ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz
-
- Goldstück
- Beiträge: 2190
- Registriert: 07.12.2010, 23:29
- Wohnort: Saarlouis
- Ich bin: SexarbeiterIn
-
- ModeratorIn
- Beiträge: 375
- Registriert: 09.12.2008, 01:32
- Ich bin: Keine Angabe
RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz
Hat eigentlich irgendwer schon von Ergebnissen der weiteren Verhandlungen gehört? Die Koalition sich ja vorgestern wieder zum Thema getroffen, aber bisher nichts veröffentlicht, was ich mitbekommen hätte.
It is no measure of health to be well adjusted to a profoundly sick society.
-
- Admina
- Beiträge: 7426
- Registriert: 07.09.2009, 04:52
- Wohnort: Frankfurt a. Main Hessen
- Ich bin: Keine Angabe
@Undine
Nichts außer 2 Twitter postings von Abgeordneten
1. "
Marcus Weinberg @MarcusWeinberg · 17 Std.
"Nein heißt nein" - Frauen vor sex. Übergriffen schützen! Fachkonferenz der #cdu/csu Bundestagsfraktion - Gesetzeslücken schließen wir!
(ob das auf uns gemünzt ist, ist mir nicht so klar)
2. War ein Foto der ersten drei Zeilen der Tagesordnung auf ein Twitteraccount (muss das suchen, weiß nicht mehr von wem )
Sie scheinen sich sehr bedeckt zu halten.
Nichts außer 2 Twitter postings von Abgeordneten
1. "
Marcus Weinberg @MarcusWeinberg · 17 Std.
"Nein heißt nein" - Frauen vor sex. Übergriffen schützen! Fachkonferenz der #cdu/csu Bundestagsfraktion - Gesetzeslücken schließen wir!
(ob das auf uns gemünzt ist, ist mir nicht so klar)
2. War ein Foto der ersten drei Zeilen der Tagesordnung auf ein Twitteraccount (muss das suchen, weiß nicht mehr von wem )
Sie scheinen sich sehr bedeckt zu halten.
Zuletzt geändert von fraences am 11.09.2014, 11:49, insgesamt 3-mal geändert.
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)
*****
Fakten und Infos über Prostitution
*****
Fakten und Infos über Prostitution
-
- Admina
- Beiträge: 7426
- Registriert: 07.09.2009, 04:52
- Wohnort: Frankfurt a. Main Hessen
- Ich bin: Keine Angabe
RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz
Kontrolle ist besser
Die Große Koalition hat ein Eckpunktepapier für die von ihr geplante Reform des Prostitutionsgesetzes vorgestellt. Sie setzt dabei vor allem auf Repression.
von Theodora Becker
Die Regierung meint es gut mit den Huren. Um das deutlich zu machen, hat die Koalition aus CDU, CSU und SPD ihr geplantes Gesetz, mit dem Missständen in der Prostitution abgeholfen werden soll, an denen nach verbreiteter Auffassung das »liberale« Prostitutionsgesetz von 2002 die Schuld trägt, »Prostituiertenschutzgesetz« genannt. Das klingt gut, denn was bräuchten Sexarbeiterinnen laut der üblichen Erzählung dringender als die schützende Hand des Staats?
Während 2002, unter der rot-grünen Bundesregierung, noch dem Gesetzestitel zufolge die »Rechtsverhältnisse der Prostituierten« geregelt wurden, was auf bürgerliche Gleichheit und Rechtssicherheit durch Eingliederung in die allgemeine Rechtsordnung hindeutete, sind Sexarbeiterinnen nun nach dem Willen der Großen Koalition wieder zu hilflosen Objekten staatlichen Wohlwollens geworden. Diese Perspektive auf die Prostituierten spiegelt den Tenor der öffentlichen Debatte der vergangenen Jahre wider, die sich vor allem um Zwangsprostitution und ausufernde Straßenstriche voller osteuropäischer Armutsprostituierter drehte. Das Überwiegen eines paternalistischen Schutzgedankens zeigt sich auch im Inhalt des geplanten Gesetzes. Seine erklärten Ziele sind die Bekämpfung von »Ausbeutung, Gewalt und Menschenhandel« in der Prostitution sowie die »Stärkung des Selbstbestimmungsrechtes« von Prostituierten. Von letzterem ist allerdings in den nun veröffentlichten »Eckpunkten« des Gesetzes, auf die sich die Fachpolitiker beider Parteien bisher geeinigt haben, kaum etwas zu spüren. Fast alle Maßnahmen sind repressiver Natur und dienen der stärkeren Regulierung und Kontrolle der Prostitution – und der Prostituierten.
Dazu zählen eine mit Auflagen verbundene Erlaubnispflicht für »Prostitutionsstätten«, das Verbot angeblich das Selbstbestimmungsrecht von Prostituierten verletzender Formen sexueller Dienstleistungen, ein Werbeverbot für ungeschützte Sexpraktiken sowie eine individuelle Anzeigepflicht für Sexarbeiterinnen. Weitere Maßnahmen, die vor allem die Union heftig propagiert, sind in der Koalition noch strittig: eine Altersgrenze für Prostituierte von 21 Jahren, eine Kondompflicht in der Prostitution sowie die Wiedereinführung regelmäßiger gesundheitlicher Pflichtuntersuchungen für Sexarbeiterinnen, wie es sie bis zur Einführung des Infektionsschutzgesetzes 2001 in Deutschland gab. Ein weiteres Lieblingsthema der Politik, die Bestrafung der Freier von Zwangsprostituierten, wird es wohl nicht in das jetzige Gesetz, das vom Familienministerium erarbeitet wird, schaffen, sondern in die Zuständigkeit des Justizministers fallen.
Der Punkt, der bislang am heftigsten kritisiert wurde – vor allem durch Prostituiertenverbände und Beratungsstellen – , ist die vorgesehene individuelle Registrierung von Sexarbeiterinnen. Auch diese Maßnahme soll dem Schutz vor Ausbeutung und Zwang dienen. Dabei handelt es sich nicht um eine mit einer gewöhnlichen Gewerbeanmeldung vergleichbaren Meldepflicht, der auch andere Gewerbetreibende unterliegen.
Ausdrücklich überlässt die Regierung die Wahl der »zuständigen Behörde« den jeweiligen Bundesländern, was nichts anderes bedeutet, als dass zumindest einige Länder eine polizeiliche Registrierung einführen werden. In Bayern und Baden-Württemberg werden Prostituierte bereits ohne Rechtsgrundlage von der Polizei registriert und ihre Bewegungen von einem Arbeitsort zum anderen protokolliert. Eine polizeiliche Registrierung von Prostituierten ist gleichbedeutend mit ihrer Stigmatisierung als Angehörige eines kriminellen Milieus. An der Wirksamkeit der Maßnahme muss gezweifelt werden: Prostituierte haben als nach wie vor gesellschaftlich stigmatisierte Berufsgruppe ein berechtigtes Interesse an ihrer Anonymität. Viele fürchten um ihren Arbeitsplatz in ihrem Hauptberuf, ihre zukünftigen Chancen auf eine andere Anstellung oder das Sorgerecht für ihre Kinder. Sie wollen nicht erpressbar sein und verhindern, dass ihre Familie sozial benachteiligt wird. Den besten Schutz fänden Sexarbeiter gegenwärtig in der Anonymität, heißt es daher in einer ausführlichen Stellungnahme des Berufsverbands erotische und sexuelle Dienstleistungen (BesD) zum Gesetzentwurf.
Es ist deshalb nicht davon auszugehen, dass sich alle oder auch nur ein Großteil der Prostituierten, wie es die Regierung will, bei der »zuständigen Behörde« anmelden werden. Dass insbesondere die Polizei auf Datenschutz nicht den größten Wert legt, haben viele Prostituierte in Bayern bereits leidvoll erfahren. Ergebnis der Maßnahme wird darum die Schaffung eines neuen Bereichs illegaler Prostitution sein, der mit Menschenhandel nichts zu tun hat. Krönung des Entwurfs ist die Formulierung, Prostituierte sollten das bei der Anmeldung erhaltene »Nachweisdokument« gegebenenfalls gegenüber Betreibern (die künftig riskieren würden, ihre Lizenz zu verlieren, sollten sie nicht gemeldete Sexarbeiterinnen beschäftigen) oder gar Kunden vorzeigen.
Freier und Betreiber werden damit zum verlängerten Arm der Kontrollbehörden – gegen die Prostituierten. Die Position von Freiern und Betreibern wird gestärkt, die Prostituierte wird erpressbar. Denselben Effekt erzielen die gesundheitlichen Pflichtuntersuchungen, werden diese doch als Argument für ungeschützten Verkehr benutzt, schließlich ist die Prostituierte ja nachweislich »gesund«.
Für migrantische Sexarbeiterinnen stellen sich noch ganz andere Probleme: Wird die Behörde ihnen glauben, dass sie freiwillig in die Prostitution einsteigen wollen? Wird es möglich sein, sich ohne Deutschkenntnisse anzumelden? Sind die Daten vor Weitergabe in ihre Herkunftsländer, in denen Prostitution oftmals illegal ist, sicher?
In den Niederlanden wurde ein Gesetz zur Registrierung von Prostituierten im Jahr 2009 gekippt, weil es nicht mit der europäischen Datenschutzrichtlinie vereinbar war, die für die Speicherung und Verarbeitung sensibler personenbezogener Daten, zu denen etwa das Sexualleben betreffende Daten gehören, strenge Vorgaben formuliert. Unter anderem ist es erforderlich, dass die Speicherung verhältnismäßig ist und das anvisierte Ziel nicht auf andere Weise erreicht werden kann. Auch Deutschland hat diese Richtlinie ratifiziert.
Auch die weiteren Maßnahmen sind zumindest fragwürdig. Die angestrebte Erlaubnispflicht für Bordelle, von der lediglich die Ausübung der Prostitution in der eigenen Wohnung ausgenommen werden soll, sorgt dafür, dass Zusammenschlüsse von Kolleginnen, die sich gemeinsam eine Wohnung mieten wollen, dieselben Hürden zu überwinden haben dürften wie Großbordelle. In Wien oder in den Niederlanden, wo es ähnliche Gesetze gibt, führte das vor allem dazu, dass sich die Anzahl der Bordelle deutlich reduzierte, mit der Folge, dass sich die Konkurrenz unter den Frauen verstärkte und Betreiber erst Recht die Bedingungen bestimmen können. Ähnliches befürchtet der BesD für Deutschland. Ob dem mit einer sinnvollen Ausgestaltung der Auflagen begegnet werden wird, beispielsweise indem angemessene Arbeitsstandards vorgeschrieben werden, was ein wirklicher Fortschritt für Prostituierte sein könnte, ist bislang höchst zweifelhaft. Eher scheint zusammen mit der Ausweitung von Sperrgebieten, die viele Kommunen in letzter Zeit verfügt haben und die von dem neuen Gesetz unberührt bleibt, eine weitestmögliche Eindämmung und Verdrängung der Prostitution das Ziel zu sein. Was dann mit den Frauen passiert, interessiert niemanden. Wenn einige Ausländerinnen weniger sich auf die Suche nach lukrativen Verdienstmöglichkeiten in Deutschland machen, ist dies wohl ein mehr als willkommener Nebeneffekt.
Das Problem an der noch strittigen Kondompflicht hingegen besteht darin, dass sie nur unter Eingriff in die Intimsphäre überprüft werden kann (wenn sie nicht überhaupt einen Eingriff in die Intimsphäre darstellt), wovon die Polizei in Bayern, wo eine solche Pflicht besteht, rege Gebrauch macht. Ein Werbeverbot für ungeschützte Praktiken scheint demgegenüber die einzig vernünftige Maßnahme des Entwurfs zu sein, der auch viele Sexarbeiterinnen zustimmen.
Das angestrebte Verbot von »Flatratebordellen« und »Rape-Gang-Bang-Partys« (ob die Koalition Gruppensexpartys mit Männerüberschuss generell für eine Form der Vergewaltigung hält oder ob hier eine sehr spezielle Form von Veranstaltung gemeint ist, von deren Verbreitung bislang nur die Regierung gehört hat, bleibt im Dunkeln) ist ebenfalls eine Maßnahme, die eher populäre Ressentiments bedient als Prostituierten hilft. Ob die Arbeitsbedingungen in solchen Läden generell schlechter sind als in anderen Etablissements, ist nicht untersucht. Und Eingriffe in das sexuelle Selbstbestimmungsrecht, auch von Prostituierten, zum Beispiel die Anweisung, eine bestimmte Anzahl von Kunden zu bedienen, sind heute bereits strafbar.
Der repressive Schutzgedanke des Entwurfs ist von einem entscheidenden Widerspruch geprägt: Einerseits gelten Prostituierte als besonders verwundbar und gefährdet und ihr Beruf gilt wegen der mit ihm einhergehenden Gefahren für ihre Selbstbestimmung und Unversehrtheit nicht als einer »wie jeder andere«, weshalb sie besonderen Schutzbestimmungen zu unterwerfen seien. Andererseits wird aber die besondere Verletzbarkeit, die die Prostitution zu einem speziellen Beruf macht, also die Intimität und das »Höchstpersönliche« der Dienstleistung, wie es im Gesetz von 2002 heißt, aufs Gröbste missachtet, sobald es um staatliche Kontrolle und Überwachung geht.
Die Konsequenz, die aus dieser Besonderheit zu ziehen wäre, wäre nicht staatliche Totalüberwachung, sondern die Ermöglichung von weitestgehender Freiheit in der Ausgestaltung der Tätigkeit und die Förderung von kooperativen Modellen des selbstbestimmten Arbeitens unter Kolleginnen ohne Chefs sowie der politischen Selbstorganisation von Prostituierten. Anstatt in dieser Richtung zu wirken, wird die alte Strategie aus Ausgrenzung, Stigmatisierung und staatlicher Kontrolle gewählt, die die Prostituierten schon seit dem 19. Jahrhundert kennen und gegen die sich einst die feministischen Abolitionistinnen wie Josephine Butler wandten, deren antiliberale Nachfolgerinnen heute für die polizeiliche Überwachung streiten.
http://jungle-world.com/artikel/2014/37/50554.html
Die Große Koalition hat ein Eckpunktepapier für die von ihr geplante Reform des Prostitutionsgesetzes vorgestellt. Sie setzt dabei vor allem auf Repression.
von Theodora Becker
Die Regierung meint es gut mit den Huren. Um das deutlich zu machen, hat die Koalition aus CDU, CSU und SPD ihr geplantes Gesetz, mit dem Missständen in der Prostitution abgeholfen werden soll, an denen nach verbreiteter Auffassung das »liberale« Prostitutionsgesetz von 2002 die Schuld trägt, »Prostituiertenschutzgesetz« genannt. Das klingt gut, denn was bräuchten Sexarbeiterinnen laut der üblichen Erzählung dringender als die schützende Hand des Staats?
Während 2002, unter der rot-grünen Bundesregierung, noch dem Gesetzestitel zufolge die »Rechtsverhältnisse der Prostituierten« geregelt wurden, was auf bürgerliche Gleichheit und Rechtssicherheit durch Eingliederung in die allgemeine Rechtsordnung hindeutete, sind Sexarbeiterinnen nun nach dem Willen der Großen Koalition wieder zu hilflosen Objekten staatlichen Wohlwollens geworden. Diese Perspektive auf die Prostituierten spiegelt den Tenor der öffentlichen Debatte der vergangenen Jahre wider, die sich vor allem um Zwangsprostitution und ausufernde Straßenstriche voller osteuropäischer Armutsprostituierter drehte. Das Überwiegen eines paternalistischen Schutzgedankens zeigt sich auch im Inhalt des geplanten Gesetzes. Seine erklärten Ziele sind die Bekämpfung von »Ausbeutung, Gewalt und Menschenhandel« in der Prostitution sowie die »Stärkung des Selbstbestimmungsrechtes« von Prostituierten. Von letzterem ist allerdings in den nun veröffentlichten »Eckpunkten« des Gesetzes, auf die sich die Fachpolitiker beider Parteien bisher geeinigt haben, kaum etwas zu spüren. Fast alle Maßnahmen sind repressiver Natur und dienen der stärkeren Regulierung und Kontrolle der Prostitution – und der Prostituierten.
Dazu zählen eine mit Auflagen verbundene Erlaubnispflicht für »Prostitutionsstätten«, das Verbot angeblich das Selbstbestimmungsrecht von Prostituierten verletzender Formen sexueller Dienstleistungen, ein Werbeverbot für ungeschützte Sexpraktiken sowie eine individuelle Anzeigepflicht für Sexarbeiterinnen. Weitere Maßnahmen, die vor allem die Union heftig propagiert, sind in der Koalition noch strittig: eine Altersgrenze für Prostituierte von 21 Jahren, eine Kondompflicht in der Prostitution sowie die Wiedereinführung regelmäßiger gesundheitlicher Pflichtuntersuchungen für Sexarbeiterinnen, wie es sie bis zur Einführung des Infektionsschutzgesetzes 2001 in Deutschland gab. Ein weiteres Lieblingsthema der Politik, die Bestrafung der Freier von Zwangsprostituierten, wird es wohl nicht in das jetzige Gesetz, das vom Familienministerium erarbeitet wird, schaffen, sondern in die Zuständigkeit des Justizministers fallen.
Der Punkt, der bislang am heftigsten kritisiert wurde – vor allem durch Prostituiertenverbände und Beratungsstellen – , ist die vorgesehene individuelle Registrierung von Sexarbeiterinnen. Auch diese Maßnahme soll dem Schutz vor Ausbeutung und Zwang dienen. Dabei handelt es sich nicht um eine mit einer gewöhnlichen Gewerbeanmeldung vergleichbaren Meldepflicht, der auch andere Gewerbetreibende unterliegen.
Ausdrücklich überlässt die Regierung die Wahl der »zuständigen Behörde« den jeweiligen Bundesländern, was nichts anderes bedeutet, als dass zumindest einige Länder eine polizeiliche Registrierung einführen werden. In Bayern und Baden-Württemberg werden Prostituierte bereits ohne Rechtsgrundlage von der Polizei registriert und ihre Bewegungen von einem Arbeitsort zum anderen protokolliert. Eine polizeiliche Registrierung von Prostituierten ist gleichbedeutend mit ihrer Stigmatisierung als Angehörige eines kriminellen Milieus. An der Wirksamkeit der Maßnahme muss gezweifelt werden: Prostituierte haben als nach wie vor gesellschaftlich stigmatisierte Berufsgruppe ein berechtigtes Interesse an ihrer Anonymität. Viele fürchten um ihren Arbeitsplatz in ihrem Hauptberuf, ihre zukünftigen Chancen auf eine andere Anstellung oder das Sorgerecht für ihre Kinder. Sie wollen nicht erpressbar sein und verhindern, dass ihre Familie sozial benachteiligt wird. Den besten Schutz fänden Sexarbeiter gegenwärtig in der Anonymität, heißt es daher in einer ausführlichen Stellungnahme des Berufsverbands erotische und sexuelle Dienstleistungen (BesD) zum Gesetzentwurf.
