Lokalnachrichten: Berlin

Hier findet Ihr "lokale" Links, Beiträge und Infos - Sexarbeit betreffend. Die Themen sind weitgehend nach Städten aufgeteilt.
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Kasharius
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Beitrag von Kasharius »

Also ich bleibe dabei: Sperrgebiete sind in Berlin politisch nicht durchsetzbar.

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froggy
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Beitrag von froggy »

Neues zu Thema "Kurfürstenstraße" in Berlin

DER TAGESSPIEGEL Mittwoch, 20. November 2013

Prostitution in Berlin
Vorerst keine Sperrzeit am Straßenstrich an der Kurfürstenstraße

Zumindest auf bezirklicher Ebene ist die CDU mit ihrer Forderung abgeblitzt, die Prostitution in der Gegend rund um die Schöneberger Kurfürstenstraße tagsüber zu untersagen. Aus Sicht der rot-grünen BVV-Mehrheit würde das Problem so nur verlagert.

Die rot-grüne Mehrheit in Tempelhof-Schöneberg hält wenig davon, die Prostitution auf dem Straßenstrich in der Kurfürstenstraße tagsüber zu verbieten. Ein CDU-Antrag für eine Sperrzeit von 4 bis 20 Uhr scheiterte am Mittwochabend in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV).

Trotzdem ist die Idee nicht vom Tisch, denn auch Innensenator Frank Henkel (CDU) hat zeitlich begrenzte Sperrbezirke ins Gespräch gebracht. Zuständig ist ohnehin der Senat, der die Verordnung beschließen müsste.

Vollständiger Artikel siehe hier:
http://www.tagesspiegel.de/berlin/prost ... 06474.html

Martin*
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Beitrag von Martin* »

Prostitution in Berlin Sex ohne Grenzen

von Hannes Heine

Weil Prostitution in Deutschland legal ist, strömen Schweden, Briten und Schweizer ins Land. Vor allem nach Berlin. Während derzeit in der Politik über härtere Gesetze und Strafen diskutiert wird, ist käuflicher Sex billig wie selten zuvor. Ein Besuch in einem Flatrate-Bordell.

Was Åke an Berlin besonders gefällt, ist nicht die Museumsinsel oder der Fernsehturm, es sind nicht mal die Bierpreise, es sind die Frauen, die er hier getroffen hat. Die Berliner Frauen nämlich wissen, was sie wollen. Sein Geld. Dafür, sagt Åke, wüssten sie auch, was sie zu geben bereit sind. Ein wenig Smalltalk, viel Sex. Åke lächelt zufrieden. Über so viel Eindeutigkeit freut er sich.

Åke ist 49 Jahre und ziemlich groß. Er kommt aus Stockholm, Schweden, und seine weißblonden Haare bilden einen auffälligen Kontrast zu seiner Bräune. Er sieht aus wie jemand, der ohne Weiteres für eine Rasierwasser-Werbung gebucht werden könnte.

Natürlich hat er einen Nachnamen. Doch den braucht es nicht, dort, wo er jetzt ist.

An einem Mittwoch im November sitzt Åke auf einer Couch in einer Berliner Vier-Zimmer-Wohnung. Vor ihm ein flacher Tisch mit Schälchen voller Erdnüsse, aus den Lautsprecherboxen über ihm dudelt Elektropop. Hier wird jeder beim Vornamen genannt.

Åke trägt nur ein Handtuch um die Hüften, so wie alle in der Wohnung. Neben dem Zimmer, in dem er sitzt, und einer Sauna, gibt es ein Bad, eine Küche und einen Raum groß wie ein Saal. Darin stehen zwei riesige Betten. Es riecht nach warmer Saunaluft.
Kein Name an der Klingel

Auf dem Klingelschild am Eingang zu der Wohnung steht kein Name, sondern kleingedruckt Öffnungszeiten. Vor den Fenstern hängen Vorhänge. Sonst deutet wenig darauf hin, dass in diesen Zimmern jeden Tag 30, 40, manchmal 70 Männer Sex haben. Je nachdem, wie die Stimmung ist, sind drei, vier, fünf Männer gleichzeitig mit einer oder zwei Frauen aktiv. Die Wohnung liegt in einem der Berliner Kieze, in dem die Mieten erst seit kurzem steigen. Sie ist eines von etwa 800 Bordellen, die es in der Stadt geben soll.

In den vergangenen Wochen ist viel über Frauen gesagt und geschrieben worden, die mit Sex ihr Geld verdienen. Alice Schwarzer stellte ihr neues Buch vor, in Talkshows prangerten die einen Prostitution an, während die anderen ihr Gewerbe verteidigten. Mit den Männern, den Kunden, sprach kaum jemand. Weshalb zwar viele vermuten, aber kaum jemand weiß: Wer sind die Freier?

Männer wie Åke, ohne die es diese Wohnung nicht gäbe; ohne die sich CDU und SPD derzeit nicht in Ankündigungen überbieten würden, Prostitution bald schärfer regeln zu wollen.
Kaum Informationen über die Freier

Verlässliche Daten über Freier gibt es wenige, Schätzungen zufolge bezahlen 600 000 Männer bundesweit jeden Tag für Sex. Bordellbetreiber, Sexualberater und Polizisten halten hinsichtlich der Herkunft der Freier die „Jedermann-These“ für plausibel. Demnach stammen Freier aus allen sozialen Schichten, Kulturen und Altersgruppen.

In Berlin gibt es neben kleinen und großen Bordellen kilometerlange Straßenstriche, bekannt sind Kurfürstenstraße, Tiergarten und Oranienburger Straße. Dazu kommen Straßen in Buch, Neukölln, Hohenschönhausen und Spandau.

Åke hat sich an diesem Mittwochabend gerade erst in einem Taxi von einem Geschäftstreffen zu der Wohnung fahren lassen. Er will entspannen. Wie die meisten der 30 Männer, die gerade in der Sauna schwitzen – oder eben Sex haben – ist Åke nicht zum ersten Mal hier. Er mag die Gemütlichkeit, den Smalltalk auf der Couch, vor allem mag er das Unkomplizierte. „Ich habe nun mal viel Lust auf Sex und bin bereit, zu zahlen, wenn es sein muss“, sagt Åke.

Irgendeine dieser Wohnungen ist immer offen, wenn eine Reise ihn nach Berlin führt. Das läuft dann ab wie bei dieser: Åke klingelt, zahlt 70 bis 100 Euro, legt seine Klamotten ins Regal, duscht, nimmt ein Handtuch, nippt an einer Cola, isst einen Happen, und überlegt sich, mit wem er diesmal anfängt.

Kondome in Körben

Die Wohnung ist kein Puff wie man ihn aus Filmen kennt, mit Zimmern wie Verrichtungsboxen, die von dunklen Gängen abgehen. Hier gibt es einen für alle einsehbaren Tummelplatz, in dessen Mitte Kingsize-Betten stehen, neben denen Kondome in Körben liegen.

Auf diesen Betten treffen viele Männer auf wenige Frauen. Wenn eine Frau nicht mehr möchte, geht sie duschen, für sie kommt eine Neue auf’s Bett. Das ist „Flatrate-Sex“, den Alice Schwarzer als besonders frauenverachtend bezeichnet hat, den CDU und SPD verbieten wollen.
Einmal zahlen, den ganzen Sex haben

Das Prinzip ist simpel: Wer einmal Eintritt zahlt, darf Sex mit den anwesenden Frauen haben bis der Laden am späten Abend schließt. Gruppensex gefällt nicht jedem. Das Konzept aber wird populärer, Läden wie dieser boomen. In traditionellen Puffs schließlich kostet eine halbe Stunde 50 Euro und jede Minute länger extra.

Åke machen nackte Männer neben ihm nichts aus. Sein Selbstbewusstsein schützt ihn davor, sich zu genieren. Man glaubt ihm sofort, dass er nie Mühe hatte, Frauen in der Uni, im Job, in der Disko kennenzulernen. Respektvoll erzählt er von seinen Exfreundinnen, davon, wie erstaunlich verständnisvoll sie auf seine Lust, mit anderen zu schlafen, reagiert hätten. Derzeit habe er keine Freundin. Und wenn doch, sagt er, wäre er trotzdem hier.

