ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

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fraences
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von fraences »

Mehr Rechte verhindern Ausbeutung

IRMINGARD SCHEWE-GERIGK --

Bis 2002 waren Prostituierte in Deutschland nahezu rechtlos. Das rot-grüne Prostitutionsgesetz hat diesen Zustand juristisch erstmals beendet. Dennoch bleibt viel zu regeln, um die betroffenen Frauen wirksam zu schützen. Dabei würde sich die Kriminalisierung der Prostitution als Irrweg erweisen

Kaum ein gesellschaftspolitisches Thema erregt die Gemüter in Talkshows und Magazinen so sehr wie das Thema Prostitution. Zwei Positionen stehen sich unversöhnlich gegenüber: Die Vertreter eines Verbots verkünden missionarisch, dass Prostitution niemals freiwillig sein kann, sondern immer unter Zwang ausgeübt wird. Sie sprechen den Prostituierten die Entscheidungskompetenz ab, wollen Bordelle und Prostitution verbieten und Freier bestrafen. Auf der anderen Seite gibt es diejenigen, die Prostitution tolerieren und als Teil des Selbstbestimmungsrechts von Frauen ansehen, wenn sie freiwillig erfolgt. Sie argumentieren, durch die Stärkung der Rechte von Prostituierten könne ihrer Ausbeutung entgegengewirkt werden.

Handschrift der Frauenhändler?

In einem Appell an die Bundesregierung forderte Alice Schwarzer, die Herausgeberin der Frauenzeitschrift Emma, 2013 ein Ende der Prostitution. Seitdem ist es um sie still geworden; die eigenen (Steuer)Sünden verlangen ihren Tribut. Schwarzer macht das Prostitutionsgesetz dafür verantwortlich, dass es in dem Gewerbe negative Entwicklungen gibt und behauptet, das Gesetz trage die Handschrift der Frauenhändler. Bemerkenswerterweise hat den Appell auch die Vorsitzende der CDU-Frauenunion, Maria Böhmer, unterschrieben – und sich damit quasi selbst zum Handeln aufgefordert. Immerhin hatte sie als Staatsministerin acht Jahre dafür Zeit. Aber wäre mit einer Rücknahme des Gesetzes die Welt wirklich wieder in Ordnung?

Vor dem Jahr 2002 befanden sich die in der Prostitution tätigen Menschen in einer nahezu rechtlosen Situation. Obwohl das Verbot der Prostitution schon 1927 aufgehoben wurde, stuften die Gerichte sie als sittenwidrig ein. Das Bundesverwaltungsgericht urteilte noch im Jahr 1965, Prostituierte seien mit Berufsverbrechern gleichzustellen. Sie waren Bürgerinnen zweiter Klasse – stigmatisiert und diskriminiert. Ihnen war es nicht möglich, Verträge mit Kunden oder Arbeitgebern zu schließen, da diese aufgrund von Sittenwidrigkeit nichtig waren. Prostituierte konnten weder ihren Entgeltanspruch gegen Freier gerichtlich geltend machen, noch sich kranken- oder rentenversichern. Auch fehlte ein Anspruch auf Umschulung, was den Ausstieg aus der Prostitution erschwerte. Die Arbeitsbedingungen und das Arbeitsumfeld waren katastrophal, denn wegen des Paragrafen „Förderung der Prostitution“ war es für Bordellbetreiber strafbar, gute und hygienische Arbeitsbedingungen zu schaffen. Kurz gesagt: Je miserabler die Räume, desto legaler deren Vermietung. Viele verdienten an diesem Zustand: Wohnungsvermieter, Bar-Besitzer, Zuhälter. Sogar der Staat verfuhr nach dem Motto „Geld stinkt nicht“ und kassierte aus dem sittenwidrigen Geschäft Steuern. Für die Frauen selbst blieb oft nicht viel übrig.

Erst in den neunziger Jahren kam Kritik an diesen unhaltbaren Zuständen auf (zum Beispiel von der Bundeskonferenz der Frauenministerinnen), und auch die übergroße Mehrheit der deutschen Bevölkerung sprach sich für rechtliche und soziale Verbesserungen für Prostituierte aus. In diesem gesellschaftlichen Klima entstand 2002 das Prostitutionsgesetz, das vor allem die rechtliche Stellung der Prostituierten stärken sollte. Es legt fest, dass rechtswirksame Verträge geschlossen werden können, die zum besonderen Schutz der Prostituierten ausschließlich einseitig verpflichtend sind. Das heißt, eine Frau kann ihr Arbeitsverhältnis von einem Tag auf den anderen kündigen, sie kann bestimmte Kunden und unerwünschte Sexualpraktiken ablehnen. Ein möglicher Arbeitgeber hat dagegen ein eingeschränktes Weisungsrecht. Er darf lediglich den Ort und die Zeit für die Tätigkeit festlegen. Durch das Gesetz wurden auch der Anspruch auf Zahlung für erbrachte Leistungen und der Zugang zur Sozialversicherung sowie der Umschulungsanspruch bei einem Ausstieg geregelt. Die Streichung des Straftatbestandes „Förderung der Prostitution“ ermöglicht es Bordellbetreibern jetzt, legal ein angenehmes und hygienisches Umfeld zu schaffen oder auch Kondome zur Verfügung zu stellen. Strafbar bleiben hingegen die Ausbeutung von Prostituierten und die Einschränkung ihrer persönlichen oder wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit.

In den Bundesländern fehlt der Wille

Trotz des Gesetzes unterliegt Prostitution aber weiterhin rechtlichen Verboten und Einschränkungen. So war damals allen Beteiligten klar, dass das als reines Bundesgesetz verabschiedete Werk nur einen ersten Schritt darstellt und weitere rechtliche Regelungen notwendig sind, um die Betroffenen wirkungsvoll zu schützen – etwa im Gewerberecht oder im Polizeirecht der dafür zuständigen Länder. Doch eine von der Bundesregierung einberufene Bund-Länder-Arbeitsgruppe scheiterte sehr schnell an der mangelnden Kooperation der Länder.

Bereits die Evaluation im Jahr 2007 deutete an, dass die Wirkung des Gesetzes sehr begrenzt ist. Zwar hat es die Rechtssituation der Betroffenen verbessert, es kann aber weder Prostitution umfassend regulieren, noch die Arbeitsbedingungen allgemein verbessern. Zudem fehlt in den Ländern bis heute der Wille, das Bundesgesetz umzusetzen. In Bayern kommt es per Dienstanweisung sogar nicht einmal zur Anwendung. Dort wird davon ausgegangen, dass ein Vertrag zwischen Bordellbetreiber und Prostituierter den Tatbestand der Zuhälterei erfüllt und daher nichtig ist – obwohl ein Gericht dem ausdrücklich widersprochen hat.

Den Erfolg des Gesetzes an der Zahl sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse zu messen, ist vor diesem Hintergrund sicher ein untaugliches Mittel. Problematisch ist zudem, dass viele Betroffene das Gesetz sowie die ihnen zustehenden Rechte nicht kennen und diese deshalb auch nicht einfordern. Diese Situation nutzen einige Bordellbetreiber offensichtlich aus. Auswüchse wie Flatrate-Sex oder Gang-Bang-Partys hätten durch frühzeitige gewerberechtliche Regelungen, wie man sie jetzt diskutiert, verhindert werden können. Damals fand die notwendige gesellschaftliche Debatte nicht statt. Das rächt sich nun umso mehr.

Heute wird die Diskussion unter vollkommen neuen Vorzeichen geführt. Neben einem gesellschaftlichen roll-back hat sich das Prostitutionsgewerbe auch durch Armutsmigration stark verändert und bedarf dringend verbindlicher Standards. Oft wird kritisiert, dass der Anteil der Migrantinnen in den Bordellen enorm hoch ist, und man schließt daraus, dass sie alle Opfer von Menschenhandel seien. Aber Prostitution und Menschenhandel gleichzusetzen, verharmlost dieses abscheuliche Verbrechen und verhöhnt die Opfer.

Warum Schweden kein Vorbild ist

Viele Bulgarinnen und Rumäninnen haben die EU-Osterweiterung im Jahr 2007 genutzt, der Armut in ihrem Lande zu entfliehen und legal nach Deutschland zu kommen. Arm, ohne Sprachkenntnisse und mit geringer Bildung suchen einige von ihnen eine Verdienstmöglichkeit in der Prostitution, um sich und ihre Familie im Herkunftsland zu ernähren. Oft ist es nicht ihr eigener Wille, sondern sie werden von ihren Familien nach Deutschland geschickt. Um dieser Zwangslage zu entgehen, brauchen diese Frauen Hilfen und eine Alternative zur Prostitution. An dieser Stelle gibt es Überschneidungen zum Menschenhandel, da auch organisierte Banden diese Situation ausnutzen. Das muss mit allen Mitteln bekämpft werden, etwa durch Polizeikontrollen in Bordellen, die weiterhin möglich sind. Der Handel mit Frauen ist aber keine Folge des Prostitutionsgesetzes.

Bevor Entscheidungen über Änderungen am Gesetz getroffen werden, sollte zunächst das Verhältnis zwischen Staat und Individuum geklärt werden: Wollen wir weiterhin in einem liberalen Wohlfahrtsstaat leben, in dem Menschen das Recht haben, so zu leben, wie sie wollen, solange sie die Freiheit anderer nicht einschränken? Oder streben wir einen kommunitären Wohlfahrtsstaat an, in dem der Staat allgemein gültige Werte und Normen für die gesamte Gesellschaft festlegt, denen sich die Menschen unterzuordnen haben, wie es in Schweden der Fall ist?

