Menschenhandel vs. Migration

Beiträge betreffend SW im Hinblick auf Gesellschaft bzw. politische Reaktionen
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Jupiter
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RE: Menschenhandel vs. Migration

Beitrag von Jupiter »

Es ist ja nicht nur die Fleischindustrie, da wird z.B. auch das nächtliche Auffüllen der Regale einer Supermarktkette an eine rumänische Firma per Arbeitsvertrag gegeben.

Gruß Jupiter
Wenn du fühlst, dass in deinem Herzen etwas fehlt, dann kannst du, auch wenn du im Luxus lebst, nicht glücklich sein.

(Tenzin Gyatso, 14. Dalai Lama)

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Marc of Frankfurt
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Wie kontrollieren und kleinhalten?

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Thema: Zwangsarbeit ... Zwangsmetzger ... Zwangsfliesbandarbeiter ... Zwangsregaleinräumer

Jetzt könnte man doch sagen eine Fleischfabrik oder Supermarkt ist viel umfangreicher reguliert und kontrolliert als Bordell oder Frittenbude ???



Antwort darauf von einem Experten bei Report aus München sinngemäß:
  • "(1) Wenn die Polizeibehörde eine Firma kontrollieren will, hat sie eine vielzahl von Hygienerichtlinien zu beachten, so daß spontane Kontrollen mit Überraschungseffekt so nicht möglich sind.
    (2) Die Fleischindustrie hat sich auf diese Kontrollen seit vielen Jahren eingestellt.
    (3) Weite Teile der Produktion sind an Sub-Sub-Sub-Sub Unternehmer bis ins 4. Glied ausgegliedert. Und können beim ersten Anlauf gar nicht überprüft werden.
    Solche Überwachungen werden von der Industrie nicht mehr als Störfaktor wahrgenommen"

    --Frank Buckenhofer
    Gewerkschaft der Polizei, Bereich Zoll
Die migrantischen Arbeiter wurden bedroht, ihnen wurde gedroht ganz so wie wir das bisher nur von Zuhältern in der Presse lesen konnten.
- zurückgehaltene Pässe
- Drohung zu wissen wo sie wohnen und die Familie lebt...
- Drohung mit Unfall

mit video
http://blog.br.de/report-muenchen/2013/ ... eiter.html



Damit versteht man dann auch warum die Polizei-Praktiker für die Prostitution die alten "Eingriffsrechte" wieder haben will und (oftmals traumatisierende) Razzien so wichtig finden.

Man kann sogar so weit gehen und sagen, die Prostitution wird bewußt in einer Grauzone gehalten bzw. bewußt kriminalisiert, weil da die Kontrolle per Strafgesetzbuch letztlich viel einschneidender und wirkungsvoller ist ...

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Marc of Frankfurt
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Die Wurzel unserer heutigen Medien-Probleme

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Menschenhandelstatistiken wie: "Größtes Verbrechen neben Drogen- und Waffenhandel" ...

... basieren auf selbstverstärkenden Mediengerüchten und fahrlässigen ersten groben Abschätzungen in UN-Meetings.


Das gesteht jetzt nach 15 Jahren der Wissenschaftler Prof. Kevin Bales, der sie selbst bei der UN ODC - Office on Drugs and Crime (Wien) ausgelöst hat.



Prof. Kevin Bales on how the inflated trafficking guestimates came into existence, after the talk and during the discussion with Prof. Ronald Weitzer:


Bales: [... T]he [claim] about this [sex-trafficking in persons] is the third largest or second largest of all organised crime. I know exactly where that came from and exactly how it happened, because I said it. In a meeting, at the United Nations Office of Drugs and Crime, I was the consultant on human trafficking for the establishment of the “trafficking” part of ODC in the year 2000. It was a closed meeting and someone said “so where do you think this lands in terms of other types of organised crime that we’re working on here at the Office on Drugs and Crime, drugs and arms, like that?” And they turned to me because I was the data guy and I said, “Listen, no one knows the answer to that question, it’s impossible to answer that question. If I had to guess I would say it was third, but no one could answer that question.” And it was a closed meeting – we were just having a discussion. But there was an internal reporter, who wrote it down and then about 9 months later it came out as a report in which it said “Trafficking expert consultant explained to group that…”

Male voice: Unnamed?

Bales: Unnamed. And then – and I never admitted it. I said “I’m going to keep shtum on this.”

Male voice: We’re recording you now [audience laughs]

Bales: [indecipherable] and it was almost like I had to watch this falsified, false claim but it was UN and I couldn’t do anything to blow the cover. So, everyone said it’s the third largest. And I thought this is nuts, everyone in the meeting involved, we all understood that you couldn’t do this. What was then very fascinating to me was, over the next 3 or 4 years, watching it climb up as the groups that you were talking about decided to inflate the claim that was previously falsely stated anyway. And it began to be pushed up to number two. And there are actually, and I actually tried to document this by searching the web to see how many groups had been bumping it up, because they wanted it to bump up, and then we began to see just in the last two years, people trying to bump it up to number one. So it was falsehood based upon falsehood based upon another falsehood, it was translated to another falsehood.

Weitzer: A case study on how a claim becomes a conviction.


Bales: Precisely. In fact, it wasn’t those on the left side of the battlefield, it was the ones on this other side that [indecipherable]. I know it’s an anecdotal, but that’s precisely where that came from and precisely how it all imploded.

Weitzer: Are you willing to go public with that?

Bales: Yeah. Now I am.

as part of the one-day conference "New Frontiers of the Dark Figure: Measuring Hidden Crimes"
www.qub.ac.uk/schools/SchoolofLaw/Newsa ... 975,en.pdf
https://www.youtube.com/playlist?list=P ... CnJS-rQS6i

Thomas Steinfatt - 'The Dark Figure of Human Trafficking'


Kevin Bales - 'Estimating the Dark Figure -- Slavery and Trafficking'


Die von Prof. Bales gegründeten Hilfsorganisationen Anti-Slavery International, London d/b/a (doing business as) Free the Slaves; Washington erhielten 300.000 Euro staatliche Finanzierung im Jahr 2011:
$200,000 www.antiSlavery.org
$200,000 www.freetheSlaves.net

Ferner erfahren wir im Verlaufe von Vortrag und Diskussion, dass die am stärksten geförderten Prostitututionsgegner in den USA: Polaris Projekt ($1,429,333; 1 Mio Euro www.polarisproject.org Washington) und CATW - Coalition Against Trafficking in Women ($400,000; 300.000 Euro www.catwinternational.org New York) religiöse Organisationen sind.

Anti trafficking funds 2011
www.bit.ly/anti-trafficking-funds

UN, US anti trafficking politics 2013
www.bit.ly/anti-trafficking

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fraences
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RE: Menschenhandel vs. Migration

Beitrag von fraences »

DGB fordert besseren Schutz für Zuwanderer

Der Deutsche Gewerkschaftsbund fordert einen besseren Schutz für Zuwanderer, die in Deutschland arbeiten. "Viele Migranten werden in menschenunwürdige Beschäftigung abgedrängt", sagte das DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach der "Berliner Zeitung" mit Blick auf die steigende Zahl der Zuwanderer aus Süd- und Osteuropa. In ihrer Heimat würden den Menschen oft falsche Versprechungen gemacht, "sie verschulden sich, um Fahrt und Arbeitsplatz bei Schleppern oder so genannten Dienstleistern zu bezahlen. Das bewegt sich oft an der Grenze zum Menschenhandel", sagte Buntenbach.
Im Falle der Meyer-Werft sei dies jetzt Gegenstand staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen. Das Strafgesetzbuch verbietet Menschenhandel "zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft". Auf der Meyer-Werft sind rumänische Arbeiter tätig, die über Sub-Unternehmen nach Deutschland vermittelt wurden. Nach einem Brand mit zwei Todesopfern in einer Unterkunft der Arbeiter wurde Kritik an den Lebens- und Arbeitsbedingungen der Osteuropäer laut. Ausgebeutet würden insbesondere Zuwanderer, die über Werkverträge, grenzüberschreitende Leiharbeit oder als Scheinselbstständige ins Land geholt werden, sagte Buntenbach. "Was wir hier erleben, ist gut organisierte Lohndrückerei." Oft arbeiteten die Menschen für drei oder vier Euro pro Stunde. Viele seien nicht krankenversichert. Insbesondere Werkverträge würden immer öfter missbraucht, um Löhne systematisch zu drücken. Am Bau und in der Fleischindustrie sei dies seit vielen Jahren bekannt. "Jetzt erleben wir das zunehmend auch in der Metall- und Elektroindustrie, wo Leiharbeit seit einigen Monaten stärker reguliert ist", sagte das DGB-Vorstandsmitglied. Die Bundesregierung müsse dem "Lohn- und Sozialdumping" mit einem gesetzlichen Mindestlohn, der auch für Zuwanderer gilt, einen Riegel vorschieben. Zudem müssten alle Migranten ein Recht auf Beratung haben. Die Europäische Union und die Bundesregierung müssten die nötigen Mittel bereitstellen. Der DGB hat vor einiger Zeit sechs Beratungsstellen eingerichtet, die öffentlich gefördert werden. Doch das reiche bei weitem nicht aus, betonte Buntenbach.