Aus der Dusche kommt Jana. Sie föhnt ihre roten Haare, reckt den Kopf und stellt fragend einen Vergleich an, der Åke gefällt: Ob er nicht dieser Hollywood-Typ sei, der neulich „in so einem Politik-Film“ zu sehen war? Åke lächelt, nein, Robert Redford sei dann doch jemand anderes: „But thanks for asking!“

Åke und Jana steuern das Kingsize-Bett an, ein Tross schweigsamer Mittvierziger trottet hinterher. Jana ist beliebt. Sie macht es auch anal.
In Schweden machen sich Freier schon strafbar

Von der Forderung, käuflichen Sex hierzulande zu bestrafen, hat Åke gehört. In Schweden, wo er mit Booten handelt und den Sozialdemokraten beigetreten ist, machen sich Freier schon strafbar.

Auch das trägt zu dem bei, was Prostitutionsgegner anprangern: Weil käuflicher Sex in Deutschland legal ist, strömen Schweden, Briten, Schweizer ins Land – und vor allem nach Berlin. Bordellbetreiber und Huren berichten von Kunden aus ganz Europa. Und seit Jahrzehnten war Sex nicht so billig.

Gerade 70 Euro kostet Åke der ganze Abend diesmal – in Stockholm ist das sein Stundenlohn. Für das Geld gibt es außerdem viel mehr als schnellen, heimlichen Verkehr auf Parkplätzen, der auch in Schweden zu haben ist. In Deutschland wird für Fetisch- und Gruppensex geworben.

Aber warum versucht Åke nicht, Frauen bei Kongressen oder in Bars kennenzulernen? Er, der mit Robert Redford verglichen wird. Die Zeit sei ihm zu schade, sagt er. Außerdem sei er gar nicht sicher, ob ihn nicht auch etwaige Affären eher wegen seines Geldes nehmen wollten als wegen seiner babyblauen Augen. Und Jana, meint Åke, sehe ziemlich glücklich aus.

Jana, 28 Jahre, ausgebildete Krankenschwester, sagt: „Ich bin Hobbyhure.“ Als sie anfing, mit zwei, drei Männern gleichzeitig zu schlafen, habe sie dafür kein Geld bekommen. Sie habe in Sexforen und Clubs nach Gelegenheiten gesucht. Am Wochenende kann man Jana heute noch in Berliner Clubs treffen, tanzend, knutschend, mit Männern, Frauen, Pärchen.

Erst Krankenschwester, jetzt Hobbyhure

Erst andere Frauen, „richtig Professionelle“, hätten darauf bestanden, dass sie Geld nehme. Nun macht auch Jana 70 Euro die Stunde. Als Krankenschwester waren es 15,50 Euro.

Später an diesem Mittwoch betritt ihr Freund die Wohnung. Alexander, Anfang 30, Pädagoge aus Berlin, ist ein freundlicher, jungenhafter Mann. Er sagt: „Ich wollte meine Liebste abholen.“

Alexander besitzt keine Boote und ist oft damit beschäftigt, seinen Vater zu pflegen. „40 Jahre Bau, das hat bei meinem Alten schon Spuren hinterlassen“, sagt Alexander und nimmt sich eine Fanta. Jana habe er über ein Dating-Portal kennengelernt. Durch sie habe er zum Gruppensex gefunden. Klar, inzwischen zahle er Eintritt in verschiedenen Etablissements, sei also auch ein Freier. Ihn habe die Beziehung mit Jana „einfach geiler“ gemacht, er brauche mehr als früher. „Ich muss einiges nachholen“, sagt Alexander. „Bis 30 war ich ein Nerd.“

Keine Frauen mit blauen Flecken

Jana ist auf einem der Kingsize-Betten beschäftigt. „Vögeln“ würde sie sagen, „arbeiten“ würde das Finanzamt sagen, „ausgebeutet und erniedrigt werden“, würden wahrscheinlich Alice Schwarzers Anhängerinnen sagen. Ist Jana eine typische Sexarbeiterin, Alexander ein typischer Freier?

„Das nun auch nicht“, sagt er. „Viele Mädchen wollen schnell möglichst viel verdienen, oder die füttern einen Macker durch.“ Alexander meint Frauen aus Osteuropa. Dass die meisten von ihnen zur Prostitution gezwungen würden, glaubt er nicht. Aus reiner Lust machten sie es aber auch nicht, sondern des Geldes wegen, wie wohl kaum jemand gern hauptberuflich Putzen gehe.

Jana hat zusammen mit einer Freundin angefangen – der Betreiber der Wohnung habe ihnen gleich gesagt, wer einen Zuhälter hat, brauche es gar nicht erst versuchen. Für Frauen mit blauen Flecken gilt das sowieso. Es gebe ohnehin ausreichend Interessentinnen, sagt der Betreiber. Viele Läden werden außerdem von der Polizei überprüft, die Frauen einzeln zu den Arbeitsbedingungen befragt.
Dorfkönige in Berlin

Dass nicht jeder Gast ein scheuer Spätzünder ist, wird kurze Zeit später deutlich. Es klingelt, die zuständige Hausdame öffnet die Tür, kalte Luft strömt in den Flur, schwere Schuhe poltern über das Parkett, in ihnen steckt ein grinsender Hüne: „Ah, ein neues Gesicht!?“ Die Hausdame sagt artig: „Ich bin die Maria!“

Jana ist fertig, kommt nackt aus dem Zimmer. Der Hüne winkt, man kennt sich, er kommt wöchentlich. Einige sagen, er erzähle gern Herrenwitze, nach denen er zustimmendes Gelächter erwarte. Irgendwo in der Provinz werde er als Dorfkönig verhätschelt. Mit diesem Ego fahre er nach Berlin. Hier wird er nur „der Magdeburger“ genannt.

Der Magdeburger ist einer jener Männer, die einen Schlüsselanhänger ihres Fußballvereins haben und wissen, in welcher Tankstelle auf 500 Kilometern Autobahn der Liter zwei Cent günstiger ist.

Er ist so etwas wie der beschwerdeführende Verbraucherschützer unter den Freiern. So wie er online in Autoforen nach Winterreifen sucht und Kommentare über den Service in Werkstätten hinterlässt, so informiert er sich auf Erotikseiten, ob „irgendwo eine Neue angeboten“ wird.
Freier kommentieren in Internetforen

In den Chats auf den Internetseiten für Freier wird hemmungslos kommentiert. „Kriegt beim Blasen den Mund nicht auf“, steht dann da, oder „die mit den vielen Tätowierungen sieht halt schon etwas verlebt aus“. Hoffentlich, schreibt ein anderer, seien keine „Möchtegern-Porno-Stuten“ da, sondern „naturgeile Mädels“.

Naturgeil ist beliebt. Åke, Alexander und der Magdeburger sagen unabhängig von einander, „nichts sei abtörnender“, als eine Frau, die eigentlich keinen Sex wolle. Nicht nur die Freier, auch Jana und die Hausdame Maria berichten, dass viele Gäste explizit nach Frauen fragten, die nur gelegentlich Sex für Geld haben. Professionelle Huren, womöglich „noch süchtig“, seien zumindest in dieser Wohnung nicht begehrt.

Für den Magdeburger ist das Freierdasein ein sorgsam gepflegtes Hobby. Seit der Wende ist er in halb Norddeutschland unterwegs gewesen. Selbstverständlich weiß er, wie viele Damen es waren: „ganz bald 1500“.

Der Magdeburger ist geschieden, die gemeinsame Tochter bald erwachsen. Dürfte sie sich prostituieren? Nein, aber es gebe auch noch eine Menge anderer Jobs, die sie nicht machen sollte. Er macht ein Bier auf, verschränkt die Hände hinter dem Kopf.
Keine Schamgefühle für bezahlten Sex

Ist ihm peinlich, dass er 99 Prozent der Frauen in seinem Leben bezahlen musste? Nein, und wenn er nicht bei einem Sportverband angestellt wäre, dürfte man seinen vollen Namen notieren. Unbezahlten Sex hatte er lange nicht. „Und wenn schon“, sagt er. „Auch für die meisten normalen Frauen ist Geld nu’ ma’ ein wichtiger Grund überhaupt... Kennen sie eine, die einen armen Schlucker nimmt?“

Enttäuscht klingt der Magdeburger nicht. Sollte er über die Macht des Geldes in dieser Welt mal traurig gewesen sein, ist das lange her. „Auf die eine oder andere Art wollen Frauen halt Kohle, mindestens aber Anerkennung für Sex.“

Åke kommt ins Zimmer, seine weißblonden Strähnen sind verschwitzt. Der Magdeburger fragt ihn prompt, wer alles da sei. Ah, die Sarah auch, passt, die hatte er noch nicht. Routiniert hebt er sich aus der Couch.

