GEWALT. Eine neue Geschichte der Menschheit

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Aoife
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Beitrag von Aoife »

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"ehemaliger User" hat geschrieben:Dabei bin ich allerdings weit davon entfernt, zu "romantisieren".
Ganz klar - zumindest meinerseits bestand da keinerlei Gefahr eines Mißverständnisses.

Romantisieren kann man erst aus der Entfernung, es handelt sich dabei um ein aufgesteztes Phänomen das erst auftreten kann, wenn man sich einbildet man stehe außerhalb der Natur und betrachte sie von außen ...

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La Marfa
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Re: RE: GEWALT. Eine neue Geschichte der Menschheit

Beitrag von La Marfa »

          Bild
Aoife hat geschrieben: 
*Wenn* ich mich als Mensch als Kulturwesen und nicht als Teil der Natur (der Realität) empfinden will, dann muss ich "Mensch" als möglichst naturfern definieren. Sachlich gesehen ist das natürlich bezüglich Männern und Frauen gleichermaßen absurd, aber die Illusion dass der Mensch etwas grundsätzlich anderes sei als die Natur läßt sich einfacher aufrechterhalten wenn man Frauen vom typischen Menschenbild ausschließt.
So kurz gefasst erschließen sich mir der Sinn und die Logik nicht. Magst du das ausführen?
Der Mensch ist aufgrund seiner Denkfähigkeit potentiell ein Kulturwesen (Wesen mit Kultur, Kontrolle und durchdachten Verhaltensweisen) und ein Teil der Realtät und ein Teil der Natur, wenn auch durch Evolution in eine besondere Stellung gerückt und daraus resultierend in einer wie ich finde besonderen Verantwortung.

La Marfa

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Aoife
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Re: RE: GEWALT. Eine neue Geschichte der Menschheit

Beitrag von Aoife »

das liegt vielleicht an meinem schlechten Deutsch ....

Du schreibst der Mensch sei das alles gleichzeitig, während ich versuchte darzustellen wie das aus einem subjektiven Empfinden wirkt, das nicht Natur *und* Denken, sondern Kultur *gegen* Natur als Grundthema hat.

Selbstverständlich hast du Recht dass menschliches Denken einen Teil der Natur/Realität darstellt - und das ist ja auch nicht das Problem. Patriarchat entsteht, wenn das Denken sich denkt es sei etwas grundsätzlich anderes als Natur - ein Wahn, der somit auch nicht durch die Feststellung dass Denken innerhalb der natur stattfindet korrigiert werden kann. Schleißlich ist er genau zu dem Zweck erschaffen worden, sich einbilden zu können einen Abstand zwischen der als bedrohlich erlebten Natur und sich selbst geschaffen zu haben. Wenn ich die Entstehung dieses Wahns nachvollziehe, so heißt das nicht dass ich ihn rechtfertigen wollte,

          Bild
Aoife hat geschrieben: 
*Wenn* ich mich als Mensch als Kulturwesen und nicht als Teil der Natur (der Realität) empfinden will, dann muss ich "Mensch" als möglichst naturfern definieren.
heißt nicht dass ich persönlich an eine "Kuiltur" glaube die außerhalb der Natur steht, sondern zeigt nur was passiert wenn jemand das will.

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Jupiter
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RE: GEWALT. Eine neue Geschichte der Menschheit

Beitrag von Jupiter »

Ich denke, dass Gewaltbereitschaft u. a. auch in Verbindung mit "Besitz" zu sehen ist. Eine neue Studie von Douglas Fry und Patrik Södermann (Science, Bd. 341, S. 270-2013) bringt diese zu der Aussage, dass Gewalt und Kriege erst mit der Erfindung des Ackerbaus aufkam.
Für uns Männer sollte daher mit einem gewaltlosen Denken und Handeln auch daran gedacht werden, dass andere Personen, besonders wenn sie uns nahe stehen, nicht uns gehören, kein Eigentum sind. Ich muss da in Zusammenhang mit eigenen Kinder und deren Erziehung an eine Aussage denken: Berücksichtige immer, dass die Kinder nur vorübergehend in deiner Obhut sind.

Gruß Jupiter
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nicole6
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Beitrag von nicole6 »

Material zur Diskussion gibt es hier ja genug.
Ich will hier noch einen Punkt einfügen, der von Pinker
nicht erwähnt wurde, was ich ihm aber nicht anlaste, denn
bei solch einem umfassenden Thema kann man unmöglich alle
Aspekte behandeln.
Der Punkt ist, dass Vertreter des Patriarchats folgende Dogmen fordern,
die unumgänglich sind, um das System aufrecht zu erhalten,
andernfalls bricht es zusammen:
# Dogma der linearen Zeit.
# Dogma der generellen Polarität in der Natur.
# Dogma des 3-dimensionalen Raumes.

