Sexualität und Mythos
Von Jamake Highwater, DTV, München, 1995, 262 Seiten
Originaltitel: Myth and Sexuality, NAL Books, NY
Ich denke, dass die meisten Personen glauben, dass das, was sie unter "Sexualiät"
verstehen, naturgegeben sei. Dabei vermischen sie physiologische Gegebenheiten
mit psychologischen Eigenheiten, plus anerzogenen Gewohnheiten, und zu
Glaubensvorstellungen erhärtete Vorurteile.
Das einzig "naturgegebene" ist dabei die Physiologie, und die kennt schon unzählige
Variationen von Sex, wobei "weiblich" und "männlich" nur die häufigsten Formen
sind, aber nicht die einzigen.
Jamake Highwater konzentriert sich in diesem Buch auf den Zusammenhang zwischen
den vorherrschenden Mythen einer Gesellschaft, und den daraus erfolgenden
Vorstellungen von dem was "Sex" ist, und wie sich durch diese soziologisch
anerzogenen Verhaltensmuster die Praxis von "Sex" verändert.
Anthropologische Vergleiche zeigen z.B. auf, wie die erfundenen Mythen die Positionen
von Frau und Mann beim Geschlechtsverkehr vorgeben. Bei den alten Ägyptern
war "der Himmel" weiblich, und "die Erde" männlich. So wurde es dann von der
Bevölkerung als "natürlich" angesehen, dass beim Sex der Mann unten liegt,
und die Frau oben auf ihm sitzt. Bei den von Männern erfundenen Religionen wie
das Judentum, das Christentum und der Islam, setzten die Männer fest,
dass der Himmel "männlich" sei, die Erde "weiblich", und dass der Himmel die
Erde kontrollieren solle, und somit dass beim Sex die Frau unten sei, vom Mann
kontrolliert.
Als nach dem 16. Jh, die Männer sich ausdachten, dass die vom Männergott geschaffene
Erde wie ein Uhrwerk funktioniere, also eine Maschine sei, so änderte sich durch
diese Variation des Mythos auch die Sexpraxis. Die Frau wurde durch Männer als
Produktionsmaschine für Kinder angesehen und auch so behandelt.
Eine Heirat hatte somit als Hauptziel, diese "Produktionsmaschine" mit Sperma
zu befruchten. Zum Vergnügen suchten sich die Männer dann "Sexmaschinen",
vulgär als "Prostituierte" benannt. Das war/ist schizophren. In diesem Buch
geht es weniger um die psychologischen Hintergründe, sondern darum, den
Zusammenhang zwischen Mythen und Sexpraktiken aufzuzeigen.
Im 18, und 19. Jh. wurde zunehmend die Natur kommerzialisiert. Die Gleichsetzung
der Männer von Erde = weiblich, und die biblischeForderung "beutet die Erde aus",
als Imperativ des Männergottes bei der Vertreibung aus "dem Paradies" , benutzen
die Männer als Legitimierung für die Ausbeutung von Frauen und die Sexualisierung
von Werbung, Marktobjekten und Gewalt.
Auch wenn das Buch wissenschaftlich ist, wurde es spannend geschrieben und ist
auch für Laien leicht verständlich. Die Argumente sind schlüssig und gut belegt.
Wer weiterführende Literatur sucht, findet sie auf über 10 Seiten.
Ich kann es auf jeden Fall Laien empfehlen, da nirgends eine "wissenschaftliche"
Sprache verwendet wurde.
Nicole
Sexualität und Mythos
-
- ModeratorIn
- Beiträge: 2333
- Registriert: 11.09.2009, 13:01
- Wohnort: München
- Ich bin: ehemalige SexarbeiterIn