Åke beginnt ungefragt: „In Schweden herrschen die Taliban, die Feministinnen-Taliban.“ Die Frauenpolitik seines Landes gehe ihm zu weit. Gegen Zwangsprostitution – Åke spricht von „organisierter Vergewaltigung“ – müsse der Staat hart vorgehen. Wer aber sein Auto, seine Schulden, seinen Lifestyle lieber durch Sex finanzieren wolle als durch Kellnern, solle in Ruhe gelassen werden.

In zwei Wochen ist er wieder in Berlin.

http://www.tagesspiegel.de/berlin/prost ... 26180.html

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fraences
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RE: Lokalnachrichten: Berlin

Beitrag von fraences »

Rund um die Uhr geöffnet
CDU wollte Prostitution in der Kurfürstenstraße tagsüber verbieten


Schöneberg. Die Fraktionen von SPD und Grünen haben in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) gegen einen Antrag der CDU gestimmt, wonach die Prostitution in der Kurfürstenstraße zwischen 4 und 20 Uhr verboten werden sollte.
"Unhaltbar" und "Nicht weiter hinzunehmen" - so beschreibt die CDU-Fraktion in der BVV die Zustände im Kurfürstenkiez. Die Bezirkspolitiker wollten das Bezirksamt deswegen per Antrag dazu verpflichten, sich gemeinsam mit den Kollegen aus Mitte für Sperrzeiten einzusetzen. Die Kurfürstenstraße verläuft exakt auf der Bezirksgrenze - der nördliche Straßenrand gehört deshalb zu Mitte, der südliche zu Tempelhof-Schöneberg.
Auf beiden Seiten der Bezirksgrenze wird seit Jahren darüber geklagt, dass die Prostituierten, die immer häufiger aus Osteuropa kommen, sehr offensiv auf Passanten zugehen. Auch Väter, die beispielsweise ihre Kinder morgens zur Kita bringen, würden immer öfter auf sehr eindeutige Weise angesprochen.
Der für Ordnungsaufgaben zuständige Stadtrat Oliver Schworck (SPD) verwies in der BVV darauf, dass die Diskussion um die zu ergreifenden Maßnahmen vor Ort momentan in vollem Gange sei. Eine Umfrage unter den Anwohnern, die im vergangenen Jahr in einer "Bürgerausstellung" gemündet hatte, werde derzeit ausgewertet. Die zahlreichen Vorschläge, die die Anwohner hier zur Lösung der Probleme gemacht hätten, würden dabei zusammengetragen.
"Diese Vorschläge sollen in einer Gesamtkonzeption zusammengestellt, bewertet und der BVV vorgelegt werden", so Schworck. Bis dahin halte er es "für nicht sinnvoll", einzelne Vorschläge wie etwa die Sperrzeiten "herauszulösen, um diese sofort umzusetzen."
Auch die für Soziales, Gesundheit und Stadtentwicklung zuständige Dezernentin Sibyll Klotz (B’90/Grüne) betonte, dass derzeit zahlreiche konstruktive Gespräche laufen würden.
Der in Mitte für Ordnungsaufgaben und Stadtentwicklung zuständige Stadtrat Carsten Spallek (CDU) hält sich aus der Diskussion heraus. Auf Anfrage ließ er mitteilen, dass er an den Diskussionen nicht beteiligt werde. Er habe sich bereits 2010 für Sperrzeiten ausgesprochen.


www.berliner-woche.de/nachrichten/bezir ... verbieten/
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Marc of Frankfurt
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Sexwork im Berliner Abgeordnetenhaus

Beitrag von Marc of Frankfurt »

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Anhörung der Sexworker

Initiative für einen neuen Runden Tisch Prostitution


Anhörung zu Arbeitsbedingungen - Prostituierte klären Abgeordnete auf




Inforadio | 28.11.2013 | Beitrag von Holger Hansen

Dass 12 Jahre nach der Liberalisierung nun wieder über ein Verbot der Prostitution diskutiert wird, treibt viele Sexarbeiterinnen auf die Barrikaden.

Nun wollten sie im Berliner Abgeordnetenhaus Aufklärungsarbeit leisten - und trafen auf viel Nichtwissen.

Nach Diskussionen über die Ausweitung von Sperrbezirken www.bit.ly/sperrgebiet in Berlin hat sich am Donnerstag das Abgeordnetenhaus mit dem Thema Prostitution befasst.

Zur Anhörung waren auch Sexarbeiterinnen als Expertinnen eingeladen, um vor allem über ihre Erfahrungen mit dem rund 12 Jahre alten "Prostitutionsgesetz" zu berichten.

[ Anmerkung das Strafgesetz ist 141 "Jahre alt", seit Reichsstrafgesetzbuch von 1872 www.bit.ly/sexworkgeschichte ]

Prostitution ist legal und ein normaler Beruf: So hatte es die rot-grüne Koalition 2002 beschlossen, um den Prostituierten den Weg in die Sozialversicherung zu öffnen. Das sei auch gut so, sagten die Expertinnen in der Anhörung - allerdings hapere es noch immer an der Umsetzung.

"Warum können Bordellbetriebe nicht wie andere Betriebe im Gewerbe- und Baurecht eine Lösung finden", fragte Sexarbeiterin Stefanie Klee. "Warum werden immer noch Ausnahmeregelungen bei der Polizei angesetzt wo wir alle wie Kriminelle behandelt werden?" Zum Beispiel, wenn die Polizei in einem Bordell die Identität sämtlicher Angestellter feststelle, so Klee.

"Viele Frauen führen ein Doppelleben"

Es müsse deshalb eine öffentliche Ethik-Diskussion über den Beruf geben. Straßenstrich, Bordelle, Wohnungsprostitution, ein hoch komplexes Thema, bei dem es noch viele Probleme zu lösen gibt.

Dass es im Prinzip Rechtssicherheit gebe, zum Beispiel dass Prostituierte ihren Lohn vor Gericht einklagen können, sei ein großer Fortschritt, sagte Sexarbeiterin Alexa Müller. Aber die moralische Vorverurteilung in der Gesellschaft hindere viele Prostituierte daran, sich als normale Dienstleisterinnen zu fühlen. "Diese Stigmatisierung, die sich auch in diesem Raum widerspiegelt, führt dazu dass fast alle Kolleginnen ein Doppelleben führen. Weil sie fürchten, sich nie wieder für einen anderen Job bewerben zu können."

Runder Tisch soll wiederbelebt werden

Die Politiker zeigten sich ziemlich ahnungslos. "Auch ich muss ja erstmal lernen, lernen, lernen," gab Arbeitsstaatssekretärin Barbara Loth zu. "Unser Ziel ist die Verbesserung der Situation der in der Prostitution tätigen Menschen."

Linke und Grüne schlugen vor, einen neuen Runden Tisch zu gründen - obwohl sich der letzte vor einigen Jahren selbst aufgelöst hatte. Wegen Ratlosigkeit. Die Ausschusszvorsitzende Anja Kofbinger warb bei allen Fraktionen dafür, musste gleichzeitig aber zugeben: Man stehe wieder am Anfang. "Wir könnten uns alle darauf verständigen, diesen Runden Tisch gemeinsam zu fordern."

Diejenigen, um die es eigentlich ging, waren nach der Anhörung enttäuscht. "Ich bin wirklich schockiert", sagte Müller hinterher. "Das Nichtwissen über das, was in unserer Branche los ist, ist riesig groß."

Elke Winkelmann betreibt das "Freudenhaus Hase" im Wedding. Für fruchtlose Debatten hat sie kein Verständnis. "Alle haben sich gerne selber reden hören, ihre Position immer nochmal mitteilen müssen. Aber die Expertinnen hatten ganz wenig Zeit, zu antworten."

