»Es ist ein geiler Job«
Hanna Hofmann über die falsche Politisierung von Prostitution
Sie hat Philosophie studiert, spricht bei Zwangsprostitution von Einzelfällen und fordert mehr Sexualwissenschaftler in Talkshows. Celestine Hassenfratz sprach mit der transsexuellen Prostituierten Hanna Hofmann über Dachdecker, die Diskriminerung durch Alice Schwarzer und eine Stammkundenquote von 70 Prozent.
Für viele Menschen ist der erste Arbeitstag eine eindrückliche Erfahrung. Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Tag als Prostituierte?
Hofmann: Das war vor etwa acht Jahren auf dem Straßenstrich in der Frobenstraße in Berlin. Damals habe ich mich noch als Transvestit ausprobiert. Ich hatte eine schwarze Lockenperücke auf und ein super kurzes Röckchen an. Einer meiner ersten Kunden war ein Spanier. Wir haben uns auf 20 Euro geeinigt. Dann sind wir ins Gebüsch. Ich habe mir die Handtasche um den Hals gehängt, nach dem Motto, pass auf, dass dir niemand etwas klaut. Ich hab mich am Baum festgehalten und er hat mich gevögelt. Bam, bam, bam, bam, bam.
Was war das für ein Gefühl?
Das war einfach geil.
Wie ist es heute, acht Jahre später? Kann man den Beruf wirklich mögen?
Ich mache den Job gerne. Aber meine Einstellung hat sich auch gewandelt, ist professioneller und routinierter geworden. Am Anfang waren es unglaublich emotionale Erlebnisse. Ich empfinde mich als heterosexuelle Frau, das heißt, ich möchte etwas mit Männern haben. Ist doch dann eigentlich ein geiler Job, um wirklich viele Männer kennenzulernen und sich auszuprobieren. Klar, auch ich habe schlechte Erfahrungen gemacht. Aber bereut habe ich es nie.
Was sind das für Freier, die zu Ihnen kommen?
Eine Nutte hat Freier. Eine Sexdienstleisterin hat Kunden. Bei Nutte schwingt das Gefühl mit: »Eigentlich will ich das nicht.« Wenn ich sage, ich bin eine Dienstleisterin, heißt das, ich will das. Das Alter meiner Kunden reicht von 18 - 88 Jahren, sie kommen aus allen Gesellschaftsschichten. Ich habe eine gute Stammkundenquote von 70 Prozent. Bei den über 1000 Sexualkontakten, die ich in den letzten Jahren hatte, waren nettere und nicht so nette dabei. Wie in jedem anderen Beruf auch. Da muss man dann halt durch - des Geldes Willen.
Stumpft man nicht auch ein Stück weit ab dadurch?
Ich würde sagen, man wird härter. Es schwingt auch eine Art Berufsstolz mit, schwierige Situationen zu meistern. Prostitution ist doch auch nicht der einzige Beruf, der irgendwelche Härten mit sich bringt. Ich kenne Handwerker, die verlegen Fliesen oder klettern aufs Dach bei Minusgraden. Die haben auch kaputte Hände, kaputte Knie, einen kaputten Rücken. Ich weigere mich, bei Prostitution andere Maßstäbe anzulegen, als an andere Berufe. Ich plädiere aber auch für eine Form von sanfter Prostitution.
Was heißt das?
Ich habe nur etwa 15-20 Kunden im Monat. Mir hilft auch, dass ich vorher schon in mehreren Berufen tätig war. Auch habe ich Philosophie studiert. Das ist ein gutes Gegengewicht. Wenn ich am Sonntagabend um halb neun vor dem Tatort sitze und mein Telefon klingelt, da muss ich mir auch einen Tritt in Hintern geben, um vom Sofa aufzustehen und einen Hausbesuch zu machen. Aber der Notarzt und der Rettungssanitäter haben doch das gleiche Problem.
Aber diese Wahl hat doch nicht jede Prostituierte, vor allem nicht diejenigen, die sich unter Zwang prostituieren.