Es ist deshalb nicht davon auszugehen, dass sich alle oder auch nur ein Großteil der Prostituierten, wie es die Regierung will, bei der »zuständigen Behörde« anmelden werden. Dass insbesondere die Polizei auf Datenschutz nicht den größten Wert legt, haben viele Prostituierte in Bayern bereits leidvoll erfahren. Ergebnis der Maßnahme wird darum die Schaffung eines neuen Bereichs illegaler Prostitution sein, der mit Menschenhandel nichts zu tun hat. Krönung des Entwurfs ist die Formulierung, Prostituierte sollten das bei der Anmeldung erhaltene »Nachweisdokument« gegebenenfalls gegenüber Betreibern (die künftig riskieren würden, ihre Lizenz zu verlieren, sollten sie nicht gemeldete Sexarbeiterinnen beschäftigen) oder gar Kunden vorzeigen.
Freier und Betreiber werden damit zum verlängerten Arm der Kontrollbehörden – gegen die Prostituierten. Die Position von Freiern und Betreibern wird gestärkt, die Prostituierte wird erpressbar. Denselben Effekt erzielen die gesundheitlichen Pflichtuntersuchungen, werden diese doch als Argument für ungeschützten Verkehr benutzt, schließlich ist die Prostituierte ja nachweislich »gesund«.
Für migrantische Sexarbeiterinnen stellen sich noch ganz andere Probleme: Wird die Behörde ihnen glauben, dass sie freiwillig in die Prostitution einsteigen wollen? Wird es möglich sein, sich ohne Deutschkenntnisse anzumelden? Sind die Daten vor Weitergabe in ihre Herkunftsländer, in denen Prostitution oftmals illegal ist, sicher?
In den Niederlanden wurde ein Gesetz zur Registrierung von Prostituierten im Jahr 2009 gekippt, weil es nicht mit der europäischen Datenschutzrichtlinie vereinbar war, die für die Speicherung und Verarbeitung sensibler personenbezogener Daten, zu denen etwa das Sexualleben betreffende Daten gehören, strenge Vorgaben formuliert. Unter anderem ist es erforderlich, dass die Speicherung verhältnismäßig ist und das anvisierte Ziel nicht auf andere Weise erreicht werden kann. Auch Deutschland hat diese Richtlinie ratifiziert.
Auch die weiteren Maßnahmen sind zumindest fragwürdig. Die angestrebte Erlaubnispflicht für Bordelle, von der lediglich die Ausübung der Prostitution in der eigenen Wohnung ausgenommen werden soll, sorgt dafür, dass Zusammenschlüsse von Kolleginnen, die sich gemeinsam eine Wohnung mieten wollen, dieselben Hürden zu überwinden haben dürften wie Großbordelle. In Wien oder in den Niederlanden, wo es ähnliche Gesetze gibt, führte das vor allem dazu, dass sich die Anzahl der Bordelle deutlich reduzierte, mit der Folge, dass sich die Konkurrenz unter den Frauen verstärkte und Betreiber erst Recht die Bedingungen bestimmen können. Ähnliches befürchtet der BesD für Deutschland. Ob dem mit einer sinnvollen Ausgestaltung der Auflagen begegnet werden wird, beispielsweise indem angemessene Arbeitsstandards vorgeschrieben werden, was ein wirklicher Fortschritt für Prostituierte sein könnte, ist bislang höchst zweifelhaft. Eher scheint zusammen mit der Ausweitung von Sperrgebieten, die viele Kommunen in letzter Zeit verfügt haben und die von dem neuen Gesetz unberührt bleibt, eine weitestmögliche Eindämmung und Verdrängung der Prostitution das Ziel zu sein. Was dann mit den Frauen passiert, interessiert niemanden. Wenn einige Ausländerinnen weniger sich auf die Suche nach lukrativen Verdienstmöglichkeiten in Deutschland machen, ist dies wohl ein mehr als willkommener Nebeneffekt.
Das Problem an der noch strittigen Kondompflicht hingegen besteht darin, dass sie nur unter Eingriff in die Intimsphäre überprüft werden kann (wenn sie nicht überhaupt einen Eingriff in die Intimsphäre darstellt), wovon die Polizei in Bayern, wo eine solche Pflicht besteht, rege Gebrauch macht. Ein Werbeverbot für ungeschützte Praktiken scheint demgegenüber die einzig vernünftige Maßnahme des Entwurfs zu sein, der auch viele Sexarbeiterinnen zustimmen.
Das angestrebte Verbot von »Flatratebordellen« und »Rape-Gang-Bang-Partys« (ob die Koalition Gruppensexpartys mit Männerüberschuss generell für eine Form der Vergewaltigung hält oder ob hier eine sehr spezielle Form von Veranstaltung gemeint ist, von deren Verbreitung bislang nur die Regierung gehört hat, bleibt im Dunkeln) ist ebenfalls eine Maßnahme, die eher populäre Ressentiments bedient als Prostituierten hilft. Ob die Arbeitsbedingungen in solchen Läden generell schlechter sind als in anderen Etablissements, ist nicht untersucht. Und Eingriffe in das sexuelle Selbstbestimmungsrecht, auch von Prostituierten, zum Beispiel die Anweisung, eine bestimmte Anzahl von Kunden zu bedienen, sind heute bereits strafbar.
Der repressive Schutzgedanke des Entwurfs ist von einem entscheidenden Widerspruch geprägt: Einerseits gelten Prostituierte als besonders verwundbar und gefährdet und ihr Beruf gilt wegen der mit ihm einhergehenden Gefahren für ihre Selbstbestimmung und Unversehrtheit nicht als einer »wie jeder andere«, weshalb sie besonderen Schutzbestimmungen zu unterwerfen seien. Andererseits wird aber die besondere Verletzbarkeit, die die Prostitution zu einem speziellen Beruf macht, also die Intimität und das »Höchstpersönliche« der Dienstleistung, wie es im Gesetz von 2002 heißt, aufs Gröbste missachtet, sobald es um staatliche Kontrolle und Überwachung geht.
Die Konsequenz, die aus dieser Besonderheit zu ziehen wäre, wäre nicht staatliche Totalüberwachung, sondern die Ermöglichung von weitestgehender Freiheit in der Ausgestaltung der Tätigkeit und die Förderung von kooperativen Modellen des selbstbestimmten Arbeitens unter Kolleginnen ohne Chefs sowie der politischen Selbstorganisation von Prostituierten. Anstatt in dieser Richtung zu wirken, wird die alte Strategie aus Ausgrenzung, Stigmatisierung und staatlicher Kontrolle gewählt, die die Prostituierten schon seit dem 19. Jahrhundert kennen und gegen die sich einst die feministischen Abolitionistinnen wie Josephine Butler wandten, deren antiliberale Nachfolgerinnen heute für die polizeiliche Überwachung streiten.
http://jungle-world.com/artikel/2014/37/50554.html
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)
*****
Fakten und Infos über Prostitution
*****
Fakten und Infos über Prostitution
-
- Admina
- Beiträge: 7426
- Registriert: 07.09.2009, 04:52
- Wohnort: Frankfurt a. Main Hessen
- Ich bin: Keine Angabe
RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz
Kontrolle ist besser
Die Große Koalition hat ein Eckpunktepapier für die von ihr geplante Reform des Prostitutionsgesetzes vorgestellt. Sie setzt dabei vor allem auf Repression.
von Theodora Becker
Die Regierung meint es gut mit den Huren. Um das deutlich zu machen, hat die Koalition aus CDU, CSU und SPD ihr geplantes Gesetz, mit dem Missständen in der Prostitution abgeholfen werden soll, an denen nach verbreiteter Auffassung das »liberale« Prostitutionsgesetz von 2002 die Schuld trägt, »Prostituiertenschutzgesetz« genannt. Das klingt gut, denn was bräuchten Sexarbeiterinnen laut der üblichen Erzählung dringender als die schützende Hand des Staats?
Während 2002, unter der rot-grünen Bundesregierung, noch dem Gesetzestitel zufolge die »Rechtsverhältnisse der Prostituierten« geregelt wurden, was auf bürgerliche Gleichheit und Rechtssicherheit durch Eingliederung in die allgemeine Rechtsordnung hindeutete, sind Sexarbeiterinnen nun nach dem Willen der Großen Koalition wieder zu hilflosen Objekten staatlichen Wohlwollens geworden. Diese Perspektive auf die Prostituierten spiegelt den Tenor der öffentlichen Debatte der vergangenen Jahre wider, die sich vor allem um Zwangsprostitution und ausufernde Straßenstriche voller osteuropäischer Armutsprostituierter drehte. Das Überwiegen eines paternalistischen Schutzgedankens zeigt sich auch im Inhalt des geplanten Gesetzes. Seine erklärten Ziele sind die Bekämpfung von »Ausbeutung, Gewalt und Menschenhandel« in der Prostitution sowie die »Stärkung des Selbstbestimmungsrechtes« von Prostituierten. Von letzterem ist allerdings in den nun veröffentlichten »Eckpunkten« des Gesetzes, auf die sich die Fachpolitiker beider Parteien bisher geeinigt haben, kaum etwas zu spüren. Fast alle Maßnahmen sind repressiver Natur und dienen der stärkeren Regulierung und Kontrolle der Prostitution – und der Prostituierten.
Dazu zählen eine mit Auflagen verbundene Erlaubnispflicht für »Prostitutionsstätten«, das Verbot angeblich das Selbstbestimmungsrecht von Prostituierten verletzender Formen sexueller Dienstleistungen, ein Werbeverbot für ungeschützte Sexpraktiken sowie eine individuelle Anzeigepflicht für Sexarbeiterinnen. Weitere Maßnahmen, die vor allem die Union heftig propagiert, sind in der Koalition noch strittig: eine Altersgrenze für Prostituierte von 21 Jahren, eine Kondompflicht in der Prostitution sowie die Wiedereinführung regelmäßiger gesundheitlicher Pflichtuntersuchungen für Sexarbeiterinnen, wie es sie bis zur Einführung des Infektionsschutzgesetzes 2001 in Deutschland gab. Ein weiteres Lieblingsthema der Politik, die Bestrafung der Freier von Zwangsprostituierten, wird es wohl nicht in das jetzige Gesetz, das vom Familienministerium erarbeitet wird, schaffen, sondern in die Zuständigkeit des Justizministers fallen.
Der Punkt, der bislang am heftigsten kritisiert wurde – vor allem durch Prostituiertenverbände und Beratungsstellen – , ist die vorgesehene individuelle Registrierung von Sexarbeiterinnen. Auch diese Maßnahme soll dem Schutz vor Ausbeutung und Zwang dienen. Dabei handelt es sich nicht um eine mit einer gewöhnlichen Gewerbeanmeldung vergleichbaren Meldepflicht, der auch andere Gewerbetreibende unterliegen.
Ausdrücklich überlässt die Regierung die Wahl der »zuständigen Behörde« den jeweiligen Bundesländern, was nichts anderes bedeutet, als dass zumindest einige Länder eine polizeiliche Registrierung einführen werden. In Bayern und Baden-Württemberg werden Prostituierte bereits ohne Rechtsgrundlage von der Polizei registriert und ihre Bewegungen von einem Arbeitsort zum anderen protokolliert. Eine polizeiliche Registrierung von Prostituierten ist gleichbedeutend mit ihrer Stigmatisierung als Angehörige eines kriminellen Milieus. An der Wirksamkeit der Maßnahme muss gezweifelt werden: Prostituierte haben als nach wie vor gesellschaftlich stigmatisierte Berufsgruppe ein berechtigtes Interesse an ihrer Anonymität. Viele fürchten um ihren Arbeitsplatz in ihrem Hauptberuf, ihre zukünftigen Chancen auf eine andere Anstellung oder das Sorgerecht für ihre Kinder. Sie wollen nicht erpressbar sein und verhindern, dass ihre Familie sozial benachteiligt wird. Den besten Schutz fänden Sexarbeiter gegenwärtig in der Anonymität, heißt es daher in einer ausführlichen Stellungnahme des Berufsverbands erotische und sexuelle Dienstleistungen (BesD) zum Gesetzentwurf.
Es ist deshalb nicht davon auszugehen, dass sich alle oder auch nur ein Großteil der Prostituierten, wie es die Regierung will, bei der »zuständigen Behörde« anmelden werden. Dass insbesondere die Polizei auf Datenschutz nicht den größten Wert legt, haben viele Prostituierte in Bayern bereits leidvoll erfahren. Ergebnis der Maßnahme wird darum die Schaffung eines neuen Bereichs illegaler Prostitution sein, der mit Menschenhandel nichts zu tun hat. Krönung des Entwurfs ist die Formulierung, Prostituierte sollten das bei der Anmeldung erhaltene »Nachweisdokument« gegebenenfalls gegenüber Betreibern (die künftig riskieren würden, ihre Lizenz zu verlieren, sollten sie nicht gemeldete Sexarbeiterinnen beschäftigen) oder gar Kunden vorzeigen.
Freier und Betreiber werden damit zum verlängerten Arm der Kontrollbehörden – gegen die Prostituierten. Die Position von Freiern und Betreibern wird gestärkt, die Prostituierte wird erpressbar. Denselben Effekt erzielen die gesundheitlichen Pflichtuntersuchungen, werden diese doch als Argument für ungeschützten Verkehr benutzt, schließlich ist die Prostituierte ja nachweislich »gesund«.
Für migrantische Sexarbeiterinnen stellen sich noch ganz andere Probleme: Wird die Behörde ihnen glauben, dass sie freiwillig in die Prostitution einsteigen wollen? Wird es möglich sein, sich ohne Deutschkenntnisse anzumelden? Sind die Daten vor Weitergabe in ihre Herkunftsländer, in denen Prostitution oftmals illegal ist, sicher?
In den Niederlanden wurde ein Gesetz zur Registrierung von Prostituierten im Jahr 2009 gekippt, weil es nicht mit der europäischen Datenschutzrichtlinie vereinbar war, die für die Speicherung und Verarbeitung sensibler personenbezogener Daten, zu denen etwa das Sexualleben betreffende Daten gehören, strenge Vorgaben formuliert. Unter anderem ist es erforderlich, dass die Speicherung verhältnismäßig ist und das anvisierte Ziel nicht auf andere Weise erreicht werden kann. Auch Deutschland hat diese Richtlinie ratifiziert.
Auch die weiteren Maßnahmen sind zumindest fragwürdig. Die angestrebte Erlaubnispflicht für Bordelle, von der lediglich die Ausübung der Prostitution in der eigenen Wohnung ausgenommen werden soll, sorgt dafür, dass Zusammenschlüsse von Kolleginnen, die sich gemeinsam eine Wohnung mieten wollen, dieselben Hürden zu überwinden haben dürften wie Großbordelle. In Wien oder in den Niederlanden, wo es ähnliche Gesetze gibt, führte das vor allem dazu, dass sich die Anzahl der Bordelle deutlich reduzierte, mit der Folge, dass sich die Konkurrenz unter den Frauen verstärkte und Betreiber erst Recht die Bedingungen bestimmen können. Ähnliches befürchtet der BesD für Deutschland. Ob dem mit einer sinnvollen Ausgestaltung der Auflagen begegnet werden wird, beispielsweise indem angemessene Arbeitsstandards vorgeschrieben werden, was ein wirklicher Fortschritt für Prostituierte sein könnte, ist bislang höchst zweifelhaft. Eher scheint zusammen mit der Ausweitung von Sperrgebieten, die viele Kommunen in letzter Zeit verfügt haben und die von dem neuen Gesetz unberührt bleibt, eine weitestmögliche Eindämmung und Verdrängung der Prostitution das Ziel zu sein. Was dann mit den Frauen passiert, interessiert niemanden. Wenn einige Ausländerinnen weniger sich auf die Suche nach lukrativen Verdienstmöglichkeiten in Deutschland machen, ist dies wohl ein mehr als willkommener Nebeneffekt.
Das Problem an der noch strittigen Kondompflicht hingegen besteht darin, dass sie nur unter Eingriff in die Intimsphäre überprüft werden kann (wenn sie nicht überhaupt einen Eingriff in die Intimsphäre darstellt), wovon die Polizei in Bayern, wo eine solche Pflicht besteht, rege Gebrauch macht. Ein Werbeverbot für ungeschützte Praktiken scheint demgegenüber die einzig vernünftige Maßnahme des Entwurfs zu sein, der auch viele Sexarbeiterinnen zustimmen.
Das angestrebte Verbot von »Flatratebordellen« und »Rape-Gang-Bang-Partys« (ob die Koalition Gruppensexpartys mit Männerüberschuss generell für eine Form der Vergewaltigung hält oder ob hier eine sehr spezielle Form von Veranstaltung gemeint ist, von deren Verbreitung bislang nur die Regierung gehört hat, bleibt im Dunkeln) ist ebenfalls eine Maßnahme, die eher populäre Ressentiments bedient als Prostituierten hilft. Ob die Arbeitsbedingungen in solchen Läden generell schlechter sind als in anderen Etablissements, ist nicht untersucht. Und Eingriffe in das sexuelle Selbstbestimmungsrecht, auch von Prostituierten, zum Beispiel die Anweisung, eine bestimmte Anzahl von Kunden zu bedienen, sind heute bereits strafbar.
Der repressive Schutzgedanke des Entwurfs ist von einem entscheidenden Widerspruch geprägt: Einerseits gelten Prostituierte als besonders verwundbar und gefährdet und ihr Beruf gilt wegen der mit ihm einhergehenden Gefahren für ihre Selbstbestimmung und Unversehrtheit nicht als einer »wie jeder andere«, weshalb sie besonderen Schutzbestimmungen zu unterwerfen seien. Andererseits wird aber die besondere Verletzbarkeit, die die Prostitution zu einem speziellen Beruf macht, also die Intimität und das »Höchstpersönliche« der Dienstleistung, wie es im Gesetz von 2002 heißt, aufs Gröbste missachtet, sobald es um staatliche Kontrolle und Überwachung geht.
Die Konsequenz, die aus dieser Besonderheit zu ziehen wäre, wäre nicht staatliche Totalüberwachung, sondern die Ermöglichung von weitestgehender Freiheit in der Ausgestaltung der Tätigkeit und die Förderung von kooperativen Modellen des selbstbestimmten Arbeitens unter Kolleginnen ohne Chefs sowie der politischen Selbstorganisation von Prostituierten. Anstatt in dieser Richtung zu wirken, wird die alte Strategie aus Ausgrenzung, Stigmatisierung und staatlicher Kontrolle gewählt, die die Prostituierten schon seit dem 19. Jahrhundert kennen und gegen die sich einst die feministischen Abolitionistinnen wie Josephine Butler wandten, deren antiliberale Nachfolgerinnen heute für die polizeiliche Überwachung streiten.
http://jungle-world.com/artikel/2014/37/50554.html
Die Große Koalition hat ein Eckpunktepapier für die von ihr geplante Reform des Prostitutionsgesetzes vorgestellt. Sie setzt dabei vor allem auf Repression.
von Theodora Becker
Die Regierung meint es gut mit den Huren. Um das deutlich zu machen, hat die Koalition aus CDU, CSU und SPD ihr geplantes Gesetz, mit dem Missständen in der Prostitution abgeholfen werden soll, an denen nach verbreiteter Auffassung das »liberale« Prostitutionsgesetz von 2002 die Schuld trägt, »Prostituiertenschutzgesetz« genannt. Das klingt gut, denn was bräuchten Sexarbeiterinnen laut der üblichen Erzählung dringender als die schützende Hand des Staats?