der erstgenannte Punkt leugnet die Existenz zyklischer Zeit(en),
etwas sehr weibliches, denn Frauen können Zyklen nicht leugnen!
Die Folge ist: verantwortungsloses Handeln, ein typisches
Männerverhalten (Atommüll, Industriegifte, Naturzerstörung usw)
Buddhistische Lehren der Reinkarnation basieren darauf:
wer Gewalt auf andere ausübt, wird eines Tages das gleiche
auf sich erleben.

zum zweiten Punkt: das ignorieren und leugnen von Zwischenstufen,
eine Weltsicht in nur schwarz und weiß.
In der Sexualität werden alle Variationen von Sexformen
die weder männlich noch weiblich sind ignoriert. Dabei kennt
die Biologie einen Pilz der 13 Sexformen hat, und der als
"Pflanze" sogar sich Füße schaffen kann, und damit in der
Gegend herumlaufen, um nach neuen Futterstellen zu suchen.
In der Wirtschaft würden die ignorierten Variationen des Sexes
Probleme bereiten: wo soll man sie einstufen ? in die Kategorie
Frauen? dann kann man ihnen bei gleicher Leistung 25-30%
weniger Lohn zahlen ! Oder zu Männern? Das führte zu
Gewinnverluste.
Schwarz-Weiß-Denken ist ein Zeichen von großer Dummheit,
und führt bei Widerspruch oft zu Gewaltanwendung, weil
die Illusion der Polarität aufgelöst wird.

Zum dritten Punkt: dieses Dogma blockiert im Moment den
wissenschaftlichen Fortschritt, da die Existenz eines 4-D-Raumes
nicht einmal in Erwähnung gezogen wird. Aber ohne einen
4-D-Raum kann man die meisten Probleme der Teilchenphysik
nicht lösen. Auf der anderen Seite würde eine Akzeptanz
die Wissenschaftler in Verlegenheit bringen: sie müssten dann zugeben,
dass es eine Raumdimension gibt, die man nicht sieht, aber
durch die Einflüsse in den 3-D geschehen. Damit würden sie
den Esoterikern ein mächtiges Argument in die Hand geben!
In gewisser Weise ist der Punkt mit dem ersten verbunden.

Nicole

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Aoife
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Beitrag von Aoife »

Vielen Dank für diese wichtigen Infos liebe Nicole!

Insbesondere

          Bild
nicole6 hat geschrieben:zum zweiten Punkt: das ignorieren und leugnen von Zwischenstufen,
eine Weltsicht in nur schwarz und weiß.
schließt wieder den Kreis zur Psychopathologie:

Schwarz-Weiß-Denken ist eines der Leitsymptome für Borderline Persönlichkeitsstörung, und diese ist vom komplexen posttraumatischen Belastungssyndrom kaum zu unterscheiden ... wenn nicht beide sowieso identisch sind, da streitet die Wissenschaft noch :002

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nicole6
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Beitrag von nicole6 »

an Jupiter:
juristisch korrekt wäre in deinem Beispiel das Wort "Eigentum" !
Der Begriff "Besitz" umschreibt einen anderen Zusammenhang.
Erklärung:
Du gehst in ein Restaurant, willst zu Abend essen, und setzt dich
auf einen Stuhl (eine Bank, ein Sofa, einen Sessel).
Damit hast du die Sitzgelegenheit in "Be-sitz" genommen.
Niemand hat das Recht dir den Sitz nun streitig zu machen,
denn er war ja frei. Wenn alle Stühle besetzt sind, kannst du
niemanden davon wegschubsen, damit du den Sitz hast.
"Besitz" wird auch für Gegenstände verwendet,
die du slbst hergestellt hast,
Wenn du z.B. aus einem Holzblock eine
Statue schnitzt, ist sie dein Besitz.
"Eigentum" ist eine Erfindung des Patriarchats.
Hier werden Objekte in Beschlag genommen, die vom "Eigentümer"
überhaupt nicht benutzt oder gebraucht werden.
Ein Mann kann somit Eigentümer eines Feldes sein, obwohl er
das Feld nicht bearbeitet ! Ja, er kann sogar verbieten, dass
Hungernde das Feld bearbeiten, um dem Hunger zu entgehen!

Das ist einer der Punkte, die der "erste Sozialdemokrat" der
neuen Geschichte, Thomas Paine", als sehr wichtig erachtet:
die Abschaffung des persönlichen Eigentums, und die Aufwertung
der Besitzrechte! Eigentum kann vererbt werden, Besitz nicht!
Paine wettert gegen die Aristokraten, bei denen die Toten ihre
Ansprüche auf die Lebenden ausdehnen können, damit ein
kleiner Teil der Schmarotzer die Mehrheit der Menschen ausbeuten kann.