http://www.berliner-umschau.de/news.php ... 4856699875
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Marc of Frankfurt
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Begleitkriminalität Schiffbau

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Menschenhandel wird ein immer breiter und allgemeines Problem außerhalb von Sexwork:


Gestern habe ich von Menschenhandel von Ingenieuren und Schiffbauern erfahren


Die Konstrukteure waren in Osnabrück bei der Mayerwerft tätig, wurden von Sub-Sub-Sub-Unternehmern aus Ungarn angelockt und bezahlt mit ca. 7 Euro/Stunde und in Mehrbettzimmern in runtergekommenen Häusern untergebracht. (Mindestlohn Berechnung für Deutschland: 18,50 EUR/h entspricht 150 EUR/Tag)

Vermutlich kann man hier auch davon sprechen, dass sie um die konkreten Arbeitsbedingungen getäuscht wurden, so wie es in Prozessen gegen Prostitution gemacht wird, wenn herauskommt, dass die Sexworker doch wußten und einverstanden waren in der Prostitution zu arbeiten.

Im TV-Interview zeigten sich die Ingenieure aus Ungarn jedoch zufrieden mit dem Verdienst und Bedingungen im Vergleich zum Heimatland. So kennen wir es auch, dass sich Sexworker (vgl. Pussy-Flatrate-Club) zufrieden geäußert haben!

Aber die Menschenhandelsparagraphen 232 ff. greifen schon, wenn die Arbeitsbedingungen und Entlohnung "in einem krassen Gegensatz zu den Deutschen Verhältnissen" stehen.

Dass aber hier die Mayerwerft, die die AIDA-Kreuzfahrtschiffe baut, beteiligt ist, zeigt, dass an dem Problem keinesfalls nur die ach so böse Prostitution oder gar die super bösen Zuhälter schuld sein können, die man im Zeitalter der Globalisierung dann Menschenhändler schimpft.

Kann man sagen, die sexualisierte Berichterstattung i.V.m. der jahrelangen Medienhype gegen Prostitution hat die Gesellschaft erst zu dieser erweiterten korrigierten Erkenntnis bringen können?

Leider wohl eher nein. Der Fall ist nämlich nur herausgekommen, weil ein Wohnhaus wo die Ungarn untergebracht waren abgebrannt war...

Bei Sexwork, wo es auch ohne Feuerkatastrophe stets feurig zugeht, da besteht halt ständige Aufmerksamkeit der Ordnungshüter und selbsternannter Moralwächter. Leider bisher nicht so überall in der Gesellschaft. Doppelmoral halt !!!




Die Deutsche Bundesbahn hat übrigens ihr Projekt mit afrikanischen Flüchtlingen als Kofferträger am Bahnhof für 1,05 Euro/Stunde maximal möglicher Lohn als Hinzuverdienst laut Ausländer/Flüchtlingsleistungsgesetz, nach 3 Tagen wieder eingestellt.





Aus USA ein Fall von Menschenhandel, wo 50-80 Jahre alte Rentner mit Zigaretten angelockt worden waren und dann in einer Garage gefangen gehalten wurden, um deren Rente und Sozialleistungen zu ergaunern. Mit geistig zurückstehenden Menschen sei sowas schön vorher andernorts bekannt geworden.

Und dann gibt es da ja noch den Fall der Familie mit den zwei Brüdern, die in bürgerlicher Wohnsiedlung mit netter Nachbarschaft leben und 3 Frauen im Haus gefangen hielten...

Bild

Und in Californien ist eine Saudische Prinzessin und priviligierte Diplomatin beschuldigt eine Hausangestellte sklavenähnlich gehalten zu haben... "Der Fisch stinkt vom Kopf her" fällt einem dazu nur ein.

So wie für Freier die "Jedermann-Hypothes" gilt (Schönes Wort!) und für Sexworker vmtl. auch, so vermutlich auch für all die vielen Formen des Menschenhandels bzw. ganz allgemein für alle die vielen Formen wo Menschen Menschen ausbeuten und persönliche Vorteilsnahme im Spiel ist...

Diese Fokussierung auf Prostitution ist bereits so ein Element der Vorteilsname weiter Kreise gegen eine sozio-sexuelle Minderheit. Wehret den Anfängen!

www.bit.ly/sexworkfacts

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Tilopa
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RE: Menschenhandel vs. Migration

Beitrag von Tilopa »

Sonja Dolinsek hat für "Menschenhandel Heute" mal den Axel Dreher interviewt. Lesenswert!
Kompetent wirkt er auf mich nun nicht gerade - macht aber immerhin eine interessante Durchsage an unsere Prostitutionsgegner:


Prof. Dreher: "[...] Ich bin persönlich eindeutig gegen die Kriminalisierung der Prostitution. Ein im Durchschnitt positiver Zusammenhang zwischen legaler Prostitution und Menschenhandel bedeutet doch nicht, dass die Legalisierung immer, in jedem Land und zu jeder Zeit schädlich ist. Zum einen kann der Zusammenhang durch geeignete Gesetze und deren Umsetzung verhindert werden. Zum anderen ist der Menschenhandel nur ein Aspekt der legalen Prostitution. Das heißt doch nicht, man müsste sie deshalb verbieten. [...] Eine liberale Gesellschaft muss Regeln setzen, die Ausbeutung verhindern, darf aber den freiwilligen Austausch von Erwachsenen nur in sehr extremen Fällen verbieten. Die Prostitution gehört meiner Ansicht nach nicht zu diesen Extremfällen."

http://menschenhandelheute.net/2013/09/ ... eidelberg/

Doris67
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Beitrag von Doris67 »

Bulgarischer Arbeiterstrich in Köln-Ehrenfeld: http://www.ksta.de/ehrenfeld/kontrollen ... 28610.html

Komisch, da benutzt niemand das Wort Menschenhandel...
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Marc of Frankfurt
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Geschäftsgebaren von Migranten & Caritas

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Doris67 hat geschrieben:Komisch, da benutzt niemand das Wort Menschenhandel...
...das schier übermächtige weil unsichtbar wirkende Stigma scheint man keinesfalls leicht aufbrechen zu können, dass nämlich das Wort Menschenhandel hauptsächlich mit sexueller Ausbeutung von hauptsächlich weiblichen Personen (Frauen & Kinder), also mit Prostitution verknüpft ist... (Sexismus, Diskriminierung, Syndrom gruppenbezogne Menschenfeindlichkeit GMF)





Aber auch interessant im KStA-Artikel
Geschäftsmodell der Migranten untereinander (intra-migrantisch):
> KStA: "zu den Profiteuren zählen nicht nur [deutsche/einheimische] Handwerker und Privatleute, die die Billigarbeiter anheuern und illegal beschäftigen, sondern auch [ausländische/migrantische] Landsleute der Tagelöhner. Sie gerieren sich als ihre „Ansprechpartner“ und „Helfer“, tatsächlich knöpfen sie ihnen Wucherpreise für Übernachtungsmöglichkeiten ab und kassieren bis zu 700 Euro „Gebühr“ für die Unterstützung beim Ausfüllen von Kindergeldanträgeneine Hilfe, die Wohlfahrtsverbände wie die Caritas kostenlos leisten."

