Kommunen wollen Konzessionsgebühren für Bordelle und.....

Hier findet Ihr aktuelle Pressemeldungen, die nicht unbedingt etwas mit dem Thema Sexwork zu tun haben.
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friederike
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RE: Kommunen wollen Konzessionsgebühren für Bordelle und....

Beitrag von friederike »

@"ehemaliger User",

ich habe bewusst Herrn Gerd Landsberg als Zuhälter bezeichnet und stehe dazu. Seine Forderung, Prostituierte mit "deutlichen Gebühren" zu überziehen, also eine pauschale Sonderbelastung für eine Berufsausübung einzuführen, sollte man einmal der Legaldefinition des §181a StGB gegenüberstellen, die ich Dir unten zitiere. Lies und dann kannst Du ja was dazu sagen.

Eine solche "deutliche" (!) Sondergebühr für eine Prostituierte beeinträchtigt eindeutig faktisch das sexuelle Selbstbestimmungsrecht. Wer sie erst einmal geleistet hat, muss sie ja dann auch wieder hereinholen. Die rechtliche Zulässigkeit einer solchen Sondergebühr, deren Ziel ja sein soll, die betroffene Aktivität zu unterdrücken, ist durchaus bestreitbar.

Gerd Landsberg ist nicht irgendwer. Er vertritt als Lobbyist die Städte und Gemeinden, also mächtige Institutionen mit massiven finanziellen Interessen. Seine Meinungsäußerungen sind nicht als Diskussionsbeiträge mit dem Zweck des Erkenntnisgewinns und der Meinungsbildung gemeint, sondern sind Forderungen eines harten Interessenvertreters.

Sollte sich Gerd Landsberg aufgrund meiner Bewertung aus dieser Diskussion verabschieden, würde ich das sehr begrüßen.
"§ 181a
Zuhälterei
(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer
1. eine andere Person, die der Prostitution nachgeht, ausbeutet oder
2. seines Vermögensvorteils wegen eine andere Person bei der Ausübung der Prostitution überwacht, Ort, Zeit, Ausmaß oder andere Umstände der Prostitutionsausübung bestimmt oder Maßnahmen trifft, die sie davon abhalten sollen, die Prostitution aufzugeben,
und im Hinblick darauf Beziehungen zu ihr unterhält, die über den Einzelfall hinausgehen."

ehemaliger User
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Beitrag von ehemaliger User »

@Friederike

Herr Landsberg beutet keine Personen aus (da mangelt es seines persönlichen Vorteils), einen persönlichen Vermögensvorteil hat er ebenfalls nicht und ob er Beziehungen irgendwelcher Art zu Prostituierten unterhält ist jedenfalls mir nicht bekannt. Insofern ist keine der (zudem teilweise kumulativen) Voraussetzungen des §181a StGB erfüllt. Dies am Rande. Falls Du jetzt meinst, ich habe von der Juristerei ja keine Ahnung, mag sein, dennoch lebe ich ganz gut davon ;o))).

"Sondergebühren" gibt es für diverse Berufsgruppen. Ich bin Zwangsmitglied in einer Kammer. Ich bin weiterhin Zwangsmitglied einer Berufsgenossenschaft. Ich bin weiterhin Zwangsmitglied einer internationalen Organisation. Zwangskosten: im 5-stelligen Bereich jährlich. Und ich unterliege auch (zusätzlich) einer besonderen Berufsgerichtsbarkeit. Ein Berufskollege hat beispielsweise in der Vergangenheit in einem Verfahren bis zum BGH einen drüber bekommen, weil er im Feinripp-Unterhemd seinen Rasen gemäht hat. Ein anderer wurde dagegen nicht dafür gerügt, dass er ein Faible für die Reichskriegsflagge und deren Hissen hegt.

Klar finde ich das alles blöd. Es ist aber meine freie Entscheidung, trotzdem meinem Beruf nachzugehen. Oder auch nicht, wenn mir das zu blöd ist (oder es sich nicht "rechnen" würde). Mal ganz nüchtern festgestellt.