Während 2002, unter der rot-grünen Bundesregierung, noch dem Gesetzestitel zufolge die »Rechtsverhältnisse der Prostituierten« geregelt wurden, was auf bürgerliche Gleichheit und Rechtssicherheit durch Eingliederung in die allgemeine Rechtsordnung hindeutete, sind Sexarbeiterinnen nun nach dem Willen der Großen Koalition wieder zu hilflosen Objekten staatlichen Wohlwollens geworden. Diese Perspektive auf die Prostituierten spiegelt den Tenor der öffentlichen Debatte der vergangenen Jahre wider, die sich vor allem um Zwangsprostitution und ausufernde Straßenstriche voller osteuropäischer Armutsprostituierter drehte. Das Überwiegen eines paternalistischen Schutzgedankens zeigt sich auch im Inhalt des geplanten Gesetzes. Seine erklärten Ziele sind die Bekämpfung von »Ausbeutung, Gewalt und Menschenhandel« in der Prostitution sowie die »Stärkung des Selbstbestimmungsrechtes« von Prostituierten. Von letzterem ist allerdings in den nun veröffentlichten »Eckpunkten« des Gesetzes, auf die sich die Fachpolitiker beider Parteien bisher geeinigt haben, kaum etwas zu spüren. Fast alle Maßnahmen sind repressiver Natur und dienen der stärkeren Regulierung und Kontrolle der Prostitution – und der Prostituierten.
Dazu zählen eine mit Auflagen verbundene Erlaubnispflicht für »Prostitutionsstätten«, das Verbot angeblich das Selbstbestimmungsrecht von Prostituierten verletzender Formen sexueller Dienstleistungen, ein Werbeverbot für ungeschützte Sexpraktiken sowie eine individuelle Anzeigepflicht für Sexarbeiterinnen. Weitere Maßnahmen, die vor allem die Union heftig propagiert, sind in der Koalition noch strittig: eine Altersgrenze für Prostituierte von 21 Jahren, eine Kondompflicht in der Prostitution sowie die Wiedereinführung regelmäßiger gesundheitlicher Pflichtuntersuchungen für Sexarbeiterinnen, wie es sie bis zur Einführung des Infektionsschutzgesetzes 2001 in Deutschland gab. Ein weiteres Lieblingsthema der Politik, die Bestrafung der Freier von Zwangsprostituierten, wird es wohl nicht in das jetzige Gesetz, das vom Familienministerium erarbeitet wird, schaffen, sondern in die Zuständigkeit des Justizministers fallen.
Der Punkt, der bislang am heftigsten kritisiert wurde – vor allem durch Prostituiertenverbände und Beratungsstellen – , ist die vorgesehene individuelle Registrierung von Sexarbeiterinnen. Auch diese Maßnahme soll dem Schutz vor Ausbeutung und Zwang dienen. Dabei handelt es sich nicht um eine mit einer gewöhnlichen Gewerbeanmeldung vergleichbaren Meldepflicht, der auch andere Gewerbetreibende unterliegen.
Ausdrücklich überlässt die Regierung die Wahl der »zuständigen Behörde« den jeweiligen Bundesländern, was nichts anderes bedeutet, als dass zumindest einige Länder eine polizeiliche Registrierung einführen werden. In Bayern und Baden-Württemberg werden Prostituierte bereits ohne Rechtsgrundlage von der Polizei registriert und ihre Bewegungen von einem Arbeitsort zum anderen protokolliert. Eine polizeiliche Registrierung von Prostituierten ist gleichbedeutend mit ihrer Stigmatisierung als Angehörige eines kriminellen Milieus. An der Wirksamkeit der Maßnahme muss gezweifelt werden: Prostituierte haben als nach wie vor gesellschaftlich stigmatisierte Berufsgruppe ein berechtigtes Interesse an ihrer Anonymität. Viele fürchten um ihren Arbeitsplatz in ihrem Hauptberuf, ihre zukünftigen Chancen auf eine andere Anstellung oder das Sorgerecht für ihre Kinder. Sie wollen nicht erpressbar sein und verhindern, dass ihre Familie sozial benachteiligt wird. Den besten Schutz fänden Sexarbeiter gegenwärtig in der Anonymität, heißt es daher in einer ausführlichen Stellungnahme des Berufsverbands erotische und sexuelle Dienstleistungen (BesD) zum Gesetzentwurf.
Es ist deshalb nicht davon auszugehen, dass sich alle oder auch nur ein Großteil der Prostituierten, wie es die Regierung will, bei der »zuständigen Behörde« anmelden werden. Dass insbesondere die Polizei auf Datenschutz nicht den größten Wert legt, haben viele Prostituierte in Bayern bereits leidvoll erfahren. Ergebnis der Maßnahme wird darum die Schaffung eines neuen Bereichs illegaler Prostitution sein, der mit Menschenhandel nichts zu tun hat. Krönung des Entwurfs ist die Formulierung, Prostituierte sollten das bei der Anmeldung erhaltene »Nachweisdokument« gegebenenfalls gegenüber Betreibern (die künftig riskieren würden, ihre Lizenz zu verlieren, sollten sie nicht gemeldete Sexarbeiterinnen beschäftigen) oder gar Kunden vorzeigen.
Freier und Betreiber werden damit zum verlängerten Arm der Kontrollbehörden – gegen die Prostituierten. Die Position von Freiern und Betreibern wird gestärkt, die Prostituierte wird erpressbar. Denselben Effekt erzielen die gesundheitlichen Pflichtuntersuchungen, werden diese doch als Argument für ungeschützten Verkehr benutzt, schließlich ist die Prostituierte ja nachweislich »gesund«.
Für migrantische Sexarbeiterinnen stellen sich noch ganz andere Probleme: Wird die Behörde ihnen glauben, dass sie freiwillig in die Prostitution einsteigen wollen? Wird es möglich sein, sich ohne Deutschkenntnisse anzumelden? Sind die Daten vor Weitergabe in ihre Herkunftsländer, in denen Prostitution oftmals illegal ist, sicher?
In den Niederlanden wurde ein Gesetz zur Registrierung von Prostituierten im Jahr 2009 gekippt, weil es nicht mit der europäischen Datenschutzrichtlinie vereinbar war, die für die Speicherung und Verarbeitung sensibler personenbezogener Daten, zu denen etwa das Sexualleben betreffende Daten gehören, strenge Vorgaben formuliert. Unter anderem ist es erforderlich, dass die Speicherung verhältnismäßig ist und das anvisierte Ziel nicht auf andere Weise erreicht werden kann. Auch Deutschland hat diese Richtlinie ratifiziert.
Auch die weiteren Maßnahmen sind zumindest fragwürdig. Die angestrebte Erlaubnispflicht für Bordelle, von der lediglich die Ausübung der Prostitution in der eigenen Wohnung ausgenommen werden soll, sorgt dafür, dass Zusammenschlüsse von Kolleginnen, die sich gemeinsam eine Wohnung mieten wollen, dieselben Hürden zu überwinden haben dürften wie Großbordelle. In Wien oder in den Niederlanden, wo es ähnliche Gesetze gibt, führte das vor allem dazu, dass sich die Anzahl der Bordelle deutlich reduzierte, mit der Folge, dass sich die Konkurrenz unter den Frauen verstärkte und Betreiber erst Recht die Bedingungen bestimmen können. Ähnliches befürchtet der BesD für Deutschland. Ob dem mit einer sinnvollen Ausgestaltung der Auflagen begegnet werden wird, beispielsweise indem angemessene Arbeitsstandards vorgeschrieben werden, was ein wirklicher Fortschritt für Prostituierte sein könnte, ist bislang höchst zweifelhaft. Eher scheint zusammen mit der Ausweitung von Sperrgebieten, die viele Kommunen in letzter Zeit verfügt haben und die von dem neuen Gesetz unberührt bleibt, eine weitestmögliche Eindämmung und Verdrängung der Prostitution das Ziel zu sein. Was dann mit den Frauen passiert, interessiert niemanden. Wenn einige Ausländerinnen weniger sich auf die Suche nach lukrativen Verdienstmöglichkeiten in Deutschland machen, ist dies wohl ein mehr als willkommener Nebeneffekt.
Das Problem an der noch strittigen Kondompflicht hingegen besteht darin, dass sie nur unter Eingriff in die Intimsphäre überprüft werden kann (wenn sie nicht überhaupt einen Eingriff in die Intimsphäre darstellt), wovon die Polizei in Bayern, wo eine solche Pflicht besteht, rege Gebrauch macht. Ein Werbeverbot für ungeschützte Praktiken scheint demgegenüber die einzig vernünftige Maßnahme des Entwurfs zu sein, der auch viele Sexarbeiterinnen zustimmen.
Das angestrebte Verbot von »Flatratebordellen« und »Rape-Gang-Bang-Partys« (ob die Koalition Gruppensexpartys mit Männerüberschuss generell für eine Form der Vergewaltigung hält oder ob hier eine sehr spezielle Form von Veranstaltung gemeint ist, von deren Verbreitung bislang nur die Regierung gehört hat, bleibt im Dunkeln) ist ebenfalls eine Maßnahme, die eher populäre Ressentiments bedient als Prostituierten hilft. Ob die Arbeitsbedingungen in solchen Läden generell schlechter sind als in anderen Etablissements, ist nicht untersucht. Und Eingriffe in das sexuelle Selbstbestimmungsrecht, auch von Prostituierten, zum Beispiel die Anweisung, eine bestimmte Anzahl von Kunden zu bedienen, sind heute bereits strafbar.
Der repressive Schutzgedanke des Entwurfs ist von einem entscheidenden Widerspruch geprägt: Einerseits gelten Prostituierte als besonders verwundbar und gefährdet und ihr Beruf gilt wegen der mit ihm einhergehenden Gefahren für ihre Selbstbestimmung und Unversehrtheit nicht als einer »wie jeder andere«, weshalb sie besonderen Schutzbestimmungen zu unterwerfen seien. Andererseits wird aber die besondere Verletzbarkeit, die die Prostitution zu einem speziellen Beruf macht, also die Intimität und das »Höchstpersönliche« der Dienstleistung, wie es im Gesetz von 2002 heißt, aufs Gröbste missachtet, sobald es um staatliche Kontrolle und Überwachung geht.
Die Konsequenz, die aus dieser Besonderheit zu ziehen wäre, wäre nicht staatliche Totalüberwachung, sondern die Ermöglichung von weitestgehender Freiheit in der Ausgestaltung der Tätigkeit und die Förderung von kooperativen Modellen des selbstbestimmten Arbeitens unter Kolleginnen ohne Chefs sowie der politischen Selbstorganisation von Prostituierten. Anstatt in dieser Richtung zu wirken, wird die alte Strategie aus Ausgrenzung, Stigmatisierung und staatlicher Kontrolle gewählt, die die Prostituierten schon seit dem 19. Jahrhundert kennen und gegen die sich einst die feministischen Abolitionistinnen wie Josephine Butler wandten, deren antiliberale Nachfolgerinnen heute für die polizeiliche Überwachung streiten.
http://jungle-world.com/artikel/2014/37/50554.html
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)
*****
Fakten und Infos über Prostitution
*****
Fakten und Infos über Prostitution
-
- aufstrebend
- Beiträge: 23
- Registriert: 17.07.2014, 15:51
- Wohnort: Frankfurt Main
- Ich bin: Keine Angabe
Das Prostitutionsgesetz im Deutschlandfunk
Am 11.9.2014 im Deutschlandfunk
(Bei dem Thema wundert immer dieses Gestochere im Nebel!
Der Schlusssatz gefällt mir am besten!):
DEBATTE ÜBER PROSTITUTIONSGESETZ
Frauen wie andere auch?
Von Regina Kusch und Andreas Beckmann
Seit die Regierungskoalition unter der Federführung von Frauenministerin Manuela Schwesig begonnen hat, das bestehende Prostitutionsgesetz zu überarbeiten, ist auch in den Wissenschaften eine neue Debatte um das vorgeblich älteste Gewerbe der Welt entbrannt.
Philosophen und Genderforscherinnen streiten darüber, ob Prostitution verboten werden sollte, weil sie grundsätzlich die Würde der Frau verletzt. Oder wäre gerade ein solches Verbot entwürdigend, weil es die Sexarbeiterinnen entmündigen würde und ihnen das Recht auf freie Berufswahl nähme?
Sozialwissenschaftlerinnen diskutieren, wie Prostitution im Sinne der Anbieterinnen besser reguliert werden könnte, um vor allem Gewalt, Ausbeutung und Menschenhandel einzudämmen. Die Betroffenen wünschen sich vor allem mehr gesellschaftliche Anerkennung. Ein Beitrag von Regina Kusch und Andreas Beckmann.
"Wir sind Frauen wie andere auch: so unterschiedlich wie alle Frauen - und so gleich in unserer Situation, an eigenes Geld kommen zu müssen."
Pieke Biermann, Aktivistin der Bewegung der Sex-Arbeiterinnen, hat ihr Buch "Wir sind Frauen wie andere auch" zwar schon 1980 geschrieben. Aber in diesem Jahr hat sie es neu aufgelegt, weil es immer noch oder schon wieder aktuell ist angesichts der Debatte um die Novellierung des Prostitutionsgesetzes, die nicht nur in der Politik, sondern auch in den Wissenschaften geführt wird.
Diese Debatte dreht sich um zwei Fragenkomplexe, einen soziologisch-kriminologischen und einen grundsätzlichen, der von Philosophie und Genderstudies bearbeitet wird. Soziologen versuchen, das Milieu zu beschreiben und diskutieren Möglichkeiten, es politisch oder polizeilich zu regulieren. Genderforscherinnen stellen die grundsätzliche Frage, ob Prostitution nicht ganz verboten werden müsste. Weniger aus moralischen Gründen, sondern um die Würde der Frau, aller Frauen zu verteidigen.
"Was die Prostituierte in Wahrheit verkauft, ist nicht Sex, sondern ihre Entwürdigung. Und der Käufer, ihr Kunde, kauft nicht Sexualität, sondern Macht."
Kate Millett, US-Literaturwissenschaftlerin und Feministin, schrieb ihr Buch über "Die Tyrannei des Mannes in unserer Gesellschaft" schon 1970. Darin bezeichnet sie Prostitution als den sichtbarsten Ausdruck einer strukturellen Herrschaft heterosexueller Männlichkeit, von der die gesamte westliche Kultur geprägt sei.
Sabine Grenz: "Diese kulturelle Konstruktion ist eine Ebene. Daneben, bzw. darunter gibt es das individuelle Agieren mit dieser Konstruktion und den Sozialstrukturen. Dabei entsteht natürlich immer etwas anderes. Und die Frauen sind ja nicht wirklich keine Subjekte. Sie sind natürlich Subjekte und sie haben natürlich einen eigenen Willen und den leben sie auch aus."
Sabine Grenz, Genderforscherin an der Uni Göttingen, skizziert das Dilemma, in das jede Verbotsdebatte führt. Prostitution zu verbieten heißt immer, den in dem Gewerbe Tätigen zu untersagen, den Beruf auszuüben, den sie gewählt haben. Sofern sie diese Wahl nicht unter Zwang getroffen haben, stellt sich die Frage, ob nicht ein Berufsverbot ihre Würde mindestens ebenso sehr verletzen würde wie die Ausübung dieses Berufs.
Ist es nicht entwürdigend, wenn sich der Staat oder auch wohlmeinende Feministinnen quasi zum Vormund dieser Menschen, meist sind es ja Frauen, aufschwingen, um sie vor sich selbst zu schützen? Und wer hätte überhaupt das Recht festzustellen, dass die Arbeit als Prostituierte entwürdigend ist, wenn nicht die Betroffenen selbst?
Sabine Grenz: "Es gab ja in den 80er-Jahren noch viele Feministinnen, die eher das Verbot gefordert haben, und die dann natürlich zu Recht von der Hurenbewegung zurechtgewiesen wurden, dass das auch eine Anmaßung ist, über die Frau zu bestimmen."
Die Perspektive der Sexarbeiterin
"Du kriegst dabei ein Wahnsinnsmachtgefühl. Männer kommen dir als armselige, lächerliche, kleine Wichte vor. Es hängt alles von dir ab. Du machst ihnen was vor, und das brauchen sie."
So hat eine 30-jährige Larissa in einem Interview mit der "taz" einmal ihre Erfahrungen als Prostituierte beschrieben. Da sie da nach eigenen Angaben bereits ein Studium abgeschlossen hatte, darf man wohl annehmen, dass sie ihre Arbeit nicht mit einem völlig unbedarften Blick betrachtet hat.
Und was sie aus der Perspektive der Sexarbeiterin beschreibt, bekam Sabine Grenz von Freiern bestätigt, die sie für eine Studie zum Konsum sexueller Dienstleistungen interviewt hat:
"Natürlich ist das auch eine Form von Macht. Sexualität ist Macht. Die Männer kommen begehrend, sie kommen mit einem Begehren und dadurch kann natürlich auch eine Sex-Arbeiterin Macht über sie ausüben."
Ein Mann, der eine sexuelle Dienstleistung kauft, mag einige mehr oder weniger lustvolle Momente erleben. Aber unausweichlich muss er jedes Mal erkennen, dass er diese nicht deshalb bekommt, weil sich die Frauen seinem unwiderstehlichen Charme nicht entziehen könnten.
"Das Bezahlen ist in gewisser Weise auch eine Demütigung, das Bezahlenmüssen. Es ergibt sich durch das Bezahlen immer der Widerspruch, dass die Frau es fürs Geld macht. Und aus dem entstand tatsächlich bei den meisten Freiern, die ich interviewt hab, das Bedürfnis, dass die Frau doch irgendetwas von echter Emotion erlebt, rüberbringt, oder wie auch immer. Es wurde immer versucht, dieses Medium des Geldes auf jeden Fall zu überwinden. Und deswegen reagieren sie auch sehr empfindlich darauf, wenn die Frauen auf die Zeit gucken oder keine Lust haben."
Wenn sie eine geschickte Schauspielerin ist, wird sie ihm vielleicht vorgaukeln, dass er die eine große Ausnahme ist und ihr tatsächlich gefällt. Dann verkauft sie ihm eben noch eine Illusion obendrein und während er sich blenden lässt, ist sie es, die den klaren Kopf behält, weiß was gespielt wird und so die Kontrolle ausübt. Das Machtverhältnis zwischen dem zahlenden Kunden und der Dienstleisterin kann sie zu ihren Gunsten wenden.
Doch jeden Moment kann es wieder in die andere Richtung kippen. Auch Larissa traut in dem "taz"-Interview ihrem eigenen Überlegenheitsgefühl nicht so ganz: "Du kannst nichts verweigern."
Sabine Grenz: "Wenn man die Debatte auf dieses Verbieten oder nicht reduziert, dann wird man dieser Komplexität nicht gerecht. Die wissenschaftliche Diskussion hat begonnen, sich ein bisschen davon zu enthalten. Man kann ja nicht davon ausgehen, dass Prostitution nicht mehr stattfindet, weil sie verboten ist."