Das könnte man bezeichnen als "Zuhälterei" der Wissenden gegenüber den Unwissenden, der Vorgängergeneration gegenüber der Nachfolgergeneration von Einwanderern und Migrant_innen. Die wollen sich quasi ihre Entbehrungen bei der Ersterkundung der Finanzquellen des fremden Landes rückwirkend ausgleichen lassen (Investition gefolgt von Return of Investment roi). Der Wert solcher "Beratungs-Dienstleistung" ist dann so hoch, wie das zukünftig erwartbare Kindergeld für 4 Kinder oder 4 Monate (1 Quartal). Kann man auch irgendwie als verhältnismäßig ansehen, oder?

Vgl. Kalkulation der migrantischen Sexworker im Frankfurter BHV
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=88954#88954

Aber auch hier eine einseitige Wertung:
Denn die kath. Caritas leistet das m.E. gar NICHT umsonst, sondern sie verlangt halt nur kein Geld von den antragsausfüllenden hilfsbedürftigen Menschen, denn sie wird ja finanziert aus öffentlichen Mitteln plus mit einem ganz ganz kleinen Anteil aus Kirchensteuern, die jedoch der Staat zugunsten der röm.kath. Kirche auf Steuerzahlerkosten mit seinen teueren auf lebenszeit-abgesicherten Beamten einzieht...

Viele bezeichnen deshalb Hilfsorganisationen als "Poverty Pimps", als Zuhälter der Armut. Sie sind Teil einer Anti-Menschenhandels-Industrie was sich in unserem Falle als Anti-Prostitutions-Industrie darstellt.

Prostitution und sog. Zuhälter (aka. Drittparteien) werden bzw. bleiben stigmatisiert bis kriminalisiert, während die "Gutmenschen" sich den Markt der staatlich finanzierten Hilfe aufteilen. Stigma ist letztlich marktwirtschaftlich motiviert (Finanzierung von Existenzsicherung)!!! Also genauso wie unsere Motivation zur Sexarbeit oder Migration. Stigmatisierung ist nur eine "unsichtbare" Methode andere vom Markt zu verdrängen (market cornering, Protektionismus).





US finanzierte Anti-Menschenhandels-Industrie
www.bit.ly/anti-trafficking-funds

Übersicht Kirchenfinanzierung in Deutschland
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=85514#85514

Marktbeherrschende Dominanz kirchlicher Beratungsstellen bei Sexworker-Beratung
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=91434#91434

Doris67
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RE: Menschenhandel vs. Migration

Beitrag von Doris67 »

Marc: Völlig einverstanden. Ich sage schon länger, daß unsere eigentlichen Zuhälter diejenigen sind, die von unserer angeblichen "Rettung" leben. Und daß dies auch erklârt, waurm sie so gegen unseren Zugang zu gleichen Rechten kämpfen: er entzöge ihrem Geschäft die Grundlage.
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Klaus Fricke
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RE: Menschenhandel vs. Migration

Beitrag von Klaus Fricke »

Hallo,

ich möchte noch einen anderen Aspekt nennen.

In den StGB §§ 232/233 wird als typisches Merkmal des Menschenhandels die "Ausnutzung ... der Hilflosigkeit, die mit dem (K.F.) Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist" genannt.

Viele Migrierende (im wesentlichen Frauen aber auch Transsexuelle und Männer), so stellen auch "Opfer"schutzorganisationen fest, kommen nach D, um aus eigenem Willen der Sexarbeit nachzugehen. Sie treffen hier auf "Unterstützungsstrukturen" durch D sprach- und situationskundige "Helfende" aus dem eigenem Sprachraum, den diese sich "honorieren" lassen. In nicht wenigen Fällen werden wohl von den Migrierten Honorare verlangt, die unangemessen sind. So das Beispiel Kindergeldantrag. Tatsächlich sind Migrierende, ohne Sprach- und Situationskentnisse in der Fremde, in diesem Fall in D, tendentiell hilflos. Den "Opfer"schutzorganisationen und der Beschreibung dieser Situation in den §§ 232/233 StGB möchte ich in dieser Sache nicht widersprechen. Wieso allerdings auf diese faktische Hilflosigkeit lediglich mit dem Strafrecht gegenüber den Profitierenden reagiert und von den sich so nennenden "Opfer"schutzorganisationen (besser wäre hier auch der Begriff Beratungstellen für Geschädigte oder Betroffene, anstelle des entsubjektivierenden Begriffes Opfer) erst gehandelt wird, wenn Betroffene, oft erst im Rahmen eines Ermitlungsverfahrens, mit Unterstützung von ihnen versorgt werden, sollten diese Organisationen (und der Gesetzgeber und die "seriösen" Medien) sich durchaus fragen.

Wieso wird der angeblichen "Flut" von jungen Frauen aus RO, BG, HU, denen angeblich zu 90 % Ausbeutung und Gewalt in der Sexarbeit droht, nicht flächendeckend, über geeignete Verteiler, für diese verständliche muttersprachliche Information zur Verfügung gestellt, die diese Frauen benötigen, um ihre Rechte und Interessen als (Sex-) Arbeitende wahren zu können. (Ach ja, sind alles analphabetische Roma. Für die braucht man kein verständliches Informationsmaterial.)

Nennt sich "Prävention" (Teilhabeorientierung, Empowerment) so eine Strategie. Ermöglicht Migrierenden, sich in "einem fremden Land" zu orientieren. Eignet sich "die Hilflosigkeit" zu reduzieren. Ist ein Beitrag zur Inklusion und Teilhabe am Gemeinwesen D's. Verhindert Angewiesenheit auf "parallellgeselschaftliche Unterstützungsformen", die eine Tendenz zur Ausbeutung zu haben scheinen. Ist in der Sozialen Arbeit "state of the Art" und wird politisch gerne überall als Heilmittel beschworen, wenn es darum geht Leistungen zu kürzen. Wieso nicht bei Migrierenden, wieso nicht speziell bei Migierenden die in die Sexarbeit gehen wollen, wo die doch so gefährlich sein soll? (Weil die Migrierten sich dann selbsbewusst äussern könnten? Weil dann das Schreckgespenst der organisierten Kriminalität nicht mehr aus dem Hut gezaubert werden kann? Weil dann die Migrierenden eine menschliche Stimme haben und keine "Flut" mehr sind, die einzudämmen ist?)

Die auf Teilhabeermöglichung zielende ("präventive") Strategie verfolgt konzeptionell, soweit ich das überblicke, keine der "Opfer"schutzorganisationen. Sie wird auch staatlicherseits weder konzeptionell noch materiell verfolgt. Die Bremer Beratungsstelle für Menschenhandel und Zwangsprostitution (ja leider dieser Begriff und nicht: Betroffene von sexueller Ausbeutung oder: von gewerblich organisierten sexuellem Missbrauch), kann aufgrund eigener Ressourcen keine flächendeckende Informationsarbeit oder gar aufsuchende Arbeit leisten. Und ja: man hat nur Fälle, in denen es sich um Betroffene von organisiertem sexuellem Missbrauch handelt. Fälle von Betroffenen, die sich über den Bremer Arbeiterstrich verkaufen und ausgebeutet werden, rücken erst seit neuerem in den öffentlichen Blick ("Verfahren wegen Menschenhandels in Verbindung mit Arbeitsausbeutung wurden in Bremen und Bremerhaven bislang noch nicht eingeleitet, sagt Kriminalkommissar Weisner. Das Thema rückt gerade erst ins öffentliche Bewusstsein", sagt Fachfrau Nicola Dreke. Weser Kurier vom 24.9.2012, S. 7)

Systematisch krank diese Situation. Primat der Repression.

