Koalition will Prostitutionsgesetz überarbeiten: Ein Job wie jeder andere?
Von Till Opitz
Seit 2002 ist Prostitution in Deutschland nicht mehr sittenwidrig. Das Prostitutionsgesetz sollte die Frauen aus dem gesellschaftlichen Abseits holen. Das Gegenteil ist passiert: Prostituierte arbeiten heute unter härteren Bedingungen als vor dem Gesetz.
Sozialarbeiter berichten: "Es gibt mehr Konkurrenz untereinander und viele Frauen aus Osteuropa sind nach Deutschland gekommen." In Grenznähe zu Belgien und Holland sind in NRW viele neue Bordelle entstanden. Selbst vorbestrafte Vergewaltiger dürfen momentan einen Puff betreiben.
Verbot von Gangbang-Partys und Flatrate-Sex
SPD und Union wollen deshalb das Prostitutionsgesetz bis zum Ende des Jahres radikal überarbeiten. Geeinigt haben sich die Fachpolitiker der Regierungskoalition bereits auf einige Eckpunkte:
Bordelle benötigen künftig eine behördliche Erlaubnis und werden stärker kontrolliert
Bordelle müssen gesetzliche Mindeststandards in Sachen Hygiene einhalten
Einschlägig Vorbestrafte dürfen kein Bordell mehr betreiben
Prostituierte müssen ihre Tätigkeit anmelden
Verbot von Gruppensexorgien und "Flatrate-Sex"
Audio: Ausbeutung verhindern: Änderung des Prostitutionsgesetzes geplant (09.09.2014)
Audio: Überarbeitung des Prostitutionsgesetzes: Strafandrohung für Freier? (09.09.2014)
Für Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) helfen diese Einschränkungen den Prostituierten ganz konkret: "Wir werden mit dem Gesetz dafür sorgen, dass es nicht mehr möglich ist, Frauen durch menschenverachtende Praktiken wie Flat Rate Sex und Gangbang-Partys auszubeuten". Strittig zwischen Union und SP sind aber noch andere Punkte.
Kondompflicht und Mindestalter von 21 in der Diskussion
Audioplayer schließen: XAudio: Wer profitiert von einem neuen Prostitutionsgesetz? (09.09.2014)
WDR 2
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Till Opitz / Heike Knispel, WDR 2
Audio: Wie freiwillig arbeiten Frauen als Prostituierte? (09.09.2014)
Die Union würde gerne gesetzlich vorschreiben, dass Callboys und Prostituierte mindestens 21 Jahre alt sein müssen, um diesen Beruf auszuüben. Maria Merklinger (*, Name geändert) hat früher selber als Prostituierte gearbeitet. Sie hat den Beruf als starke Erniedrigung erlebt und würde ein höheres Mindestalter mehr als begrüßen: "Wenn ich bedenke, was die Prostitution mit mir als damals 40jähriger gestandenen Frau gemacht hat, die Sex mal mochte. Dann möchte ich nicht wissen, was das mit einem jungen Menschen zu Beginn seiner Sexualität macht. 18 ist wirklich zu jung für Prostitution."
Sozialarbeiterinnen und Polizisten sagen, dass junge Frauen leichter zu manipulieren oder einzuschüchtern sind. Daher könnte ein Mindestalter durchaus Sinn machen. Skeptisch ist in der Altersfrage dagegen Bundesfamilienministerin Schwesig. Sie befürchtet, dass junge Frauen von 18 bis 21 so kriminalisiert und in die Illegalität gezwungen werden.
Audio: Wie alltagstauglich ist die Kondompflicht und wer soll das kontrollieren? (09.09.2014)
Audio: Prostitutionsgesetz auf dem Prüfstand: Kondompflicht für Freier? (09.09.2014)
Umstritten ist auch die gesetzliche Kondompflicht. Die Union wünscht sich eine Regelung wie in Bayern. Dort drohen Strafen, wenn kein Kondom getragen wird. Dort kontrollieren Polizisten in Bordellen die Freier, stören beim Sex und leuchten auf den Penis, ob ein Kondom getragen wird. Solche Kontrollen sind für viele Sexarbeiterinnen eine Horrorvorstellung. Deshalb ist die SPD in diesem Punkt skeptisch.
Auch verpflichtende Gesundheitschecks für Sexarbeiterinnen sind in der Diskussion. Die Frage zwischen Union und SPD ist nur, wie weit die gesetzlich vorgeschrieben werden sollen oder ob freiwillige Angebote von den Frauen eher angenommen werden.
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Strafen für Freier von Zwangsprostituierten?
Freiern soll außerdem eine Strafe drohen, wenn sie die Dienste eine Zwangsprostituierten in Anspruch nehmen. Zumindest, wenn es nach der Union geht. Kritiker halten dagegen, dass Zwangslagen bisher gerade durch Freier aufgedeckt würden. Sie fürchten, dass Freier als Zeugen wegfallen, wenn ihnen Strafen drohen. Wenig praxistauglich, urteilt Sabine Reichert vom Sozialdienst katholischer Frauen. Sie betreut als Sozialarbeiterin seit über 10 Jahren Straßenprostituierte auf dem Kölner Straßenstrich: "Das ist in der Realität auch für die die Kunden schwer zu sehen, ob das jetzt eine Frau ist, die gezwungen wird oder nicht. Die Frauen haben das ja nicht auf der Stirn stehen, haben immer verheulte Gesichter oder bitte um Hilfe. Nur wenn das klar erkennbar ist, dann muss vom Freier gehandelt werden. Sonst ist das unterlassene Hilfeleistung". Reichert weiß auch, dass die Übergänge zwischen Zwang und Freiwilligkeit fließend sind: "Etliche Frauen auf dem Straßenstrich sind in finanzieller Not, haben Drogenprobleme oder sind arbeitslos. Die sehen dann einfach nur die Möglichkeit, diesen Weg zu gehen."
Gute Erfahrungen mit Prostitutionsverbot in Schweden
In der Debatte wird immer wieder mit dem "schwedischen Modell" argumentiert. In Schweden (und auch in Norwegen) ist Prostitution grundsätzlich verboten. Freiern drohen empfindliche Geldbußen. Prostituierten nicht. Seit Einführung der Gesetze ist die sichtbare Prostitution deutlich zurückgegangen, sagen Studien der zuständigen Ministerien. "Die Einstellung der Schweden zu Prostitution hat sich verändert. Der Kauf von Sex ist gesellschaftlich geächtert. Man gilt heute als Looser, wen man Sex kauft" , so eine Göteborger Streetworkerin.
Unklar ist aber, ob seitdem Sexkontakte vermehrt übers Internet angebahnt werden und ob Schweden und Norweger nun mehr Sex bei Prostituierten in anderen Ländern wie Dänemark kaufen.
http://www.wdr2.de/aktuell/sexarbeitspezial100.html
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Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)
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