Wie ihre Kolleginnen erwartet Winkelmann, dass von der Politik gesicherte Arbeitsverhältnisse geschaffen werden. Das aber kann noch lange dauern.

Stand vom 28.11.2013

mit Audio-Beitrag
http://www.rbb-online.de/politik/beitra ... setz-.html



Bsp. laufender Runder Tisch
- NRW
viewtopic.php?t=7496

Bild

Beispiele für gescheiterte Runde Tische
- Amsterdam viewtopic.php?p=29525#29525
- Frankfurt ...
- Hamburg

Beispiel für instrumentalisierter Runder Tisch durch das BKA
- Marburg viewtopic.php?t=4403&start=26
Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 29.11.2013, 14:05, insgesamt 1-mal geändert.

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fraences
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Frust-Nummer für Prostituierte Huren-Quickie im Parlament

Beitrag von fraences »

Frust-Nummer für Prostituierte
Huren-Quickie im Parlament


Da lachten Alexa Müller (r.) und Kollegin Stephanie Klee (m.) noch: Nach der Anhörung waren sie so unfroh wie Claudia Zimmermann-Schwartz hier wirkt.

BERLIN –
Das war eine Frust-Nummer für zwei Prostituierte! Alexa Müller und Stephanie Klee wollten Berlins Politiker aufklären. Hintergrund: Sie sollten im Frauen-Ausschuss des Abgeordnetenhauses über die Erfahrungen mit dem seit zwölf Jahren gültigen Prostitutionsgesetz reden. Es war vergebliche Liebesmüh.

Stephanie Klee steht wutschnaubend vor dem Parlament: „Die Politiker haben länger geredet als wir als Sachverständige.“ Von einer guten Stunde Anhörung im Saal 311 hatten die beiden Prostituierten und die nordrhein-westfälische Ministerialbeamtin und Prostitutions-Fachfrau Claudia Zimmermann-Schwartz jeweils gerade mal sieben Minuten – gestoppte – Redezeit.

Klee, die die Begleitagentur „highLights“ betreibt: „Allein mit der Beantwortung der Fragen der Linken-Abgeordneten Evrim Sommer hätten wir ein großes Spektrum der Probleme beleuchten können. Aber es war keine Zeit.“ Denn die Abgeordneten waren lange damit befasst, die Leistungen ihrer Parteien in der Sache zu loben und die Untätigkeit der anderen zu tadeln.

Evrim Sommer sabotierte sich selbst mit langen Reden, sodass beispielsweise Fragen um Gewerbe- und Baurecht für Bordelle nur angetippt wurden.


Auch Fragen nach den Wünschen der Prostituierten blieben im Raum stehen. Klee: „Sie wollen in Ruhe arbeiten, von den Kunden respektiert werden und Rechtssicherheit bei der Steuer oder gegenüber der Polizei, sie wollen wissen, wo sie nicht ausgebeutet werden.“

Alexa Müller lobte das Gesetz grundsätzlich: Erstmals seien „Sexarbeiterinnen“ Rechtsobjekte, könnten ihren Lohn einklagen. Eine Frau, der der Freier nach dem Sex das Geld wieder abnimmt, könne es einklagen, wenn sie sich z. B. das Autokennzeichen merkt und der Polizei ermöglicht, den Mann namhaft zu machen. Und dass Frauen nicht mehr wie früher von der Polizei aus der Kurfürstenstraße in den Grunewald chauffiert und dort ausgesetzt würden.

Sie konnte wenigstens loswerden, warum Prostituierte sich so selten unter Angabe ihres Berufs kranken- und sozialversichern, eher als „Performance-Künstlerinnen“: „Das Gesetz hat die Stigmatisierung nicht gestoppt.“ Da müsse noch viel geschehen. Sie forderte Beteiligung an politischen Entscheidungen und runde Tische, an denen auch Huren sitzen sollen, um Probleme zu besprechen. Da war sie sich mit der Kollegin nicht so einig. Stephanie Klee: „Ich habe keine Lust auf einen runden Tisch, an dem mir Verachtung entgegenbrettert.“

www.berliner-kurier.de/kiez-stadt/frust ... 60422.html
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Beitrag von Kasharius »

Wir werden hier sobald als möglich, denke ich, das Protokoll der Ausschusssitzung hier einstellen.

Kasharius grüßt

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Marc of Frankfurt
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Governance statt echte Deliberation

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Wenn einem so drakonisch die Redezeit abgeschnitten wird, dann wird die "Anhörung" zur Alibi-Veranstaltung und Farce.


Hier besteht die Möglichkeit unsere Antworten auf die Fragen der Politiker, auf die Fragen der Linken und auf die Fragen die sie gar nicht gewagt haben zu stellen ;-) diese Antworten müssen wir selbst veröffentlichen.

So wie es Dona Carmen macht in langen Texten, Presseaussendungen oder Zeitungsanzeigen...

Oder so wie es Sexworker in USA und Australien machen in Youtube-Videos...

Einfach vor die Web-Cam oder das Micro setzen und Fakten und Forderungen berichten oder vorlesen...

Oder in Demos/Sit-ins/Kiss-ins und politischen Veranstaltungen wie am 9. Dezember in Berlin
www.facebook.com/events/174738429401554 ... 782617752/

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Beitrag von Kasharius »

Hier der Link zum Wortprotokoll der 34. Sitzung des Ausschuss für Arbeit,Integration, Berufliche Bildung und Frauen im Abgeordnetenhaus vom 28. November 2013:

http://www.parlament-berlin.de/ados/17/ ... 034-wp.pdf

Außerdem der link zur Antwort der Staatsekräterin der entsprechenden Senatsverwaltung vom 23. Dezember 2013 auf eine kleine Anfrage der CDU-Abgeordneten Katrin Vogel zu Prostitution in Berlin; die Abgeordnete Vogel ist auch Mitglied des Fachausschusses im Abgeordnetenhaus:

http://www.parlament-berlin.de/ados/17/ ... 034-wp.pdf

Kasharius freut sich auf Eure Kommentare und grüßt

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Marc of Frankfurt
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Beitrag von Marc of Frankfurt »

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Beitrag von Kasharius »

@Marc

ups...! Tschuldigung. Hier der Link zur kleinen Anfrage der Abgeordneten Vogel (CDU) zu Prostitution in Berlin:

http://pardok.parlament-berlin.de/starw ... -12815.pdf

Kasharius grüßt

Martin*
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Beitrag von Martin* »

Hallo allerseits! Im Tagesspiegel habe ich folgendes tolles Interview gefunden. Wenn es hier nicht passt, dann bitte verschieben - liebe Moderatoren.

Martin*

Tagesspiegel - 18.1.2014

von: Veronica Frenzel, Jens Mühling

„Ich öffne Menschen Türen zu ihrer Sexualität“


Talk-Shows, die neue Koalition, Alice Schwarzer – alle streiten über Prostitution. Die wissen doch gar nicht, wovon sie reden, sagt die Sexarbeiterin Kristina Marlen.

Kristina Marlen – ist das Ihr wirklicher Name oder ein Pseudonym?
Kristina und Marlen sind meine beiden Vornamen. Den Nachnamen behalte ich als Sexarbeiterin lieber für mich. Wenn ich nicht ohnehin Marlen hieße, wäre das ein schöner Künstlername – ich bin ein großer Fan von Marlene Dietrich.

Auf Ihrer Webseite gibt es inszenierte Fotos, auf denen Sie der Diva sehr ähnlich sehen.

Wer weiß, vielleicht bin ich ja ihre Wiedergeburt.

Jedenfalls fühle ich mich den Berliner 20er Jahren sehr verbunden, einer Zeit, in der mit großer Neugier Sexualität ausgelebt wurde. Diese Art von Offenheit würde ich mir in der heutigen Prostitutionsdebatte wünschen. Stattdessen bildet sich da eine merkwürdige Allianz aus feministischen Forderungen und erzkonservativem Gedankengut.

Alice Schwarzer sagt, Prostitution sei grundsätzlich sexistisch, erniedrigend und ausbeuterisch.