Grüße
Klaus Fricke

p.s.: das Projekt Ne-RO-In verfolgt den Ansatz Informationsmaterial zur Sexarbeit in einer für Migierende aus RO verständlichen Sprache zur Verfügung zu stellen. Alle Dokumente hier auf Sexworker.at
viewtopic.php?t=11023&highlight=neroin

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RE: Menschenhandel vs. Migration

Beitrag von Doris67 »

AbuDisney:

Migranten/-innen sind in der EU, bzw. im Schengenraum, schlicht unerwünscht, oder höchstens als billigste Arbeitssklaven/-innen, und zwar in allen Bereichen, nicht nur in der Sexarbeit. Siehe z.B. die unsäglichen aktuellen "Freizügigkeits"bedingungen für Rumänen und Bulgaren. Willkommen in dem, was die EU in Wirklichkeit ist: eine sklavenhaltende Festung des internationalen Großkapitals, abgesichert duch einen täglich faschistoideren Polizeistaat.

Und der ganze moralinsaure Repessionswind, der seit Jahren in der EU um Sexarbeit veranstaltet wird dient nur zur Maskierung dieser Tatsache und zur zustimmenden Manipulation der Bevölkerung. Sexarbeit ist ein Sündenbock der schlimmeres verstecken soll.
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fraences
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RE: Menschenhandel vs. Migration

Beitrag von fraences »

Auch Menschenhandel ist eine Frage der Definition

Wo Zwangslagen durch Armut aufhören und wo das Verbrechen beginnt, lässt sich oft nicht sauber trennen.


Ein Aufschrei ging über den Kontinent, als ein Expertenkomitee des Völkerbunds 1927 seinen Bericht über Zwangsprostitution vorlegte. Die erschütternden Ergebnisse standen noch Pate bei der Menschenhandelskonvention der Vereinten Nationen von 1949. Für die Details interessierten sich damals nur wenige. Eine junge Doktorandin hatte bei Feldstudien in Marseille und Athen, zwei Hochburgen der Szene, keinen einzigen Fall von Menschenhandel nachweisen können. Der bekannte Journalist Albert Londres recherchierte in Rio und Buenos Aires nach, damals klassische Herkunftsorte für verschleppte Frauen. Das Ergebnis: "Die Zuhälter dort müssen die Frauen gar nicht kaufen", schrieb Londres. "Sie kriegen sogar Geschenke, wenn sie ihnen gute Standplätze verschaffen."

80 Jahre später zeichnete der belgische Philosoph und Soziologe Jean-Michel Chaumont die Geschichte des Skandalberichts minutiös nach – und kam zu interessanten Befunden. Das "Expertenkomitee" des Völkerbunds hatte vorwiegend aus idealistisch gesinnten Kämpferinnen und Kämpfern gegen die Prostitution bestanden. Der Auftrag des Völkerbunds und der Bericht von 1927 waren ihr großer Coup. "Handel mit weißen Frauen" war nun europaweit ein Thema. Das Motiv war, so Chaumont, die absehbare Empörung gegen die Sklaverei nun auch für den ganz anders motivierten Kampf gegen die Prostitution nutzbar zu machen. Es funktionierte.

Unter Ideologieverdacht stehen große Berichte über internationale Verbrechen bis heute. Exakte Zahlen, wie sie die europäische Polizeibehörde Europol immer wieder präsentiert, verwischen das Hauptproblem: die Definition. Chinesen und Nigerianer, aber auch Rumänen gehören nach den Zahlen der Haager Behörde zu den Haupttätergruppen bei Zwangsprostitution. Aber was ist Zwang, was nicht? "Sehr selten geht eine Frau zur Polizei", sagt der Menschenhandelsbeauftragte der rumänischen Polizei, der selbst operativer Ermittler ist und deshalb nicht mit Namen genannt werden will. Um verbotenen "Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung" von erlaubter Prostitution zu unterscheiden, bedarf es besonderer Verhörtechniken. Mit wem sind Sie von zu Hause weggegangen? Mussten Sie Geld für Unterkunft und Essen bezahlen? Wenn ja, wie viel? Hat man Ihnen den Pass abgenommen, und wenn ja, hätten Sie ihn zu jeder Zeit wiederbekommen können, wenn Sie danach verlangt hätten?

Damit aus Prostitution Menschenhandel wird, muss eine Frau sich nicht als Opfer fühlen. Es genügt die "Ausnutzung besonderer Hilflosigkeit" oder der Verkauf zwischen zwei Zuhältern. Das macht eine Differenzierung schwierig. Befinden sich Menschen, die in einem Elendsghetto leben, nicht sowieso in einer Zwangslage? Das internationale Palermo-Protokoll, das den Menschenhandel definiert, lässt offen, ob eine Frau etwa aus einem Slum im Bukarester Stadtteil Ferentari sich überhaupt legal für Prostitution entscheiden kann – oder ob jede Hilfe, die man ihr dabei gewährt, nicht automatisch "Ausnutzung besonderer Hilflosigkeit" ist.


Für die Beweisarbeit gibt es kaum eindeutige Kriterien

.
Kritiker wie die spanische Soziologin Laura María Agustín halten das ganze Konzept von Zwangsprostitution deshalb nicht für sinnvoll. Es sei ein Versuch, das Wohlstandsgefälle zwischen reichen und armen Ländern in das Schema von Täter und Opfer zu pressen. Man redet von Kriminalität, um über die Armut schweigen zu können.

Mindestens so schwierig wie die Zahl von 270 000 Zwangsprostituierten in der EU, die der Sonderausschuss des Europa-Parlaments in seinem jüngsten Bericht anführt, ist die von 610 000 weiteren Zwangsarbeitern in den Mitgliedsländern der EU. Zwangsarbeiter, meistens Männer, gehen zwar öfter zur Polizei oder sagen wenigstens aus, wenn sie aufgegriffen werden. Das macht die Beweisarbeit aber nicht leichter.

Auch männliche Zwangsarbeiter kommen nicht in Ketten nach Europa, sondern mit falschen Hoffnungen. Selten lässt sich nachvollziehen, was den illegal in der EU lebenden Arbeitern genau versprochen wurde. Manchmal müssen sie ihrem Agenten einen überhöhten Betrag für die Vermittlung bezahlen, und von ihrem Lohn bleibt nichts übrig. Manchmal bekommen sie nur 12 statt der versprochenen 15 Euro am Tag, oder sie werden in einem Vier- statt in einem Zweibettzimmer untergebracht. Was ist noch Betrug oder Wucher, was ist schon Menschenhandel? Ermittlern, Staatsanwälten und Richtern stehen da kaum eindeutige Kriterien zur Verfügung. Die Regierungen der reicheren Länder reden lieber von "Zwangsarbeit", "Schlepperunwesen" und illegalem Aufenthalt als über ausbeuterische Arbeitgeber und verschachtelte Leiharbeitsstrukturen. Und die Öffentlichkeit spricht lieber von Verbrechen als von Armut.

http://www.badische-zeitung.de/nachrich ... 96760.html
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RE: Menschenhandel vs. Migration

Beitrag von fraences »

Auch Menschenhandel ist eine Frage der Definition

Wo Zwangslagen durch Armut aufhören und wo das Verbrechen beginnt, lässt sich oft nicht sauber trennen.


Ein Aufschrei ging über den Kontinent, als ein Expertenkomitee des Völkerbunds 1927 seinen Bericht über Zwangsprostitution vorlegte. Die erschütternden Ergebnisse standen noch Pate bei der Menschenhandelskonvention der Vereinten Nationen von 1949. Für die Details interessierten sich damals nur wenige. Eine junge Doktorandin hatte bei Feldstudien in Marseille und Athen, zwei Hochburgen der Szene, keinen einzigen Fall von Menschenhandel nachweisen können. Der bekannte Journalist Albert Londres recherchierte in Rio und Buenos Aires nach, damals klassische Herkunftsorte für verschleppte Frauen. Das Ergebnis: "Die Zuhälter dort müssen die Frauen gar nicht kaufen", schrieb Londres. "Sie kriegen sogar Geschenke, wenn sie ihnen gute Standplätze verschaffen."