Aoife bemerkte zuvor, dass Gewalt und Kriege eine zwangsläufige
Folge des Patriarchats sind, und kein "Ausrutscher".
Dieser Meinung war auch Paine. Hier ein Zitat zur französischen Revolution:
"...Diese Gewaltätigkeiten waren nicht Wirkung der Revolution,
sondern der Herabwürdigung, welche vor der Revolution
existierte, und auf deren Verbesserung die Revolution abzweckte..."
(in Paine, Thomas, die Rechte des Menschen, Suhrkamp, Seite 71)

Auch zu einem anderer Punkt, den Aoife bemerkte, gibt es bei
Paine eine entsprechende Stelle. Es geht darum, dass in
manchen "Beweisen" historische Vorgänge als Beleg
hervor gezogen werden, und an einem bestimmten Punkt Halt gemacht wird.
Wenn man weiter ginge, würde der angebliche Beweis
in sich zusammenfallen und ins Gegenteil verkehren:
"...der Irrtum derjenigen, die aus Beispielen des Altertums
über die Rechte des Menschen urteilen, besteht darin, dass sie
nicht weit genug ins Altertum zurück gehen......wenn wir weiter
ins Altertum zurückgehen, so finden wir gerade das Gegenteil von diesem.."
(in Paine, Thomas, die Rechte des Menschen, Suhrkamp, Seite 78)

ciao!
Nicole

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Jupiter
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RE: GEWALT. Eine neue Geschichte der Menschheit

Beitrag von Jupiter »

O.K. Nicole :002 , ich bin halt kein Jurist.

Gruß Jupiter
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Beitrag von Aoife »

Nicole hat weiter oben neben dem Schwarz-Weiß-Denken auch die "Vergewaltigung" von Zeit und Raum erwähnt - und während Thomas Paine hier auf die Zeitmanipulation abhebt:

          Bild
nicole6 hat geschrieben:Es geht darum, dass in
manchen "Beweisen" historische Vorgänge als Beleg
hervor gezogen werden, und an einem bestimmten Punkt Halt gemacht wird.
Wenn man weiter ginge, würde der angebliche Beweis
in sich zusammenfallen und ins Gegenteil verkehren:
"...der Irrtum derjenigen, die aus Beispielen des Altertums
über die Rechte des Menschen urteilen, besteht darin, dass sie
nicht weit genug ins Altertum zurück gehen......wenn wir weiter
ins Altertum zurückgehen, so finden wir gerade das Gegenteil von diesem.."
(in Paine, Thomas, die Rechte des Menschen, Suhrkamp, Seite 78)
sind Raum und Schwarz-Weiß-Denken in diesem Zusammenhang nicht weniger wichtig:

Aus gutem Grund bekommen wir (in Deutschland/Österreich genauso wie in UK/Ireland) ein völlig unzusammenhängendes "sprunghaftes" Geschichtsbild vermittelt - wieso eigentlich soll Geschichte zu einem Zeitpunkt in Mesopotamien, dann in Ägypten, danach in Griechenland/Rom und dann in Zentraleuropa stattgefunden haben? Würden wir stattdessen an dem Platz an dem wir uns gerade befinden in der Zeit zurückgehen, so würde schon nach wenigen Jahrhunderten klar werden, dass es eben nicht "schon immer so war".

Und auch das Schwarz-Weiß-Denken ist Voraussetzung für diesen Irrglauben, erst Nuancen zeigen grundsätzliche Unterschiede ... so gab es beispielsweise in Irland schon vor 2000 Jahren Könige, damit dürfte wohl klar sein, dass es Herrschaft schon immer gab??? Erst wenn wir wisen, dass aus damaligen Königen im Fall einer Missernte eine Moorleiche gemacht wurde wird offensichtlich, dass es sich damals eben nicht um Herrschaft sondern um Verantwortung handelte und die Wurzeln heutiger Regierungssysteme keineswegs auf eine ewige Tradition zurückgreifen können.

Liebe Grüße, Aoife
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RE: GEWALT. Eine neue Geschichte der Menschheit

Beitrag von nicole6 »

über die von Aoife erwähnte Situation in Irland, und in anderen
keltischen Ländern und Kulturen zu dieser Zeit, gibt es eine
hochinteressante Untersuchung von Friedrich Engels.
(Es war übrigens seine Doktorarbeit!)
Der Titel der Arbeit ist:
"Der Ursprung der Familie, des Privateigentums, und des Staates"
der Originaltitel war:
"Ancient Society, or Researches in the Lines of Human Progresses
from Savagery through Barbarism to Civilization"
erschienen 1877, London, Mc Millan & Co.

Besonders in Kapitel VII, wo er auf die Kelten eingeht, wird es interessant.
Hier ein Originalzitat:
"in Wales wurde eine Ehe erst unlöslich, oder besser unkündbar,
nach sieben Jahren. Fehlten nur drei Nächte an den sieben Jahren,
so konnten die Gatten sich trennen. Dann wurde geteilt:
Die Frau teilte, der Mann wählte seinen Teil".
(in: K. Marx und F.Engels, ausgewählte Werke, Gondrom Verlag, Bindlach, 1987, Seite 528)
Als Scheidungsgrund konnte die Frau zum Beispiel angeben:
übler Mundgeruch, der ihr das küssen sehr verleidete !
Alle Kinder welche die Frau gebar, waren ihre, es gab keine
"unehelichen" Kinder.
Engels schreibt auch, dass in Schottland die Erblinie rein weiblich war.

Nicole