Das müsste ich als Feministin doch irgendwann gemerkt haben, bei all den Kunden und Kundinnen, die ich hatte. Habe ich aber nicht, meine Realität sieht völlig anders aus. Beim Wort Prostitution denken derzeit alle an dasselbe Bild: Eine Gruppe brutaler Männer fällt über eine wehrlose, festgehaltene Frau her, die sich nicht auf Deutsch artikulieren kann. Nichts an diesem Bild hat mit Sexarbeit zu tun – solche Frauen sind Opfer von Entführung, Verschleppung, Menschenhandel, sexueller Nötigung und Vergewaltigung. Prostitution beruht grundsätzlich auf beiderseitigem Einverständnis.

Im Alltag dürfte das mitunter anders aussehen.

Es gibt keinen Alltag normaler Prostituierter, es gibt nur viele Vorurteile über diesen vermeintlichen Alltag. Ich kenne Straßenprostituierte, die ein wirklich schwieriges Leben haben, geprägt von Armut, prekärem Aufenthaltsstatus und so weiter. Aber auch die sehen sich nicht als Opfer. Was Menschenhandel und sexuelle Nötigung angeht, braucht es natürlich Schutzmaßnahmen. Aber da stellt sich für mich eher die Frage nach Armut und Wohlstand in Europa, nach Bleiberechtsregelungen und wirksamem Opferschutz – und sicher nicht die Frage nach einem Berufsverbot.

Das deutsche Prostitutionsgesetz ist eins der liberalsten in Europa. Kritiker fordern eine Regelung wie in Schweden, wo es seit 1999 strafbar ist, sexuelle Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen.

In einer schwedischen Regierungserklärung wurde eingeräumt, dass sehr unklar ist, was das Gesetz bewirkt hat. Prostitution gibt es weiter, nur findet sie jetzt in einem komplett kriminalisierten Umfeld statt, in dem Frauen viel schlechter geschützt sind. Auch die Hinweise auf Zwangsprostitution, die ja oft von Freiern kommen, sind zurückgegangen – welcher Mann geht zur Polizei, wenn er dafür eine Straftat einräumen muss? Ich halte das schwedische Modell für den völlig falschen Ansatz.

Sie sind Mitglied im neuen „Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen“, der die Stärkung von Sexarbeitern fordert. Wie soll die aussehen?

Wir wollen Bedingungen für selbstbestimmte Sexarbeit ohne körperliche und seelische Risiken schaffen. Dieses Anliegen vertritt auch unser "Appell für Prostitution", für den wir derzeit Unterschriften sammeln. Verbote und Stigmatisierungen werden die Situation nicht besser, sondern schlechter machen. Niemand weiß das besser als Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter, deshalb müssen in der Prostitutionsdebatte verstärkt diejenigen zu Wort kommen, die den Beruf ausüben.

So wie Sie selbst. Wie kamen Sie zu dieser Arbeit?

Damit begann ich vor etwa fünf Jahren. Als selbstständige Physiotherapeutin habe ich damals Körperarbeit angeboten, die durch Berührungen emotionale Prozesse auslöst und das Körperbewusstsein stärkt. Dabei war häufig auch sexuelle Energie im Raum. Von Kunden kam dann die Anfrage, diesem Aspekt mehr Raum zu geben. Als ich mich dafür entschied, war ich erst völlig überrascht, dass ich mich nicht erniedrigt fühlte. Das hätte ich mir nie vorstellen können!

Warum nicht?

Weil ich aus einer sehr feministischen Familie komme. Meine Mutter war in der Frauenbewegung aktiv, ich wuchs mit ihrem „Emma“-Abo auf. Mit 13 hatte ich einen „PorNo!“-Anstecker an der Jacke und war felsenfest überzeugt, dass jede Form von Pornografie und Prostitution Frauen erniedrigt. Plötzlich begriff ich, dass das nicht stimmt.

Wenn Sie sich nicht erniedrigt fühlten, was empfanden Sie stattdessen?

Ich hatte das Gefühl, dass etwas Gutes passiert ist. Da war jemand sehr glücklich, und mir ging’s auch gut. Als es sich wiederholte, merkte ich immer mehr, wie schön es ist, einen Raum zu schaffen, der explizit der sexuellen Energie gewidmet ist.

Für Ihre Mutter muss das ein Schock gewesen sein.

Meine Mutter nimmt sich sehr ernst bei dem Satz: Ich möchte, dass du glücklich bist. So hat sie auch auf meinen ersten Berufswechsel reagiert. Ich habe Jura und Sozialwissenschaften studiert. Aber dann merkte ich, ich brauche etwas Körperliches. Vor dem Schreibtisch wäre ich verendet.

Weiß jeder, was Sie machen?

Wenn mich jemand fragt, lüge ich nicht. Ich binde es aber nicht jedem auf die Nase, mit dem ich als Physiotherapeutin oder Trainerin zu tun habe.

Sie sprechen auch in Ihrer Beziehung über den Beruf?

Natürlich. Für meine Partnerin ist das in Ordnung.

War das von Anfang an so?

Als es losging, war ich Single. Anfangs habe ich das selbst in einer Art Halbdunkel geparkt, es war etwas Verruchtes, von dem ich dachte: Sobald ich eine Beziehung habe, lasse ich es sein. Dann trat jemand in mein Leben, und ich merkte: Ich möchte das nicht sein lassen. Ich versuchte, es meinem Partner zu erklären, vergeblich. Die Beziehung ist kaputtgegangen, ich bin nicht in einem Reihenhaus gelandet – und habe ein glückliches Leben.

Auf Ihrer Webseite stößt man auf geheimnisvolle Wörter wie „blissful bondage“ oder „sacred kink“, da werden „spielerisch die Grenzen der Komfortzone befragt“ und ...

... im Grunde sind das alles Codewörter für Sexspielarten, die von dem abweichen, was Ken und Barbie so im Bett machen. Fetischspielarten, intensive Sinneserfahrungen. Spezialisiert habe ich mich auf Bondage, die Kunst des Fesselns. Supergerne biete ich auch erotische Ringkämpfe an. Ich bin 1,83 Meter groß und ziemlich trainiert, ich kann Männer zu Boden ringen. Für viele ist das eine tolle Erfahrung, von einer Frau nicht nur symbolisch, sondern körperlich dominiert zu werden.

Wer sind Ihre Freier?

Zum Beispiel Menschen, die mit ihrem Partner keine Sexualität mehr erleben, weil der vielleicht einen Unfall hatte oder krank ist. Auch Witwer. Mein ältester Klient war 85, der hatte jahrelang seine Frau gepflegt. Als sie starb, stellte er überrascht fest, dass er sexuelle Bedürfnisse hatte.

Wie hat der zu Ihnen gefunden?

Er saß im Wartezimmer beim Arzt und hat in der „Zitty“ geblättert, da hatte ich mal eine Anzeige. Es gibt auch Kunden, die nach einer Trennung Sexualität wollen, ohne sofort eine neue Beziehung anzufangen. Dann gibt es Menschen, die eine Frage zu ihrer Sexualität haben, etwa nach Prostata- oder Samenleiteroperationen, sie wollen wissen, wie Lust und Erektionsfähigkeit zusammenhängen. Es kommen auch Frauen zu mir, die ihre Sexualität erkunden wollen, die ihre Möse nicht kennen und wissen möchten, was da möglich ist. Andere Frauen interessieren sich für BDSM ...

... sadomasochistische Praktiken – das sind Frauen, die „Fifty Shades of Grey“ gelesen haben?

Kann sein. Oder sie hatten schon immer solche Fantasien und wussten nicht, wohin damit. Dann gibt es Klienten, die mit ihrem Partner einen bestimmten Teil ihrer Sexualität nicht ausleben können.

Zum Beispiel?

Bei mir war mal jemand mit einem Wollsockenfetisch. Dem war das total peinlich, er konnte seiner Freundin nicht davon erzählen. Die Socken hatte er extra gekauft, so lange Stulpen. Ich habe ihn damit massiert, gestreichelt, gefesselt, und er war selig!

Gibt es auch Sachen, die Sie nicht machen?

Klar. Ich habe keine Klinikausstattung. Und jemand, der sich als Vollzeitaschenbecher bewirbt, wird bei mir auch nicht viel Freude haben.

Was bitte ist ein Vollzeitaschenbecher?

Das ist jemand, der gerne den Mund aufmacht, wenn die Herrin abascht.