80 Jahre später zeichnete der belgische Philosoph und Soziologe Jean-Michel Chaumont die Geschichte des Skandalberichts minutiös nach – und kam zu interessanten Befunden. Das "Expertenkomitee" des Völkerbunds hatte vorwiegend aus idealistisch gesinnten Kämpferinnen und Kämpfern gegen die Prostitution bestanden. Der Auftrag des Völkerbunds und der Bericht von 1927 waren ihr großer Coup. "Handel mit weißen Frauen" war nun europaweit ein Thema. Das Motiv war, so Chaumont, die absehbare Empörung gegen die Sklaverei nun auch für den ganz anders motivierten Kampf gegen die Prostitution nutzbar zu machen. Es funktionierte.

Unter Ideologieverdacht stehen große Berichte über internationale Verbrechen bis heute. Exakte Zahlen, wie sie die europäische Polizeibehörde Europol immer wieder präsentiert, verwischen das Hauptproblem: die Definition. Chinesen und Nigerianer, aber auch Rumänen gehören nach den Zahlen der Haager Behörde zu den Haupttätergruppen bei Zwangsprostitution. Aber was ist Zwang, was nicht? "Sehr selten geht eine Frau zur Polizei", sagt der Menschenhandelsbeauftragte der rumänischen Polizei, der selbst operativer Ermittler ist und deshalb nicht mit Namen genannt werden will. Um verbotenen "Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung" von erlaubter Prostitution zu unterscheiden, bedarf es besonderer Verhörtechniken. Mit wem sind Sie von zu Hause weggegangen? Mussten Sie Geld für Unterkunft und Essen bezahlen? Wenn ja, wie viel? Hat man Ihnen den Pass abgenommen, und wenn ja, hätten Sie ihn zu jeder Zeit wiederbekommen können, wenn Sie danach verlangt hätten?

Damit aus Prostitution Menschenhandel wird, muss eine Frau sich nicht als Opfer fühlen. Es genügt die "Ausnutzung besonderer Hilflosigkeit" oder der Verkauf zwischen zwei Zuhältern. Das macht eine Differenzierung schwierig. Befinden sich Menschen, die in einem Elendsghetto leben, nicht sowieso in einer Zwangslage? Das internationale Palermo-Protokoll, das den Menschenhandel definiert, lässt offen, ob eine Frau etwa aus einem Slum im Bukarester Stadtteil Ferentari sich überhaupt legal für Prostitution entscheiden kann – oder ob jede Hilfe, die man ihr dabei gewährt, nicht automatisch "Ausnutzung besonderer Hilflosigkeit" ist.


Für die Beweisarbeit gibt es kaum eindeutige Kriterien

.
Kritiker wie die spanische Soziologin Laura María Agustín halten das ganze Konzept von Zwangsprostitution deshalb nicht für sinnvoll. Es sei ein Versuch, das Wohlstandsgefälle zwischen reichen und armen Ländern in das Schema von Täter und Opfer zu pressen. Man redet von Kriminalität, um über die Armut schweigen zu können.

Mindestens so schwierig wie die Zahl von 270 000 Zwangsprostituierten in der EU, die der Sonderausschuss des Europa-Parlaments in seinem jüngsten Bericht anführt, ist die von 610 000 weiteren Zwangsarbeitern in den Mitgliedsländern der EU. Zwangsarbeiter, meistens Männer, gehen zwar öfter zur Polizei oder sagen wenigstens aus, wenn sie aufgegriffen werden. Das macht die Beweisarbeit aber nicht leichter.

Auch männliche Zwangsarbeiter kommen nicht in Ketten nach Europa, sondern mit falschen Hoffnungen. Selten lässt sich nachvollziehen, was den illegal in der EU lebenden Arbeitern genau versprochen wurde. Manchmal müssen sie ihrem Agenten einen überhöhten Betrag für die Vermittlung bezahlen, und von ihrem Lohn bleibt nichts übrig. Manchmal bekommen sie nur 12 statt der versprochenen 15 Euro am Tag, oder sie werden in einem Vier- statt in einem Zweibettzimmer untergebracht. Was ist noch Betrug oder Wucher, was ist schon Menschenhandel? Ermittlern, Staatsanwälten und Richtern stehen da kaum eindeutige Kriterien zur Verfügung. Die Regierungen der reicheren Länder reden lieber von "Zwangsarbeit", "Schlepperunwesen" und illegalem Aufenthalt als über ausbeuterische Arbeitgeber und verschachtelte Leiharbeitsstrukturen. Und die Öffentlichkeit spricht lieber von Verbrechen als von Armut.

http://www.badische-zeitung.de/nachrich ... 96760.html
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)

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Beitrag von Doris67 »

Hier mal ein Artikel der Sklaverei nicht gleich Sexarbeit setzt (habe keinen passenderen thread gefunden, bitte verschieben falls nötig):

http://www.spiegel.de/wirtschaft/sozial ... 28275.html



Studie in 162 Ländern: 30 Millionen Menschen leben weltweit in Sklaverei


Sklaverei ist für sie Alltag: 30 Millionen Menschen befinden sich in der Gewalt von Kriminellen, werden ausgebeutet und missbraucht. Das ist das Ergebnis einer Studie, die Daten erstmals weltweit erhoben hat.

In Deutschland soll es 10.000 Geknechtete geben.

Hamburg - Sie werden als Eigentum angesehen, dürfen keine eigenen Entscheidungen fällen und nicht einmal etwas eigenes besitzen. Einer Studie der Walk Free Foundation zufolge sind knapp 30 Millionen Menschen weltweit Opfer moderner Sklaverei. In 162 Ländern wurden für die Untersuchung Daten erhoben.

Vor allem in Teilen Westafrikas und im Süden Asiens werden immer noch Menschen in die Sklaverei hinein geboren, heißt es in dem Bericht. Andere Opfer werden entführt und weiterverkauft, zwangsverheiratet oder als kostenlose Arbeitskräfte missbraucht. Häufig werden die Opfer auch mit der Aussicht auf einen Job oder eine Ausbildung angelockt - dann aber ausgebeutet. "Nicht immer wird dafür physische Gewalt angewendet", heißt es in der Studie. Die Täter zwingen sie auch durch Einschüchterung, Täuschung oder Isolation in die scheinbar ausweglose Situation.

Moderne Sklaverei ist dabei definiert als der Zustand, in dem eine Person besessen und kontrolliert wird, mit dem Ziel, aus dem Menschen Profit zu schlagen, ihn zu missbrauchen oder zu schleusen. Durchgesetzt wird das von den Tätern durch Gewalt, Drohungen und/oder Nötigung.

Der Sklaverei-Bericht ist der erste weltweit. Er hat dafür das zahlenmäßige Aufkommen von modernen Sklaven in Relation zur Bevölkerungszahl gesetzt, sowie die Häufigkeit von Zwangsverheiratung von Kindern und Menschenhandel erhoben.

Bis zu zu zehn Jahre Haft für die Täter [in Maretanien]

Besonders in Mauretanien ist das offenbar Teil des Alltags. Zwischen 140.000 und 160.000 Menschen leben hier in Unfreiheit - wobei die Gesamtbevölkerung gerade 3,8 Millionen Menschen umfasst. Damit führt der westafrikanischen Staat die Nationen mit dem höchsten Aufkommen moderner Sklaverei an. Einer Nichtregierungsorganisation (NGO) zufolge soll sogar jeder fünfte Einwohner Mauretaniens Opfer von Sklaverei sein, heißt es in der Studie. Die Betroffenen, Kinder und Erwachsene, seien vollständiges Eigentum ihrer "Herren", die komplette Kontrolle über sie ausführen. Vor allem Frauen betreffe das. Sie müssen häufig im Haushalt arbeiten, sogar ihre sozialen Interaktionen würden überwacht, nicht selten werden sie auch Opfer sexueller Übergriffe.