Das schwedische Modell gilt manchen in Deutschland als Vorbild; es hat allerdings viele Schattenseiten. Dort gelten seit 1999 ein Verbot des Sexkaufs und eine Bestrafung der Freier, während der Sexverkauf straffrei bleibt. Eigentlich absurd. Es käme doch auch niemand auf die Idee, den Käufer von Alkohol zu bestrafen, aber gleichzeitig den Verkauf zu erlauben. Zwar ist Prostitution in Schweden nicht mehr so häufig auf der Straße sichtbar, aber die Frauen leben seitdem gefährlicher. Sie werden an unsichere Orte verdrängt, verabreden sich über das Internet. In Schweden hat ein Polizeioffizier deshalb das Recht, eine Überwachung oder Hausdurchsuchung, sogar eine Telefonüberwachung, wenn sie nicht in größerem Ausmaß stattfindet, ohne richterlichen Beschluss durchzuführen. Wollen wir in einem solchen Staat leben? Von einer Verhältnismäßigkeit der Mittel kann wohl kaum gesprochen werden, wenn in Schweden weniger als eine Anklage gegen Freier pro Tag erhoben wird und in den vergangenen Jahren vier Männer für Sexkauf ins Gefängnis mussten. Für einen liberalen Rechtsstaat wie Deutschland ist so etwas glücklicherweise undenkbar.

Auch ein Komplettverbot ist für uns unrealistisch. In China, Saudi-Arabien oder Iran steht auf Prostitution die Todesstrafe. In den Vereinigten Staaten werden jährlich 60 000 Frauen wegen Prostitution verhaftet, diese finden danach keine Arbeit – und gehen weiterhin der gleichen Tätigkeit nach.

Was hilft den Menschen wirklich?

Wenn es allen – wie gern behauptet wird – um die verbesserte Situation der Prostituierten ginge, müsste die Leitfrage für jede vorgeschlagene Maßnahme lauten: „Was hilft den Menschen, die in der Prostitution arbeiten, wirklich?“ Dann wären viele populistische Vorschläge, die das eigene Ego beruhigen, sofort vom Tisch. Dennoch besteht ein erheblicher Handlungsbedarf bei der Verbesserung der Arbeitssituation. Hier hätten die Länder, die bis zur Föderalismusreform für das Gewerberecht zuständig waren, längst handeln müssen. Nun ist der Bund am Zuge. Die schwarz-gelbe Koalition hatte 2013 einen Versuch unternommen – ohne Erfolg.

Jetzt wollen CDU / CSU und SPD die allgemeinen Aussagen im Koalitionsvertrag mit Leben füllen. Über die konkreten Regelungen gibt es allerdings in vielen Punkten Streit. Einigkeit besteht bei der gewerberechtlichen Erlaubnispflicht für Prostitutionsbetriebe mit entsprechenden Auflagen, um unhygienische und unzumutbare Arbeitsbedingungen zu beenden. Dabei muss auch die Zuverlässigkeit der Betreiber geprüft werden, anderenfalls darf es keine Erlaubnis geben. Ähnliches ist bei der Nichteinhaltung vorgeschriebener Auflagen vorzuschreiben. In diesem Fall sollte die Genehmigungsbehörde die Erlaubnis entziehen können und die Einrichtung schließen. Mit diesen Maßnahmen könnten bereits viele Missstände beseitigt werden. Eine Anmeldepflicht für jede einzelne Prostituierte hingegen dient nicht zur Unterscheidung zwischen legaler Prostitution und strafbarer Zwangsprostitution, sondern nur der Kontrolle mit immensen Datenschutzproblemen.

Neben dem Bund sind allerdings auch die Kommunen gefragt. Angesichts ihrer knappen Kassen haben allein in Nordrhein-Westfalen 13 Gemeinden eine Sexsteuer eingeführt und nehmen dadurch 300.000 Euro jährlich ein. Dieses Geld sollten sie in Beratungsstellen stecken, die über die rechtliche Situation, Gesundheits- und Arbeitsschutz sowie Ein- und Ausstiegsmöglichkeiten informieren. Unglücklicherweise erleben wir gerade das Gegenteil. So wurde beispielsweise in Dortmund die Finanzierung für ein Projekt gestrichen, das bulgarischen Prostituierten in ihrer Heimatsprache Hilfe angeboten hatte.

Schutz für die Opfer des Menschenhandels

Die von der CDU vorgeschlagene Heraufsetzung des Mindestalters von 18 auf 21 Jahre, „um die stetige Nachfrage nach immer jüngeren Frauen“ einzudämmen, entbehrt nicht nur jeder Statistik, sondern ist auch keine sinnvolle Maßnahme. Die jungen Volljährigen würden sicherlich in die Illegalität gehen und keinerlei Schutz genießen. Es dürfen rechtlich keine anderen Maßstäbe an Prostituierte angelegt werden als etwa an Soldatinnen, die mit 18 Jahren sogar ihr Leben in Gefahr bringen können. Auch die von der CSU ins Spiel gebrachten Zwangsuntersuchungen stigmatisieren Menschen, die in der Prostitution arbeiten. Untersuchungen hatten gezeigt, dass das Risiko übertragbarer Krankheiten bei ihnen nicht größer ist als im Durchschnitt der Bevölkerung.

Noch wesentlich mehr uneingeschränkte Hilfe und Unterstützung des Staates als bisher brauchen aber vor allem die Opfer des Menschenhandels. Eine effektivere Verfolgung der Täter ist ebenso unabdingbar, wie den Betroffenen Schutzwohnungen bereitzustellen und das Aufenthaltsrecht unabhängig von der Aussagebereitschaft anzubieten. Italien hat es uns vorgemacht und damit die Zahl der Aussagen gegen Menschenhändler sogar erhöht. Ein Zeugnisverweigerungsrecht für spezialisierte Beratungsstellen hilft den Opfern, Vertrauen aufzubauen und über ihre furchtbaren Erlebnisse zu berichten. Daneben ist es notwendig, den Straftatbestand Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung neu zu fassen, damit die Bestrafung der Täter nicht länger von der Aussage der Opfer abhängt. Denn bisher ist die Rechtlosigkeit der Opfer der beste Täterschutz. An diesem Punkt ist der Staat besonders gefragt.

http://www.b-republik.de/archiv/mehr-re ... ausbeutung
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Beitrag von nina777 »

10.12.2014

Zwangsprostitution per Gesetz eindämmen?

Der Berliner Pub Talk am 27. November 2014 hatte ein brisantes Thema:”Zwangsprostitution per Gesetz eindämmen?” Die schwarz-rote Bundesregierung plant ein neues Prostitutionsgesetz. Ziel ist es, Zwangsprostitution und Menschenhandel in Deutschland einzudämmen.

Hierzu haben die in ihrer Fraktion zuständige CDU-Bundestagsabgeordnete Sylvia Pantel MdB und Hydra-Vorstand Karolina Leppert mit dem Publikum beim Berliner Pub Talk diskutiert. Moderiert hat Matthias Bannas; er faßte die Diskussion zusammen.

Zwangsprostitution - Bestandsaufnahme

Wie hoch der Anteil der Zwangsprostitution in Deutschland ist, darüber lässt sich trefflich streiten. Frau Pantel verwies auf ihre Gespräche mit Sachverständigen aus Polizei, Justiz und Beratungsstellen. Demnach arbeiten nur zehn Prozent der Prostituierten in Deutschland selbstbestimmt und freiwillig. In Düsseldorf und Berlinhat sie mit mehreren Prostituierten gesprochen, die massive Gewalt erlebt haben, Schläge und Verbrennungen von Zigaretten auf den Händen.Gerhard Schönborn, der mit der Beratungsstelle Neustart e.V. Prostituierte aus der Kurfürstenstraße berät, bestätigte, dass viele Prostituierte dort unter Zwang stünden. Zuhälter hätten die Kontrolle über einen Großteil der osteuropäischen Prostituierten, die dort arbeiten.Und die Kurfürstenstraße dürfe nicht isoliert gesehen werden. In den Bordellen seien die Abhängigkeiten der Frauen aus den osteuropäischen Ländern ähnlich. Frau Leppert widersprach der Auffassung, dass der Anteil der Zwangsprostitution bei 90 Prozent liegt. Es liegen keine belastbaren Studien vor. Die Kurfürstenstraße mache auch nur einen ganz geringen Teil der Prostitution in Berlin aus. Dennoch werden die Verhältnisse in der Kurfürstenstraße immer auf die Arbeit aller Prostituierten in Berlinübertragen. Bei der geschilderten Gewalt gegenüber Frauen handele es sich um Rechtsverstöße. Hier bestehe ein Vollzugsdefizit von Seiten der Polizei. Aus der Sicht von Frau Pantel liegt die Ursache für den geringen Spielraum der Polizei an einer fehlenden Rechtsgrundlage. Das würde sich mit dem geplanten Gesetz verbessern.

Prostitution als normale Tätigkeit

Frau Leppert warnte gemeinsam mit der BordellbetreiberinFelicitas Schirow (Cafe Pssst!) vor den Folgen des geplanten Gesetzes. Viele Frauen, die ohne fremden Zwang ihren eigenen Weg gefunden hätten, als Prostituierte zu arbeiten, würden in die Illegalität gedrängt. Frau Pantel entgegnete, dass die geplanten gesetzlichen Regelungen der Prostitution einen klaren Regulierungsrahmen geben würden, der auch für andere selbständige Tätigkeiten ganz normal sei. Sie sei selber als selbständige Unternehmerin tätig gewesen und hätte sich auch beim Gewerbeamt registrieren lassen müssen, Sozialversicherungsabgaben abgeführt, Steuern gezahlt und vieles mehr.

Zwang zur Gesundheitsuntersuchung und Registrierung?