Klingt so, als hätte das alles nicht viel mit Sex im herkömmlichen Sinne zu tun.

Im Sinne von Penetration? Ich frage mich, warum Sex so oft darauf reduziert wird. Wenn ich meine Arbeit beschreibe, kann ich bei manchen förmlich sehen, wie sie verzweifelt in ihrer Großhirnrinde rumstochern und nicht drauf kommen, was das mit Sex zu tun hat. Die begreifen nicht, dass ich da zwei Stunden lang was mit Leuten mache, und es kommt mitunter gar nicht zum klassischen Geschlechtsakt, eventuell nicht mal zum Orgasmus. Die meisten denken: Sex ist, wenn ein erigierter Schwanz irgendwo eingeführt wird. Dass Sexualität Kommunikation ist, dass Sex bedeutet, seinen Körper zu verstehen, zu entdecken, ihn als Lustorgan zu stimmen, denken die wenigsten. Ich bin froh, dass meine Kundinnen und Kunden da gedanklich weiter sind als die, die sich gerade am lautstärksten an der Prostitutionsdebatte beteiligen.

Suchen die meisten Freier nicht eher die Art von Erlebnis, die die berüchtigten Flatrate-Bordelle bieten: unbegrenzter Sex zum Discount-Preis?

Ich kenne Frauen, die durchaus gerne in Flatrate- Bordellen arbeiten. Mein Ding wäre das nicht, aber ich sehe die Vorteile. Man muss keine Akquise machen, die Kontaktaufnahme ist relativ entspannt, es muss nicht über Geld verhandelt werden. Im Grunde sind Flatrate-Puffs eine Marketing-Idee für Männer, die sich selbst überschätzen. Die wollen zehn Mal, zahlen für drei Mal, können vielleicht zwei Mal und erzählen hinterher ihren Kumpels, was sie da für einen Zampano gemacht haben.

Sie selbst finden Ihre Kunden über Annoncen?

Vor allem übers Internet, da inseriere ich auf diversen Massage- und Domina-Portalen.

Ist das die Art von Portalen, wo Kunden auch Bewertungen vergeben können?

Ich habe mich auch schon gefragt, ob da irgendwo eine Bewertung von mir rumgeistert.

Wir haben keine gefunden. Dafür jede Menge menschenverachtender Kommentare zu anderen Frauen.

Klar, das ist ein Grottental. Es wäre naiv zu behaupten, dass es in der Sexarbeit keinen Sexismus gibt. Man sollte aber auch nicht alles für bare Münze nehmen, was Männer so online von sich geben. Oft dürfte das nicht viel mit dem zu tun haben, was sich wirklich mit der Frau abgespielt hat. Es ist kein Mythos, dass Freier es gerne haben, wenn es der Frau gefällt. Das ist Teil des Kundeninteresses, das wird ihnen jede Sexarbeiterin bestätigen. Wenn man Kunden beiderseitig erfüllenden Sex anbietet, werden sie darauf immer eingehen.

Auf Ihrer Webseite steht der Hinweis: „Wenn du besondere Wünsche hast, sag mir das vorher.“ Klingt, als käme es öfter mal zu Konflikten.

Nein, das ist als Einladung gemeint. Wenn jemand einen Fußfetisch anmeldet, dann baue ich das in die Session ein. Natürlich müssen Prostituierte die Fähigkeit haben, Grenzen zu setzen, man muss sich fragen, was man will und was nicht. Jeder andere Beruf hat Ausbildungswege, wo man sich mit solchen Fragen auseinandersetzen kann. Das würde ich mir auch für die Sexarbeit wünschen.

Weil Sie auf manches nicht vorbereitet waren?

Es gab Momente, in denen mir nicht klar war, wie man Grenzen kommuniziert, und zwar so, dass sich das Gegenüber weiter eingeladen fühlt. Inzwischen vertraue ich da meinem Körper total. Wenn ich merke, irgendwas stimmt hier gerade nicht, dann lenke ich verbal oder körperlich um.

Stimmt es eigentlich, dass Prostituierte nie küssen?

Das ist ein Mythos. Edel-Escorts werben mit „leidenschaftlichen Küssen“, andere Frauen mit dem Schlagwort „girlfriend experience“, also Sex, der sich so echt anfühlt wie mit der Freundin. Wo die eigenen Grenzen verlaufen, ist sehr unterschiedlich, das lässt sich nicht am Küssen festmachen. Ich zum Beispiel bin bei meinen Pflegepraktika nicht so gut mit Krankheit und Morbidität klargekommen, damit, jemandem den Hintern abzuwischen. Später merkte ich: Sperma und Lustschweiß machen mir nichts aus.

Ist es schwer, berufliche und private Lust zu trennen?

Ich kann Liebe und Sex trennen, muss es aber nicht. Auch die sexuelle Dienstleistung kann sehr herzverbunden sein, meine ist es zumindest. Ich könnte nicht mit Menschen zusammenleben, die glauben, sie hätten ein Recht auf meine Sexualität. Wer mich liebt, muss meine Freiheit akzeptieren und den Teil schätzen, der uns beiden gehört.

Ist es vorstellbar, sich bei der Arbeit zu verlieben?

Es gibt für mich immer eine Art temporäre Verliebtheit bei der Arbeit. Ich vergleiche das gern mit Psychotherapeuten. Die vermieten auf Zeit eine Beziehung, etwas, was man sonst nur in intimen Momenten hat. Sie richten in ihrem Herzen einen riesigen Parkplatz für ihre Klienten ein. Ähnlich ist es bei mir. Ich bin jedes Mal komplett da. Mit meiner Arbeit öffne ich Menschen Türen zu ihrer Sexualität. Und im Idealfall nehmen sie das mit in ihr Leben.

Sie meinen: in ihre Partnerschaft?

Nicht unbedingt. Sexualität hat eine eigene Existenzberechtigung, erst mal unabhängig von der Partnerschaft. Kunden sagen oft zu mir: „Mit der Partnerin geht das nicht ...“ Meine Antwort ist: Dann geht es eben nicht, das spricht nicht gegen die Beziehung. Ich glaube, ein wichtiger Grund für die Ablehnung von Prostitution ist, dass wir an einem bürgerlichen Verständnis von Partnerschaft rütteln, am Zusammenhang von Liebe und Sexualität.

Ist es falsch, da einen Zusammenhang zu sehen?

Ich finde es legitim und schön, wenn Paare Sex nur in der Partnerschaft leben. Ich glaube aber nicht, dass sich guter Sex in und außerhalb der Beziehung ausschließen. Im Gegenteil: Wenn beide Partner ihren sexuellen Raum haben, kann das die gemeinsame Sexualität sehr bereichern.

Denken Sie manchmal darüber nach, wie lange Sie diese Arbeit machen werden?

Ich glaube, ich kann das ewig machen. Es sollte niemand denken, dass Prostituierte jung und schön sein müssen. Viele Frauen entdecken den Beruf erst spät im Leben, durch Zufall, vielleicht weil sie merken, dass sie Geld nehmen können für etwas, was ihnen eh Spaß macht. Die gehen dann total auf in der Sexarbeit. Gerade diese älteren Frauen sind oft sehr frequentiert – weil sie es so beherzt tun.

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RE: Lokalnachrichten: Berlin

Beitrag von fraences »

PROSTITUTION
Politiker wollen Huren zählen


Von SOLVEIG RATHENOW

Berlin – Das horizontale Gewerbe ist ein großer Arbeitsfaktor in der Hauptstadt. Zumindest behaupten das Schätzungen. Konkrete Zahlen gibt es nicht – bisher!
Die Linksfraktion im Abgeordnetenhaus will das mit einer Huren-Zählung ändern. Einen entsprechenden Antrag brachte die Abgeordnete Evrim Sommer (42, Linke) am Donnerstag ins Parlament ein. Sommer zu BILD: „Berlin braucht eine Bestandsaufnahme der Situation. Wir wollen wissen, wie viele Bordelle, Straßenstrichs und Prostituierte es gibt.“
Die Antwort darauf sollen Wissenschaftlerinnen liefern, die schon auf dem Gebiet geforscht haben und über Daten und Fakten verfügen. Sie sollen sich als Expertenkommission der Sache annehmen und eine fundierte Analyse erstellen.
Bisher schätzte der Senat die Anzahl auf rund 10 000 Huren in der Stadt und rund 600 Bordelle.