Obwohl Sklaverei seit 1961, also mehr als einem halben Jahrhundert, in Mauretanien verboten ist, ist das der Studie zufolge immer noch gängige Praxis. Erst seit zehn Jahren gibt es dort ein Gesetz gegen Menschenhandel, 2007 trat ein Gesetz mit einer neuen Definition von Sklaverei in Kraft, das den Tatbestand mit bis zu 10 Jahren Haft belegt. Trotz dieser neuen Richtlinien sei es für die Opfer nach wie vor schwer, ihre Rechte auch durchzusetzen. Im März dieses Jahres wurde schließlich eine Behörde eingesetzt, die gegen Sklaverei und Armut ankämpfen soll.

Auch in Haiti ist die Situation dem Report zufolge alarmierend. Dort habe vor allem die Versklavung von Kindern zugenommen. Bis zu 200.000 Menschen sollen hier als Sklaven leben - bei einer Bevölkerungsgröße von 10,2 Millionen.

Pakistan landet auf dem dritten Rang. Dort wird angenommen, dass unter den 179 Millionen Einwohnern mehr als zwei Millionen Sklaverei-Opfer sind.

Deutschland hinter Barbados, knapp vor Südkorea

Anders sieht es dem Sklaverei-Report hingegen in Island, Irland und Großbritannien aus. Sie werden alle auf Rang 160 geführt - dort leben also die meisten Menschen in Freiheit. "Das bedeutet aber nicht, dass es in diesen Ländern keine Sklaverei gibt", heißt es in dem Bericht.

Allein in Großbritannien befinden sich demnach mehr als 4200 Menschen in der Gewalt von Kriminellen. In Island sollen es weniger als hundert sein. Grund dafür sei die geografische Abgeschiedenheit und verhältnismäßiger Wohlstand.

Deutschland wird auf Platz 136 geführt - zwischen Barbados (135) und Südkorea (137).

Dabei ist es schwierig, die tatsächliche Zahl der modernen Sklaven zu erheben, räumen die Macher der Studie ein. Da es sich dabei um eine Straftat handele, finde diese hinter verschlossenen Türen statt; ein Zugang zu den Opfern sei häufig nicht möglich.

Deshalb bedienten sich die Forscher zweier Methoden:
= Zum einen werteten sie Zweitquellen aus - Berichte der jeweiligen Regierung, von Nichtregierungsorganisationen und Medien.
- Diese Erkenntnisse ließen sie dann von Experten bewerten und gegebenenfalls nach deren Erfahrungswerten korrigieren.
= Zum anderen bedienten sie sich auch wissenschaftlichen Erhebungen zu dem Themengebiet - wenn welche vorhanden waren.

Für Deutschland beispielsweise lagen den Forschern keine konkreten Zahlen vor. Sie stellten also eine Reihe von Hypothesen auf: Zunächst sei davon auszugehen, dass die Anzahl der modernen Sklaven nicht null sein könnte, da dies in keinem Land der Fall sei. Ferner ging man davon aus, dass der Wert höher liegen müsse als der in Großbritannien, aber niedriger als der in den USA.

Kombiniert mit übrigen Vorgehensweisen wurde so ermittelt, dass es zwischen 10.000 und 11.000 Sklaven in Deutschland geben müsse.

"Das ist sicherlich nicht der beste Weg, um genaue Zahlen zu erheben", heißt es in der Studie. Da es sich um die erste dieser Art handele, hoffe man, für den nächsten Bericht mehr Material zu haben.

vks
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Marc of Frankfurt
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Re: Studien

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Danke für den Artikel, ist hier unter www.sexworker.at/migration oder www.sexworker.at/menschenhandel genau richtig.

Die Zahlen belegen ja schonmal deutlich, dass die geschätzten 100.000-400.000 Sexworker in Deutschland nicht die oftmals von Christen oder Feministen unterstellten Sexsklaven sein können !!!

Wer wohl als Geldgeber hinter www.walkfreefoundation.org und ihrer Studie www.globalslaveryindex.org steckt?

Dahinter steckt "Big Money"!
$100 million Freedom Fund to combat modern-day slavery,
to be measurably reduced by 2020 from 3 donors:
- Humanity United ( www.OmidyarGroup.com eBay)
- Legatum Foundation ( www.legatum.org ; Legatum Capital www.legatum.com )
- Walk Free Foundation ( www.minderoo.com.au; Fortescue Metals Group in Perth).
www.walkfreefoundation.org/assets/freed ... elease.pdf





Hier eine sachlich-kritische Studie zu Menschenhandel & Arbeitsausbeutung (MH/A) in Berlin & Brandenburg

www.gegen-menschenhandel.de/Downloads/B ... 202010.pdf

"Deutschland 2006-09 insgesamt 221 Ermittlungsverfahren wegen MH/A eröffnet.
Die Zahl ist seit 2007-09 von 92 auf 24 gesunken.
Insgesamt lässt sich festhalten, dass der Straftatbestand MH/A in der Bundesrepublik Deutschland selten zur Anwendung kommt."

"Nach Auskunft zuständigen Behörden kann MH/A in Brandenburg und Berlin NICHT nachgewiesen werden."

"Trotz intensiver und prioritärer Aufklärungsbemühungen konnte aber bei 98 Ermittlungsverfahren eingeleitet in den Jahren 2006-09 nur 1 Fall mit Strafbefehl erreicht werden."

Fallzahl geschätzt aus Falldauer [Formel S. 78] "Aus der Summe der Zahl der Fälle in einem Zeitraum lässt sich mit einem Multiplikator, der der durchschnittlichen Dauer eines Zwangsarbeitsverhältnisses entspricht, die Gesamtzahl zu einem Zeitpunkt errechnen." Auch eine sog. Mindestdunkelziffer läßt so sich errechnen.

Logicom-Schätzmethode Vogel Dita und Manuel Aßner 2009 San Papiers Hamburg www.epb.uni-hamburg.de/files/u14/Diakon ... assung.pdf

Aber: Dunkelfeldschätzungen sind wg. schlechter Datenlage nicht möglich bzw. unzulässig.

"Die erhobenen Fälle zeigen, dass extreme Ausbeutung auch in offiziell angemeldeten und registrierten Beschäftigungsverhältnissen vorkommt..."

Konzept Pyramide ausbeuterische Beschäftigungsverhältnisse [S. 91]

"Es würde zur Klarheit beitragen, wenn nicht nur 'das Bringen in Arbeitsausbeutung' strafbar wäre, sondern 'Arbeitsausbeutung an sich', wobei ein abgestuftes System von Straftatbeständen eine je nach Schwere angemessene Intervention erlauben müsste."

Vexierlogik des Menschenhandelskonzepts = MH-Opfer sind selbst oft aktiv auch als Gesetzesübertreter beteiligt und haben daher Angst zur Polizei zu gehen, weil sie nicht abschätzen können, ob sie Opferschutz erhalten.

Deshalb fordern wie ja auch die ENTKRIMINALISIERUNG von Sexarbeit!


__
Link- und Zahlen-Übersichten: www.bit.ly/bkazahlen

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RE: Menschenhandel vs. Migration

Beitrag von Melanie_NRW »

Bin mir nicht sicher wo ich das posten soll:

http://www.tagesschau.de/ausland/rumaen ... el100.html

Europäischer Tag gegen Menschenhandel
Wie Mädchen zur Ware werden
Weltweit leben Millionen Menschen in Sklaverei, erleben Zwangsprostitution und Zwangsheirat. Viele von ihnen sind von kriminellen Banden verkauft worden. Häufig heißt das Ziel Deutschland. Viele Mädchen werden in Rumänien "angefixt".

Von Stephan Ozsváth, ARD-Hörfunkstudio Wien

Luana wohnt in Berzoaia, einem kleinen Dorf, 20 Kilometer von Bukarest entfernt. Die großgewachsene 17-jährige Schülerin erzählt von einem ungewöhnlichen Angebot: Ein Mitschüler habe sie angesprochen, erzählt sie. Ob sie nicht Lust habe, mit nach Deutschland zu kommen. Dort gebe es Leute, die gerne heiraten würden, verspricht der junge Mann. Heiraten natürlich nur pro forma. Luana lehnt ab. Sie hat einen Freund, erzählt sie.