Die Bundesregierung plant unter anderem eine Registrierungspflicht und regelmäßige Gesundheitsuntersuchungen für Prostituierte. Das würde laut Pantel Zwangsprostitution deutlich erschweren und der Polizei eine Handhabe zur Strafverfolgung geben. Bei der Polizei und den Gesundheitsämtern seien auch die Daten der Prostituierten sicher, erklärte die Politikerin. Dieses Vertrauen konnte Frau Leppert nicht teilen. Vor dem Hintergrund der Stigmatisierung der Prostitution würden diese Regelungen zu einer Verlagerung in die Illegalität führen. Dann könnten die Frauen viel schlechter beraten und geschützt werden. Frau Schirow ergänzte, dass eine Zwangsgesundheitsuntersuchung diskriminierend sei. Sie würde das nicht mitmachen. Ob Prostituierte besonders anfällig für sexuell übertragbare Krankheiten seien, war strittig. Frau Pantel und Herrn Schönborn wiesen auf den schlechten Zugang zu Medikamenten und medizinischer Versorgung für Prostituierte ohne Krankenversicherung hin. Frau Leppert erklärte, dass Prostituierte nicht stärker von sexuell übertragbaren Krankheiten betroffen seien als der Rest der Gesellschaft. Hierzu lägen Studien vor.

Besteuerung

Die Registrierung würde auch dazu führen, dass eine Besteuerung der Prostitution in Zukunft einfacher sei. Der Bundesrechnungshof hatte Defizite bei der Besteuerung gerügt, da es keine einheitliche Regelung zur Besteuerung der Prostitution gibt. Das sei aber nicht das Hauptmotiv für die Gesetzesinitiative erklärte Frau Pantel auf Fragen aus dem Publikum. Frau Leppert wies darauf hin, dass Prostituierte bereits heute nach dem "Düsseldorfer Modell" besteuert werden. Herr Schönborn erklärte, dass selbst die Prostituierten auf der Kurfürstenstraße eine Steuernummer von der zuständigen Behörde erhalten würden. Frau Pantel ergänzte, dass die Steuernummern oft verloren gehen und das Düsseldorfer Modell auch nur ein Vorsteuer-Modell ist und keine Steuererklärung ersetzt.

Das schwedische Modell

Frau Pantel machte deutlich, dass die Bundesregierung eine Bestrafung von Freiern von Zwangsprostituierten plane. Eine Regelung vergleichbar dem schwedischen Gesetz, wo nicht die Prostitution verboten ist, sondern ausschließlich der Kauf von sexuellen Dienstleistungen und deshalb nur Freier strafrechtlich verfolgt werden können, sei nicht vorgesehen. Das wurde aus dem Publikum kritisiert. Die schwedische Regelung sei erfolgreich und von anderen Ländern übernommen worden.Frau Leppert entgegnete, dass auch in Schweden Prostitution immer noch an der Tagesordnung sei, nur eben illegal und ohne Schutz und Beratung für die Frauen. Das wurde von einem Teilnehmer aus dem Publikum aus eigener Erfahrung bestätigt.

Fazit

Der Forderung von Frau Pantel und Angela Fischer (Netzwerk "Gemeinsam gegen Menschenhandel", Heilsarmee) aus Solidarität mit den Zwangsprostituierten die geplanten Regelungen zur Gesundheitsuntersuchung und Registrierung zu unterstützen, stimmte Frau Leppert nicht zu.
Sinnvoller sei es, die Beratungsangebote für Frauen zu stärken. Hydra e.V. biete zum Beispiel auch eine Einstiegsberatung an. Das führe dazu, dass viele Frauen von der Prostitution Abstand nehmen würden, weil ihnen bewusst wird, dass sie den Belastungen nicht gewachsen sind. Frau Pantel machte noch einmal deutlich, dass sie von der Wirksamkeit der Gesetzesinitiative überzeugt sei und dass eine Einigung mit dem Koalitionspartner in Aussicht ist.

Der Berliner Pub Talk
Der Berliner Pub Talk ist eine monatliche Veranstaltungsreihe im en passant, Prenzlauer Berg. In 2 x 30 Minuten diskutieren zwei Experten über ein aktuelles politisches Thema mit dem Publikum.

http://www.pankower-allgemeine-zeitung. ... eindammen/
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Beitrag von Doris67 »

Ich warte auf den Ansatz "Zwangsrettung Prostituierter per Gesetz eindämmen"...
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Diakonie gegen Verbot der Prostitution

Beitrag von translena »


Diakonie gegen Verbot der Prostitution


Hamburg (dpa/lno) - Die Diakonie in Hamburg hat sich gegen ein Verbot der Prostitution ausgesprochen. Dies sei weder wirksam noch ethisch begründbar, sagte Diakonie-Vorstand Gabi Brasch am Donnerstag bei einer Fachtagung. Man müsse vielmehr sexualisierte Ausbeutung, Gewalt und Menschenhandel bekämpfen. Zudem müssten die vor allem aus Osteuropa stammenden Prostituierten hier besser über ihre Rechte und Möglichkeiten informiert werden. Prostitution müsse zwar reguliert werden, man dürfe aber nicht die Prostituierten durch eine Meldepflicht stigmatisieren. In Hamburg wird die Zahl der Prostituierten auf 2500 geschätzt. 1500 von ihnen kommen aus dem Ausland, vorwiegend aus Osteuropa.
http://www.welt.de/regionales/hamburg/a ... ution.html

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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von fraences »

„Das Sexgewerbe braucht keine Sondergesetze“

Die Bundesregierung plant ein neues Prostitutionsgesetz, das Sexarbeiterinnen vor Ausbeutung schützen und ihre Gesundheit fördern soll. Leider zeigen die Details, dass die Verantwortlichen wenig von den Problemen in der Sexarbeit verstehen.

Wenigstens in einem sind sich alle einig: Das seit 2002 geltende Prostitutionsgesetz war nicht der Weisheit letzter Schluss. Der Versuch, den Sexarbeite­rinnen die Möglichkeit einer sozialversicherten Anstellung zu eröffnen, war gut gemeint. In der Praxis nützt sie aber nur wenigen. „Die meisten Sexarbeiterinnen arbeiten lieber selbstständig“, sagt Ma­rianne Rademacher, Frauenreferentin der Deutschen AIDS-Hilfe. „Sie möchten selbst entscheiden, wo, mit wem und wie lange sie tätig sind. Das lässt sich nur schwierig in ein Angestelltenverhältnis einbinden.“

Im Herbst 2013 beschloss die Große Ko­alition einmütig, das Prostitutionsgesetz zu verbessern. Am 1. Januar 2016 soll das neue Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) in Kraft treten. Aber mit der Einigkeit ist es schon wieder vorbei, denn bei den nun vorliegenden Eckpunkten hat sich der konservative Flügel der Union durchgesetzt. Bordelle sollen schärfer kontrolliert werden, außerdem ist eine Anmeldepflicht für Sexarbeite­rinnen vorgesehen.

Gute Ziele, schlechte Mittel

Die in den Eckpunkten angepeilten Ziele des Gesetzes kann auch die Deutsche AIDS-Hilfe voll und ganz unterstützen. Das künftige Gesetz soll unter anderem

das Selbstbestimmungsrecht und die Rechtssicherheit der Sexarbeiterinnen stärken
durch Fachgesetze „verträgliche Ar­beitsbedingungen“ und „den Schutz der Gesundheit“ garantieren
Menschenhandel, Gewalt und Ausbeu­tung in der Sexarbeit bekämpfen.
Gleichzeit aber taucht in den Zielformu­lierungen die 2002 eigentlich überwun­dene Kontrollfantasie auf, Prostitution „durch ordnungsrechtliche Instrumente“ zu überwachen und „sozial unverträg­liche (…) Auswirkungen der Prostituti­onsausübung (…) zu verdrängen“. Mit anderen Worten: Die Prostitution soll aus dem öffentlichen Leben verschwinden.

Die Prostitution soll aus dem öffentlichen Leben verschwinden

So soll für alle „Prostitutionsstätten“ künftig eine Erlaubnis nötig sein, die über die normale Gewerbeordnung hi­nausgeht. Sie ist mit hohen Auflagen ver­bunden, die viele Anbieter abschrecken dürfte. Besonders im Fokus: sogenannte Wohnungsbordelle in Mietshäusern. „Das neue Gesetz würde ausgerechnet diese Wohngemeinschaften erschweren, die sich Frauen selbst organisieren – zu ihrem eigenen Schutz und ohne Zuhäl­ter“, sagt Marianne Rademacher. „Es wäre schlimm, wenn die Behörden diese Arbeitsform zerschlagen würden.“

Auch ein Mindestalter für die Ausübung von Sexarbeit ist noch nicht vom Tisch. Zuletzt hatte das SPD-geführte Sozialministerium in Niedersachsen eine sol­che Altersgrenze gefordert. Die Union ist sowieso dafür. Erst ab 21 sollen Frauen legal anschaffen können. Doch das Mindestalter würde die Situation ausgerech­net für die jüngsten Frauen verschlech­tern. „Der Zugang zu relativ sicheren Arbeitsplätzen in festen Häusern wäre den 18- bis 20-Jährigen dadurch ver­wehrt“, erläutert Marianne Rademacher. Als Alternative bleibt der Straßenstrich. „Der birgt hohe Risiken, insbesondere für Personen mit geringen Erfahrungen in der Prostitution.“ Zudem seien die Frauen für Präventionsangebote dann nur noch schwer ansprechbar – sie müs­sen ja stets mit Verhaftung wegen ille­galer Prostitution rechnen.

Gesundheit durch Kontrolle?

An manchen Stellen wirkt das Eck­punktepapier, als wolle die Große Koa­lition Sexarbeiterinnen zu ihrem gesund­heitlichen Glück zwingen. Ein zentraler Punkt ist die Registrierungspflicht, die über die Gewerbeanmeldung hinausgeht. Ausgerechnet hier sollen die Antragstel­lerinnen auf Angebote zur Gesundheits­beratung hingewiesen werden.

„Die Eckpunkte der Regierungsfrakti­onen orientieren sich zu sehr an Kontrol­len und Strafen“, kritisiert Marianne Rademacher. „Aber Kontrollen in der Sexarbeit wirken nicht, sondern schre­cken ab.“ Hinzu kommt: Zwei Drittel der Sexarbeiterinnen kommen nicht aus Deutschland. „Frauen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus entziehen sich ohnehin der Kontrolle, weil sie ständig fürchten müssen, abgeschoben zu werden“, erklärt Rademacher.