ZU VIEL VERKEHR!
Straßenstrich soll Einbahnstraße werden
Anwohner der Kurfürstenstraße wollen den Freier-Verkehr eindämmen. Der Straßenstrich soll Einbahnstraße werden.
mehr...

Doch die Linke will es genau wissen. Grund: Die Analyse soll als Grundlage für einen runden Tisch mit Bordellbetreibern, Prostituierten, Rechtsexperten, Polizei und Senatsverwaltungen dienen. Dort sollen über konkrete Gesetzes-Vorschläge entschieden werden, damit die Berliner Gesetze Prostitution nicht mehr als „sittenwidrig“ abstempeln.
Laut Sommer wird das Rotlichtmilieu vom Landesgesetz immer noch benachteiligt, obwohl das Bundesgesetz zur Prostitution von 2002 Prostitution als Beruf anerkannt hat. Der runde Tisch soll das ändern.
Ob der Huren-Antrag durchkommt, ist noch ungewiss. Zuerst wird er im zuständigen Ausschuss für Frauen bearbeitet, muss dann noch die Zustimmung im Parlament finden. Zur Anhörung will die Linke übrigens auch Prostituierte ins Parlament einladen.

www.bild.de/regional/berlin/prostituier ... .bild.html
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)

*****
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RE: Lokalnachrichten: Berlin

Beitrag von Klaus Fricke »

@ Martin,
vielen Dank. Ein sehr berührendes Interview.

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Kasharius
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Beitrag von Kasharius »

@Martin

finde ich auch - Danke!

@freances

hier noch ein lesenswerter Beitrag der Abgeordneten Evrim Sommer

http://evrimsommer.de/politik/frauen/20 ... etzen.html

Kasharius grüßt

Martin*
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Beitrag von Martin* »

Danke @Klaus Fricke
und @Kasharius

Ja, es ist wirklich ein berührendes Interview. Im nachhinein ist mir klar geworden, dass es in erster Linie ein sehr ehrliches und authentisches Interview ist. Marlen bin ich letztes Jahr bei vielleicht 3 Veranstaltungen/Aktionen hier in Berlin begegnet und so wie ich sie dort positiv und engagiert erlebt habe, so gut kommt dieses hier im Interview rüber.

Also: tolles Interview, aber vorallem eine klasse Frau - Hut ab vor dem was sie macht!

Martin*

der vergessene link:
http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/ ... 49772.html

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Politische Debatte in Berlin

Beitrag von Kasharius »

Ich versuche die Dokumentation der politischen Debatte um Prostitution in Berlin zu vervollständigen und stelle den Link zum Plenarprotokoll der 39. Sitzung des Abgeordnetenhaus von Berlin vom 21. November 2013 hier ein. Die Sitzung fand sieben Tage vor der Anörung im Ausschuss für Arbeit, Frauen, Berufliche Bildung und Integration am 28. November 2013 statt, in der auch Stephanie Klee als Sachverständige angehört wurde. Schon in der Plenardebatte am 21. November 2013 sollte das Thema breit im Parlament debattiert werden. Die Abgeordnete der LINKEN Evrim Sommer begründet auf den Seiten 3848f. den Antrag ihrer Fraktion auf Ansetzung einer aktuellen Stunde zu dem Thema; er wurde jedoch mehrheitlich mit den Stimmen der den Senat stellenden Fraktionen SPD und CDU abgelehnt. Im Rahmen der Spontanen Fragestunde kam es dann noch zu einem Dialog zwischen der GRÜNEN-Abgeordneten Anja Kofbinger und dem Bürgermeister und Innensenator Frank Henkel (CDU); S. 3867 Die Abgeordnete Kofbinger ist Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit, Frauen, Berufliche Bildung und Integration.

Hier der Link

http://www.parlament-berlin.de/pari/web ... 039-pp.pdf


Und hier der Link zum Ausshuss mit einer Übersicht über die Mitglieder und Sprecher der Faktionen.

http://www.parlament-berlin.de/pari/web ... enDocument


Kasharius grüßt

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Protokoll der Anhörung vom 3. Dezember 2007

Beitrag von Kasharius »

In ihrem Statement in der Anhörung vom 28. November 2013 wieß die Sachverständige Stephanie Klee darauf hin, sie sei nicht das erste mal in dieser Eigenschaft in einem Fachausschuss im Abgeordnetenhaus von Berlin. Sie erinnerte sich sicher an ihren Auftritt in der Anhörung während der 16. Wahlperiode (2006-2011) am 3. Dezember 2007, dem UNO-Welttag der Behinderten, im Ausschuss für Wirtschaft, Technik und Frauen. Der Regierende Bürgermeister hieß Klaus Wowereit und stand einem SPD/LINKE-Senat vor. Der zuständige Senator war Harald Wolf (DIE LINKE). Die Anhörung fand während einer Zeit statt, in der zahlreiche Nutzungsuntersagungen gegen kleine, z.T. über Jahrzehnte existente Wohnungsbordelle insbesondere in den Bezirken Charlottenburg-Wilmersdorf, Tempelhof-Schöneberg und Lichtenberg verfügt worden war. Diese Entwicklung nahm 2005 ihren Anfang und wurde auch vom Charlottenburger Baustadtrat Klaus-Dieter Gröhler initiiert. In der Anhörung ging es dann folgerichtig um die Arbeit des Runden Tisch Prostitution, das Dortmunder Modell und baurechtliche Fragen rund um das THema Prostitution. Neben Stephanie Klee sprachen als Sachverständige Rechtsanwältin Margarete Gräfin von Gahlen (sie vertrat erfolgreich die Betreiberinnen der Bordelle Cafe Pssst 2000 und 2009, Prestige, Weigmann und Berghofer in bauordnungsrechtlichen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Berlin)), die Gesundheitsstadträtin von Charlottenburg-Wilmersdorf Martina Schmiedhofer, ihren Bezirkskollegen aus dem Wirtschaftsressort Marc Schulte (der sich von den Schließungsverfügungen Gröhlers distanzierte) und der Baustadtrat von Tempelhof-Schöneberg Bernd Krömer. Dies zum Hintergrund der Anhörung im Jahre 2007.

Hier der Link zum Protokoll

http://www.parlament-berlin.de/ados/16/ ... 019-wp.pdf

Kasharius grüßt :006

Martin*
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Beitrag von Martin* »

Heute im Tagesspiegel - 17.2.2014

Beratungsstellen für Prostituierte
Wie man sich bettet


Von Elli Bahr

Wer Prostituierte werden möchte, kriegt beim Berliner Verein Hydra und anderen Beratungsstellen viele nützliche Tipps. Warum sie diesen Weg gehen will, wird unsere Autorin allerdings nicht gefragt. Ein Selbstversuch.

Hundert Euro pro Stunde“, sagt die junge, hübsche Frau, die mir gegenüber auf einem tiefen Sofa sitzt, in Trainingshose, mit schweren Stiefeln und bunter Brille. „Mehr kannst du in Berlin als selbstständige Prostituierte nicht verlangen, wenn du viele Kunden willst. Die Stadt ist arm, das merkt man auch im Sex-Geschäft. Wenn du mehr verlangst, hast du wenig Freier.“

Ich stecke mitten in der Einstiegsberatung für angehende Prostituierte des Berliner Prostituiertennetzwerks Hydra. Sexarbeiter haben den Verein im Jahr 1983 gegründet, um „den sozialen Schutz und die kulturelle Integration von Prostituierten“ zu fördern sowie die „berufliche Bildung als Hilfe zum Umstieg in andere Berufe“.

Seit einigen Jahren bietet der Verein außerdem eine Einstiegsberatung (inklusive Steuerberatung) an. Die junge, hübsche Frau berät Berufsanfänger. Sie besucht als Escort-Lady ihre Freier zu Hause oder im Hotel.
Unterschiedliche Meinungen über Hydra

Über eine Berufsberatung für Prostituierte, wie sie Hydra und fast alle anderen Beratungsstellen für Prostituierte in Deutschland anbieten, gibt es so unterschiedliche Meinungen wie über Prostitution selbst. Alice Schwarzer und große Teile der Frauenbewegung setzen es mit Sklaverei gleich, wenn man den eigenen Körper zum Gegenstand einer Geschäftsbeziehung macht. Sie sagen, keine geistig gesunde Frau würde sich freiwillig prostituieren. Deshalb wollen sie Prostitution abschaffen, eine Berufsberatung halten sie folglich für falsch.

