Da ich kein entsprechendes Thema finde, in dem Vorschläge zu Strategien ProSW gesammelt
und Best Practice Modelle vorgestellt werden, mache ich diesen Threat auf.
Veranlasst wurde ich dazu hier:
http://www.sexworker.at/phpBB2/viewtopi ... 246#144246
und Best Practice Modelle vorgestellt werden, mache ich diesen Threat auf.
Veranlasst wurde ich dazu hier:
http://www.sexworker.at/phpBB2/viewtopi ... 246#144246
siehe auch
http://www.sexworker.at/phpBB2/viewtopi ... 237#144237
http://www.sexworker.at/phpBB2/viewtopi ... 693#143693
Grenzzersetzung - Best Practice - Streetwork, vom Kopf auf die Füße gestellt
Die Grenzen des Feldes der erotischen und sexuellen Dienstleistungen, das zeigt obiger Bericht insbesondere durch seinen Abdruck in der EMMA, sowie die Flut von Berichten ähnlichen Inhaltes, die in den Länder- und Lokalnachrichten hier auf sw.at zu finden sind, werden durch die Institutionen bzw gesellschaftlichen Subsysteme Polizei, Gesundheitsbehörden und Beratung markiert. Die Bewertungen, die damit einhergehen, sind: kriminell, krank/gesundheitsgefährdent, defizitär/unfähig/unmündig. Bis auf sehr wenige Ausnahmen werden in der medialen Berichterstattung und der öffentlichen Debatte diese Bewertungsmuster und Grenzsetzungen wiederholt, mit denen das Feld der SW exkludiert, zumindest jedoch contained wird.
Dieses Containment findet sich auch räumlich und rechtlich (Baunutzungsordnung) und es findet sich sozial, im SW Alltag in der zumeist gelebten Doppelexistenz der SW wieder, die, sofern täglich zwischen Arbeitsort und Wohnort wechselnd, zwei verinnerlichte, alltägliche, normierende Grenzkontrollen mit Identitätswechsel durchlaufen. Solange die Doppelexistenz notwendiges Ergebnis tradierter Stigmatisierung für SW ist, sind ihre täglichen Grenzübertritte und Identitätswechsel selbstproduzierter Teil des sozialen Containment, sozialer Exklusion (siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Containment-Politik) von SW.
So verstanden sind SW-Aktive an jedem Tag ihres Tuns Migrierende zwischen der Welt des Soliden und einem stadt-/ wohnungsräumlich fassbaren Ausgrenzungsort des gefährlichen, vielleicht vergleichbar den Verbannungsorten der Aussätzigen. Auch deswegen funktioniert das Thema Migration, das gefährliche Fremde, so gut im Kontext von SW-Ablehnung. Es ergeben sich habituell gesicherte Zuständigkeit der Gesundheitsbehörden und die habituelle Selbstverständlichkeit des caritativen/diakonischen Zugriffes. Das intuitive Misstrauen von SW gegen diese mit Streetwork und Akzeptanz gewappneten sozialen Subsysteme ist emotional intelligent richtiges Wissen. Jeder Besuch Streetworkender dieser Subsysteme erneuert Containment/Exklusion.