Daher finde ich persönlich es legitim und gerechtfertigt, solche Gebühren als das zu kennzeichnen, was sie sind, nämlich - harsch ausgedrückt - Beutelschneiderei. Mit Zuhälterei hat das alles jedoch herzlich wenig zu tun, auch wenn dieses permanent wiederholte "Argument" natürlich sehr wohlfeil und "gelungen" klingt. Es ist dann aber dennoch nicht mehr als Populismus.

Erst recht finde ich es legitim und gerechtfertigt, eine mögliche tiefere Motivation zu unterstellen und zu diskutieren, nämlich das Ziel der systematischen "Zwangs"-Registrierung von Prostituierten. Dies finde ich persönlich solange inakzeptabel, wie nicht zugleich, besser noch zuvor, von denselben Stellen aktiv und effektiv gegen Diskriminierung und Stigmatisierung vorgegangen wird.

Zugleich muss aber m.E. seitens der "ProtagonistInnen" auch darauf geachtet werden, dass einer Diskriiminierung nicht Vorschub geleistet wird. Hier denke ich beispielsweise an einen hiesigen Thread unlängst, wo in der Eröffnung sinngemäß und vor allem suggestiv (!) gefragt wird, was einen eigentlich davon abhalten soll, Steuern zu hinterziehen. Die aus meiner Sicht einzige und nicht weiter auszudiskutierende Antwort darauf wäre gewesen "Der Umstand, dass Steuerhinterziehung ein Straftatbestand ist". Stattdessen wird aber diskutiert und dargelegt, wie eine Abrechnung auszusehen habe, damit sie nicht auffalle. Da schüttele ich nur den Kopf, sorry.

Versuche mal Dich in die Haut eines Außenstehenden, der Steuern automatisch vom Gehalt abgezogen bekommt, zu versetzen, der solch einen Thread liest. Oder eines Politikers mit knappem Haushalt. Um mit Biene Maja zu sprechen, so jemand würde vielleicht sagen "Mir scheint, in dieser Branche wird systematisch Steuern hinterzogen". Dann wird der Wunsch nach Registrierung und "Sondergebühr" irgendwie schon nachvollziehbar....

Bzw. hat eigentlich jemand mal daran gedacht, dass solch eine anonyme Frage vielleicht gar nicht von einer SW stammt, sondern nur fragliche öffentliche Äußerungen der hiesigen Protagonisten provozieren soll?

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Melanie_NRW
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RE: Kommunen wollen Konzessionsgebühren für Bordelle und....

Beitrag von Melanie_NRW »

Wie gut das wir hier nicht vor Gericht stehen und man in einem Forum nicht jede Äußerung mit irgendwelchen Paragraphen belegen muss sondern das äußern darf, was man wie persönlich empfindet.

Ich hoffe ja zumindest mal, das man sich hier noch an einer Diskussion beteiligen darf, auch wenn man kein Jura oder sonstiges studiert hat.

Meinetwegen können die so viele Gebühren verlangen wie sie wollen.
Scheinheilig daran ist allerdings, das immer und überall behauptet wird, es ginge ja nur um den Schutz der ach so armen ausgebeuteten Frauen, die gleichen Personen dann aber im nächsten Moment die Hand aufhalten und ebenfalls kräftig Kasse machen möchten.

Die Bordellbesitzer werden als Zuhälter beschimpft, wenn sie "abkassieren" bevor die Frau überhaupt einen Cent in ihrem Laden verdient hat.
Ebenso sehe ich das dann auch, wenn die Kommunen das gleiche versuchen. Und das nicht nur in Bezug auf Prostitution sondern auf alle Berufe bezogen.

Und bzgl auf den "Schlips" getreten fühlen: Wer sich den Schuh anzieht, dem wird er wohl passen...

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Beitrag von ehemaliger User »

OK, danke, ich habe verstanden.