Die Prostituierten von Hydra, die sich selbst übrigens auch als Feministinnen bezeichnen, kontern, Schwarzer und Co seien unfähig „zwischen Prostitution als Institution einer patriarchalischen Gesellschaft und Prostitution als daraus resultierender Möglichkeit des Gelderwerbs für Frauen zu differenzieren“. Die Einstiegsberatung sei wichtig, damit Prostituierte eben keine Opfer seien, sondern selbstbewusste, emanzipierte Frauen, die sich bewusst für den Beruf entscheiden.
Aufklärung über den Beruf

Bärbel Ahlborn sieht das ähnlich. Sie ist Sprecherin des Bündnisses der Fachberatungsstellen für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter, und die Leiterin der Prostituierten-Beratungsstelle Kassandra, dem Pendant zu Hydra in Nürnberg. Sie erklärt: „Der Konkurrenzdruck unter Prostituierten ist hoch. Es ist nicht üblich, dass Kollegen Informationen weitergeben oder sich austauschen.“ Umso wichtiger sei es, dass Einsteiger und angehende Sexarbeiter – etwa 80 Prozent der Besucher der Berufsberatungen arbeiten bereits als Prostituierte – bei einer neutralen Stelle nachfragen könnten. „Frauen und Männer, die sich überlegen, als Prostituierte zu arbeiten, brauchen realistische Informationen über den Beruf. Sie müssen auf Fallstricke, Probleme, Illusionen und Auswirkungen im Lebenslauf hingewiesen werden“, sagt sie.

Von Spielregeln und Warnungen

Meine Beraterin will mir vor allem praktische Tipps für den Berufsalltag mitgeben. Zum Beispiel nennt sie drei Spielregeln für selbstständige Prostituierte. „Erstens: Du brauchst ein Back-up, einen Vertrauten, dem du bei deiner Ankunft beim Freier eine Nachricht schicken kannst, mit der Adresse des Hotels und mit der Nummer des Kunden.“ Der Freund oder die Freundin wisse dann, dass ich sie in einer Stunde anrufen werde. Tue ich das nicht, ruft sie im Hotel an oder fährt gleich hin, je nach Absprache. Dem Freier sollte ich mitteilen, dass ich einer Freundin/einem Freund Bescheid sage – damit er weiß, dass jemand auf mich aufpasst und nicht auf dumme Gedanken kommt. „Zweitens: Kassiere immer am Anfang. Dann müsst ihr beide euch über das Geld keine Gedanken mehr machen. Du brauchst keine Angst haben, dass er nicht zahlt. Und der Kunde kann – wenn er will – vergessen, dass er für den Sex mit dir bezahlt.“ Und: „Drittens: Gib nie das Geld zurück, auch wenn der Kunde sagt, es hätte ihm nicht gefallen.“ In einem solchen Fall solle ich antworten, er hätte besser erklären müssen, was er sich vorstellt.

Und irgendwann springt sie auf, fragt „weißt du, wie man ein Kondom mit dem Mund überzieht?“ und erklärt im Hinausgehen, das sei eine gute Methode, um diesen notwendigen, aber unangenehmen Teil schnell und spielerisch hinter sich zu bringen. Sie kommt wieder mit einem pinkfarbenen Vibrator und einem Kondom, das sie sich – zurück auf dem Sofa – in den Mund steckt und dem Vibrator überstülpt.

„In der Beratung geht es natürlich auch ganz praktisch darum, wie man den Beruf sicher ausübt, wie man sich schützen kann“, sagt Bärbel Ahlborn von Kassandra. „Dabei ist wichtig, den Klienten klarzumachen, dass immer sie selbst entscheiden sollten, was gemacht wird.“

Die eigene Chefin

Ich dürfe nie vergessen, dass ich die Chefin sei, sagt auch meine Beraterin von Hydra, eher nebenbei. „Das ganze Gequatsche über die armen Huren, die von ihren Freiern missbraucht werden, ist Bullshit. Du entscheidest, was du machst, nicht der Kunde.“ Und wenn der Freier einfach das Kondom abzieht? „Dann beendest du die Sache und wirfst ihn raus.“ Hat sie noch nie Probleme mit einem Freier gehabt? Sie schüttelt den Kopf.

„Prostitution ist für das eigene Selbst nicht ungefährlich. Frauen und Männer, die das machen, entfremden sich von sich selbst“, sagt die Berliner Psychologin Susanne Dierich. Für ihre Diplomarbeit hat sie sich mit vielen Prostituierten über ihren Beruf unterhalten. Eine Beratung für Berufseinsteiger hält sie nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen für sinnvoll. „Den Interessierten muss dort unbedingt klargemacht werden, welche psychologischen Gefahren der Beruf birgt. Die Berater müssen die Frauen und Männer zum Nachdenken bringen: Wieso will ich das machen? Was kann mit mir passieren?“
Kritische Statements erst auf Nachfrage

„Du musst mit Zweifeln rechnen“, erklärt meine Beraterin erst, als ich frage, ob sie schon mal bereut hat, den Job gewählt zu haben. Wieso ich den Job machen will, interessiert sie nicht. Dass ich in Wirklichkeit Journalistin bin, weiß sie nicht. Sie sagt lapidar: „Sexarbeit ist Arbeit, aber es ist eben auch Sex – und damit etwas sehr Intimes.“ Da könne es schon passieren, dass einem die Arbeit näher gehe, als man möchte. „Glaubst du, dass deine Freunde und dein Partner deinen neuen Job akzeptieren würden?“, fragt sie mich.

„Du musst dir in jedem Fall klarmachen, ob du ein Doppelleben führen kannst und willst oder nicht.“ Und ich könne nicht viel Verständnis für meinen neuen Job erwarten. „Selbst wenn deine Freunde cool damit umgehen, ist es wahrscheinlich, dass die wenigsten sich mit Problemen in deinem Job auseinandersetzen wollen. Die meisten denken, wenn man schon einen solchen Job mache, müsse man alles, was damit zu tun hat, super finden.“ Das sei natürlich Blödsinn. Sex mit dem Kunden könne schon mal Spaß machen, aber das sei die absolute Ausnahme.
Umfassende Beratung - auch zum Ausstieg

Bärbel Ahlborn von Kassandra ist es wichtig, ihren Klienten mitzugeben, dass sie sich immer auch wieder gegen den Beruf entscheiden können. Das gelte besonders für Interessierte, die noch keine Erfahrung haben. Es mache einen Unterschied, ob man sich vorstellen könne, als Prostituierte zu arbeiten, oder ob man es wirklich tut.

Als ich gerade gehen will, sagt meine Beraterin zu mir: „Mach dir klar, dass Sexarbeit in unserer Gesellschaft ein Stigma ist – und dass es das für dich selbst auch sein kann. Vielleicht merkst du das erst, wenn du den Job schon eine Weile machst.“

Für den Fall hat Hydra – wie alle anderen Beratungsstellen in Deutschland – übrigens eine Ausstiegsberatung im Angebot. Dort helfen Sozialarbeiter den Prostituierten bei der beruflichen Neuorientierung, inklusive Karriereplanung, Bewerbungscoaching und Ideenentwicklung.

http://www.tagesspiegel.de/berlin/berat ... 91358.html

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Beitrag von Kasharius »

@Martin

danke für das Einstellen dieses sehr lesenswerten Artikel.

Zur Frage der psychischen Belastung: Mit solchen Problemen haben gerade Soziale Berufe auch zu tun (Burnout, Helfersyndrom etc.) . Hier wird mit dem Mittel der Supervision versucht, dem entgegenzuwirken. Aber niemand kommt auf die Idee für überlastete Pflegekräfte, Sozialarbeiter oder Lehrer "Ausstiegsprogramme zu fordern. Stattdessen geht es dann in der Diskussion (günstigstenfalls) um Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Überlasteten SW rät man immer gleich zum Ausstieg... Komisch....

Kasharius grüßt