„Kontrollen wirken nicht, sondern schre­cken ab.“

Auch Marianne Rademacher kennt die zum Teil schlechten Bedingungen in der Sexarbeit. Sie zweifelt aber, ob strengere Gesetze daran etwas ändern werden. „Die Regierungsfraktionen tun so, als ob Missstände in Bordellen nur mit neuen Kontrollinstrumenten behoben werden könnten“, kritisiert Rademacher. Aber schon heute ermögliche es die Gewerbe­ordnung, einschlägig vorbestraften Men­schen den Betrieb eines Bordells zu un­tersagen. „Das Sexgewerbe braucht keine Sondergesetze, sondern offizielle Ar­beitsstandards. Die gilt es unter Einbezie­hung aller Beteiligten zu entwickeln.“

Menschenhandel bekämpfen

Das Problem bei der ganzen Sache ist: Die Abgeordneten sprechen oft von Prostitution, meinen aber Menschenhan­del. Den gibt es in Deutschland tatsäch­lich. Doch Hungerlöhne, Erpressung und Gewalt sind kein Phänomen, das nur in der Sexarbeit vorkommt. Auch Hilfsarbeiter gehen in Deutschland auf den „Arbeitsstrich“ und nehmen aus wirt­schaftlicher Not unmenschliche Arbeits­bedingungen in Kauf. Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) schätzt die Zahl der von Zwangsarbeit betroffenen Menschen in der Europäischen Union auf 880.000. Über die Hälfte davon Frauen. Ein Drittel der Fälle umfasst Sexarbeit, die Opfer arbeiten aber auch in Gastronomie, Pflege und Landwirtschaft.

Auch Hilfsarbeiter gehen in Deutschland auf den „Arbeitsstrich“

Die Bundesregierung könnte die Ausbeutung der zumeist aus Südosteuropa eingewanderten Arbeitskräfte deutlich verbessern: nicht durch das Prostitutionsgesetz, sondern durch bessere Aufenthaltsbedingungen. Schon seit zwei Jahren gibt es eine EU-Richtlinie gegen Menschenhandel. Sie soll die Rechte derjenigen stärken, die unter Zwang und Androhung von Gewalt arbeiten. In Deutschland hängt der Gesetzentwurf zur Abstimmung in den Bundesministerien fest.

Eine weitere wirksame Maßnahme gegen Menschenhandel könnte ein besserer Zeugenschutz sein. „Frauen, die gegen organisierte Kriminelle aussagen, sind bisher nur solange geschützt, wie das Verfahren läuft“, weiß Rademacher, „dann werden sie abgeschoben. Wer Angst vor Abschiebung hat, geht nicht zur Polizei.“

Sexarbeit normalisieren: Sozialberatung im Bordell

Eine echte Unterstützung für Frauen im Sex Business bieten Fachberatungsstellen für Sexarbeit in mehreren Großstädten an. Im Projekt ProfiS, unterstützt von der Deutschen AIDS-Hilfe, organisieren Sozialarbeiterinnen und geschulte Sexarbeiterinnen Fortbildungen dort, wo die Frauen Geld verdienen. „Die Themen sind breit gefächert“, berichtet Marianne Rademacher. „Es geht nicht nur um Safer Sex, sondern auch um Krankenversiche­rung und Rechtsberatung.“ Wichtige Themen für die meist ausländischen Frauen: Aufenthaltsrecht und das Verhal­ten bei Polizei-Razzien.

„Die Angebote müssen so niedrigschwel­lig sein wie nur möglich“

„Diese praktischen Tipps sind oft die Türöffner für weitergehende Beratung wie Gesundheitsförderung oder beruf­liche Umorientierung“, erklärt Radema­cher. „Die Trainerinnen des Projekts bie­ten ein großes Informationspaket an, um die Frauen zu stärken und zu professio­nalisieren.“ Seit 2010 sind die Sexarbeit-Workshops bundesweit verfügbar. Weit über 1.000 Personen haben schon an 170 Vor-Ort-Schulungen teilgenommen. Es fehlt allerdings an Ressourcen, um alle angemessen zu versorgen.

„Die Angebote müssen so niedrigschwel­lig sein wie nur möglich, die Frauen müs­sen auf Augenhöhe eingebunden sein“, betont Rademacher. Freiwillige und anonyme Angebote von Selbsthilfevereinen und Gesundheitsbehörden werden gut angenommen. Die geringe Zahl der HIV-Infektionen bei Sexarbeiterinnen in der Bundesrepublik bestätigt den Erfolg dieser Ansätze.

Auch das neue Gesetz bleibt Stückwerk

Mit dem neuen Prostitutionsgesetz droht nun wieder mehr Repression. Um die Zu­stimmung des Bundesrates sicherzustel­len, versprechen die Regierungsfrakti­onen in ihren Eckpunkten zudem, die Befugnisse der Länder in Sachen Prosti­tution nicht zu beschneiden. So können weiterhin Sperrgebiete angeordnet wer­den. „Schon das gültige Prostitutionsgesetz ist in weiten Teilen nie konsequent umgesetzt worden“, kritisiert Marianne Rademacher. Mit Sperrgebietsverord­nungen und über den Umweg des Bau­rechts haben vor allem die südlichen Bundesländer die gewünschte Liberali­sierung verhindert. „Behördenwillkür und regelmäßige Polizeikontrollen drän­gen das Sexgewerbe in die Illegalität“, sagt Rademacher. „Wir brauchen aber eine bundesweit einheitliche Rechtsicherheit, sowohl für Sexarbeiterinnen als auch für Betreiberinnen und Betrei­ber von Bordellen.“

„Wir brauchen eine bundesweit einheitliche Rechtsicherheit“

Mit dem neuen Gesetz wird erst recht jedes Bundesland Rotlicht-Politik nach eigenem Gusto machen – inklusive fach­lich unsinniger Regelungen wie der „Kondompflicht“. Die versucht die baye­rische Polizei seit 2001 durchzusetzen, unter anderem, indem sie Beamte als „Scheinfreier“ in die Bordelle schickt. „Sexarbeiterinnen ziehen sich aufgrund solcher Repressalien eher zurück und sind für Gesundheitsberatung nicht mehr erreichbar“, sagt Marianne Rademacher. „Wer den Frauen im Gewerbe helfen möchte, muss ihnen mit Respekt und Toleranz begegnen.“

http://blog.aidshilfe.de/2014/12/12/das ... ergesetze/
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Warum ich mich auf das neue Prostituiertenschutzgesetz freue

Beitrag von translena »


Warum ich mich auf das neue Prostituiertenschutzgesetz freue…

++++ ACHTUNG SARKASMUS !!!!!!!! ++++


Wenn ich so genau drüber nachdenke, ist es eigentlich total unsinnig gegen das geplante neue Prostituiertenschutzgesetz der GroKo anzugehen…

Im Folgen zähle ich mal die vielen tollen positiven Aspekte für uns auf:

Die Vorteile für (in Deutschland lebende) SexarbeiterInnen:

so ca. die Hälfte meiner Konkurrenz verschwindet dann von selbst, weil sie sich nicht als Prostituierte registrieren lassen können/wollen
ich kann endlich wieder richtig Kohle machen, denn die Männer haben weniger Auswahl
sollte eine Kondompflicht kommen, kann ich auch mehr Kohle machen, denn ich biete einfach heimlich “Französisch ohne” nur noch gegen saftigen Aufpreis an
die Weiber aus dem Osten machen mir dann nicht mehr meine Preise kaputt, denn die ganzen Flatrate-Clubs verschwinden
hoffentlich verschwinden auch die ganzen Straßenstrichs, dann müssen die Kerle alle zu mir

Die Vorteile aus Sicht eines Betreibers:

die ganzen kleinen Läden werden dicht gemacht und verschwinden endlich, MEIN Laden wird dann der einzige Puff weit und breit sein
wenn die ganzen deutschen Frauen sich nicht registrieren lassen, fällt der Großteil meiner Konkurrenz weg und alle Männer müssen dann in MEIN Bordell kommen
es ist auch total geil, das dann ein Großteil der Wohnungsprostitution unmöglich wird, belebt mein Geschäft
die übrig gebliebenen Frauen müssen dann bei mir arbeiten, ich kann mir dann die besten Frauen für meinen Laden aussuchen
ich kann die Miet-Preise für die Zimmer anheben, denn da es weniger Prostitutionsbetriebe gibt, haben die Frauen ja keine Wahl und müssen sich dann auf meine Preise und Konditionen einlassen
Wenn die Frauen nur noch bei mir arbeiten können, sind sie abhängig von mir und zicken nicht rum

Die Vorteile aus Sicht eines Freiers:

Geil: wenn die Zwangsuntersuchung kommt, können wir endlich wieder gefahrlos AO ficken, denn die Frauen sind dann ja nachweislich gesund
Wenn ich merke, das eine Frau nicht registriert ist, kann ich sie vielleicht sogar zum Gratis-Fick “überreden”
Wenn die Frauen nicht mehr allein in Wohnungen arbeiten können, müssen sie in die Billig-Clubs zum arbeiten und dann kann ich sie zum halben Preis vögeln

Die Vorteile aus Sicht eines Abolitionisten:

Die Männer haben endlich weniger Möglichkeit “ihre Triebe auszuleben” und wir können sie mit Sex-Entzug einfacher erpressen
Wenn durch das neue Gesetz viele illegal arbeiten, erleben sie Gewalt, da sie keinen staatlichen Schutz in Anspruch nehmen können – das ist super für unsere Statistiken und beweist dann, das es ganz viele Opfer gibt und wir mehr Geld für unsere Opfer-Beratungsstellen bekommen müssen
Wenn die Prostituierten weniger Rechte haben, haben wir mehr Möglichkeiten, sie leichter unter Druck setzen zu können und Mundtot zu machen
Wenn sich viele nicht registrieren lassen und die Anzahl der sichtbaren Prostituierten zurück geht, behaupten wir einfach das Gesetz wäre ein voller Erfolg und das die Frauen dankbar ausgestiegen sind.. durch unsere Hilfe, dann erhalten wir sicher auch noch mehr Geld für unsere Rettungsindustrie

Die Vorteile aus Sicht eines “normalen Bürgers”:

Wenn die Prostitution eingedämmt wird, kommen auch weniger Migranten aus dem Osten und das ganze kriminelle Pack verschwindet
Es herrscht wieder Recht und Ordnung in Deutschland
Schön wäre, wenn Prostitution verboten würde, dann müssten alle Frauen wieder gratis vögeln



Noch Fragen? ;)

Das traurige daran ist nur, das leider die meisten wirklich so denken…
http://www.voice4sexworkers.com/2014/11 ... etz-freue/

Doris67
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Beitrag von Doris67 »

translena: Diesen Text sollten wir weitest verbreiten.
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nina777
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Beitrag von nina777 »

2.1.2015

Interview über Prostitution

"Wir werden uns später einmal schämen"

Die große Koalition ringt um ein Gesetz zur Eindämmung von Zwangs- und Armutsprostitution. Leni Breymaier, SPD-Vize und Verdi-Chefin im Südwesten, verlangt ein Verbot des Sexkaufs. Damit geht sie deutlich weiter als ihre eigene Partei.