Ich glaube, dass es sehr wenig harten Zwang gibt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass viele Frauen nach Deutschland entführt oder unter Vorspiegelung falscher Tatsachen hierher gelockt werden. Das mag es im Einzelfall geben. Natürlich will das kein Mensch, auch wir nicht. Ganz im Gegenteil, solche Fälle werden ja auch durch die Medien gezerrt und gegen uns instrumentalisiert. Oft ist es aber auch ein innerer Zwang. Denken Sie an drogensüchtige Prostituierte. Oder an patriarchalische Verhältnisse, aus denen viele Frauen mit Migrationshintergrund kommen, in denen sie verschlissen werden, mit oder ohne Prostitution. Unfreiheit ist etwas anderes, als die reduzierte Wahl zwischen mehreren schlechten Alternativen. Das muss man aufbrechen.
Sie sind in einer komfortablen Lage. Ihre Wohnung, in der Sie sich prostituieren, gehört Ihnen. Sie müssen keine Einnahmen an Zuhälter abgeben. Sie arbeiten auch noch in der Immobilienbranche. Wie reagiert Ihr Umfeld, wenn Sie Immobiliengeschäfte als Transsexuelle abwickeln?
Ich bin eigentlich ein zutiefst bürgerlicher Mensch. Mein bescheidener Immobilienbesitz verhinderte, dass ich nach meinem Outing und Arbeitslosigkeit Hartz 4 beantragen musste. Meinen Sexarbeiter- und meinen Immobilienjob trenne ich strikt. Ich vermiete z.B. keine Wohnungen an Kolleginnen. Wenn ich Wohnungen vermiete oder verkaufe, zeige ich mich als Mann. Ich habe festgestellt, dass das einfacher ist. Ich bin ja juristisch auch noch ein Mann, weil ich keine geschlechtsangleichende OP gemacht habe. Ich dachte immer, ich mach die OP noch, aber ich bin ein Kontrollfreak, will so wenig wie möglich Ärzten vertrauen müssen. Ich habe charakterlich sowohl männliche als auch weibliche Merkmale. Wieso soll es körperlich nicht auch so sein? Ich hab mir immer eingetrimmt: Sieh dich nicht als Opfer. Sieh dich als Täter, als Gestalter deines eigenen Schicksals.
Für Alice Schwarzer sind Sie auf einer anderen Ebene Täter: Ihrer Meinung nach, machen freiwillig Prostituierte sich mitschuldig, dass es Zwangsprostitution gibt.
Frau Schwarzer ist mitschuldig daran, dass wir diskriminiert werden. Diese Frau ist in ihren Ansprüchen maßlos und autoritär. Ich finde es ist ein Anzeichen einer freien Gesellschaft, sich prostituieren zu können. Ich halte es für bedenklich, wenn das Sexuelle zu sehr politisiert wird. Das Sexuelle ist für mich ein autonomer Bereich mit seinen eigenen Gesetzmäßigkeiten um Erregung um Entspannung zu erreichen. Die Regeln die da gelten, kann man nicht auf andere Bereiche übertragen und umgekehrt. Denken Sie nur an den BDSM-Bereich.
Für Alice Schwarzer ist Prostitution kein Beruf, wie jeder andere. Wenn es nach ihr geht, sind Sie bald arbeitslos.
Das ist eine Frechheit, was Frau Schwarzer macht. Sie meint, ohne sich selbst je prostituiert zu haben, über uns urteilen zu können. Schwarzer ist nicht in der pluralistischen Gesellschaft angekommen. Die Zahlen über Prostitution, die Frau Schwarzer anbringt, sind völlig übertrieben. Es gibt keine 700.000 Prostituierte und auch keine eine Million Freier am Tag. Das ist hanebüchen. Ich habe mal lokale Zahlen hochgerechnet, und komme höchstens auf 60.000 – 80.000 Kolleginnen deutschlandweit. Genaue Zahlen hat niemand. Ich wünsche mir, die Wissenschaft bekäme endlich mal den Auftrag, in dem Bereich genaue Zahlen zu erforschen. Und ich wünsche mir mehr Sexualwissenschaftler in den Talkshows dieser Republik.
www.neues-deutschland.de/artikel/918375 ... r-job.html
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RE: Es ist ein geiler Job
Respekt Hanna!
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RE: Es ist ein geiler Job
S u p e r Hanna!
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