Wir besuchen Luanas Schule. Es ist laut. Ein Zaun schützt vor Fremden und Videokameras sollen verhindern, dass Unbefugte die Schule betreten. Anwerbeversuche, wie ihn Luana berichtet, gibt es immer wieder. "Die überwiegende Mehrheit der Opfer kommt aus armen Familien", erzählt ihre Schulpsychologin. Meist würden sie mit attraktiven Dingen angelockt - der Fahrt in einem schicken Auto, einem Handy, kleinen Geschenken oder einfach ein bisschen Geld. Das sind die Anreize, um sie zu Opfern des Menschenhandels zu machen.

Die Spuren der Mädchen verlieren sich oft rasch

Regelmäßig kommen junge Mädchen in ihre Sprechstunde, erzählt die Psychologin, und berichten vom "Anfixen". Einmal in der Hand von Zuhältern, werden die Mädchen zur billigen Ware degradiert. "Die Preise für Mädchen sind niedrig: Sie liegen zwischen 500 und 2000 Euro", sagt Dan Popescu, der in Bukarest für die rumänische Anti-Aids-Vereinigung ARAS arbeitet: "Das trägt mit dazu bei, dass die Mädchen sehr oft die 'Besitzer' wechseln und sich ihre Spuren sehr rasch verlieren. Heute können sie noch in der Nähe des Nordbahnhofs, aber zwei Tage später bereits nach Deutschland verkauft worden sein."

Was Popescu auch bemerkt hat: Die Mädchen auf dem Straßenstrich werden immer jünger. Und: Oft drängen arme Familien selbst minderjährige Töchter ins Rotlicht-Milieu: "Wenn du 16 bist und vielleicht schon ein Kind hast und jüngere Geschwister und Großeltern, und alle sind arm, kannst du von 175 Euro Gehalt nicht zum Unterhalt dieser Großfamilie beitragen. Das reicht nicht einmal für eine Woche. Und dann wird ein solches Mädchen für die Rettung der Familie geopfert."

Europäischer Tag gegen Menschenhandel
Der Europatag gegen Menschenhandel findet seit 2007 jedes Jahr am 18. Oktober statt. Er will auf die Situation der Opfer hinweisen und dazu beitragen, den Handel mit Menschen, Zwangsprostitution, Zwangsheirat und Sklaverei zu bekämpfen.

Deutschland ist Zielort

Für die Zuhälter ist das ein gutes Geschäft: Menschenhandel lohnt sich. 25 Milliarden Euro erwirtschaften kriminelle Banden in Europa im Jahr, auch mit Prostitution, schätzt man im Europaparlament. Man geht dort von etwa 270.000 Zwangsprostituierten in ganz Europa aus. "Die Opfer werden hauptsächlich im Ausland ausgebeutet", sagt ein rumänischer Kripo-Beamter, der anonym bleiben will. "Man kann schon von traditionellen Zielorten für die Opfer des Menschenhandels sprechen: Italien, Spanien, Griechenland, Deutschland." Neuerdings, so der Beamte, würden auch immer mehr rumänische Opfer des Menschenhandels in skandinavischen Ländern identifiziert.

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RE: Menschenhandel vs. Migration

Beitrag von Melanie_NRW »

Deutschland begünstigt Menschenhandel

Bundesrepublik ließ Frist zur Umsetzung der entsprechenden EU-Richtline bereits im April verstreichen

Der 18. Oktober ist der »Europäische Tag gegen Menschenhandel«. Doch Deutschland als größtes EU-Mitglied räumt dem Kampf gegen die moderne Sklaverei bislang keine Priorität ein.

Vor wenigen Tagen geisterte eine Meldung durch die Medien, wonach EU-weit rund 880 000 Menschen unter sklavenähnlichen Bedingungen arbeiten, von denen 270 000 sexuell ausgebeutet werden. Die Zahlen beruhen auf Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Die Europäische Statistikbehörde Eurostat zählte zwischen 2008 und 2010 rund 23 600 Betroffene, die verschleppt und zu Prostitution und Arbeit gezwungen wurden. Doch das sei nur die »Spitze des Eisbergs«, wie EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström im April dieses Jahres betonte.

Deutschland als größte EU-Volkswirtschaft dürfte auch der größte Markt für das schmutzige Geschäft sein. Die modernen Sklaven arbeiten hier als Prostituierte, Erntehelfer, Haushaltshilfen oder Pflegekräfte. Da überrascht es, dass Deutschland die EU-Richtlinie gegen Menschenhandel bislang noch nicht umgesetzt hat. Die Frist zur Umsetzung habe die Bundesrepublik im April 2013 verstreichen lassen, kritisierte Petra Follmar-Otto vom Deutschen Institut für Menschenrechte am Dienstag in Berlin. Auch »die Verpflichtungen aus der Europaratskonvention zur Bekämpfung von Menschenhandel« habe Deutschland nicht erfüllt, so Follmar-Otto, die beim Institut die Abteilung Menschenrechtspolitik leitet.

Die Organisation, die 2001 auf Beschluss des Bundestages gegründet wurde, fordert nun, dass die zukünftige Regierung »einen umfassenden Gesetzentwurf zur Stärkung der Betroffenenrechte« vorlegt. Zwar hatte das Bundesjustizministerium in diesem Frühjahr ein »Gesetz gegen Zwangsprostitution und Menschenhandel« fertiggestellt, doch die rot-rot-grüne Mehrheit im Bundesrat stoppte am 20. September diesen Entwurf. Die von SPD, Grünen und LINKEN geführten Länder kritisierten die Pläne als unzureichend. Zuvor hatten Experten betont, dass der schwarz-gelbe Entwurf das eigentliche Ziel der EU-Richtlinie, nämlich Schutz und Rechte der Opfer zu verbessern, deutlich verfehle.

Die Bundestagsdebatte im Juni dieses Jahres machte endgültig klar, dass das Gesetz nicht in der Länderkammer durchkommen würde. »Zwei Jahre lang lief die Frist zur Umsetzung«, kritisierte Katrin Werner von der LINKEN damals. Erst eine Rüge der EU habe die Koalitionsfraktionen zu einer Umsetzung der Richtlinie veranlasst. »Wir brauchen endlich einen effektiven Opferschutz. Lassen Sie die Opfer nicht später Angeklagte werden«, so Werner. »Wir brauchen ein Bleiberecht für die Opfer.«

Damit lag die Abgeordnete auf einer Wellenlänge mit dem Institut für Menschenrechte. Auch Follmar-Otto monierte am Dienstag, dass die Betroffenen in Deutschland »primär als Zeuginnen und Zeugen in Strafverfahren« betrachtet würden.

Aufenthaltstitel für Ukrainerinnen, die gegen ihre Zuhälter aussagen, sind an den Strafprozess gekoppelt. Nach Prozessende müssen sie die Bundesrepublik verlassen. Wer nicht aussagen will oder kann, wird oftmals sofort abgeschoben. Das Institut für Menschenrechte plädiert für einen Gesetzentwurf, der Opfern erlauben würde, in Deutschland zu bleiben - unabhängig davon, ob sie in einem Verfahren aussagen. Betroffene sollten zunächst ein auf drei Jahre befristetes Aufenthaltsrecht bekommen, welches sie später aber verlängern könnten. Union und FDP fürchteten hier Missbrauch und ließen diesen Aspekt in ihrem Gesetzentwurf unberücksichtigt.

Das Institut für Menschenrechte drängt zudem auf eine Reform der staatlichen Entschädigung für die Betroffenen. Diese gebe es derzeit nur für »Opfer körperlicher Gewalt«. Die Drohung mit Gewalt oder gar die Bedrohung von Kindern oder anderen Familienangehörigen wird hingegen nicht entschädigt.

http://www.neues-deutschland.de/artikel ... andel.html

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Zwerg
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RE: Menschenhandel vs. Migration

Beitrag von Zwerg »

Menschenhandel: Per Mausklick in die Zwangsarbeit

Innerhalb der EU floriert der Handel mit der Ware Mensch. Windige Agenturen rekrutieren ahnungslose Jobsuchende, die ohne Lohn und Rechte schuften müssen.

