Ulm
Podiumsdiskussion zur Prostitution - Ist der Menschenhandel zu stoppen?
Unterm Strich zu liberal: Das Prostitutionsgesetz von 2002 sollte dem ältesten Gewerbe aus der Illegalität verhelfen. Bewirkt hat es das Gegenteil, darin waren sich Teilnehmer einer Podiumsdiskussion einig.
Zwangsprostitution hat in Deutschland seit der Liberalisierung des Prostitutionsgesetzes im Jahr 2002 zugenommen.
2002 war die Politik zuversichtlich, durch gesetzliche Leistungen wie Gesundheitsversorgung, Renten- und Arbeitslosenversicherung endlich auch etwas für jene Berufsgruppe getan zu haben, die im Abseits der Gesellschaft steht. Die Legalisierung der Prostitution sollte Transparenz ins Milieu bringen, Zwangsprostitution eindämmen.
12 Jahre ist das her. Jetzt sieht der aktuelle Koalitionsvertrag eine drastische Verschärfung des Prostitutionsgesetzes vor, Grund: Zuhälter, Kriminelle und Bordellbetreiber hätten diese Freiheiten ausgenutzt und Deutschland zum Bordell Europas gemacht. "Die Frauen, für die vor zwölf Jahren das Gesetz gemacht wurde, die gibt es heute nicht mehr", sagte Soni Unterreithmeier aus der Augsburger Beratungsstelle von Solwodi, einem Verein, der Frauen in Notsituationen hilft, anlässlich einer Diskussionsrunde in der Sparkasse Neue Mitte.
Die EU-Osterweiterung und die Zunahme der organisierten Kriminalität seien ein entscheidender Faktor, weshalb man nicht mehr von den gleichen Bedingungen wie noch zu Anfang der Jahrhundertwende sprechen könne. Von den geschätzten 400.000 Prostituierten in Deutschland arbeiteten schätzungsweise 90 Prozent der Frauen unter Zwang. 85 Prozent seien Ausländerinnen, die nicht einmal deutsch sprächen. "Wir reden hier nicht von Prostitution, sondern von einem Menschenrechtsverbrechen", sagte Unterreithmeier.
Auch Manfred Paulus war zur Podiumsdiskussion mit dem Thema "Zwangsprostitution und Armutsvermarktung in der EU" eingeladen. Der Ulmer Kriminalkommissar a. D. sagte, mit der Liberalisierung der Prostitution seien nicht nur die Frauen, sondern auch die Tätergruppierungen nach Deutschland gekommen. "Die Bedrohung, die durch das Rotlichtmilieu auch nach Ulm und Neu-Ulm gekommen ist, wird verkannt."
Anstatt von Zwangsprostitution spricht er von Sexsklaverei. "Wir sprechen hier nicht von einer Randgruppe der Gesellschaft, sondern von einer Subkultur, die nicht nach unseren Gesetzen fragt", sagte er. Ein Verbot von Prostitution, wie es Alice Schwarzer noch Ende letzten Jahres gefordert hat, sieht die Bundesregierung nicht vor. Geplant sind strengere Auflagen, ein Mindestalter von 21, regelmäßiger Besuch beim Gesundheitsamt und eine Anmeldung bei den Behörden.
Auch über ein Modell wie es in Schweden oder Frankreich praktiziert wird und das Freier bestraft, wurde von den anwesenden Bundestagsabgeordneten diskutiert. "Von einem generellen Verbot müssen wir absehen, damit das Milieu nicht noch stärker in die Illegalität abrutscht", sagte Katrin Albsteiger (CSU). "Schutzmöglichkeiten und -räume für die Frauen durch den Staat zu schaffen, ist der Dreh- und Angelpunkt", sagte Hilde Mattheis (SPD). Ekin Deligöz (Grüne) sah eine Neuregelung über das Ausländergesetz, Aussteigerprogramme und eine Änderung der Gewerbeordnung als dringend notwendig an. Jede Würstchenbude brauche heute eine Konzession, warum nicht auch ein Puff?
Am 12. Juni dieses Jahres hatte Familienministerin Manuela Schwesig zu einer ersten Anhörung im Deutschen Bundestag geladen. Auch dabei: Sexbetreibende Unternehmen. Ein Skandal sei das, sagte eine Frau aus dem Publikum dazu. Und alle Diskussionsteilnehmer nickten sichtlich betroffen. "Ich will ihnen nicht die Illusion rauben, mit dem neuen Prostitutionsgesetz etwas ändern zu können", sagte Paulus. Aber die Maßnahmen müssten tiefer greifen, meinte er, persönlicher werden. Wie etwa der Antrag der Grünen für eine Rotlicht-Streetworkerin in der Region. Und vor allem die Präventionsarbeit in den Donauländern, aus denen die Frauen verheißungsvoll nach Deutschland gelockt werden, sei wichtig, sagte Paulus.
http://www.swp.de/ulm/lokales/ulm_neu_u ... 29,2709320
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Melanie: Kommt aber darauf an, was hier mit "Präventionsarbeit" gemeint ist. Falls es nur darum geht, arme Leute aus Deutschland auszuschließen, ist das mit Sicherheit kein brauchbarer Ansatz. Armut in armen Ländern zu bekämpfen wäre schon eher sinnvoll, aber in Zeiten von Frontex und "Festung Europa" glaube ich nicht, daß das geschehen wird.
(Im übrigen werden die meisten Frauen nicht "gelockt", sondern entscheiden durchaus selbst.)
(Im übrigen werden die meisten Frauen nicht "gelockt", sondern entscheiden durchaus selbst.)
Mitglied der Confédération Nationale du Travail