Stuttgart. - Frau Breymaier, Sie haben die Initiative von Alice Schwarzer zur Abschaffung der Prostitution unterzeichnet. Sehen Sie sich als Mitstreiterin?

Alice Schwarzer betreibt das Thema seit vielen Jahren - ich bin da eher ein kleines Licht, eine Unterstützerin.

Glauben Sie, dass diese Diskussion auch im Bewusstsein vieler Männer schon etwas bewirkt hat?

Die Debatte hat in Teile der Gesellschaft hineingewirkt - ein ganzes Stück weit auch in die Politik. Man hat hingeschaut: Was ist passiert seit 2002? Und die Frage, bist du dafür oder dagegen, wird gestellt und diskutiert. Das war ja vorher nicht so.

Würden Sie den Sexkauf wie in Schweden generell verbieten und Freier bestrafen wollen?

Ich würde mich für das schwedische Modell entscheiden, weil wir heute kaum unterscheiden können, wer Zwangsprostituierte ist und wer nicht.

Wird dies jemals durchsetzbar sein in einem Land mit dem vielleicht liberalsten Gesetz in Europa?

Das ist ja ein Teil des Problems. Allein die öffentliche Diskussion in Frankreich hat die Franzosen über die Grenze zu uns getrieben. Wir Deutsche sind ja in Gleichstellungsfragen selten die Spitze der Bewegung gewesen – alles, was da passiert ist, kam aus Europa. Insofern glaube ich schon, dass wir das irgendwann hinkriegen. Es wird aber länger dauern, als ich es mir wünsche. Ich ging immer davon aus, gute Argumente zu haben und merke nun, dass mein Links-Rechts-Schema ausgehebelt ist. Bei dem Thema ist nichts verlässlich. Da gibt es die wildesten Diskussionen mit Leuten, die sonst zu 80 Prozent meiner Meinung sind und mir nun überhöhte Moral vorwerfen. Mir geht es nicht um Moral, sondern um Menschenrechte. Wir werden uns später im Rückblick einmal schämen, dass wir zugelassen haben, wie schlecht die Frauen behandelt werden.

Das Bedürfnis nach Prostitution ist Jahrtausende alt.

Ich glaube nicht, dass es ein Bedürfnis nach Ausbeutung von Frauen geben darf.

Ist Verkauf von Sex immer gleich Ausbeutung?

Inzwischen ist es überwiegend Ausbeutung: körperlich und seelisch. Die wenigen Frauen, die von Talkshow zu Talkshow tingeln und sagen, wie schön dieser Beruf doch sei, zeichnen eine Kunstwelt. Ich habe noch keine einzige getroffen, der das Spaß macht. Das sind auch Männerfantasien. Und was ist das für eine Gesellschaft, in der ein Geschlecht das andere kaufen kann? Das Frauenbild hat durch die Legalisierung seit 2002 großen Schaden genommen.

"Der Preisverfall schafft einen riesigen Markt"

Wollen Sie den Bereich in die Illegalität drängen?

Ich will diesen Bereich nicht in die Illegalität drängen, ich will, dass es für die Freier illegal ist. So wie Beleidigung, Körperverletzung und Vergewaltigung selbstverständlich illegal sind. Und hier wie auch bei Diebstahl oder Mord kommt niemand mit dem armseligen Argument um die Ecke, ein Verbot könne dies eh nicht verhindern. Der Preisverfall schafft einen riesigen Markt, das ist unsere Legalität. Es ist nicht so, dass es in Schweden keine Prostitution mehr gibt, aber sie geht zurück.

Die große Koalition in Berlin hat ohnehin schon große Mühe, sich zu einigen. Was sind Ihre konkreten Ziele?

Wenn ein Prostitutionsverbot in Sichtweite nicht zu erreichen ist, bin ich für jeden kleinen Schritt, der sie erschwert. Einer wäre die Gesundheitsprüfung. Früher hieß das Bockschein und war faktisch diskriminierend. Sie wäre oft die einzige Chance, dass die Prostituierten heraus kommen und mit anderen Frauen über ihre Situation sprechen können. Der große Teil meiner Partei fürchtet jedoch eine erneute Stigmatisierung.

Das Mindestalter von 21 Jahren ist ähnlich strittig.

Auch da ist meine Partei nicht mehrheitlich bei mir. Ich glaube aber, dass es nutzen würde, um die ganz jungen Frauen besser zu schützen.

Warum bremst die SPD - weil sie die Liberalisierung einst mit den Grünen beschlossen hat?

Große Teile von SPD und Grünen sowie die Linkspartei teilen nicht meine Position. Von den Bundestagsfraktionen ist die CDU mir hier näher als meine Partei. Dies nehme ich staunend zur Kenntnis. Es kann sein, dass das auf 2002 zurückgeht und dass die damalige Haltung zur Legalisierung noch immer da ist. Das zu bohrende Brett ist schon ziemlich dick.

Umstritten ist der Einfluss von Lobbyistinnen.

Ich hatte mal eine Auseinandersetzung mit einer Verbandsvertreterin, die mich kritisiert hat, ich würde Politik ohne die Betroffenen machen. Dann habe ich gesagt: Wie soll ich einen Stuhlkreis machen mit Zwangsprostituierten, die keinen Pass und keine deutschen Sprachkenntnisse haben. Diese Verbände vertreten alles, nur keine Zwangs- und Armutsprostituierten. Ich finde daher, dass man da auf die Falschen hört.

http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhal ... b936a.html
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Beitrag von Doris67 »

"Wir werden uns später einmal schämen" : Allerdings. Und zwar dafür, uns von reaktionären Moralaposteln/-innen und einer hochrentablen Unterdrückungsindustrie eine diskriminierende und unmenschliche Gesetzgebung haben aufschwatzen zu lassen.
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Beitrag von Doris67 »

"Diese Verbände vertreten alles, nur keine Zwangs- und Armutsprostituierten" : Erstens stimmt das nicht (und außerdem ist das eine faule Ausrede). Zweitens müssen wir genau deshalb Migranten/-innen noch viel stärker in unsere Bewegungen einbinden und ihnen, vor allem anderen, das Wort erteilen. Dann wollen wir mal sehen, ob Sexarbeitsgegner/-innen besser zuhören können als jetzt.
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nina777
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Beitrag von nina777 »

27.1.2015

Schutz von Zwangsprostituierten hat Vorrang / Gesetzesentwurf zu Zwangsprostitution und Menschenhandel ergänzen

Am morgigen Mittwoch steht der „Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/629/JI des Rates“ auf der Tagesordnung des Bundeskabinetts. Hierzu erklärt die rechtspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Elisabeth Winkelmeier-Becker:

"Der Gesetzentwurf ist in der bisherigen Fassung unzureichend. Im parlamentarischen Verfahren müssen klare gesetzliche Maßnahmen gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution ergänzt werden. Die Einbringung ins Kabinett zum jetzigen Zeitpunkt erfolgt nur vor dem Hintergrund, dass die Umsetzungsfrist für die Richtlinie abgelaufen ist und die EU-Kommission Strafzahlungen konkret angedroht hat.

Die konsequente Bekämpfung der Zwangsprostitution und des Menschenhandels ist unser vordringliches Ziel. Es darf nicht sein, dass Prostitution und Menschenhandel in Deutschland für die Hintermänner so lukrativ sind. Deshalb müssen wir alles daran setzen, diesem "Geschäftsmodell" den Boden zu entziehen.

Die gesetzlichen Regelungen müssen umfassend reformiert werden. Die Praxis braucht handhabbare Vorschriften zur Bekämpfung des Menschenhandels. Die Einführung der Strafbarkeit von Freiern von Zwangsprostituierten ist dabei ein wichtiges Mittel. Die Strafbarkeit ist allerdings nur dann berechtigt, wenn Freier wissentlich und willentlich die Zwangslage der Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution ausnutzen und diese zu sexuellen Handlungen missbrauchen. Wenn der Freier die Zwangsprostitution anzeigt, bedarf es einer Regelung zur Straffreiheit, beziehungsweise der Möglichkeit, von Strafe abzusehen oder diese zu mildern. Freier sollen einen Anreiz haben, ihre Kenntnis von Straftaten zu offenbaren."

http://bundesjustizportal.de/berlin/ite ... 4nzen.html

https://www.ptext.de/nachrichten/winkel ... ang-890952
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Beitrag von nina777 »

28.01.2015 Pressemitteilung

Koalitionspläne: Prostituierten drohen neue Gefahren

Prostituiertenschutz paradox: Statt Prostituierte zu schützen, wie es die Bundesregierung angekündigt hat, würde sich ihre Situation mit der Einführung von Zwangsuntersuchungen, einem Mindestalter von 21 und einer Anmeldepflicht massiv verschlechtern. In einem Offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundesministerin Manuela Schwesig sowie die Vorsitzenden der Koalitionsfraktionen haben sich Frauenrechtsorganisationen, Sozialverbände sowie Beratungsstellen für Prostituierte und Opfer von Menschenhandel gegen die noch strittigen Maßnahmen ausgesprochen.