Prostitutionsverbot hat in Deutschland kaum noch Fürsprecher
Auch in der politischen Auseinandersetzung spielte die Verbotsdiskussion lange keine Rolle, besonders nicht in Deutschland. Im Gegenteil: 2002 legalisierte die rot-grüne Koalition gewerblichen Sex.
"Das Prostitutionsgesetz aus dem Jahr 2002 hat die Sittenwidrigkeit beseitigt, damit hat es eine Moraldebatte beendet."
Die Kieler Kriminologin Monika Frommel gehört bis heute zu entschiedenen Befürworterinnen dieses liberalen Weges. Auch wenn sie einräumt, dass das Gesetz zum Teil an der Lebenswirklichkeit vorbeiging.
Denn Rot-Grün wollte mehr als nur die moralische Stigmatisierung von Prostituierten beenden: Sex-Arbeit sollte ausgeübt werden können wie jeder andere Beruf. Mit einem festen Anstellungsvertrag etwa bei einem Bordell, mit garantierten Löhnen und geregelten Arbeitszeiten sowie Sozialversicherungsbeiträgen.
Doch 2007 zog das zuständige Bundesfamilienministerium, auf der Basis wissenschaftlicher Gutachten, selbst eine widersprüchliche Bilanz der Auswirkungen des Gesetzes.
"Für die teilweise erhoffte weitreichende 'Aufhellung des Milieus' gibt es bislang keine belastbaren Belege. Andererseits wird auch die These, dass eine Erschwernis der Verfolgung von Menschenhandel oder anderer schwerer Delikte eingetreten wäre, durch die empirischen Befunde nicht bestätigt. Insgesamt zeigen die Ergebnisse der empirischen Untersuchung, dass es bislang nur wenig Aktivitäten zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen gegeben hat."
Für die meisten Sexarbeiterinnen hatte sich in der Praxis kaum etwas geändert. Den angestrebten Idealtypus einer sozialversicherungspflichtig beschäftigten und abgesicherten Prostituierten gibt es im Alltag offenbar nicht. Monika Frommel:
"Die Vorstellung aus dem Jahr 2002, es könnte abhängige Prostitution geben, die war falsch, jedenfalls durch die Fakten widerlegt. Sowohl die Prostituierten, als auch die Betreiber wollen das nicht."
Damit war schon seit Jahren klar, dass eine Novellierung des Gesetzes notwendig werden würde. Und angesichts der ernüchternden Bilanz konnte es kaum verwundern, dass auch die Verbotsforderung in die politische Diskussion zurückkehrte.
Das Schwedische Modell
Gerade Feministinnen fühlen sich nämlich durch das "Schwedische Modell" bestärkt, das zeitlich fast parallel zur rot-grünen Reform gestartet wurde. Die Regierung in Stockholm hatte 1999 den Kauf sexueller Dienstleistungen generell verboten. Nicht die Anbieter, aber die Freier müssen seitdem mit Strafen rechnen.
Schwedens Regierung behauptet, in den vergangenen zehn Jahren einen deutlichen Rückgang der Prostitution festgestellt zu haben. Doch eine Untersuchung der Soziologinnen Susanne Dodillet und Petra Östergren von der Universität Göteborg kommt zu widersprüchlichen Ergebnissen:
"Nach allgemeiner Auffassung ist die Straßen-Prostitution um die Hälfte zurückgegangen, aber daraus lässt sich nicht auf einen allgemeinen Rückgang schließen. Die Berichte, die wir ausgewertet haben, sowohl der Polizei wie von Gesundheitsbehörden oder auch Sozialarbeitern, deuten vielmehr darauf hin, dass man sich jetzt eben verstärkt in Bars oder Hotels trifft oder über SMS und Internet in privaten Wohnungen verabredet."
Durch das Verbot sei die Prostitution nicht verschwunden aus Schweden, sondern nur weniger sichtbar geworden, lautet die Zusammenfassung der Studie aus Göteborg. Auch andere Ziele seien nicht erreicht worden: so gebe es keine überzeugenden Belege dafür, dass sich die Haltung schwedischer Männer gegenüber käuflichem Sex geändert habe.
Vor allem aber sei es nicht gelungen, Menschenhandel und Zwangsprostitution einzudämmen:
"Das organisierte Verbrechen verdient immer noch Riesensummen am Menschenschmuggel und der sklavenähnlichen Ausbeutung dieser Menschen."
Die Probleme bleiben offenbar die gleichen, egal ob der Gesetzgeber die Prostitution verbietet oder liberalisiert. Auch das deutsche Recht stellt schließlich "ausbeuterische Prostitution" unter Strafe, und Menschenhandel erst recht.
Statistiken der deutschen wie der schwedischen Polizei deuten zwar darauf hin, dass die Anzahl der Fälle von Menschenhandel und Zuhälterei in beiden Ländern gering ist. Doch Fragen bleiben: Wie groß ist die Dunkelziffer? Wo fängt etwa "ausbeuterische Prostitution" an? Und wie könnte man sie wirksam bekämpfen?
Zur Prostitution gezwungen
"Wir haben eine Reihe von Frauen, die arbeiten gar nicht freiwillig in der Prostitution, oder sie arbeiten unter Bedingungen, mit denen sie nicht einverstanden sind. Das heißt, ihnen wird vorgeschrieben, welche Kunden sie bedienen müssen, auf welche Art sie Kunden bedienen müssen, wann und wie, wie häufig. Es gibt die Frauen, die wirklich schwer ausgenutzt werden, wirtschaftlich schwer ausgenutzt werden, die sexuelle Gewalt erfahren und die nicht mehr über ihre Arbeitszeit und Arbeitskraft bestimmen in Deutschland."
So beschreibt Heike Raabe vom Deutschen Institut für Menschenrechte die Lage vieler ausländischer Prostituierter in Deutschland. Ihre genaue Zahl kennt niemand, aber Experten vermuten, dass von den etwa 200.000 Sexarbeiterinnen mindestens zwei Drittel keinen deutschen Pass haben.
Die große Mehrheit von ihnen stammt aus Rumänien und Bulgarien. Als EU-Bürgerinnen dürften die meisten ohne Menschenhändler ins Land gekommen sein. Wenn sie sich hier eine Meldeadresse und eine Steuernummer besorgen, dürfen sie in Deutschland freiberuflich ihre Dienste anbieten. De facto sind aber viele von brutalen Zuhältern aus ihren Heimatländern abhängig, sagt Heike Rabe:
"Frauen, die mit Drohungen in die Prostitution gezwungen wurden: Ich kenne deine Kinder, ich weiß, wo deine Familie lebt - und verletzt werden. Frauen, die über Voodoo in Prostitution gehalten werden."
Grundsätzlich sind solche Praktiken natürlich strafbar, nicht nur nach dem Prostitutionsgesetz. Bei Drohungen gegen die Frauen oder ihre Angehörigen wäre zum Beispiel der Straftatbestand der Nötigung erfüllt.
Aber es gibt so gut wie nie Zeugen. So kann die Polizei nur ermitteln, wenn die Frauen selber den Mut finden, ihre Peiniger anzuzeigen. Gerade Ausländerinnen können das kaum wagen, erklärt Heike Rabe:
"Derzeit ist es so, dass Drittstaaterinnen, die keinen Aufenthaltstitel in Deutschland haben, die können einen bekommen, wenn sie in einem Strafverfahren aussagen gegen die Täter. Dieser Titel endet aber in dem Moment, wo das Strafverfahren endet. Dann müssen sie ausreisen."
Dann aber verlören sie jede Aussicht, ihre prekäre ökonomische Situation zu verbessern. Und die ist der wichtigste Grund, warum sich Frauen, ob aus der EU oder von außerhalb, überhaupt in die Prostitution locken lassen.
Die Anwerber gaukeln ihnen vor, sie könnten sich hier innerhalb weniger Jahre eine ordentliche Existenz aufbauen. Auch wenn dabei häufig die Rede von Jobs in Cafés oder Restaurants ist, begreifen die meisten Frauen sehr wohl, um welche Arbeit es gehen soll. Und doch ahnen sie oft nicht, was wirklich nach ihrer Ankunft in Deutschland auf sie zukommt. Rabe:
"Die Selbstbestimmung wird dann eingeschränkt. Entweder haben die Täter schon Geld ausgelegt, Kosten sind angefallen, dass sie nach Deutschland gekommen sind, diese Kosten müssen dann "abgearbeitet" werden. Und so lange die nicht abgearbeitet sind, sagt man den Frauen, dass sie hier nicht frei sind, dass sie das Geld erst mal auf den Tisch legen müssen, erst dann können sie sich frei in Deutschland bewegen."
Verdeckte Ausbeutung
Deutsche Prostituierte geraten zwar deutlich seltener in solch existenzielle Nöte. Aber dennoch sitzen auch sie, wenn auch auf höherem finanziellen Niveau, in einer ähnlichen ökonomischen Falle wie ihre ausländischen Kolleginnen, erklärt Monika Frommel:
"Im Moment ist es so, dass die Frauen keine schriftlichen Verträge haben. Keine transparenten Verträge haben und die Gesamtkosten, die dann letzten Endes bei ihnen hängen bleiben, werden ihnen nicht wirklich vor Augen geführt, wenn sie in das Geschäft einsteigen oder wenn sie den Betreiber wechseln, zum Beispiel Miete, Reinigung, Security, Werbung, das sind alles Kosten, die dann so nach und nach hereintröpfeln und am Ende dann eine Riesenrechnung, es werden dann Gelder auch einbehalten von den Betreibern, ausmachen, sodass bei den Frauen, die gedacht haben, sie würden gut verdienen, wenn sie drei, fünf, sieben Freier bedienen, oft nicht viel übrig bleibt, sodass sie oft nicht mal richtig krankenversichert sind."
In dieser verdeckten Form der Ausbeutung sieht die Kriminologin Monika Frommel derzeit die größten Probleme in der Sex-Branche. Und diese Probleme werden auch nach der Gesetzesnovellierung bleiben, fürchtet sie.
Es reiche nicht, dass als Bordellbetreiber nur Leute zugelassen werden sollen, die nicht vorbestraft sind. Ebenso wenig reiche es, ihnen bestimmte, ausbeuterisch erscheinende Angebote wie Flatrate-Sex oder Gang-Bang-Partys zu verbieten. Vielmehr müsste ihr gesamtes Geschäftsgebaren transparent gemacht werden, so Frommel:
"Wer ein Bordell oder einen bordellähnlichen Betrieb betreibt, wer Wohnungen zum Zwecke der Prostitution vermietet, der muss sich in die Karten gucken lassen, der muss darlegen, dass diese hohen Preise pro Tag oder pro Woche gerechtfertigt sind, und die Gewerbeaufsicht muss das kontrollieren können. Das kann man nicht den Prostituierten selber aufbürden, dass die das kontrollieren, denn sie wollen ja im Geschäft bleiben, das heißt, die klagen nie und nimmer gegen die Betreiber."
Monika Frommel schlägt deshalb ein Prostitutionsstättengesetz vor, durch das die Gewerbeämter das Recht erhalten sollten, die 3000 bis 3500 Rotlicht-Etablissements, die es in Deutschland gibt, entsprechend zu kontrollieren.
Bedenkt man, dass diese Betriebe nach Schätzungen der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di fast15 Milliarden Euro Umsatz im Jahr machen, dann erscheint es auch der Sozialwissenschaftlerin Elfriede Steffan vom Sozialpädagogischen Institut in Berlin fragwürdig, dass die Branche immer noch weitgehend unreguliert arbeiten darf:
"Ich kann mir aber auch vorstellen, dass man Einrichtungen im Bereich Sex-Gewerbe verpflichtet, mit Gesundheitsämtern und Fachberatungsstellen zusammenzuarbeiten, indem man ihnen nämlich die Tür aufmachen muss, wie das bei Polizei und Steuerbehörden ja jetzt schon der Fall ist. Warum nicht? Wie bei Ärzten regelmäßige Fortbildungen für Betreiber, die sich regelmäßig informieren müssen über Steuerrechte, über soziale Situation, über gesundheitliche Prävention, Umgangsweisen, warum nicht?"
In diesem Zusammenhang wären dann sowohl regelmäßige Gesundheitskontrollen denkbar wie auch eine Kondompflicht. Eine solche gesetzliche Vorschrift könnte den Frauen helfen, ihre Kunden zu Safer Sex zu drängen. Im Einzelfall wären sie dabei aber auf sich allein gestellt.
Deshalb plädiert Elfriede Steffan auch weniger für genauere Kontrollen, als für eine intensivere Betreuung - um die soziale Lage und das Selbstbewusstsein der Frauen zu stärken:
Die Lösung kann eigentlich nur sein, regelmäßig und flächendeckend für Deutschland so etwas wie aufsuchende Arbeit zu etablieren. Das gibt es nämlich wirklich nicht. Es gibt es nur punktuell.
Ausweitung der Sperrzone
Ob es sie gibt oder nicht, hängt von den Kommunen ab, die entsprechende Sozialarbeiterstellen finanzieren müssten. Doch viele finanziell klamme Gemeinden wollen sich solche Kosten lieber sparen und tun deshalb ihrerseits oft alles, damit Prostitution unsichtbar bleibt. Viele Städte haben daher ihre Sperrgebiete soweit ausgeweitet, dass ein Straßenstrich allenfalls noch an entlegenen Wäldern oder in Gewerbezonen möglich ist.
Monika Frommel: "In den Innenstädten führt es natürlich zu Konflikten mit Anwohnern: Jugendschutz. Eigentlich würde ich sagen, dass Frauen, die der Prostitution nachgehen, auch Männer, die der Prostitution nachgehen, einen Anspruch darauf haben, dass es angemessene Formen des betreuten Straßenstrichs gibt. Also wilde, sich spontan bildende Formen des Straßenstrichs würde ich auch untersagen, aber dann entsteht eben eine Pflicht, ein Gelände freizugeben, in dem ein betreuter Straßenstrich stattfinden kann."
Die Länder oder der Bund müssten den Kommunen dann aber auch die Gelder bereitstellen, um solche Areale wirksam regulieren zu können, fordert Monika Frommel.
Stattdessen wird von den Koalitionsparteien allerdings erwogen, eine Anmeldepflicht für Prostituierte einzuführen, um zu verhindern, dass sie sich einfach an die Straße stellen. Sämtliche Berufsverbände der Sexarbeiterinnen lehnen dieses Vorhaben kategorisch ab. Elfriede Steffan kann das gut verstehen:
"Und das geht so lange überhaupt nicht, solange nicht eine wirkliche gesellschaftliche Akzeptanz für den Bereich da ist, weil wir ja in unserer Gesellschaft zur Zeit immer noch eine starke Diskriminierung, Stigmatisierung haben. Und die Frauen, die wir treffen im Feld, wir machen ja viele Interviews, die leben fast alle, nur wenige outen sich, ein Doppelleben, die sind sehr sorgfältig darauf bedacht, ihre Tätigkeit als Sexdienstleiterin von ihrem privaten Leben sonst zu trennen."
Prostitution ist und bleibt weit davon entfernt, ein ganz normaler Beruf zu sein. Deshalb sollte das Gesetz nach Ansicht aller Expertinnen das Gewerbe weitgehend regulieren, aber ohne die Sexarbeiterinnen dabei zu gängeln. Damit sich irgendwann vielleicht tatsächlich die Hoffnung von Pieke Biermann erfüllt, und sie sich als "Frauen wie andere auch" fühlen können.
"Mussten wir nicht alle Berufe, die inzwischen als anständig gelten, erst erobern gegen jene Moral, nach der Frauen in der Öffentlichkeit nichts zu suchen haben, weil sie dadurch verdorben werden? 200 Jahre Frauenbewegung geben Auskunft über diese Erfahrung."
http://www.deutschlandfunk.de/debatte-u ... _id=296974
(Bei dem Thema wundert immer dieses Gestochere im Nebel!
Der Schlusssatz gefällt mir am besten!):
DEBATTE ÜBER PROSTITUTIONSGESETZ
Frauen wie andere auch?
Von Regina Kusch und Andreas Beckmann
Seit die Regierungskoalition unter der Federführung von Frauenministerin Manuela Schwesig begonnen hat, das bestehende Prostitutionsgesetz zu überarbeiten, ist auch in den Wissenschaften eine neue Debatte um das vorgeblich älteste Gewerbe der Welt entbrannt.
Philosophen und Genderforscherinnen streiten darüber, ob Prostitution verboten werden sollte, weil sie grundsätzlich die Würde der Frau verletzt. Oder wäre gerade ein solches Verbot entwürdigend, weil es die Sexarbeiterinnen entmündigen würde und ihnen das Recht auf freie Berufswahl nähme?
Sozialwissenschaftlerinnen diskutieren, wie Prostitution im Sinne der Anbieterinnen besser reguliert werden könnte, um vor allem Gewalt, Ausbeutung und Menschenhandel einzudämmen. Die Betroffenen wünschen sich vor allem mehr gesellschaftliche Anerkennung. Ein Beitrag von Regina Kusch und Andreas Beckmann.
"Wir sind Frauen wie andere auch: so unterschiedlich wie alle Frauen - und so gleich in unserer Situation, an eigenes Geld kommen zu müssen."
Pieke Biermann, Aktivistin der Bewegung der Sex-Arbeiterinnen, hat ihr Buch "Wir sind Frauen wie andere auch" zwar schon 1980 geschrieben. Aber in diesem Jahr hat sie es neu aufgelegt, weil es immer noch oder schon wieder aktuell ist angesichts der Debatte um die Novellierung des Prostitutionsgesetzes, die nicht nur in der Politik, sondern auch in den Wissenschaften geführt wird.
Diese Debatte dreht sich um zwei Fragenkomplexe, einen soziologisch-kriminologischen und einen grundsätzlichen, der von Philosophie und Genderstudies bearbeitet wird. Soziologen versuchen, das Milieu zu beschreiben und diskutieren Möglichkeiten, es politisch oder polizeilich zu regulieren. Genderforscherinnen stellen die grundsätzliche Frage, ob Prostitution nicht ganz verboten werden müsste. Weniger aus moralischen Gründen, sondern um die Würde der Frau, aller Frauen zu verteidigen.
"Was die Prostituierte in Wahrheit verkauft, ist nicht Sex, sondern ihre Entwürdigung. Und der Käufer, ihr Kunde, kauft nicht Sexualität, sondern Macht."
Kate Millett, US-Literaturwissenschaftlerin und Feministin, schrieb ihr Buch über "Die Tyrannei des Mannes in unserer Gesellschaft" schon 1970. Darin bezeichnet sie Prostitution als den sichtbarsten Ausdruck einer strukturellen Herrschaft heterosexueller Männlichkeit, von der die gesamte westliche Kultur geprägt sei.
Sabine Grenz: "Diese kulturelle Konstruktion ist eine Ebene. Daneben, bzw. darunter gibt es das individuelle Agieren mit dieser Konstruktion und den Sozialstrukturen. Dabei entsteht natürlich immer etwas anderes. Und die Frauen sind ja nicht wirklich keine Subjekte. Sie sind natürlich Subjekte und sie haben natürlich einen eigenen Willen und den leben sie auch aus."