21.10.2013 | 18:21 | von Irene Zöch (Die Presse)

Wien. Über eine Annonce im Internet fand die Rumänin eine Stelle in Österreich: Eine Pflegerin wurde gesucht, die einen alten Menschen zu Hause betreut. Die Bezahlung klang gut, die Arbeitsbedingungen ebenso. Doch als die Rumänin bei ihrem österreichischen Arbeitgeber ankam, wurde ihr der Reisepass abgenommen. Lohn für ihre Arbeit erhielt sie nie. Schließlich konnte die Frau die Flucht ergreifen, sie ging zur Polizei, zeigte ihren Boss an und strengte ein Gerichtsverfahren an.

"Ein klassischer Fall von Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung", erklärt Evelyn Probst von der Interventionsstelle für Betroffene des Frauenhandels (LEFÖ-IBF). Die Wiener Organisation ist Anlaufstelle für Opfer des Menschenhandels und kümmert sich um die meist traumatisierten Frauen und Mädchen, wie eben auch um die Pflegerin aus Rumänien. "Die Frau ist jetzt wieder in ihrer Heimat, möchte aber wieder im Ausland arbeiten", sagte Probst im Rahmen der Konferenz "Gemeinsam gegen Menschenhandel" in der Diplomatischen Akademie in Wien. "Für sie ist es schwierig herauszufinden, ob Jobs auch wirklich seriös sind."


Der EU-Bürger als Opfer

Weltweit sind rund 21 Millionen Menschen von Zwangsarbeit betroffen. Dass etwa in der Textilindustrie im fernen Bangladesch oder auf Großbaustellen für die Fußball-WM in Katar Menschen festgehalten und ausgebeutet werden, am Ende ohne Lohn dastehen, ist bekannt. Aber dass auch innerhalb der EU Menschen zur Arbeit gezwungen werden, mag weniger bekannt sein: Rund 880.000 Menschen sind laut einem Bericht der International Labour Organization allein in EU-Staaten betroffen. Und - was vielleicht ein wenig überrascht - fast alle Opfer stammen aus einem EU-Land, fallen auf zwielichtige Jobagenturen oder windige Arbeitsvermittler herein und werden in einem anderen EU-Land zur Arbeit gezwungen. Zahlen darüber, wie viele der Zwangsarbeiter auch Opfer von Menschenhandel sind, gibt es keine.

Fest steht aber: Zum überwiegenden Teil sind es Frauen (58 Prozent der Opfer sind weiblich) aus Rumänien oder Bulgarien, die in Deutschland, Italien, Frankreich - und natürlich auch Österreich - landen. Sie alle sind meist ungelernte Arbeitskräfte, trauen sich keine Verträge oder Dienstzettel zu verlangen, könnten diese vielleicht gar nicht lesen, haben keine Kenntnis über ihre Rechte und könnten diese auch nicht einfordern. Sie arbeiten als Haushaltshilfen, auf dem Bau, in Hotels und Restaurants als Putzhilfen, in der Gastronomie oder als Saisonarbeiter auf Apfelplantagen oder Paradeisfeldern.


Tags putzen, nachts anschaffen

"Oft sind die Formen der Ausbeutung auch vermischt", sagt Oberst Gerald Tatzgern, der sich im Bundeskriminalamt um das Thema Menschenhandel kümmert. Es gebe etwa Fälle von Frauen in Österreich, die nachts zur Prostitution gezwungen werden und tagsüber in Bars oder Restaurants putzen oder Teller waschen müssen, so Tatzgern. Allerdings sei in Österreich vor allem die Bauindustrie betroffen, mit all ihren Subunternehmern, die – wenn überhaupt – Niedriglöhne zahlen, um Billigstpreise bieten zu können. In Schulung versuche man die Finanzpolizei sowie Arbeitsinspektoren zu sensibilisieren, um Opfer von Menschenhandel bei Kontrollen auf Baustellen oder in Betrieben erkennen zu können.

Nun ist jedenfalls die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft gefragt. Für internationale Konzerne wird es immer wichtiger, ihre Zulieferbetriebe und die dort herrschenden Arbeitsbedingungen zu kennen. Die Vereinten Nationen sowie die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) wollen Firmen dazu bringen, freiwillig Richtlinien einzuhalten, die "saubere" Produkte garantieren – die also ohne die Zutaten Zwangsarbeit oder Menschenhandel entstanden sind.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.10.2013)

http://diepresse.com/home/panorama/welt ... e/index.do

Es gibt doch noch Artikel in welchen nicht automatisiert Sexarbeit genannt wird, wenn es um Menschenhandel geht.

Klaus Fricke
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RE: Menschenhandel vs. Migration

Beitrag von Klaus Fricke »

Weser Kurier vom 18.10.2013, S. 17

Bauarbeiter um Geld geprellt?
Hochschulbaustelle Osnabruück: Rumänen warten auf Lohn


Osnabrück (wk). Sie arbeiten auf einer Hochschulbaustelle in Osnabrück und warten nach eigenen Angaben seit Wochen auf ihr Geld. Nun haben sechs rumänische Bauarbeiter Gewerkschafter um Hilfe gebeten. "Wir haben am Montag von dem Fall erfahren", berichtete Wolfgang Kuhn von der Gewerkschaft IG Bauen-Agrar-Umwelt gestern. Die Rumänen arbeiten auf der Baustelle eines neuen Hörsaalgebäudes im Bereich Trockenbau. Sie waren in Containern auf der Baustelle untergebracht. Die Wohnsituation sei so schlecht gewesen, dass die IG Bau sofort Decken und Kissen zur Verfügung gestellt habe, sagte Kuhn. Vermutlichen seien die Osteuropäer Scheinselbstständige. Der aus dem Allgäu stammende Subunternehmer, der sie beschäftigt habe, sei derzeit nicht auffindbar.

Um die Situation klären zu können, wurden einige Männer gestern zu einer Dienststelle des Zolls gebracht. Bislang gebe es noch kein Ermittlungsverfahren, sagte Simone Pohl, Sprecherin des Hauptzollamtes. Unter anderem ist noch ungeklärt, wie lange sie schon auf der Baustelle arbeiten und wie viel Geld sie bekommen haben.

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Marc of Frankfurt
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Medienarbeit mit Aufblaspuppen

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Coole Visuelle Aktion zum Thema Arbeitsausbeutung


Aufblasbare Sexpuppe
Bild
www.lohnzumleben.de/aktion/petition/


Bei desem Thema "billige Waren und Importgüter" sind bekanntlich nicht die Arbeiter ausgewandert (migriert), sondern die großen marktbeherrschenden Vermarktungsketten haben die Produktion und damit unsere Arbeitsplätze in die Niedriglohnländer weg-verlagert.

Das ist das Spiegelbild der Migrationsproblematik in diesem Sammelthema.





Die internationalen oder bilateralen Handelsabkommen im Sinne dieser Konzerne sind die wesentliche Ursache. Z.B.:

The Trans-Pacific Partnership (TPP) would give multinational companies the power to sue countries over laws that that might diminish the value of their company or cut into their "expected future profits." Yes, you read that right.
https://www.eff.org/deeplinks/2013/10/a ... ne-digital




Auf der nächsten Sexworker Demo könnten wir eine riesige auflasbare Sexpuppe präsentieren auf der unsere Forderungen stehen könnten:
- Keine Freierbestrafung
- kein Schwedisches "Modell"
- Sex und Sexarbeit sind ein hohes schützenswertes Freiheitsrecht
- Migration in die Sexarbeit ist eine rationale Entscheidung für mehr Anteil am Wohlstand
- Sexarbeiter_innen und Migrant_innen brauchen Rechte gegen Unrecht
- Arbeitsausbeutung findet überall statt, schau genau hin
- Bestraft nicht unsere ehrenwerte Kundschaft
- Wir erwirtschaften viel Geld mit guter harter Arbeit, erwirtschaften Steuern und ernähren unsere Familien
- ...