Statt Prostituierte zu kriminalisieren und zu stigmatisieren, sollen sie mit dem neuen Gesetz in ihren Rechten gestärkt und vor Gewalt und Demütigung geschützt werden - das ist Konsens in der Koalition. "Die Prostituierten, die diese Erwerbstätigkeit freiwillig und selbstbestimmt gewählt haben, sollen sich darauf verlassen können, dass der Gesetzgeber ihnen ein sicheres, angstfreies Leben ohne gesellschaftliche Ächtung ermöglichen will," so Susanne Kahl-Passoth, stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Frauenrates. Umso unverständlicher ist die Diskussion um die Anhebung des Mindestalters auf 21. Die Unterzeichnerinnen sehen hier einen Verstoß gegen die Einheit der Rechtsordnung, denn in Deutschland gilt mit 18 Jahren die Volljährigkeit.

Wer meint, die unter 21-Jährigen mit dieser Maßnahme schützen zu können, unterschlägt die Konsequenzen: Die Prostituierten, die jünger als 21 sind, werden in die Illegalität gedrängt und damit im Notfall für polizeiliche Behörden und Hilfsangebote unerreichbar. Andrea Hitzke, Leiterin der Dortmunder Mitternachtsmission e.V., betont: "Grundsätzlich muss eine Kriminalisierung der jungen Menschen in der Prostitution vermieden werden. Gleichzeitig muss der Gesetzgeber eine Verdrängung in Prostitutionsbereiche verhindern, in denen die SexarbeiterInnen leicht Opfer von Ausbeutung und Gewalt werden."

Monika Nürnberger, Leiterin des Berliner Frauentreffs Olga, ist überzeugt: "Eine Verschiebung der Altersgrenze wird nicht dafür sorgen, dass es keine SexarbeiterInnen mehr unter 21 Jahren gibt. Es wird sie dann nur in einem versteckten und damit unregulierbaren und unsicheren Bereich geben."
Die umstrittenen Zwangsuntersuchungen lehnen die Unterzeichnerinnen ebenso ab. Sie widersprechen bewährten Strategien zur Bekämpfung sexuell übertragbarer Krankheiten. "Selbst vor Einführung des Infektionsschutzgesetzes haben sich die anonymen, kostenlosen Untersuchungsangebote der Gesundheitsämter in einigen Regionen Deutschlands als ausgesprochen effektiv erwiesen. Prävention durch Aufklärung hat immer besser funktioniert als Repressalien und Kontrolle", so Marianne Rademacher von der Deutschen AIDS-Hilfe.

"Auch verfassungsrechtlich sind die vorgeschlagenen Pflichtuntersuchungen höchst bedenklich, wenn sie sich allein an den Personenkreis der Prostituierten richten", erklärt Dr. Maria Wersig, Deutscher Juristinnenbund. Vor allem aber würden sie neuer Gefahr ausgesetzt: Dann nämlich, wenn Freier die Untersuchungsbescheinigungen als Freipass zu ungeschütztem Verkehr betrachten.

Im Widerspruch zum Prostituiertenschutz steht nach Auffassung der Unterzeichnerinnen auch die geplante Anmeldepflicht. Sie würde nur zu neuer Stigmatisierung von Prostituierten führen und hätten keinerlei Nutzen für die Bekämpfung von Zwangsprostitution. "Eine Anmeldepflicht birgt die Gefahr eines Zwangsoutings, ist datenschutzrechtlich bedenklich und würde viele Prostituierte in die Illegalität drängen", erklärt Andrea Hitzke.

Oberstes Gebot bei den anstehenden Beratungen zum Prostituiertenschutzgesetz muss sein, die legale Prostitution und den Menschenhandel nicht miteinander zu vermengen. "Das Prosti-tutionsgesetz richtet sich an legale, das heißt an freiwillige Sexarbeiter/-innen. Es regelt nicht, wie Opfer von Menschenhandel, Minderjährige oder Menschen ohne Papiere in der Prostitution geschützt werden. Es geht darum, die rechtliche und soziale Lage zu verbessern und für Sicherheit zu sorgen", so Maria Loheide, Diakonie Deutschland.

Für Rückfragen steht Ihnen zur Verfügung:
Deutscher Juristinnenbund e.V. (djb)
Vereinigung der Juristinnen, Volks- und Betriebswirtinnen
Telefon: +49 30 443270-0
E-Mail: geschaeftsstelle@djb.de

http://www.djb.de/Kom/K4/pm15-02/
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Beitrag von Kasharius »

Hört! Hört!

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fraences
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von fraences »

Neues Gesetz zur Regulierung der Prostitution stigmatisiert statt zu schützen


„Die Vorschläge der Großen Koalition schützen Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter nicht, vielmehr werden sie weiter stigmatisiert, entrechtet und in ein Schattendasein gedrängt, wo sie verstärkt Ausbeutung und Gewalt ausgeliefert sind“, warnt Cornelia Möhring, frauenpolitische Sprecherin und stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE, anlässlich des heutigen Pressegesprächs verschiedener Verbände zum Gesetz zur Regulierung der Prostitution und einem offenem Brief an Kanzlerin Merkel, in dem die geplanten Änderungen, wie verpflichtende Gesundheitsuntersuchungen, Heraufsetzung der Altersgrenze auf 21 Jahre sowie die Anmeldepflicht scharf kritisiert werden. Möhring weiter:

„Für das Beispiel Anmeldepflicht belegen Erfahrungen aus Wien, dass auch Opfer von Menschenhändlern bei den zuständigen Behörden gemeldet sind. Statt die Suche nach Betroffenen zu erleichtern, würde ein Registrierungsgebot jene Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter illegalisieren, die sich nicht öffentlich zu ihrem Beruf bekennen wollen, weil die gesellschaftliche Ausgrenzung ihre beruflichen oder sozialen Perspektiven zunichtemachen könnte.

DIE LINKE ergänzt, dass auch die Sicht von Prostituierten unbedingt mit einbezogen werden muss, wenn ihr Selbstbestimmungsrecht gestärkt werden soll, wie es die behauptete Absicht der Bundesregierung ist. Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter müssen in ihren Rechten gestärkt und die bestehenden Gesetze zum Kampf gegen Menschenhandel endlich ausgeschöpft werden.“

http://www.scharf-links.de/41.0.html?&t ... 9c449912ad
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)

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Beitrag von translena »

28.01.2015
Streit um neues Prostitutionsgesetz
Reform treibe Prostituierte in Illegalität

Von MIRA GAJEVIC


SPD und Union sind sich uneinig , welche Reformen den Prostituierten helfen und welche sie in die Illegalität treiben.
Foto: dpa/Arne Dedert


Die Union will die Anhebung des Mindestalters für Sexarbeiterinnen von 18 auf 21 Jahren. Frauenverbände fürchten, dass die geforderte Meldepflicht Prostituierte stigmatisieren wird. Auch gibt es Bedenken gegen die Kondompflicht und Zwangstests.


Eigentlich wollte Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) schon im Herbst einen Entwurf für ein Prostitutionsgesetz präsentiert haben, doch die Verhandlungen mit der Union sind seit Monaten festgefahren. Dabei hatten sich SPD und Union bereits im August vergangenen Jahres auf wesentliche Eckpunkte zur Verschärfung der Gesetzesregelungen verständigt. So soll es künftig eine Meldepflicht für Prostituierte geben, von Bordellbetreibern wird zudem eine Erlaubnispflicht für ihre Gewerbe verlangt. Weil die Union aber darüber hinaus auf verpflichtenden Gesundheitstests für Prostituierte, Kondompflicht und die Anhebung des Mindestalters für Sexarbeiterinnen von 18 auf 21 Jahren besteht, die SPD dies aber ablehnt, passiert derzeit gar nichts.
Frauenverbände und Diakonie unterstützen SPD

Unterstützt werden die Sozialdemokraten in ihrer Ablehnung von einem Bündnis von Frauenverbänden, Diakonie und Beratungsstellen. In einer am Mittwoch in Berlin präsentierten gemeinsamen Stellungnahme warnen sie vor einer Verschlechterung der Situation von Prostituierten. So würden verpflichtende Gesundheitsuntersuchungen den bewährten Strategien zur Bekämpfung sexuell übertragbarer Krankheiten widersprechen. Statt auf behördlichen Zwang zu setzen, sollten niedrigschwellige, kostenlose und anonyme Beratungs- und Untersuchungsangebote ausgebaut werden. Auch die Anhebung des Schutzalters auf 21 Jahre schade den Prostituierten. Die unter 21-Jährigen würden in die Illegalität gedrängt und seien damit ganz sicher nicht mehr für Ausstiegsangebote erreichbar.
Frauen nicht zwingen

Marianne Rademacher von der Deutschen Aidshilfe erklärte, dass die Erfahrung gezeigt habe, mit Zwang erreiche man gar nichts. „Die Leute kommen freiwillig, wenn man ihnen die Angebote macht.“ Monika Nürnberger vom Berliner Frauentreff Olga, einem Notdienst für Drogenabhängige, bestätigte dies aus ihrer Praxis. Frauen würden die angebotenen Gesundheitschecks wahrnehmen, „man muss sie nicht zwingen, etwas für ihre Gesundheit zu tun“.