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Kasharius
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Kollegialität ist gefragt

Beitrag von Kasharius »

@all

also ich möchte jetzt für den Kollegen @"ehemaliger User" doch mal einen Landsberg...äh eine Lanze brechen. Die Äusserungen Herrn Landsberg müssen deutlichen Widerspruch herausfordern. Ganz sicher aber sind sie nicht geeignet dem user @"ehemaliger User" - bewusst oder (was wahrscheinlicher ist) unbewusst hier seine grundsätzlich positive Haltung zu P6 und SW abzusprechen, wenn er sich völlig zu Recht erlaubt, auf die möglichen (auch rechtlichen) Folgen bestimmter Formulierungen hinzuweisen. Natürlich geht es auch mir als Behinderten gegen den Strich wenn mir Nichtbehinderte sagen, wie ich mich diskriminierende Zustände zu kritisieren habe. Aber ich hoffe ich kann dabei noch unterscheiden, wer grundsätzlich (!) mit mir ist, und wer nicht.

Kasharius grüßt und sagt, laßt uns gemeinsam gegen die Landsbergs dieser WElt schiessen (@"ehemaliger User" Bitte mich nicht wörtlich nehmen und bei der Kammer abmahnen :002 )

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friederike
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RE: Kommunen wollen Konzessionsgebühren für Bordelle und....

Beitrag von friederike »

@kasharius, @"ehemaliger User",

dem User "ehemaliger User" möchte ich ja keineswegs seine positive Einstellung absprechen. Auch dem Herrn Landsberg muss man ja anerkennen, dass er immerhin das Scheitern des "schwedischen Modells" konstatiert.

Auch bedanke ich mich bei @"ehemaliger User" für seine Erläuterungen zum §181a StGB. Natürlich macht sich Herr Landsberg nicht selbst die Hände schmutzig. Aber er handelt zum Vorteil seiner Klientel, also mittelbar zum eigenen Vermögensvorteil - und seine Forderungen laufen aber genau auf das hinaus, was der Gesetzgeber dem Zuhälter vorhält: er greift in das Selbstbestimmungsrecht der Frauen faktisch ein, überwacht die Ausübung der Prostitution und trifft Maßnahmen, die geeignet sind, die Frauen davon abzuhalten die Prostitution aufzugeben. Das habe ich sagen wollen und deswegen bleibe ich dabei, dass man den Herrn Landsberg als Zuhälter nicht nur bezeichnen darf, sondern muss.

Vielleicht muss man sich die Wirkung einer solchen "deutlichen Konzessionsabgabe" erst einmal vor Augen führen. Nehmen wir einmal an, die A möchte zur Finanzierung ihres Studiums 1.000 Euro brutto mit ein, zwei Escortdates pro Woche verdienen. Nun kommt L mit seiner deutlichen Konzessionsabgabe. Man weiß jetzt nicht, an welchen deutlichen Betrag der L denkt, aber bei seinen Vorstellungen werden es schon 500 Euro im Monat sein. Bei der bunten Klientel wird der Verwaltungsaufwand bei monatlicher Beitreibung viel zu hoch, also wird es wohl eine Jahresgebühr. Konzessionsabgaben haben es an sich, im voraus fällig zu werden. Die A wird eine solche Summe nicht bei sich haben, bei der Bank bekommt sie sie nicht - aber ohne Zweifel wird der Z bereit sein, gegen einen Schuldschein den Betrag vorzustrecken. Mit den wenigen Escortterminen wird es nicht getan sein, bei temporärer Flaute, Krankheit oder Studienbelastung wird es eng, und der Z wird ungeduldig: und so weiter. Die freie Entscheidung, ob und wieviel die A im Pay6 macht, besteht jedenfalls nicht mehr, die haben ihr der L und der Z abgenommen.

Wenn man nicht direkt betroffen ist, kann man das abgewogen diskutieren, klar. Es ist sehr die Frage, ob die SDLs die Mehrkosten, bestehend aus den Zusatzerlösen des L und des einflussreichen Z, auf die Kunden überwälzen können - wahrscheinlich werden die Frauen die Verliererinnen sein.