Die Streetworkenden sind trotzdem willkommen, wenn Sie sich dieser Erneuerung von Grenzmarkierung durch ProSW-Statements und -Aktion wiedersetzen. Z.B. Sie fordern von Nachbarschaft/Politik/Presse nachzufragen, ob sie willkommen sind zum Kaffeetrinken in Bordell, Club, Studio, Wohnung, Wohnwagen oder auf der Straße. Sie machen aufsuchende Arbeit in der Nachbarschaft, bei Politik und bei Medienschaffenden. Dadurch würde die virtuell/habituelle Grenze tätig, emotional und kognitiv zersetzt, wie dies die Erfahrungen der SW-abstinenten Mitglieder des Runden Tisches Prost NRW zeigen:
„Der Runde Tisch Prostitution Nordrhein-Westfalen hat sich als gelungener partizipativer Prozess erwiesen, der auf dem schwierigen Themenfeld der Prostitution auf innovative Weise eine einzigartige Wissensbasis geschaffen hat. ... Nicht wenige Mitglieder des Runden Tisches haben zurück gespiegelt, dass sie die Teilnahme an diesem Prozess als ungewöhnlich bereichernd erlebt haben. ... Bewusste oder auch unbewusste innere Bilder gerieten ins Wanken, manche Sitzungen wurden durchaus als emotional sehr bewegend erlebt. Insofern ist es dem Runden Tisch Prostitution gelungen, nicht nur zu einer fachlichen Kompetenzerweiterung beizutragen; er hat auch Veränderungen von ethischen Positionen bewirkt.“
( http://www.mgepa.nrw.de/mediapool/pdf/e ... ericht.pdf ).
Razzien, wie die, auf die oben Bezug genommen wird, sind Grenzsetzungsinszenierungen, die Teil der notwendigen Reinszenierung zur Festschreibung etablierter Kriminalitätserzählung über die SW sind. Es handelt sich, bourdieusche Kategorien nutzend, um habituelle Mechanismen der Komplexitätsreduzierung zwecks Handlungsorientierung, die selbstreferentiell und unbewusst sind, um im Sinne der luhmanschen Systemtheorie autopoietische Prozesse (siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Autopoiesis ).
"Der Habitus als „System verinnerlichter Muster“ erzeugt eine Auswahl von kulturtypischen und klassenspezifischen Gedanken, Wahrnehmungen und Handlungen, die den Individuen als ihre eigenen erscheinen, die sie jedoch mit den anderen Mitgliedern ihrer jeweiligen Klasse teilen. Die Theorie Erich Fromms zum Sozialcharakter ist ein Beispiel für einen dem Habitus-Konzept in der Erkenntnisleistung vergleichbaren Ansatz. Auch der „Sozialcharakter“ dient als Vermittlungsglied zwischen der individuellen psychischen Struktur und den sozioökonomischen Verhältnissen, erfüllt die Funktion der Herrschaftssicherung unterhalb des Bewusstseins der Menschen, die scheinbar freiwillig das tun, was sie aus funktionalen Gründen tun sollen.
„Habitus“ umfasst für Bourdieu zunächst die objektive Kategorisierung von Angehörigen bestimmter sozialer Klassen innerhalb der gesellschaftlichen Strukturen und darüber hinaus ein auf das Subjekt bezogenes Konzept der Verinnerlichung kollektiver Dispositionen. Der Habitus ist ein Erzeugungsprinzip von Praxisformen und Verhaltensstrategien eines sozialen Akteurs. In Bezug auf eine der drei zentralen Strukturkategorien der Gesellschaft, auf die soziale Klasse, wird die Ausprägung des Habitus unter anderem von der Teilhabe an den gesellschaftlichen Gütern abhängig. Dabei spielen das ökonomische, kulturelle, soziale und symbolische Kapital eine entscheidende Rolle.
Um die Funktionsweise des Habitus klarzustellen, muss man erstens verstehen, was Bourdieu unter der „generativen Grammatik“ versteht und zweitens muss man den Habitus im sozialen Kontext, vor allem in Bezug auf die drei zentralen Kategorien der Gesellschaft – soziale Klasse, Geschlecht und soziales Feld betrachten." ( http://de.wikipedia.org/wiki/Habitus_%28Soziologie%29 ).
Siehe auch ausführlich bezogen auf SW-Gäste: U. Gerheim, Die Produktion des Freiers.
Gerade vor dem Hintergrund dieser Analyse wäre das obige Modell der auf die Füße der "Öffentlichkeit" gestellten aufsuchenden Arbeit von Streetworkenden aus sozialer Beratung und von Gesundheitsbehörden Best Practice im Sinne von SW. Ob es bündnisfähig wäre, also die Streetworkenden es zumindest modellhaft praktizieren würden, wäre zu probieren.
Grüße
Klaus