Viele Vorbehalte gibt es auch gegen die von Union und SPD bereits beschlossene Anmeldepflicht für Prostituierte. Andrea Hitzke, die die Dortmunder Mitternachtsmission leitet, eine Beratungsstelle für Prostituierte und Opfer von Menschenhandel, sprach von der Gefahr des Zwangsoutings und der Stigmatisierung der Betroffenen; dies sei speziell für Frauen auf dem Land, die sich anonym prostituieren, ein großes Problem. „Das würde dazu führen, dass sie in die Illegalität gehen.“ Maria Wersig vom Deutschen Juristinnenbund erklärte, die Anmeldepflicht verkenne, dass es noch kein normaler Beruf sei, als Prostituierte zu arbeiten. „Wenn es normal ist, auf einer Party zu sagen, dass man Prostituierte ist, können wir gerne nochmal darüber reden“, sagte die Juristin.
Kontrolle sei nicht machbar

Die Kondompflicht halten viele schon aus dem Grund, dass sie nicht zu kontrollieren sei, für überflüssig. In Bayern, wo es ein entsprechendes Gesetz bereits gibt, habe dies zu verdeckten Ermittlungen bei Sexarbeiterinnen geführt. Den Schaden hätten Frauen, die die Bußgelder zahlen müssten, nicht die Freier, die auf den ungeschützten Sex bestehen.

Wenn es der großen Koalition wirklich um den Schutz der Frauen gehen würde, müssten nach Ansicht von Maria Loheide von der Diakonie vor allem die Beratungsangebote ausgebaut werden. Davon gebe es nicht nur viel zu wenig, sie seien auch noch „finanziell unglaublich schlecht abgesichert“.
http://mobil.berliner-zeitung.de/politi ... 88204.html

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Beitrag von nina777 »

29.1.2015

Sexarbeit und Politik

Offener Brief an Kanzlerin Merkel

Die Koalition will das Prostituiertenschutzgesetz verschärfen. Ein Bündnis aus Frauenverbänden und Beratungsstellen ist dagegen.


BERLIN taz | Frauenrechtsverbände, Beratungsstellen für SexarbeiterInnen und evangelische Einrichtungen wagen im Zuge der Koalitionsverhandlungen zur Reform des Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) den großen Aufschlag: "Eine Kriminalisierung der Prostitution zur Bekämpfung des Menschenhandels wäre kontraproduktiv", heißt es in einem Offenen Brief, das in seiner Form bisher einmalige Bündnis am Mittwoch veröffentlichte. Der Brief richtet sich unter anderem an Kanzlerin Angela Merkel.

Hintergrund sind die Pläne der Bundesregierung, das bestehende Gesetz zu verschärfen. So sollen unter anderem das Schutzalter für legale Prostitution von 18 auf 21 Jahre angehoben werden und Gesundheitsuntersuchungen für SexarbeiterInnen Pflicht werden. Darüber hinaus wird über eine Meldepflicht für Prostituierte diskutiert.

Das Bündnis, darunter der Deutsche Frauenrat und die Diakonie, wendet sich gegen diese Pläne. Es unterstütze zwar das Vorhaben, Prostituierte vor Gewalt zu schützen und ihnen eine gute Gesundheitsversorgung zu ermöglichen. Doch genau das Gegenteil werde eintreten, wenn das Gesetz verschärft würde.
So ließen sich minderjährige SexarbeiterInnen kaum davon abhalten, auf den Strich zu gehen, sagte Andrea Hitzke von der Dortmunder Mitternachtsmission. "Warum sollten es jene tun, die schon 18 sind?", sagt sie. Die meisten dieser Mädchen und jungen Frauen würden zwar freiwillgi auf den Strich gehen, sie seien dazu aber durch ihre soziale Notlage gezwungen. Viele hätten keine Ausbildung, keinen Job.

Auch der Zuhälter will, dass die Frauen gesund sind

Monika Nürnberger vom Berliner Frauentreff Olga hält Zwangsuntersuchungen für absurd. So seien Frauen, die selbstständig und freiwillig Sexdienste anbieten, peinlich auf Körper- und Gesundheitspflege bedacht. Aber auch Prostituierte, die für einen Zuhälter arbeiten, seien nicht weniger geschützt. "Der Zuhälter hat ein Interesse daran, dass die Frau gesund ist", sagte Nürnberger. Die Sozialarbeiterin fürchtet im Falle behördlicher Zwangsuntersuchungen eher, dass Zuhälter dann sagen: Da gehst du nicht hin.

Der Deutsche Juristinnenbund (djb), der die Initiative der Verbände angeschoben hat, meldet rechtliche Bedenken bei der Meldepflicht an. Die Meldepflicht widerspreche dem Datenschutz, meinte djb-Vorsitzende Maria Wersig: Würden die persönlichen Daten von Prostiuierten erhoben, würden damit auch Daten über sexuelle Praktiken der Betroffenen erfasst. Darüber hinaus gehe die Meldepflicht davon aus, dass Prostitution "ein ganz normaler Beruf ist", so Wersig: "Das ist er aber noch nicht."
Als falsches Signal wiesen die Initatorinnen das Argument zurück, mit einem rigderen Prostituiertenschutzgesetz würde der Menschenhandel eingedämmt. Das eine habe mit dem anderen nichts zu tun, so der einhellige Tenor. Vielmehr würde Menschen hierher geschleust, um vor allem in Schlachtfabriken zu arbeiten. Die Zahl der Zwangsprostituierten sei gering, das bestätige selbst das Bundeskriminalamt.

Unabhängig davon beschloss das Kabinett am Mittwoch einen Gesetzentwurf, der weitere Formen von Menschenhandel unter Strafe stellt. Das Schutzalter für minderjährige Opfer von Menschenhandel werde demnach von derzeit 14 Jahren auf 18 Jahre angehoben. Damit soll verhindert werden, dass Kinder nach Deutschland geschleust werden, um hier zu betteln und zu steheln. Tätern drohen mindestens sechs Monate Haft. Damit setzt die Bundesregierung eine EU-Richtlinie durch. Menschenhandel zum Zwecke der Prostutition ist davon unberührt. Der soll mit dem Prostituiertenschutzgesetz erfasst werden, das zu einem späteren Zeitpunkt verhandelt wird.

http://www.taz.de/Sexarbeit-und-Politik/!153730/
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Beitrag von nina777 »

29.1.2015

Prostitution:

Hilfsvereine gegen Mindestalter und Kondompflicht


Wann das neue Gesetz zur Prostitution kommt, ist noch unklar. Denn zwischen Union und SPD sind einige Punkte sehr umstritten. Mehrere Vereine, die Prostituierten Hilfe anbieten, haben sich jetzt eingeschaltet. Sie wollen vor allem eines nicht: Mehr Zwang.

BERLIN.Die Pläne der Bundesregierung für ein Gesetz zum Schutz von Prostituierten sind bei Hilfsvereinen und Frauenverbänden auf massive Kritik gestoßen.

Die Vereine lehnten nicht nur die Forderung der Union nach einer bundesweiten Kondompflicht in Bordellen ab, sondern auch die von den Koalitionären geforderte Anmeldepflicht für Prostituierte.

Eine Anmeldepflicht wäre erst dann nicht mehr problematisch, "wenn es normal ist, auf einer Party zu sagen, 'Ich bin Prostituierte", sagte Maria Wersig vom Deutschen Juristinnenbund.

Häufig Opfer von Diskriminierung

Davon sei man aber trotz der Legalisierung der Prostitution noch weit entfernt. Vor allem auf dem Land, wo jeder jeden kennt, würden Frauen, die sich als Sexarbeiterinnen registrieren ließen, leicht Opfer von Diskriminierung.

Die Leiterin der Beratungsstelle Mitternachtsmission in Dortmund, Andrea Hitzke, sprach sich zudem dagegen aus, ein Mindestalter von 21 Jahren für Prostituierte festzulegen.

Sie sagte: "Das würde keinen Schutz bringen, sondern die jüngeren Prostituierten nur in die Illegalität treiben, wo sie dann noch häufiger Opfer von Gewalt und Ausbeutung würden".

Kondompflicht schwer zu kontrollieren

Die Kondompflicht, die es in Bayern und im Saarland bereits gibt, finden die Hilfsgruppen vor allem deshalb schlecht, weil es schwer sei, Verstöße nachzuweisen.

Die Kontrollen verdeckter bayrischer Polizeiermittler, die sich als Freier ausgäben, seien der falsche Weg, weil dann nur die Sexarbeiterin bestraft werde und nicht der Freier, sagte Marianne Rademacher von der Deutschen Aidshilfe.

Die Kondompflicht, das Mindestalter, Pflichtuntersuchungen für Prostituierte und die Bestrafung von Freiern von Zwangsprostituierten sind zwischen SPD und Union noch umstritten.

Einigkeit besteht dagegen bei der Erlaubnispflicht für Bordelle und der Anmeldepflicht für Prostituierte.

Auch bei dem geplanten Verbot sogenannter "Gang-Bangs", "Flatrate-Sex" und anderen "menschenunwürdigen Veranstaltungsformen" ziehen die Koalitionäre an einem Strang.

Die komplette Legalisierung der Prostitution im Jahr 2002 hat nach Ansicht zahlreicher Experten nicht zu weniger Ausbeutung im Rotlicht-Milieu geführt.

http://www.aerztezeitung.de/panorama/ar ... licht.html
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Beitrag von nina777 »

30.1.2015

Sex-Arbeit - eine ganz normale Arbeit?

Sexarbeit ist in Deutschland legal. Aber Prostituierte werden stigmatisiert oder zu Opfern erklärt - auch wenn sie ihren Job freiwillig machen. Ein neues Gesetz soll sie schützen. Aber es gibt auch Kritik.


"Eine Zeit lang war ich sehr stolz auf die Sexarbeit", sagt Nadine. Sie trägt blonde Locken und einen flauschigen schwarzen Mantel. "Ich war stolz auf meine Stammgäste. Du kriegst für einen Quickie 150 Euro und denkst: Wow! Das ist ein geiles Gefühl." Nadine ist Mitte 30 und durchaus hin- und hergerissen gegenüber der, wie sie sagt, "Puff- und Plastikkultur". Sie hat die Macht über Männer genossen und gleichzeitig darunter gelitten, ihre Gefühle abzuspalten. Aber für sie war die Prostitution zehn Jahre lang der beste Weg, ihr Geld zu verdienen.
Die Verdienstspanne ist riesig: Von etlichen hundert Euro pro Termin im hochpreisigen Escort bis zu 20, 30 Euro pro Freier auf manchem Straßenstrich oder Laufhaus. "Es hat ein Preisdumping gegeben", sagt Mechthild Eickel von Madonna, einer Beratungsstelle für Sexarbeiterinnen in Bochum, "wie in anderen Branchen auch."