Sabine Grenz, Genderforscherin an der Uni Göttingen, skizziert das Dilemma, in das jede Verbotsdebatte führt. Prostitution zu verbieten heißt immer, den in dem Gewerbe Tätigen zu untersagen, den Beruf auszuüben, den sie gewählt haben. Sofern sie diese Wahl nicht unter Zwang getroffen haben, stellt sich die Frage, ob nicht ein Berufsverbot ihre Würde mindestens ebenso sehr verletzen würde wie die Ausübung dieses Berufs.
Ist es nicht entwürdigend, wenn sich der Staat oder auch wohlmeinende Feministinnen quasi zum Vormund dieser Menschen, meist sind es ja Frauen, aufschwingen, um sie vor sich selbst zu schützen? Und wer hätte überhaupt das Recht festzustellen, dass die Arbeit als Prostituierte entwürdigend ist, wenn nicht die Betroffenen selbst?
Sabine Grenz: "Es gab ja in den 80er-Jahren noch viele Feministinnen, die eher das Verbot gefordert haben, und die dann natürlich zu Recht von der Hurenbewegung zurechtgewiesen wurden, dass das auch eine Anmaßung ist, über die Frau zu bestimmen."
Die Perspektive der Sexarbeiterin
"Du kriegst dabei ein Wahnsinnsmachtgefühl. Männer kommen dir als armselige, lächerliche, kleine Wichte vor. Es hängt alles von dir ab. Du machst ihnen was vor, und das brauchen sie."
So hat eine 30-jährige Larissa in einem Interview mit der "taz" einmal ihre Erfahrungen als Prostituierte beschrieben. Da sie da nach eigenen Angaben bereits ein Studium abgeschlossen hatte, darf man wohl annehmen, dass sie ihre Arbeit nicht mit einem völlig unbedarften Blick betrachtet hat.
Und was sie aus der Perspektive der Sexarbeiterin beschreibt, bekam Sabine Grenz von Freiern bestätigt, die sie für eine Studie zum Konsum sexueller Dienstleistungen interviewt hat:
"Natürlich ist das auch eine Form von Macht. Sexualität ist Macht. Die Männer kommen begehrend, sie kommen mit einem Begehren und dadurch kann natürlich auch eine Sex-Arbeiterin Macht über sie ausüben."
Ein Mann, der eine sexuelle Dienstleistung kauft, mag einige mehr oder weniger lustvolle Momente erleben. Aber unausweichlich muss er jedes Mal erkennen, dass er diese nicht deshalb bekommt, weil sich die Frauen seinem unwiderstehlichen Charme nicht entziehen könnten.
"Das Bezahlen ist in gewisser Weise auch eine Demütigung, das Bezahlenmüssen. Es ergibt sich durch das Bezahlen immer der Widerspruch, dass die Frau es fürs Geld macht. Und aus dem entstand tatsächlich bei den meisten Freiern, die ich interviewt hab, das Bedürfnis, dass die Frau doch irgendetwas von echter Emotion erlebt, rüberbringt, oder wie auch immer. Es wurde immer versucht, dieses Medium des Geldes auf jeden Fall zu überwinden. Und deswegen reagieren sie auch sehr empfindlich darauf, wenn die Frauen auf die Zeit gucken oder keine Lust haben."
Wenn sie eine geschickte Schauspielerin ist, wird sie ihm vielleicht vorgaukeln, dass er die eine große Ausnahme ist und ihr tatsächlich gefällt. Dann verkauft sie ihm eben noch eine Illusion obendrein und während er sich blenden lässt, ist sie es, die den klaren Kopf behält, weiß was gespielt wird und so die Kontrolle ausübt. Das Machtverhältnis zwischen dem zahlenden Kunden und der Dienstleisterin kann sie zu ihren Gunsten wenden.
Doch jeden Moment kann es wieder in die andere Richtung kippen. Auch Larissa traut in dem "taz"-Interview ihrem eigenen Überlegenheitsgefühl nicht so ganz: "Du kannst nichts verweigern."
Sabine Grenz: "Wenn man die Debatte auf dieses Verbieten oder nicht reduziert, dann wird man dieser Komplexität nicht gerecht. Die wissenschaftliche Diskussion hat begonnen, sich ein bisschen davon zu enthalten. Man kann ja nicht davon ausgehen, dass Prostitution nicht mehr stattfindet, weil sie verboten ist."
Prostitutionsverbot hat in Deutschland kaum noch Fürsprecher
Auch in der politischen Auseinandersetzung spielte die Verbotsdiskussion lange keine Rolle, besonders nicht in Deutschland. Im Gegenteil: 2002 legalisierte die rot-grüne Koalition gewerblichen Sex.
"Das Prostitutionsgesetz aus dem Jahr 2002 hat die Sittenwidrigkeit beseitigt, damit hat es eine Moraldebatte beendet."
Die Kieler Kriminologin Monika Frommel gehört bis heute zu entschiedenen Befürworterinnen dieses liberalen Weges. Auch wenn sie einräumt, dass das Gesetz zum Teil an der Lebenswirklichkeit vorbeiging.
Denn Rot-Grün wollte mehr als nur die moralische Stigmatisierung von Prostituierten beenden: Sex-Arbeit sollte ausgeübt werden können wie jeder andere Beruf. Mit einem festen Anstellungsvertrag etwa bei einem Bordell, mit garantierten Löhnen und geregelten Arbeitszeiten sowie Sozialversicherungsbeiträgen.
Doch 2007 zog das zuständige Bundesfamilienministerium, auf der Basis wissenschaftlicher Gutachten, selbst eine widersprüchliche Bilanz der Auswirkungen des Gesetzes.
"Für die teilweise erhoffte weitreichende 'Aufhellung des Milieus' gibt es bislang keine belastbaren Belege. Andererseits wird auch die These, dass eine Erschwernis der Verfolgung von Menschenhandel oder anderer schwerer Delikte eingetreten wäre, durch die empirischen Befunde nicht bestätigt. Insgesamt zeigen die Ergebnisse der empirischen Untersuchung, dass es bislang nur wenig Aktivitäten zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen gegeben hat."
Für die meisten Sexarbeiterinnen hatte sich in der Praxis kaum etwas geändert. Den angestrebten Idealtypus einer sozialversicherungspflichtig beschäftigten und abgesicherten Prostituierten gibt es im Alltag offenbar nicht. Monika Frommel:
"Die Vorstellung aus dem Jahr 2002, es könnte abhängige Prostitution geben, die war falsch, jedenfalls durch die Fakten widerlegt. Sowohl die Prostituierten, als auch die Betreiber wollen das nicht."
Damit war schon seit Jahren klar, dass eine Novellierung des Gesetzes notwendig werden würde. Und angesichts der ernüchternden Bilanz konnte es kaum verwundern, dass auch die Verbotsforderung in die politische Diskussion zurückkehrte.
Das Schwedische Modell
Gerade Feministinnen fühlen sich nämlich durch das "Schwedische Modell" bestärkt, das zeitlich fast parallel zur rot-grünen Reform gestartet wurde. Die Regierung in Stockholm hatte 1999 den Kauf sexueller Dienstleistungen generell verboten. Nicht die Anbieter, aber die Freier müssen seitdem mit Strafen rechnen.
Schwedens Regierung behauptet, in den vergangenen zehn Jahren einen deutlichen Rückgang der Prostitution festgestellt zu haben. Doch eine Untersuchung der Soziologinnen Susanne Dodillet und Petra Östergren von der Universität Göteborg kommt zu widersprüchlichen Ergebnissen:
"Nach allgemeiner Auffassung ist die Straßen-Prostitution um die Hälfte zurückgegangen, aber daraus lässt sich nicht auf einen allgemeinen Rückgang schließen. Die Berichte, die wir ausgewertet haben, sowohl der Polizei wie von Gesundheitsbehörden oder auch Sozialarbeitern, deuten vielmehr darauf hin, dass man sich jetzt eben verstärkt in Bars oder Hotels trifft oder über SMS und Internet in privaten Wohnungen verabredet."
Durch das Verbot sei die Prostitution nicht verschwunden aus Schweden, sondern nur weniger sichtbar geworden, lautet die Zusammenfassung der Studie aus Göteborg. Auch andere Ziele seien nicht erreicht worden: so gebe es keine überzeugenden Belege dafür, dass sich die Haltung schwedischer Männer gegenüber käuflichem Sex geändert habe.
Vor allem aber sei es nicht gelungen, Menschenhandel und Zwangsprostitution einzudämmen:
"Das organisierte Verbrechen verdient immer noch Riesensummen am Menschenschmuggel und der sklavenähnlichen Ausbeutung dieser Menschen."
Die Probleme bleiben offenbar die gleichen, egal ob der Gesetzgeber die Prostitution verbietet oder liberalisiert. Auch das deutsche Recht stellt schließlich "ausbeuterische Prostitution" unter Strafe, und Menschenhandel erst recht.
Statistiken der deutschen wie der schwedischen Polizei deuten zwar darauf hin, dass die Anzahl der Fälle von Menschenhandel und Zuhälterei in beiden Ländern gering ist. Doch Fragen bleiben: Wie groß ist die Dunkelziffer? Wo fängt etwa "ausbeuterische Prostitution" an? Und wie könnte man sie wirksam bekämpfen?
Zur Prostitution gezwungen
"Wir haben eine Reihe von Frauen, die arbeiten gar nicht freiwillig in der Prostitution, oder sie arbeiten unter Bedingungen, mit denen sie nicht einverstanden sind. Das heißt, ihnen wird vorgeschrieben, welche Kunden sie bedienen müssen, auf welche Art sie Kunden bedienen müssen, wann und wie, wie häufig. Es gibt die Frauen, die wirklich schwer ausgenutzt werden, wirtschaftlich schwer ausgenutzt werden, die sexuelle Gewalt erfahren und die nicht mehr über ihre Arbeitszeit und Arbeitskraft bestimmen in Deutschland."
So beschreibt Heike Raabe vom Deutschen Institut für Menschenrechte die Lage vieler ausländischer Prostituierter in Deutschland. Ihre genaue Zahl kennt niemand, aber Experten vermuten, dass von den etwa 200.000 Sexarbeiterinnen mindestens zwei Drittel keinen deutschen Pass haben.
Die große Mehrheit von ihnen stammt aus Rumänien und Bulgarien. Als EU-Bürgerinnen dürften die meisten ohne Menschenhändler ins Land gekommen sein. Wenn sie sich hier eine Meldeadresse und eine Steuernummer besorgen, dürfen sie in Deutschland freiberuflich ihre Dienste anbieten. De facto sind aber viele von brutalen Zuhältern aus ihren Heimatländern abhängig, sagt Heike Rabe:
"Frauen, die mit Drohungen in die Prostitution gezwungen wurden: Ich kenne deine Kinder, ich weiß, wo deine Familie lebt - und verletzt werden. Frauen, die über Voodoo in Prostitution gehalten werden."
Grundsätzlich sind solche Praktiken natürlich strafbar, nicht nur nach dem Prostitutionsgesetz. Bei Drohungen gegen die Frauen oder ihre Angehörigen wäre zum Beispiel der Straftatbestand der Nötigung erfüllt.
Aber es gibt so gut wie nie Zeugen. So kann die Polizei nur ermitteln, wenn die Frauen selber den Mut finden, ihre Peiniger anzuzeigen. Gerade Ausländerinnen können das kaum wagen, erklärt Heike Rabe:
"Derzeit ist es so, dass Drittstaaterinnen, die keinen Aufenthaltstitel in Deutschland haben, die können einen bekommen, wenn sie in einem Strafverfahren aussagen gegen die Täter. Dieser Titel endet aber in dem Moment, wo das Strafverfahren endet. Dann müssen sie ausreisen."
Dann aber verlören sie jede Aussicht, ihre prekäre ökonomische Situation zu verbessern. Und die ist der wichtigste Grund, warum sich Frauen, ob aus der EU oder von außerhalb, überhaupt in die Prostitution locken lassen.
Die Anwerber gaukeln ihnen vor, sie könnten sich hier innerhalb weniger Jahre eine ordentliche Existenz aufbauen. Auch wenn dabei häufig die Rede von Jobs in Cafés oder Restaurants ist, begreifen die meisten Frauen sehr wohl, um welche Arbeit es gehen soll. Und doch ahnen sie oft nicht, was wirklich nach ihrer Ankunft in Deutschland auf sie zukommt. Rabe:
"Die Selbstbestimmung wird dann eingeschränkt. Entweder haben die Täter schon Geld ausgelegt, Kosten sind angefallen, dass sie nach Deutschland gekommen sind, diese Kosten müssen dann "abgearbeitet" werden. Und so lange die nicht abgearbeitet sind, sagt man den Frauen, dass sie hier nicht frei sind, dass sie das Geld erst mal auf den Tisch legen müssen, erst dann können sie sich frei in Deutschland bewegen."
Verdeckte Ausbeutung
Deutsche Prostituierte geraten zwar deutlich seltener in solch existenzielle Nöte. Aber dennoch sitzen auch sie, wenn auch auf höherem finanziellen Niveau, in einer ähnlichen ökonomischen Falle wie ihre ausländischen Kolleginnen, erklärt Monika Frommel:
"Im Moment ist es so, dass die Frauen keine schriftlichen Verträge haben. Keine transparenten Verträge haben und die Gesamtkosten, die dann letzten Endes bei ihnen hängen bleiben, werden ihnen nicht wirklich vor Augen geführt, wenn sie in das Geschäft einsteigen oder wenn sie den Betreiber wechseln, zum Beispiel Miete, Reinigung, Security, Werbung, das sind alles Kosten, die dann so nach und nach hereintröpfeln und am Ende dann eine Riesenrechnung, es werden dann Gelder auch einbehalten von den Betreibern, ausmachen, sodass bei den Frauen, die gedacht haben, sie würden gut verdienen, wenn sie drei, fünf, sieben Freier bedienen, oft nicht viel übrig bleibt, sodass sie oft nicht mal richtig krankenversichert sind."
In dieser verdeckten Form der Ausbeutung sieht die Kriminologin Monika Frommel derzeit die größten Probleme in der Sex-Branche. Und diese Probleme werden auch nach der Gesetzesnovellierung bleiben, fürchtet sie.
Es reiche nicht, dass als Bordellbetreiber nur Leute zugelassen werden sollen, die nicht vorbestraft sind. Ebenso wenig reiche es, ihnen bestimmte, ausbeuterisch erscheinende Angebote wie Flatrate-Sex oder Gang-Bang-Partys zu verbieten. Vielmehr müsste ihr gesamtes Geschäftsgebaren transparent gemacht werden, so Frommel:
"Wer ein Bordell oder einen bordellähnlichen Betrieb betreibt, wer Wohnungen zum Zwecke der Prostitution vermietet, der muss sich in die Karten gucken lassen, der muss darlegen, dass diese hohen Preise pro Tag oder pro Woche gerechtfertigt sind, und die Gewerbeaufsicht muss das kontrollieren können. Das kann man nicht den Prostituierten selber aufbürden, dass die das kontrollieren, denn sie wollen ja im Geschäft bleiben, das heißt, die klagen nie und nimmer gegen die Betreiber."
Monika Frommel schlägt deshalb ein Prostitutionsstättengesetz vor, durch das die Gewerbeämter das Recht erhalten sollten, die 3000 bis 3500 Rotlicht-Etablissements, die es in Deutschland gibt, entsprechend zu kontrollieren.
Bedenkt man, dass diese Betriebe nach Schätzungen der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di fast15 Milliarden Euro Umsatz im Jahr machen, dann erscheint es auch der Sozialwissenschaftlerin Elfriede Steffan vom Sozialpädagogischen Institut in Berlin fragwürdig, dass die Branche immer noch weitgehend unreguliert arbeiten darf:
"Ich kann mir aber auch vorstellen, dass man Einrichtungen im Bereich Sex-Gewerbe verpflichtet, mit Gesundheitsämtern und Fachberatungsstellen zusammenzuarbeiten, indem man ihnen nämlich die Tür aufmachen muss, wie das bei Polizei und Steuerbehörden ja jetzt schon der Fall ist. Warum nicht? Wie bei Ärzten regelmäßige Fortbildungen für Betreiber, die sich regelmäßig informieren müssen über Steuerrechte, über soziale Situation, über gesundheitliche Prävention, Umgangsweisen, warum nicht?"
In diesem Zusammenhang wären dann sowohl regelmäßige Gesundheitskontrollen denkbar wie auch eine Kondompflicht. Eine solche gesetzliche Vorschrift könnte den Frauen helfen, ihre Kunden zu Safer Sex zu drängen. Im Einzelfall wären sie dabei aber auf sich allein gestellt.
Deshalb plädiert Elfriede Steffan auch weniger für genauere Kontrollen, als für eine intensivere Betreuung - um die soziale Lage und das Selbstbewusstsein der Frauen zu stärken:
Die Lösung kann eigentlich nur sein, regelmäßig und flächendeckend für Deutschland so etwas wie aufsuchende Arbeit zu etablieren. Das gibt es nämlich wirklich nicht. Es gibt es nur punktuell.
Ausweitung der Sperrzone
Ob es sie gibt oder nicht, hängt von den Kommunen ab, die entsprechende Sozialarbeiterstellen finanzieren müssten. Doch viele finanziell klamme Gemeinden wollen sich solche Kosten lieber sparen und tun deshalb ihrerseits oft alles, damit Prostitution unsichtbar bleibt. Viele Städte haben daher ihre Sperrgebiete soweit ausgeweitet, dass ein Straßenstrich allenfalls noch an entlegenen Wäldern oder in Gewerbezonen möglich ist.
Monika Frommel: "In den Innenstädten führt es natürlich zu Konflikten mit Anwohnern: Jugendschutz. Eigentlich würde ich sagen, dass Frauen, die der Prostitution nachgehen, auch Männer, die der Prostitution nachgehen, einen Anspruch darauf haben, dass es angemessene Formen des betreuten Straßenstrichs gibt. Also wilde, sich spontan bildende Formen des Straßenstrichs würde ich auch untersagen, aber dann entsteht eben eine Pflicht, ein Gelände freizugeben, in dem ein betreuter Straßenstrich stattfinden kann."
Die Länder oder der Bund müssten den Kommunen dann aber auch die Gelder bereitstellen, um solche Areale wirksam regulieren zu können, fordert Monika Frommel.
Stattdessen wird von den Koalitionsparteien allerdings erwogen, eine Anmeldepflicht für Prostituierte einzuführen, um zu verhindern, dass sie sich einfach an die Straße stellen. Sämtliche Berufsverbände der Sexarbeiterinnen lehnen dieses Vorhaben kategorisch ab. Elfriede Steffan kann das gut verstehen:
"Und das geht so lange überhaupt nicht, solange nicht eine wirkliche gesellschaftliche Akzeptanz für den Bereich da ist, weil wir ja in unserer Gesellschaft zur Zeit immer noch eine starke Diskriminierung, Stigmatisierung haben. Und die Frauen, die wir treffen im Feld, wir machen ja viele Interviews, die leben fast alle, nur wenige outen sich, ein Doppelleben, die sind sehr sorgfältig darauf bedacht, ihre Tätigkeit als Sexdienstleiterin von ihrem privaten Leben sonst zu trennen."