Die Parallele zum Kammerbeitrag zieht auch nur sehr bedingt (will sagen: überhaupt nicht). Zum einen darf man ja in Frage stellen, wieweit der Kammerbeitrag wirklich gerechtfertigt ist (überhaupt ist das anwaltliche Standesrecht ja einem Reformprozess unterworfen). Zum anderen fordert Gerd Landsberg ja nicht eine Gebühr, die die ordnungsgemäße Berufsausübung ermöglichen soll. Er will ja auch nicht eine Zulassung zum Beruf einführen, bei der es also um die Qualifikationsprüfung zum Besten der Kundschaft usw. geht, sondern er will eine Genehmigungspflicht, die weder der Berufsausübenden noch deren Kunden dient, sondern der Bereicherung seiner (Landsbergs) Klientel oder sogar der Unterdrückung der Berufsausübung. Ausdrücklich spricht er davon, dass die Genehmigungspflicht nebst Gebührenerhebung dazu dienen soll, bestimmte Preisgestaltungen (Flatrate) zu verbieten, mit anderen Worten: in die Berufsausübung einzugreifen. Eine Rechtfertigung anzugeben macht er sich nicht einmal die Mühe eines Versuchs, im Gegenteil: da er von der Bordellprostituierten bis zur selbständigen Escorte alle gleichbehandeln will, macht er deutlich, dass es ihm keineswegs um spezifische Missstände oder Tatbestände geht.

Ich fasse mich mal kurz, den geschätzten Rechtsgelehrten braucht man ja nicht weiter darzulegen, dass der Vorstoß des Gerd Landsberg weit weg ist von braven herkömmlichen (trotzdem auch schon anrüchigen) Kammerbeiträgen. Er ist sogar aus rechtlicher Sicht wesentlich schlimmer als die diversen Sexsteuern in verschiedenen Kommunen, die ja leider auch von den Gerichten bislang nicht abgeräumt worden sind.

Noch ein weiterer Punkt (noch einmal): Kammerbeiträge sind hoch, aber sie sind keine "deutliche Gebühr" in dem drohenden Sinn des Herrn Landsberg, dass sie nämlich Leute abhalten sollen, Anwälte zu werden. Landsberg will das Geld haben angeblich für eine pauschale Kriminalitätsbekämpfung, wobei er gleich selber deutlich macht, dass er auch solche Fälle heranziehen will, die mit der angeblichen Kriminalität gar nichts zu tun haben (z. B. die Escorts nämlich), er will sie auch nicht für eine unabhängige Kammerorganisation, nicht einmal zweckgebunden für die Polizei - nein, ganz direkt für den Beutel seiner Klienten.

Also echt: für den kann man doch keine Lanze brechen! Und im Boardroom-Ton milde Argumentationen murmeln braucht man da auch nicht.

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Kasharius
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Beitrag von Kasharius »

@frederike

das mit dem Board-Room-Ton habe ich nicht verstanden, sofern es sich auf mich bezog...? Aber klarstellen will ich, daß ich für Herrn Landsbergs Thesen mit Sicherheit keine Lanze brechen wollte. Was @ehemaliger user betrifft: Sehr, sehr schade

Kasharius grüßt

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friederike
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RE: Kommunen wollen Konzessionsgebühren für Bordelle und....

Beitrag von friederike »

Lieber @kasharius,

nein, mit dem Boardroom-Ton" habe ich gemeint: Ich habe mich mild getadelt gefühlt, weil ich Gerd Landsberg, den Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, einen Zuhälter genannt habe wegen seiner Forderung, Bordellbetriebe und alle Prostituierten mit einer deutlichen Konzessionsabgabe zu belegen. Es trifft zu, dass ich mich nicht eines Boardroom-Tones bedient habe.

Gewiss habe ich mich emotional ausgedrückt - aber ich wollte eben sagen, dass Herr Landsberg zwar scheinbar sachlich auftritt, in Wirklichkeit aber brutale Interessenpolitik betreibt mit nicht-hinnehmbaren Konsequenzen. In der politischen Debatte muss deshalb eine klare Sprache geführt werden.

@"ehemaliger User": unsere Diskussion hat mir gefallen. Ich würde mich über Deine weitere Teilnahme im Forum freuen.

Mit der Kritik an der Aufforderung zur Steuerhinterziehung hast Du natürlich recht. Ich glaube, dass hier auch ein Umdenken stattgefunden hat. Nicht gut finde ich allerdings die hartnäckige Weigerung der Bundesregierung, die kalte Progression zu bekämpfen.

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Beitrag von Kasharius »

Liebe@frederike

Danke für die Aufklärung.

Kasharius grüßt Dich herzlich