzw an Verbesserungen mitarbeiten soll, da sind wir uns ja einig.

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La Marfa
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RE: Flatrate Bordelle - Pro und Contra

Beitrag von La Marfa »

Ich sehe sehr wohl einen Unterschied zwischen Betreiber und selbständigem SW, da der Betreiber über die reine Sexwork hinaus ein Interesse an seinem Haus, seinem Unternehmen, seinem Ruf ... hat.
Das hat zwar auch die selbständige SW, aber bei dieser sehe ich da kein Spannungsverhältnis.

Zwischen den Betreiber-Interessen zugunsten des Hauses und den dort agierenden selbständigen SW kann es sehr wohl eine Spannungszone geben, wo sich widerlaufende Interessen treffen.

Dass hier nicht versucht wird, Machtpositionen einzunehmen oder auszubauen, dafür sollte es Regularien oder Mindeststandards geben, an die sich auch Betreiber halten müssen, die nicht von sich aus das in Absprache mit den SW regeln mögen.

Das zumindest ist ein Punkt, den ich für unterscheidungswürdig halte.

La Marfa

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Beitrag von Kasharius »

@La Marfa
@Tanja

erst mal DANKE für heute. Morgen von mir dazu wieder mehr.

Und auch wenn es einige vielleicht nervt: Ich fühle mich wohl in diesem Forum und von daher sage ich...

ICH LIEBE...na ja ihr wisst schon...

Kasharius grüßt und entschwindet in den Feierabend