Prostitution ist und bleibt weit davon entfernt, ein ganz normaler Beruf zu sein. Deshalb sollte das Gesetz nach Ansicht aller Expertinnen das Gewerbe weitgehend regulieren, aber ohne die Sexarbeiterinnen dabei zu gängeln. Damit sich irgendwann vielleicht tatsächlich die Hoffnung von Pieke Biermann erfüllt, und sie sich als "Frauen wie andere auch" fühlen können.
"Mussten wir nicht alle Berufe, die inzwischen als anständig gelten, erst erobern gegen jene Moral, nach der Frauen in der Öffentlichkeit nichts zu suchen haben, weil sie dadurch verdorben werden? 200 Jahre Frauenbewegung geben Auskunft über diese Erfahrung."
http://www.deutschlandfunk.de/debatte-u ... _id=296974
-
- PlatinStern
- Beiträge: 825
- Registriert: 16.06.2011, 21:03
- Wohnort: Bielefeld
- Ich bin: Keine Angabe
RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz
Union für strengeres Sexualstrafrecht
Berlin. Jeder Beischlaf ohne Einverständnis soll als Vergewaltigung strafbar werden. Von Gregor Mayntz
Wenn von geschätzt 160.000 Straftaten nur 8000 angezeigt werden und am Ende nur 1000 zu einer Anklage führen, dann läuft etwas gründlich falsch im Rechtsstaat Deutschland. Vor allem wenn es sich um solche Akte von Gewalt handelt, die gewöhnlich mit harten Freiheitsstrafen geahndet werden - Vergewaltigungen. Die Unionsfraktion hat "Schutzlücken" gesammelt und will diese umgehend schließen: Das Sexualstrafrecht soll nicht nur zur Bekämpfung von Kinderpornografie und Zwangsprostitution nachgeschärft werden, sondern auch bei der sexuellen Nötigung.
Damit die seit Langem diskutierten Korrekturen zum Schutz von Kindern und Prostituierten schneller greifen, wird es möglicherweise verschiedene Gesetzesinitiativen geben; im Grundsatz ist sich die große Koalition aber einig, auch Vergewaltigungen eindeutiger zu bestrafen. Die Bereitschaft von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD), an den einschlägigen Paragrafen 177 im Strafgesetzbuch noch einmal ranzugehen, verbucht die Unions-Rechtsexpertin Elisabeth Winkelmeier-Becker als Erfolg. Schließlich habe Maas noch im April an dieser Stelle keinen Handlungsbedarf gesehen.
Der ist aber nach Überzeugung von Winkelmeier-Becker dringend geboten, wie sie anhand eklatanter Beispiele nachweist. Selbst eine Frau, die unmittelbar nach der Ermordung ihres Freundes mit dem Mörder schläft, ist laut Bundesgerichtshof nicht vergewaltigt worden, obwohl sie unter dem Eindruck der Bluttat um ihr Leben fürchtete. Denn die Gerichte verlangen den Nachweis, dass sich eine Frau körperlich gewehrt hat; selbst ein klares und mehrfaches Nein reicht nicht für eine Verurteilung. Deshalb gelang es einer jungen Frau auch nicht, den Täter hinter Gitter zu bringen, der sie mit einem angeblichen Model-Fotoshooting täuschte und sie dabei überrumpelte.
Die Union strebt nun eine Novelle an, nach der künftig jeder mit Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und zehn Jahren bestraft wird, der ohne Einverständnis des anderen sexuelle Handlungen an einem anderen vornimmt oder an sich vornehmen lässt. Betreuer und Polizisten sollen so künftig nach den Schilderungen der Tat nicht mehr sagen müssen: "Das ist furchtbar, aber nicht strafbar."
Quelle: RP
http://www.rp-online.de/politik/union-f ... -1.4520625
******
Dat is total easy... demnächst brauchts keine Aussage mehr von Opfern bei Menschenhandel, das entscheiden dann Polizei & Staatsanwalt ob sie gezwungen wurde oder nicht...
Und die Männer müssen demnächst mit jeder Partnerin einen schriftlichen Vertrag aufsetzen, aus dem ganz klar hervor geht, das sie dem Akt zugestimmt hat.
Das kann lustig werden, wenn das durchkommt.
Berlin. Jeder Beischlaf ohne Einverständnis soll als Vergewaltigung strafbar werden. Von Gregor Mayntz
Wenn von geschätzt 160.000 Straftaten nur 8000 angezeigt werden und am Ende nur 1000 zu einer Anklage führen, dann läuft etwas gründlich falsch im Rechtsstaat Deutschland. Vor allem wenn es sich um solche Akte von Gewalt handelt, die gewöhnlich mit harten Freiheitsstrafen geahndet werden - Vergewaltigungen. Die Unionsfraktion hat "Schutzlücken" gesammelt und will diese umgehend schließen: Das Sexualstrafrecht soll nicht nur zur Bekämpfung von Kinderpornografie und Zwangsprostitution nachgeschärft werden, sondern auch bei der sexuellen Nötigung.
Damit die seit Langem diskutierten Korrekturen zum Schutz von Kindern und Prostituierten schneller greifen, wird es möglicherweise verschiedene Gesetzesinitiativen geben; im Grundsatz ist sich die große Koalition aber einig, auch Vergewaltigungen eindeutiger zu bestrafen. Die Bereitschaft von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD), an den einschlägigen Paragrafen 177 im Strafgesetzbuch noch einmal ranzugehen, verbucht die Unions-Rechtsexpertin Elisabeth Winkelmeier-Becker als Erfolg. Schließlich habe Maas noch im April an dieser Stelle keinen Handlungsbedarf gesehen.
Der ist aber nach Überzeugung von Winkelmeier-Becker dringend geboten, wie sie anhand eklatanter Beispiele nachweist. Selbst eine Frau, die unmittelbar nach der Ermordung ihres Freundes mit dem Mörder schläft, ist laut Bundesgerichtshof nicht vergewaltigt worden, obwohl sie unter dem Eindruck der Bluttat um ihr Leben fürchtete. Denn die Gerichte verlangen den Nachweis, dass sich eine Frau körperlich gewehrt hat; selbst ein klares und mehrfaches Nein reicht nicht für eine Verurteilung. Deshalb gelang es einer jungen Frau auch nicht, den Täter hinter Gitter zu bringen, der sie mit einem angeblichen Model-Fotoshooting täuschte und sie dabei überrumpelte.
Die Union strebt nun eine Novelle an, nach der künftig jeder mit Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und zehn Jahren bestraft wird, der ohne Einverständnis des anderen sexuelle Handlungen an einem anderen vornimmt oder an sich vornehmen lässt. Betreuer und Polizisten sollen so künftig nach den Schilderungen der Tat nicht mehr sagen müssen: "Das ist furchtbar, aber nicht strafbar."
Quelle: RP
http://www.rp-online.de/politik/union-f ... -1.4520625
******
Dat is total easy... demnächst brauchts keine Aussage mehr von Opfern bei Menschenhandel, das entscheiden dann Polizei & Staatsanwalt ob sie gezwungen wurde oder nicht...
Und die Männer müssen demnächst mit jeder Partnerin einen schriftlichen Vertrag aufsetzen, aus dem ganz klar hervor geht, das sie dem Akt zugestimmt hat.
Das kann lustig werden, wenn das durchkommt.
-
- verifizierte UserIn
- Beiträge: 961
- Registriert: 01.06.2009, 13:35
- Wohnort: Niederländische Grenzregion
- Ich bin: Keine Angabe
Re: Das Prostitutionsgesetz im Deutschlandfunk

Ach so, jetzt auch schon Voodoo in Rumänien und Bulgarien. Und solcher Unfug wird von irgendeinem Journalisten mal wieder völlig kommentarlos aufgeschrieben.Spitfire969 hat geschrieben:
Die große Mehrheit von ihnen stammt aus Rumänien und Bulgarien.
[...]
"Frauen, die mit Drohungen in die Prostitution gezwungen wurden: Ich kenne deine Kinder, ich weiß, wo deine Familie lebt - und verletzt werden. Frauen, die über Voodoo in Prostitution gehalten werden."
Guten Abend, schöne Unbekannte!
Joachim Ringelnatz
Joachim Ringelnatz
-
- Gelehrte(r)
- Beiträge: 381
- Registriert: 22.03.2012, 21:57
- Ich bin: Keine Angabe
...Die Union strebt nun eine Novelle an, nach der künftig jeder mit Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und zehn Jahren bestraft wird, der ohne Einverständnis des anderen sexuelle Handlungen an einem anderen vornimmt oder an sich vornehmen lässt....
@MelanieNRW
Das kann lustig werden, wenn das durchkommt.
Das kannst du laut sagen. Ich glaub ich lese nicht richtig. Da wird bald das Papier knapp werden befürchte ich...
Und die Definition: nach der künftig JEDER? mit Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und zehn Jahren bestraft wird, der ohne Einverständnis des anderen sexuelle Handlungen an einem anderen vornimmt oder an sich vornehmen lässt....
Du liebe Güte, kann man das ernst gemeint sein oder ist das journalistischer Populismus?
@MelanieNRW
Das kann lustig werden, wenn das durchkommt.
Das kannst du laut sagen. Ich glaub ich lese nicht richtig. Da wird bald das Papier knapp werden befürchte ich...
Und die Definition: nach der künftig JEDER? mit Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und zehn Jahren bestraft wird, der ohne Einverständnis des anderen sexuelle Handlungen an einem anderen vornimmt oder an sich vornehmen lässt....
Du liebe Güte, kann man das ernst gemeint sein oder ist das journalistischer Populismus?
-
- PlatinStern
- Beiträge: 1127
- Registriert: 20.06.2012, 10:16
- Wohnort: Strasbourg
- Ich bin: SexarbeiterIn
-
- Senior Admin
- Beiträge: 7067
- Registriert: 20.09.2008, 21:37
- Wohnort: Ludwigshafen am Rhein
- Ich bin: Keine Angabe

Das würde bedeuten dass wenn ein Vergewaltiger hinterher behauptet dass er mit seiner eigenen Handlungsweise nicht einverstanden gewesen sei (z.B aus einem zwanghaften Trieb heraus gegen besseres Wissen so gehandelt zu haben), dann muß das Opfer, das ja die sexuelle Handlang hat an sich vornehmen lassen, mit Freiheitsstrafe bestraft werden.bienemaya hat geschrieben:...Die Union strebt nun eine Novelle an, nach der künftig jeder mit Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und zehn Jahren bestraft wird, der ohne Einverständnis des anderen sexuelle Handlungen an einem anderen vornimmt oder an sich vornehmen lässt....
Nun ja, solange die Menschen an einen sogenannten Gesetzgeber glauben werden sie mit solchem Wahnsinn leben müssen ...

Liebe Grüße, Aoife
It's not those who inflict the most, but those who endure the most, who will conquer. MP.Vol.Bobby Sands
'I know kung fu, karate, and 37 other dangerous words'
Misspellings are *very special effects* of me keyboard
'I know kung fu, karate, and 37 other dangerous words'
Misspellings are *very special effects* of me keyboard
-
- interessiert
- Beiträge: 9
- Registriert: 16.06.2013, 20:09
- Ich bin: Keine Angabe
RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz
es stehen nicht sexuelle handlungen ohne einverständnis unter strafe: bestraft wird, wer unter beweisbarer (!) androhung oder anwendung von gewalt eine andere person zu sexuellen handlungen zwingt.
das heißt, betroffene müssen nicht nur beweisen, dass sexuelle handlungen die sie nicht wollten stattgefunden haben, sie müssen beweisen, dass der täter dabei gewalttätig war. was leider vollkommen an der lebensrealität vieler betroffenen vorbei geht, die vielleicht gar nicht erst dazu kommen sich zu wehren oder erst viel später anzeigen, wenn es keine physischen beweise mehr gibt.
ich kann schon sehen, wie solche gesetze auch gegen sexarbeiter_innen angewendet werden können und das finde ich absolut kritisierenswert - aber kommentare wie "muss man dann in zukunft einen vertrag aufsetzen" empfinde ich als verhöhnung von betroffenen sexualisierter gewalt, deren vergewaltiger wie so viele davon gekommen sind weil das momentante system viele täter schützt.
das heißt, betroffene müssen nicht nur beweisen, dass sexuelle handlungen die sie nicht wollten stattgefunden haben, sie müssen beweisen, dass der täter dabei gewalttätig war. was leider vollkommen an der lebensrealität vieler betroffenen vorbei geht, die vielleicht gar nicht erst dazu kommen sich zu wehren oder erst viel später anzeigen, wenn es keine physischen beweise mehr gibt.
ich kann schon sehen, wie solche gesetze auch gegen sexarbeiter_innen angewendet werden können und das finde ich absolut kritisierenswert - aber kommentare wie "muss man dann in zukunft einen vertrag aufsetzen" empfinde ich als verhöhnung von betroffenen sexualisierter gewalt, deren vergewaltiger wie so viele davon gekommen sind weil das momentante system viele täter schützt.
-
- Nicht mehr aktiv
- Beiträge: 1121
- Registriert: 05.11.2010, 16:16
- Wohnort: Bremen / Sougia - Kreta
- Ich bin: Keine Angabe
RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz
Hallo,
In der Pressemitteilung der ZGF, Zentralstelle zur Verwirklichung der Gleichberectigung der Frauen Bremen zum Thema ( siehe. http://www.frauen.bremen.de/sixcms/medi ... Gewalt.pdf ) wird festgestellt, dass in Bremen
"in den Vorjahren nur etwa zehn Prozent aller angezeigten Fälle vor Gericht verhandelt wurden und es bei nur etwa fünf Prozent zu einer Verurteilung kam" (ausführlicher zum Sachverhalt: http://www.institut-fuer-menschenrechte ... gungen.pdf ). Die ZGF weiter: „Nach aktueller Rechtslage spielt der fehlende Wille des Opfers keine Rolle, sondern es müssen für eine Strafbarkeit Faktoren wie ‚Gewalt‘, ‚Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben‘ oder Ausnutzen einer schutzlosen Lage gegeben sein. Die Europarats-Konvention zur Verhütung und Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt verlangt aber, dass die Unterzeichnerstaaten, also auch Deutschland, ‚nicht einverständliche sexuelle Handlungen‘ unter Strafe stellen. Hier gibt es dringenden Handlungsbedarf auf Bundesebene“.
Ich gehe, obwohl ich der ZGF kritisch gegenüberstehe und Frau Hauffe, als deren Leitung, auch nach den Recherchen des Deutschlandradios http://www.deutschlandradiokultur.de/pr ... _id=296569 als unredlich zu betrachten ist (siehe: http://www.sexworker.at/phpBB2/viewtopi ... 562#142562 ) hier einmal davon aus, dass die Zahlen zu sexuellem Missbrauch und zur juristischen Ahndung desselben nicht realitätsfern sind, zumal sie sich in der o.g. Publikation des "Deutschen Institutes für Menschenrechte" wiederfinden.
Die Diskussion um eine Veränderung des Strafrechtes und der Strafprozessordnung stösst, wie aoife feststellt, derzeit aber auf die von ihr beschriebenen Schwierigkeiten. Das Strafrecht wird das Problem kaum richten. Eher geeignet wären Strategien des Empowermentes, die es Menschen zur zweiten Natur machen würden, sich und ihre eigenen Interessen gegenüber "Autoritäten" durchzusetzen. Das dieser Staat, diesen Weg zwar auf den Lippen trägt (Senatorin Stahmann, siehe: http://www.sexworker.at/phpBB2/viewtopi ... 447#142447 ) aber autoritativ-repressive Muster bevorzugt, ist leider auch in dieser Sache Realität. Überlegungen, wie sie auch im Zusammenhang mit Verfahren gegen den Menschenhandel in die sexuelle Ausbeutung im Raum sind (wohlgemerkt nicht den Menschenhandel insgesamt sondern nur den in die sexuelle Ausbeutung), betrachte ich ebenfalls mit großer Sorge. Es wird von der Polizei (!!!) befürwortet, dass in Zukunft bei Strafverfahren zum Menschenhandel in die sexuelle Ausbeutung von den Geschädigten keine Aussage zum Tathergang etc mehr erforderlich ist, sondern nur nach Indizienlage entschieden werden soll. Strafprozessual wird damit das Verteidigungsrecht und die -möglichkeit der vermeintlichen oder auch tatsächlichen TäterInnen erheblich eingeschränkt. Ich sehe damit den Grundsatz "in dubio pro reo" und die Grundsätze eines fairen Verfahrens ("Waffengleicheit" zwischen Anklage und Verteidgung) gefährdet, die ebenso für mutmassliche Straftäterinnen des sexuellen Missbrauches, wie die des volkstümlich so genannten und so legitimierten Mundraubes zu gelten hat.
Die Aufgabe dieser Prinzipien eröffnet der staatlichen Gewalt, die, zum Schutz der Freiheitsrechte der Bewohnerinnen des jeweiligen Staates, durch Gesetze eingehegt werden muss (U.Lemke: siehe http://www.juwiss.de/105-2014/ ), freiheitseinschränkte Massnahmen und eine Verschiebung der Kräfteverhältnisse zu seinen Gunsten im Strafprozess, die Diktaturen sich herausnehmen.
Das ist brandgefährlich. Und es macht mich misstrauisch, dass dieser Weg anlässlich sexueller Inkriminierungen in einer Zeit beschritten wird, da Sexarbeitenden vorgehalten wird, sie seien als Menschen unwürdig, sie also in die Ecke des unwerten Lebens gestellt werden, ausgerechnet von den Menschen, die sich für die Aufhebung von Verteigungs-(schutz)-rechten Angeklagter stark machen und die meinen, die Liberalität sei ein Holzweg (Innensenator Mäurer, Bremen im Weser-Kurier vom 26.11.2013). Ich habe mit den Liberalen (wegen ihrer Wirtschaftspolitik) nicht viel am Hut. Otto Graf Lambdorff, wünsche ich mir, trotz seiner Verwicklung in illegale Parteienfinanzierung, aber manchmal ins Parlament zurück. Besser zumindest als jede AfD.
aoife. "Nun ja, solange die Menschen an einen sogenannten Gesetzgeber glauben werden sie mit solchem Wahnsinn leben müssen ... "
In der Pressemitteilung der ZGF, Zentralstelle zur Verwirklichung der Gleichberectigung der Frauen Bremen zum Thema ( siehe. http://www.frauen.bremen.de/sixcms/medi ... Gewalt.pdf ) wird festgestellt, dass in Bremen
"in den Vorjahren nur etwa zehn Prozent aller angezeigten Fälle vor Gericht verhandelt wurden und es bei nur etwa fünf Prozent zu einer Verurteilung kam" (ausführlicher zum Sachverhalt: http://www.institut-fuer-menschenrechte ... gungen.pdf ). Die ZGF weiter: „Nach aktueller Rechtslage spielt der fehlende Wille des Opfers keine Rolle, sondern es müssen für eine Strafbarkeit Faktoren wie ‚Gewalt‘, ‚Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben‘ oder Ausnutzen einer schutzlosen Lage gegeben sein. Die Europarats-Konvention zur Verhütung und Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt verlangt aber, dass die Unterzeichnerstaaten, also auch Deutschland, ‚nicht einverständliche sexuelle Handlungen‘ unter Strafe stellen. Hier gibt es dringenden Handlungsbedarf auf Bundesebene“.
Ich gehe, obwohl ich der ZGF kritisch gegenüberstehe und Frau Hauffe, als deren Leitung, auch nach den Recherchen des Deutschlandradios http://www.deutschlandradiokultur.de/pr ... _id=296569 als unredlich zu betrachten ist (siehe: http://www.sexworker.at/phpBB2/viewtopi ... 562#142562 ) hier einmal davon aus, dass die Zahlen zu sexuellem Missbrauch und zur juristischen Ahndung desselben nicht realitätsfern sind, zumal sie sich in der o.g. Publikation des "Deutschen Institutes für Menschenrechte" wiederfinden.
Die Diskussion um eine Veränderung des Strafrechtes und der Strafprozessordnung stösst, wie aoife feststellt, derzeit aber auf die von ihr beschriebenen Schwierigkeiten. Das Strafrecht wird das Problem kaum richten. Eher geeignet wären Strategien des Empowermentes, die es Menschen zur zweiten Natur machen würden, sich und ihre eigenen Interessen gegenüber "Autoritäten" durchzusetzen. Das dieser Staat, diesen Weg zwar auf den Lippen trägt (Senatorin Stahmann, siehe: http://www.sexworker.at/phpBB2/viewtopi ... 447#142447 ) aber autoritativ-repressive Muster bevorzugt, ist leider auch in dieser Sache Realität. Überlegungen, wie sie auch im Zusammenhang mit Verfahren gegen den Menschenhandel in die sexuelle Ausbeutung im Raum sind (wohlgemerkt nicht den Menschenhandel insgesamt sondern nur den in die sexuelle Ausbeutung), betrachte ich ebenfalls mit großer Sorge. Es wird von der Polizei (!!!) befürwortet, dass in Zukunft bei Strafverfahren zum Menschenhandel in die sexuelle Ausbeutung von den Geschädigten keine Aussage zum Tathergang etc mehr erforderlich ist, sondern nur nach Indizienlage entschieden werden soll. Strafprozessual wird damit das Verteidigungsrecht und die -möglichkeit der vermeintlichen oder auch tatsächlichen TäterInnen erheblich eingeschränkt. Ich sehe damit den Grundsatz "in dubio pro reo" und die Grundsätze eines fairen Verfahrens ("Waffengleicheit" zwischen Anklage und Verteidgung) gefährdet, die ebenso für mutmassliche Straftäterinnen des sexuellen Missbrauches, wie die des volkstümlich so genannten und so legitimierten Mundraubes zu gelten hat.
Die Aufgabe dieser Prinzipien eröffnet der staatlichen Gewalt, die, zum Schutz der Freiheitsrechte der Bewohnerinnen des jeweiligen Staates, durch Gesetze eingehegt werden muss (U.Lemke: siehe http://www.juwiss.de/105-2014/ ), freiheitseinschränkte Massnahmen und eine Verschiebung der Kräfteverhältnisse zu seinen Gunsten im Strafprozess, die Diktaturen sich herausnehmen.
Das ist brandgefährlich. Und es macht mich misstrauisch, dass dieser Weg anlässlich sexueller Inkriminierungen in einer Zeit beschritten wird, da Sexarbeitenden vorgehalten wird, sie seien als Menschen unwürdig, sie also in die Ecke des unwerten Lebens gestellt werden, ausgerechnet von den Menschen, die sich für die Aufhebung von Verteigungs-(schutz)-rechten Angeklagter stark machen und die meinen, die Liberalität sei ein Holzweg (Innensenator Mäurer, Bremen im Weser-Kurier vom 26.11.2013). Ich habe mit den Liberalen (wegen ihrer Wirtschaftspolitik) nicht viel am Hut. Otto Graf Lambdorff, wünsche ich mir, trotz seiner Verwicklung in illegale Parteienfinanzierung, aber manchmal ins Parlament zurück. Besser zumindest als jede AfD.
aoife. "Nun ja, solange die Menschen an einen sogenannten Gesetzgeber glauben werden sie mit solchem Wahnsinn leben müssen ... "
-
- Admina
- Beiträge: 7426
- Registriert: 07.09.2009, 04:52
- Wohnort: Frankfurt a. Main Hessen
- Ich bin: Keine Angabe
RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz
Eigentlich müsste die Überschrift dieses Threads geändert werden in Prostituiertenschutzgesetz
Hier eine Pressemitteilung von Deutschen Juristinnen Bund Stellungnahme
zur Reform der Strafvorschriften des Menschenhandels, Verbesserung des Schutzes der Opfer von Menschenhandel und Regulierung der Prostitution
http://www.djb.de/st-pm/st/st14-16/
Hier eine Pressemitteilung von Deutschen Juristinnen Bund Stellungnahme
zur Reform der Strafvorschriften des Menschenhandels, Verbesserung des Schutzes der Opfer von Menschenhandel und Regulierung der Prostitution
http://www.djb.de/st-pm/st/st14-16/
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)
*****
Fakten und Infos über Prostitution
*****
Fakten und Infos über Prostitution
-
- verifizierte UserIn
- Beiträge: 893
- Registriert: 13.08.2010, 09:30
- Wohnort: Südbaden
- Ich bin: Keine Angabe
RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz
Dann ist zu hoffen, dass die mittlerweile erhobenen vielfältigen juristischen Bedenken zur Registrierung Gehör finden.
Gruß Jupiter
Gruß Jupiter
Wenn du fühlst, dass in deinem Herzen etwas fehlt, dann kannst du, auch wenn du im Luxus lebst, nicht glücklich sein.
(Tenzin Gyatso, 14. Dalai Lama)
(Tenzin Gyatso, 14. Dalai Lama)
-
- Nicht mehr aktiv
- Beiträge: 1121
- Registriert: 05.11.2010, 16:16
- Wohnort: Bremen / Sougia - Kreta
- Ich bin: Keine Angabe
RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz
Deutscher Juristinnenbund e.V.
Vereinigung der Juristinnen,
Volkswirtinnen und
Betriebswirtinnen
Berlin, 15. September 2014
S T E L L U N G N A H M E
zur Reform der Strafvorschriften des Menschenhandels, Verbesserung des
Schutzes der Opfer von Menschenhandel und Regulierung der Prostitution
Soweit das hier im Forum mitgeteilt wurde, ist die Stellungname die erste öffentlich bekannt gewordene ausführliche Auseinandersetzung eines Verbandes von JuristInnen mit dem gesamten Themenbereich Nachsteuerung ProstG und Umsetzung der EU Richtlinie 2011/36. Der djb bezieht auch die Vorschläge von Dona Carmen zu einer Reform der rechtlichen Regelungen des Feldes der Sexarbeit in seine Überlegungen ein. Einige Vorschläge des djb nehmen Forderungen von BesD, BSD, Dona Carmen und bufas auf.
Es könnte fruchtbar sein, sich mit den Vorschlägen des djb ausführlicher zu befassen, insbesondere mit denen, die in unserem Sinne kritisch zu betrachten wären und auf die vom djb für seine Entscheidungen genannten Gründe einzugehen.
Ich werde mir Gedanken dzu machen und eventuell ein neues Thema dazu eröffnen. Dauert aber noch, muss den djb Text erst weiter verdauen. Positive Ansätze des djb habe ich, diese zitierend, bereits an die entsprechende Themen im Forum angehängt.
Vereinigung der Juristinnen,
Volkswirtinnen und
Betriebswirtinnen
Berlin, 15. September 2014
S T E L L U N G N A H M E
zur Reform der Strafvorschriften des Menschenhandels, Verbesserung des
Schutzes der Opfer von Menschenhandel und Regulierung der Prostitution
Soweit das hier im Forum mitgeteilt wurde, ist die Stellungname die erste öffentlich bekannt gewordene ausführliche Auseinandersetzung eines Verbandes von JuristInnen mit dem gesamten Themenbereich Nachsteuerung ProstG und Umsetzung der EU Richtlinie 2011/36. Der djb bezieht auch die Vorschläge von Dona Carmen zu einer Reform der rechtlichen Regelungen des Feldes der Sexarbeit in seine Überlegungen ein. Einige Vorschläge des djb nehmen Forderungen von BesD, BSD, Dona Carmen und bufas auf.
Es könnte fruchtbar sein, sich mit den Vorschlägen des djb ausführlicher zu befassen, insbesondere mit denen, die in unserem Sinne kritisch zu betrachten wären und auf die vom djb für seine Entscheidungen genannten Gründe einzugehen.
Ich werde mir Gedanken dzu machen und eventuell ein neues Thema dazu eröffnen. Dauert aber noch, muss den djb Text erst weiter verdauen. Positive Ansätze des djb habe ich, diese zitierend, bereits an die entsprechende Themen im Forum angehängt.
-
- Nicht mehr aktiv
- Beiträge: 1121
- Registriert: 05.11.2010, 16:16
- Wohnort: Bremen / Sougia - Kreta
- Ich bin: Keine Angabe
RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz
Von: Gesa.Schirrmacher@bmfsfj.bund.de
Betreff: AW: Regulierung der Prostitution
Sehr geehrte Frau Freundmann,
sehr geehrter Herr Fricke,
vielen Dank für Ihre weitere E-Mail, in der Sie insbesondere auf die alltägliche Diskriminierung von in der Prostitution Tätiger und den daraus resultierenden Folgen hinweisen.
Ich habe Ihre Anregung für eine Studie zur Stigmatisierung und Diskriminierung von Sexarbeitenden an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes weitergeleitet.
Wichtig erscheint mir in diesem Zusammenhang der Hinweis, dass die gesetzliche Regulierung der Prostitution auch ein Beitrag zur Gleichstellung der Sexarbeiter/innen mit anderen Berufen und Gewerben ist und damit auch ein Beitrag zur Entstigmatisierung. Die rechtliche Erfassung in einem eigenständigen Gesetz trägt zugleich den spezifischen Besonderheiten dieses Gewerbes Rechnung.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
Dr. Gesa Schirrmacher
Unsere Antwort (vom 17.09.2014)
Sehr geehrte Frau Dr. Schirrmacher,
vielen Dank für Ihre Antwort und die Weiterleitung unseres Vorschlages zur Ermittlung der Art und des Umfanges von Stigmatisierung, die Menschen, die im Feld der Sexarbeit aktiv sind, trifft an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes.
Natürlich sehen wir, dass rechtliche Regelungen, die den Besonderheiten des Feldes der Sexarbeit gerecht werden, einen Beitrag zur Normalisierung dieses Feldes leisten können. Wir sind insbesondere für Gespäche offen, die auch vom BesD e.V und vom BSD e.V. angeregt worden sind, die praxisnahe und den alltäglichen berechtigten Interessen Sexarbeitender dienende Vorschläge zum Inhalt haben. Wichtig ist uns, dass Sexarbeitende, Betreibende von Infrastruktur für Sexarbeit und auch Kundinnen qualifiziert in jeweilige Beratungen eingebunden werden.
Mit freundlichen Grüßen
Lara Freudmann
Klaus Fricke
Betreff: AW: Regulierung der Prostitution
Mittwoch, 17. September 2014
Sehr geehrte Frau Freundmann,
sehr geehrter Herr Fricke,
vielen Dank für Ihre weitere E-Mail, in der Sie insbesondere auf die alltägliche Diskriminierung von in der Prostitution Tätiger und den daraus resultierenden Folgen hinweisen.
Ich habe Ihre Anregung für eine Studie zur Stigmatisierung und Diskriminierung von Sexarbeitenden an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes weitergeleitet.
Wichtig erscheint mir in diesem Zusammenhang der Hinweis, dass die gesetzliche Regulierung der Prostitution auch ein Beitrag zur Gleichstellung der Sexarbeiter/innen mit anderen Berufen und Gewerben ist und damit auch ein Beitrag zur Entstigmatisierung. Die rechtliche Erfassung in einem eigenständigen Gesetz trägt zugleich den spezifischen Besonderheiten dieses Gewerbes Rechnung.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
Dr. Gesa Schirrmacher
Unsere Antwort (vom 17.09.2014)
Sehr geehrte Frau Dr. Schirrmacher,
vielen Dank für Ihre Antwort und die Weiterleitung unseres Vorschlages zur Ermittlung der Art und des Umfanges von Stigmatisierung, die Menschen, die im Feld der Sexarbeit aktiv sind, trifft an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes.
Natürlich sehen wir, dass rechtliche Regelungen, die den Besonderheiten des Feldes der Sexarbeit gerecht werden, einen Beitrag zur Normalisierung dieses Feldes leisten können. Wir sind insbesondere für Gespäche offen, die auch vom BesD e.V und vom BSD e.V. angeregt worden sind, die praxisnahe und den alltäglichen berechtigten Interessen Sexarbeitender dienende Vorschläge zum Inhalt haben. Wichtig ist uns, dass Sexarbeitende, Betreibende von Infrastruktur für Sexarbeit und auch Kundinnen qualifiziert in jeweilige Beratungen eingebunden werden.
Mit freundlichen Grüßen
Lara Freudmann
Klaus Fricke
-
- Senior Admin
- Beiträge: 5025
- Registriert: 08.05.2008, 15:31
- Wohnort: Minden
- Ich bin: SexarbeiterIn
KOLUMNE ZUM PROSTITUTIONSGESETZ
Im Tal der Begierden
Die Reform des Prostitutionsgesetzes wird sicher erreichen, dass man besser gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution vorgehen kann. Für das reale Elend der Betroffenen ist die Regierung jedoch taub und blind.
Männer gehen gerne in den Puff -aber nicht, wenn sie danach gefragt werden. Oder sie suchen das kurze Glück auf dem Straßenstrich aus dem Auto raus, wie bei mir um die Ecke an der Straße des 17. Juni. High Heels und eng geschnürtes Lack-Mieder. Ein wenig gleichen sie Berlin, die sogenannten Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter. Arm, aber sexy. Und die anderen haben das Geld, um sich ihre Begierden diskret befriedigen zu lassen. Sex ist ein Geschäft, das angeblich älteste der Welt. Und da unser Staat schon längst eingesehen hat, dass ihn das sexuelle Treiben seiner erwachsenen Bürger rein gar nichts angeht, wäre eigentlich alles in Butter.
Ist es aber leider nicht. Deutschland hat seit 2002 das damals von rot-grün verabschiedete Prostitutionsgesetz. Das modernste weltweit, wie die einen sagen. Andere rügen, den Text hätten die Zuhälter formuliert. Unser Land sei zum Bordell Europas verkommen. Da ist was dran. Mit der Öffnung der Grenzen nach Osten gehen junge Frauen aus Ungarn oder Rumänien bei uns auf den Strich. Die wenigsten freiwillig. Im besten Fall, um ihren verarmten Familien Geld zukommen zu lassen. Im schlimmsten von brutalen Zuhältern und Banden zum Anschaffen gezwungen.
Gebrochene Menschen
Die neue schwarz-rote Koalition will gegen diese menschenverachtenden Auswüchse vorgehen. Doch einfache Rezepte - wie etwa Strafandrohung für Freier - greifen nicht. Es sind oft gerade Freier, die die Polizei über Frauen in Not informieren. So pervers sind die wenigsten, dass es ihnen wirklich Spaß machen würde, solche Zwangslagen entspannt zu genießen. Das würde die Illusion empfindlich eintrüben, dass die Frauen ganz wild und ganz nur für ihn da sind, "geboren um Liebe zu geben ... ohne Fragen an den Morgen".
Doch selbst wenn der Sex einvernehmlich erfolgt, sollte sich Mann nichts vormachen. Diverse Studien belegen, dass rund 80 Prozent der Prostituierten eine schlimme Kindheit mit sexueller und körperlicher Misshandlung hinter sich haben. Gebrochene Menschen. Als das "Chamäleon der Liebe", die Lulu von Frank Wedekind, im Frankfurter Schauspiel endlich mal das gezeigt hat, was sie ist, ein missbrauchtes Kind, da heulte ein Kritiker auf. Er vermisste die verführerisch-erotische Femme fatal. Oh Mann!
Familien als Faustpfand
Das Prostitutionsgesetz hat wichtige Verbesserungen gebracht. "Sexarbeiter" können die gesetzliche Kranken-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung wahrnehmen. Die Neufassung wird sicher besser gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution vorgehen. Aber da die Opfer meist nicht aussagen (können), etwa, weil die Zuhälter ihre Kinder oder Familien als Faustpfand haben, müssten zunächst einmal die Ausstiegshilfen verbessert werden.
Ein Bleiberecht für ausländische Zwangsprostituierte wäre ein weiterer Punkt. Klar, das kostet und deshalb schreckt die Politik davor zurück. So wird wohl wieder mal ein Gesetz formuliert, das besten Willen zeigt, aber taub und blind ist für das reale Elend im Tal der sexuellen Begierden.
Gerade verschlinge ich den wiederentdeckten Roman "Blutsbrüder" von Ernst Haffner, der 1932 erschienen ist. Geschildert wird das Leben einer Berliner Clique von Straßenjungs, die sich selbst prostituieren, aber sich auch mal gemeinsam eine Prostituierte gönnen. Ganz unten halt. Und Gott sei Dank Geschichte.
Karl-Heinz Karisch
http://www.berliner-zeitung.de/meinung/ ... 52542.html
Im Tal der Begierden
Die Reform des Prostitutionsgesetzes wird sicher erreichen, dass man besser gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution vorgehen kann. Für das reale Elend der Betroffenen ist die Regierung jedoch taub und blind.
Männer gehen gerne in den Puff -aber nicht, wenn sie danach gefragt werden. Oder sie suchen das kurze Glück auf dem Straßenstrich aus dem Auto raus, wie bei mir um die Ecke an der Straße des 17. Juni. High Heels und eng geschnürtes Lack-Mieder. Ein wenig gleichen sie Berlin, die sogenannten Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter. Arm, aber sexy. Und die anderen haben das Geld, um sich ihre Begierden diskret befriedigen zu lassen. Sex ist ein Geschäft, das angeblich älteste der Welt. Und da unser Staat schon längst eingesehen hat, dass ihn das sexuelle Treiben seiner erwachsenen Bürger rein gar nichts angeht, wäre eigentlich alles in Butter.
Ist es aber leider nicht. Deutschland hat seit 2002 das damals von rot-grün verabschiedete Prostitutionsgesetz. Das modernste weltweit, wie die einen sagen. Andere rügen, den Text hätten die Zuhälter formuliert. Unser Land sei zum Bordell Europas verkommen. Da ist was dran. Mit der Öffnung der Grenzen nach Osten gehen junge Frauen aus Ungarn oder Rumänien bei uns auf den Strich. Die wenigsten freiwillig. Im besten Fall, um ihren verarmten Familien Geld zukommen zu lassen. Im schlimmsten von brutalen Zuhältern und Banden zum Anschaffen gezwungen.
Gebrochene Menschen
Die neue schwarz-rote Koalition will gegen diese menschenverachtenden Auswüchse vorgehen. Doch einfache Rezepte - wie etwa Strafandrohung für Freier - greifen nicht. Es sind oft gerade Freier, die die Polizei über Frauen in Not informieren. So pervers sind die wenigsten, dass es ihnen wirklich Spaß machen würde, solche Zwangslagen entspannt zu genießen. Das würde die Illusion empfindlich eintrüben, dass die Frauen ganz wild und ganz nur für ihn da sind, "geboren um Liebe zu geben ... ohne Fragen an den Morgen".
Doch selbst wenn der Sex einvernehmlich erfolgt, sollte sich Mann nichts vormachen. Diverse Studien belegen, dass rund 80 Prozent der Prostituierten eine schlimme Kindheit mit sexueller und körperlicher Misshandlung hinter sich haben. Gebrochene Menschen. Als das "Chamäleon der Liebe", die Lulu von Frank Wedekind, im Frankfurter Schauspiel endlich mal das gezeigt hat, was sie ist, ein missbrauchtes Kind, da heulte ein Kritiker auf. Er vermisste die verführerisch-erotische Femme fatal. Oh Mann!
Familien als Faustpfand
Das Prostitutionsgesetz hat wichtige Verbesserungen gebracht. "Sexarbeiter" können die gesetzliche Kranken-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung wahrnehmen. Die Neufassung wird sicher besser gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution vorgehen. Aber da die Opfer meist nicht aussagen (können), etwa, weil die Zuhälter ihre Kinder oder Familien als Faustpfand haben, müssten zunächst einmal die Ausstiegshilfen verbessert werden.
Ein Bleiberecht für ausländische Zwangsprostituierte wäre ein weiterer Punkt. Klar, das kostet und deshalb schreckt die Politik davor zurück. So wird wohl wieder mal ein Gesetz formuliert, das besten Willen zeigt, aber taub und blind ist für das reale Elend im Tal der sexuellen Begierden.
Gerade verschlinge ich den wiederentdeckten Roman "Blutsbrüder" von Ernst Haffner, der 1932 erschienen ist. Geschildert wird das Leben einer Berliner Clique von Straßenjungs, die sich selbst prostituieren, aber sich auch mal gemeinsam eine Prostituierte gönnen. Ganz unten halt. Und Gott sei Dank Geschichte.
Karl-Heinz Karisch
http://www.berliner-zeitung.de/meinung/ ... 52542.html
I wouldn't say I have super-powers so much as I live in a world where no one seems to be able to do normal things.
-
- Senior Admin
- Beiträge: 5025
- Registriert: 08.05.2008, 15:31
- Wohnort: Minden
- Ich bin: SexarbeiterIn
22.9.2014
PROSTITUTION
"Kein Instrument gegen Menschenhandel"
Mitarbeiterinnen von Tamara kritisieren das geplante Prostituiertengesetz. Nichtsdestotrotz begrüßen sie, dass sich die Bundesregierung mit dem Thema Zwangsprostitution auseinandersetzt.
Grundsätzlich begrüßen Karin Kühn und Fabienne Zwankhuizen vom Verein Tamara, dass die schwarz-rote Bundesregierung ein Gesetz erlassen möchte, dass sich gegen Zwangsprostitution und Menschenhandel wendet. Die Pläne, die bisher bekanntgeworden sind, seien dazu allerdings nicht geeignet. So kritisieren die beiden Frauen, die im Verein, der zur evangelischen Diakonie gehört, Sexarbeiterinnen beraten und bei einem geplanten Ausstieg aus der Prostitution helfen, vor allem die geplante Anmeldepflicht. Bei der Polizei solle eine Art "Hurenregister" angelegt werden, sagen sie im Gespräch mit der FR. So sollen Opfer von Menschenhandel leichter aufgespürt werden.
Ebenso wie der Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen halten Kühn und Zwankhuizen eine Registrierung jedoch nicht für ein geeignetes Instrument. Gerade Menschenhändler würden ihren Opfern doch als erste diese Ausweise besorgen, um nicht weiter behelligt zu werden. Eine Anmeldepflicht sei "absolut despektierlich" und verletze die Persönlichkeitsrechte der Frauen, sagen die Sozialarbeiterinnen.
Die Anmeldepflicht würde alleinerziehenden Müttern und Studentinnen schaden, die nebenbei in der Prostitution arbeiten. Die einen müssten fürchten, dass das Jugendamt ihnen das Sorgerecht entzieht, die anderen um ihre Karriere nach dem Studium bangen.
In Frankfurt habe sich die zunächst besorgniserregende Situation von rumänischen und bulgarischen Prostituierten verändert. Anfangs hätten viele wirklich nicht gewusst, was auf sie zukomme. Inzwischen aber würden sich die meisten Frauen, die sie bei ihren Besuchen in den Bordellen antreffen, bewusst für diese Arbeit entscheiden. Oft würden sie von ihren Familien geschickt, um die Angehörigen mit Geld zu unterstützen.
"Sie leben sehr schlicht und sparen", erzählen Kühn und Zwankhuizen. Mal würden sie drei Monate in Frankfurt sein, dann wieder für eine Weile nach Hause fahren. "Moralische Vorbehalte können sich diese Menschen nicht leisten." Inzwischen seien Strukturen entstanden, die eine Vermittlung über kriminelle Täter überflüssig mache. Heute heiße es, "Du setzt dich in das und das Flugzeug und arbeitest in dem und dem Bordell."
Reformbedarf gibt es auf verschiedenen Gebieten
Auf alle Fälle müssten bei der Reform des Prostituiertengesetzes die Sexarbeiterinnen selbst mit einbezogen werden. Reformbedarf gebe es auf verschiedenen Gebieten. So seien Prostituierte oft nicht krankenversichert, weil ihnen eine private Versicherung als Selbstständige zu teuer sei. Vor allem aber müssten Standards wie etwa ordentliche Badezimmer für die Ausstattung von Bordellen entwickelt werden.
Nicht zufriedenstellend sei die steuerrechtliche Situation. So müsse jede Sexarbeiterin jeden Tag an den Bordellbetreiber 15 Euro abführen, ohne dass sichergestellt sei, dass dieses Geld auch beim Finanzamt ankommt. Auf alle Fälle müsse man aufpassen, dass es nicht "zurück in die Illegalität" geht. Wenn sich gekaufter Sex wieder im geheimen Kämmerchen abspielt, gebe es für die Frauen überhaupt keinen Schutz.
http://www.fr-online.de/frankfurt/prost ... 87300.html
PROSTITUTION
"Kein Instrument gegen Menschenhandel"
Mitarbeiterinnen von Tamara kritisieren das geplante Prostituiertengesetz. Nichtsdestotrotz begrüßen sie, dass sich die Bundesregierung mit dem Thema Zwangsprostitution auseinandersetzt.
Grundsätzlich begrüßen Karin Kühn und Fabienne Zwankhuizen vom Verein Tamara, dass die schwarz-rote Bundesregierung ein Gesetz erlassen möchte, dass sich gegen Zwangsprostitution und Menschenhandel wendet. Die Pläne, die bisher bekanntgeworden sind, seien dazu allerdings nicht geeignet. So kritisieren die beiden Frauen, die im Verein, der zur evangelischen Diakonie gehört, Sexarbeiterinnen beraten und bei einem geplanten Ausstieg aus der Prostitution helfen, vor allem die geplante Anmeldepflicht. Bei der Polizei solle eine Art "Hurenregister" angelegt werden, sagen sie im Gespräch mit der FR. So sollen Opfer von Menschenhandel leichter aufgespürt werden.
Ebenso wie der Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen halten Kühn und Zwankhuizen eine Registrierung jedoch nicht für ein geeignetes Instrument. Gerade Menschenhändler würden ihren Opfern doch als erste diese Ausweise besorgen, um nicht weiter behelligt zu werden. Eine Anmeldepflicht sei "absolut despektierlich" und verletze die Persönlichkeitsrechte der Frauen, sagen die Sozialarbeiterinnen.
Die Anmeldepflicht würde alleinerziehenden Müttern und Studentinnen schaden, die nebenbei in der Prostitution arbeiten. Die einen müssten fürchten, dass das Jugendamt ihnen das Sorgerecht entzieht, die anderen um ihre Karriere nach dem Studium bangen.
In Frankfurt habe sich die zunächst besorgniserregende Situation von rumänischen und bulgarischen Prostituierten verändert. Anfangs hätten viele wirklich nicht gewusst, was auf sie zukomme. Inzwischen aber würden sich die meisten Frauen, die sie bei ihren Besuchen in den Bordellen antreffen, bewusst für diese Arbeit entscheiden. Oft würden sie von ihren Familien geschickt, um die Angehörigen mit Geld zu unterstützen.
"Sie leben sehr schlicht und sparen", erzählen Kühn und Zwankhuizen. Mal würden sie drei Monate in Frankfurt sein, dann wieder für eine Weile nach Hause fahren. "Moralische Vorbehalte können sich diese Menschen nicht leisten." Inzwischen seien Strukturen entstanden, die eine Vermittlung über kriminelle Täter überflüssig mache. Heute heiße es, "Du setzt dich in das und das Flugzeug und arbeitest in dem und dem Bordell."
Reformbedarf gibt es auf verschiedenen Gebieten
Auf alle Fälle müssten bei der Reform des Prostituiertengesetzes die Sexarbeiterinnen selbst mit einbezogen werden. Reformbedarf gebe es auf verschiedenen Gebieten. So seien Prostituierte oft nicht krankenversichert, weil ihnen eine private Versicherung als Selbstständige zu teuer sei. Vor allem aber müssten Standards wie etwa ordentliche Badezimmer für die Ausstattung von Bordellen entwickelt werden.
Nicht zufriedenstellend sei die steuerrechtliche Situation. So müsse jede Sexarbeiterin jeden Tag an den Bordellbetreiber 15 Euro abführen, ohne dass sichergestellt sei, dass dieses Geld auch beim Finanzamt ankommt. Auf alle Fälle müsse man aufpassen, dass es nicht "zurück in die Illegalität" geht. Wenn sich gekaufter Sex wieder im geheimen Kämmerchen abspielt, gebe es für die Frauen überhaupt keinen Schutz.
http://www.fr-online.de/frankfurt/prost ... 87300.html
I wouldn't say I have super-powers so much as I live in a world where no one seems to be able to do normal things.
-
- Senior Admin
- Beiträge: 5025
- Registriert: 08.05.2008, 15:31
- Wohnort: Minden
- Ich bin: SexarbeiterIn
23.9.2014
PROSTITUTIONSGESETZ
Sexarbeiter wehren sich gegen Kondom- und Meldepflicht
Die Prostituierten wehren sich gegen die Neuregelung des Prostitutionsgesetzes. Sie kritisieren besonders die Meldepflicht für Sexarbeiter und die Durchsetzung der Kondompflicht.
Seit 12 Jahren regelt das Prostitutionsgesetz die käufliche Liebe in Deutschland. Die geplante Neuregelung sehen Berufsverbände der Sexarbeiter jedoch skeptisch - sie würde die Frauen in ihrer Selbstbestimmung wieder mehr einschränken.
Kondompflicht kann nur kontrolliert werden, wenn Paare in Aktion sind
Bereits seit 2006 gilt in Bayern die Kondompflicht. Haben ein Freier und eine Prostituierte dennoch ungeschützt Sex, wird ein Bußgeld von 1500 Euro fällig. Die Pflicht zum geschützten Verkehr möchte die große Koalition bundesweit durchsetzen, sie soll Teil der Neuregelung des Prostitutionsgesetzes werden, die derzeit im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vorbereitet wird.
Doch bei Betroffenen überwiegt die Skepsis. Der Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen (BesD) hält eine flächendeckende Kontrolle der Kondompflicht für gar nicht möglich. Und in der geplanten Meldepflicht für Prostituierte sieht der Verband eine massive Verschlechterung für die Frauen.
Im Freistaat müssen Bordelle durch Aushänge über die Kondompflicht informieren. Ob diese dort auch eingehalten wird, kontrolliert die zuständige Sittenpolizei - und das oft mit rabiaten Methoden, wie eine Sprecherin des BesD beklagt: «Es kann eigentlich nur kontrolliert werden, wenn die Paare gerade in Aktion sind. Die Tür fliegt auf, und die Kontrolle kommt rein. Das ist menschenunwürdig.»
Polizei setzt "Scheinfreier" bei Prostituierten ein
Außerdem setzt die Polizei sogenannte Scheinfreier ein, die bei den Prostituierten nach Sex ohne Kondom fragen. Ob als Anreiz für die Leistung auch mehr Geld geboten werde, wollte die Polizeistelle in München nicht kommentieren. Der BesD kritisiert, dass durch die Kondompflicht lediglich die Frauen kontrolliert werden. «Die Anfrage kommt ja aber immer aus dem Kundenkreis», sagt die Sprecherin des Verbandes. Es sei sinnvoller, mehr Geld in aufklärende Kampagnen und Kondom-Werbung zu investieren, damit auf Seiten der Freier mehr Bewusstsein für sexuell übertragbare Krankheiten geschaffen werde.
Verstöße gegen die in der Hygieneverordnung festgelegte Kondompflicht werden relativ selten gemeldet, wie das Münchner Ordnungsamt mitteilt. In der Landeshauptstadt werden pro Jahr etwa zehn Fälle bekannt.
Meldepflicht bereitet den Prostituierten Sorgen
Mehr Sorgen bereitet dem Berufsverband die geplante Meldepflicht für Prostituierte. Die Frauen sollen sich in der Kommune, in der sie ihre Dienstleistungen anbieten, mit ihrem Gewerbe an- und abmelden. Der BesD befürchtet, dass dadurch Bewegungsprofile der Frauen festgehalten werden können. Das Bundesministerium erklärt die Meldepflicht dagegen als Schutzmaßnahme, gerade für Frauen, die Opfer von Menschenhandel sind. Die Details der Regelung stünden jedoch noch nicht fest, wie eine Sprecherin des Ministeriums sagt.
«Dadurch wird nicht ein Opfer von Menschenhandel mehr gefunden. Die legal arbeitenden Frauen werden dadurch aber eingeschränkt», beklagt die Sprecherin des Sexarbeiter-Verbandes, der auf seiner Homepage zu einer Unterschriftenaktion gegen die Meldepflicht aufruft. Seit der Einführung des Prostitutionsgesetzes habe sich die Situation der Prostituierten, die ihrer Arbeit freiwillig nachgehen, sehr verbessert - eine Neuregelung würde den Frauen viele Freiheiten nehmen. Der Gesetzentwurf soll noch dieses Jahr vorgestellt werden. Frühestens Anfang 2016 könnte er in Kraft treten.
http://www.augsburger-allgemeine.de/bay ... 30597.html
PROSTITUTIONSGESETZ
Sexarbeiter wehren sich gegen Kondom- und Meldepflicht
Die Prostituierten wehren sich gegen die Neuregelung des Prostitutionsgesetzes. Sie kritisieren besonders die Meldepflicht für Sexarbeiter und die Durchsetzung der Kondompflicht.
Seit 12 Jahren regelt das Prostitutionsgesetz die käufliche Liebe in Deutschland. Die geplante Neuregelung sehen Berufsverbände der Sexarbeiter jedoch skeptisch - sie würde die Frauen in ihrer Selbstbestimmung wieder mehr einschränken.
Kondompflicht kann nur kontrolliert werden, wenn Paare in Aktion sind
Bereits seit 2006 gilt in Bayern die Kondompflicht. Haben ein Freier und eine Prostituierte dennoch ungeschützt Sex, wird ein Bußgeld von 1500 Euro fällig. Die Pflicht zum geschützten Verkehr möchte die große Koalition bundesweit durchsetzen, sie soll Teil der Neuregelung des Prostitutionsgesetzes werden, die derzeit im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vorbereitet wird.
Doch bei Betroffenen überwiegt die Skepsis. Der Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen (BesD) hält eine flächendeckende Kontrolle der Kondompflicht für gar nicht möglich. Und in der geplanten Meldepflicht für Prostituierte sieht der Verband eine massive Verschlechterung für die Frauen.
Im Freistaat müssen Bordelle durch Aushänge über die Kondompflicht informieren. Ob diese dort auch eingehalten wird, kontrolliert die zuständige Sittenpolizei - und das oft mit rabiaten Methoden, wie eine Sprecherin des BesD beklagt: «Es kann eigentlich nur kontrolliert werden, wenn die Paare gerade in Aktion sind. Die Tür fliegt auf, und die Kontrolle kommt rein. Das ist menschenunwürdig.»
Polizei setzt "Scheinfreier" bei Prostituierten ein
Außerdem setzt die Polizei sogenannte Scheinfreier ein, die bei den Prostituierten nach Sex ohne Kondom fragen. Ob als Anreiz für die Leistung auch mehr Geld geboten werde, wollte die Polizeistelle in München nicht kommentieren. Der BesD kritisiert, dass durch die Kondompflicht lediglich die Frauen kontrolliert werden. «Die Anfrage kommt ja aber immer aus dem Kundenkreis», sagt die Sprecherin des Verbandes. Es sei sinnvoller, mehr Geld in aufklärende Kampagnen und Kondom-Werbung zu investieren, damit auf Seiten der Freier mehr Bewusstsein für sexuell übertragbare Krankheiten geschaffen werde.
Verstöße gegen die in der Hygieneverordnung festgelegte Kondompflicht werden relativ selten gemeldet, wie das Münchner Ordnungsamt mitteilt. In der Landeshauptstadt werden pro Jahr etwa zehn Fälle bekannt.
Meldepflicht bereitet den Prostituierten Sorgen
Mehr Sorgen bereitet dem Berufsverband die geplante Meldepflicht für Prostituierte. Die Frauen sollen sich in der Kommune, in der sie ihre Dienstleistungen anbieten, mit ihrem Gewerbe an- und abmelden. Der BesD befürchtet, dass dadurch Bewegungsprofile der Frauen festgehalten werden können. Das Bundesministerium erklärt die Meldepflicht dagegen als Schutzmaßnahme, gerade für Frauen, die Opfer von Menschenhandel sind. Die Details der Regelung stünden jedoch noch nicht fest, wie eine Sprecherin des Ministeriums sagt.
«Dadurch wird nicht ein Opfer von Menschenhandel mehr gefunden. Die legal arbeitenden Frauen werden dadurch aber eingeschränkt», beklagt die Sprecherin des Sexarbeiter-Verbandes, der auf seiner Homepage zu einer Unterschriftenaktion gegen die Meldepflicht aufruft. Seit der Einführung des Prostitutionsgesetzes habe sich die Situation der Prostituierten, die ihrer Arbeit freiwillig nachgehen, sehr verbessert - eine Neuregelung würde den Frauen viele Freiheiten nehmen. Der Gesetzentwurf soll noch dieses Jahr vorgestellt werden. Frühestens Anfang 2016 könnte er in Kraft treten.
http://www.augsburger-allgemeine.de/bay ... 30597.html
I wouldn't say I have super-powers so much as I live in a world where no one seems to be able to do normal things.