Prostitution ist in Deutschland legal, seit 2002 das Prostitutionsgesetz in Kraft getreten ist. Bis dahin galt der Vertrag zwischen Freier und Hure als sittenwidrig, Bordellbetreiber konnten wegen Förderung der Prostitution belangt werden. Jetzt ist ein Puff ein legales Gewerbe. Steuern mussten Sexarbeiterinnen schon immer zahlen - jetzt können sie sich sozial- und krankenversichern. Während die allermeisten krankenversichert sind, haben aber nur wenige eine Altersvorsorge. Das hat die vom Bundesfamilienministerium in Auftrag gegebene wissenschaftliche Evaluation des Prostitutionsgesetzes ergeben. Seit 2002 können Sexarbeiterinnen auch eine Festanstellung annehmen; das hat sich im Milieu allerdings nicht durchgesetzt.

Das Prostitutionsgesetz hat auch Kerstin Berghäuser bewogen, ihr eigenes Tagesbordell in Berlin zu eröffnen. Sie hat acht Jahre lang selber angeschafft, weil sie Schulden hatte, die sie mit ihrem Verdienst aus der Sexarbeit am schnellsten abbezahlen konnte. Dann wollte sie sich selbständig machen. "Der ausschlaggebende Punkt war, dass das Prostitutionsgesetz gerade in Kraft getreten war", erzählt die Mittvierzigerin, "und dass ich sicher war, dass ich nichts Verbotenes mache. Ich wollte den Frauen gute Arbeitsbedingungen schaffen. Und so Kleinigkeiten, dass Kondome im Laden sind, das war früher schon Förderung der Prostitution."

Prostitution ist nicht Menschenhandel

Das deutsche Prostitutionsgesetz ist eines der liberalsten der Welt. Anders als beispielsweise in den USA: Dort ist Prostitution illegal. Oder in Schweden und Frankreich: Dort ist der Sexkauf verboten; Freier machen sich strafbar. Das fordert mittlerweile auch eine Anti-Prostitutions-Bewegung in Deutschland. Ihr Argument: Der Menschenhandel nehme zu und die meisten Frauen arbeiteten unter Zwang. Fakt ist: Es gibt keine verlässlichen Zahlen - weder über die Anzahl von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern, noch über Opfer von Menschenhandel. Denn die Dunkelziffer ist hoch. Das sogenannte Hellfeld - die Zahl der Strafverfahren wegen Menschenhandels zur sexuellen Ausbeutung - hat zwischen 2000 und 2011 mit rund 500 Verfahren pro Jahr keinen "signifikanten Anstieg" erfahren, wie die Bundesregierung am 27.02.2013 in der Antwort zu einer Kleinen Anfrage im Bundestag zu den "Auswirkungen des Prostitutionsgesetzes auf die Entwicklung beim Menschenhandel" feststellte. Sie bezieht sich dabei auf die jährlichen "Lagebilder Menschenhandel" des Bundeskriminalamtes.

Auch die Evaluation des Prostitutionsgesetzes hält fest: Das Gesetz hat Menschenhandel und andere Kriminalität im Milieu nicht verringert. Es hat beides aber auch nicht erhöht. Und es behindert weder die Strafverfolgung noch Polizeikontrollen von Bordellen.

Das Gesetz ist auch nicht für Menschenhandelsopfer erlassen worden - um ihnen zu helfen, hat die Bundesregierung in den vergangen zehn Jahren Stück für Stück das Strafrecht verschärft, in der Regel, nachdem die EU die Änderungen mehrfach angemahnt hatte. Klar ist: Wer eine Person zum Sex zwingt, begeht eine Straftat - ob Vergewaltigung, Zuhälterei oder Menschenhandel zur sexuellen oder Arbeitsausbeutung.
Das Prostitutionsgesetz dagegen gilt für freiwillige Sexdienstleistungen. "Das Prostitutionsgesetz wird für Phänomene des Menschenhandels verantwortlich gemacht", kritisiert die Sozialwissenschaftlerin Barbara Kavemann, die das Gesetz evaluiert hat. "Aber wenn es angeblich so viel mehr Menschenhandel gibt, dann hat das vor allem mit der EU-Osterweiterung zu tun." Seit 2004 hat die Europäische Union 13 überwiegend osteuropäische Staaten aufgenommen. Frauen aus diesen Ländern können legal nach Deutschland einreisen und sich hier aufhalten.

Sexarbeit ist Arbeit

Paula ist eine von ihnen. Die zierliche Bulgarin mit den langen, fast schwarzen Haaren glaubte, sie könne in Deutschland in einer Küche arbeiten - und wurde vor einem Bordell abgesetzt. Das lässt sich als Menschenhandel werten: Die Ausnutzung einer hilflosen Lage, weil Paula kein Deutsch sprach, kein Geld hatte und nicht wusste, wohin sie sich wenden sollte. Sie weinte und wollte nicht als Prostituierte arbeiten - und tat es dann doch. Die Bordellchefin ließ sie von 6 bis 22 Uhr anschaffen und kassierte die Hälfte vom Verdienst - ein Fall massiver Arbeitsausbeutung. Paula flog mehrmals nach Bulgarien und kam nach Deutschland zurück. Weil sie keine feste Stelle annehmen durfte, arbeitete sie wieder im Puff. Das Ausländerrecht ließ ihr kaum eine andere Möglichkeit: Als Bulgarin durfte sie nur selbständig arbeiten.

Fünf Jahre hat Paula durchgehalten und ihren Job gehasst. Sie fand viele Männer eklig. Aber sie hat sich auch durchgesetzt: Sie hatte nie einen Zuhälter: "Einer hat's probiert und gesagt: "Ab heute arbeitest du für mich!" Ich hab den dumm angeguckt und gesagt: "Hast du nicht alle Tassen im Schrank?" Männer, die sich nicht benommen haben, hat Paula rausgeschmissen: "Nackt oder nicht - raus mit Euch! Denn die meisten haben probiert, es ohne Gummi mit mir zu machen." Verkehr ohne Kondom hat sie strikt abgelehnt.

Auch Migrantinnen wie Paula seien keineswegs nur Opfer, betont Mechthild Eickel von Madonna. "Viele Frauen arbeiten unter sehr schwierigen Bedingungen. Aber sie entscheiden sich dafür."
Ist Sexarbeit also ein Job wie jeder andere? Nein. Allein schon deswegen nicht, weil Prostituierten immer noch Verachtung entgegenschlägt - nur wenige können offen sagen, womit sie ihr Geld verdienen. Aber Sexarbeit ist Arbeit. Und die Frauen und Männer, die ihren Job als Dienstleistung ansehen, fordern gute Arbeitsbedingungen und Arbeitsschutzrichtlinien. Dazu würde auch gehören, dass Bordellbetriebe als Gewerbe angemeldet und baurechtliche Standards erfüllt werden müssen - eine entsprechende Regelung sieht das Prostitutionsgesetz aber nicht vor, so dass hier jede Kommune anders verfährt.

Verbände warnen: "Schutzgesetz" verstärkt Ausgrenzung

Eine Konzessionspflicht für Bordelle sieht darum das sogenannte Prostituiertenschutzgesetz vor, das die große Koalition zurzeit aushandelt. Arbeitsstandards erwähnt der Entwurf aber nicht. Stattdessen unter anderem eine Anmeldepflicht, medizinische Zwangsuntersuchungen und ein Mindestalter von 21 Jahren. Zur Begründung heißt es in einem Eckpunktepapier des federführenden Bundesfamilienministeriums unter anderem, das Gesetz solle das "Selbstbestimmungsrecht von Menschen in der Prostitution stärken" und "Kriminalität in der Prostitution (...) bekämpfen".

Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter, etwa der Bundesverband erotische und sexuelle Dienstleistungen (BesD), befürchten das Gegenteil. Auch Beratungsstellen und Fachverbände wie die Deutsche Aidshilfe, der Deutsche Frauenrat und der Deutsche Juristinnenbund (DJB) warnen, dieses Gesetz werde das Stigma der Prostituierten vergrößern und sie in die Illegalität abdrängen. Heftig kritisiert wird auch der Vorschlag, Freier zu bestrafen, die wissentlich zu Opfern von Menschenhandel gehen. Die Polizei bekommt beispielsweise von Paysexkunden oft anonyme Tipps - die würden sie in Zukunft vermutlich nicht mehr geben. Der DJB fordert stattdessen "stärkeren Schutz der Opfer von Menschenhandel" wie etwa ein Aufenthaltsrecht.

Engagierte Sexarbeiterinnen bemängeln, dass wenig mit ihnen und viel über sie geredet werde - sie wehren sich gegen Bevormundung. Johanna Weber vom BesD lacht: "Das ist wie diese Geschichte mit dem Pfadfinder, der jeden Tag eine gute Tat tun möchte und dann die Oma am Straßenrand über die Straße zerrt. Und auf der anderen Seite stellt er fest, dass sie gar nicht rüber wollte. Und so wird im Moment mit uns Prostituierten verfahren. Wir sollen alle gerettet werden und wir sagen alle fünf Minuten: "Nein, wir wollen aber nicht gerettet werden!"

http://www.dw.de/sex-arbeit-eine-ganz-n ... a-18222711
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von fraences »

Eigentlich alle... Das neue Prostitutionsgesetz

In diesem Jahr plant Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) das neue Prostitutionsgesetz. Es sieht unter anderem die Meldepflicht und die Zwangslistung für Sexarbeiter vor. Berufsverbände protestieren dagegen und prangern drohende Grundrechtsverletzungen und Diskriminierung an. Auch Stefan Körner, Bundesvorsitzender der Piratenpartei Deutschland betonte: „Sexarbeit muss endlich rechtlich umfassend als Erwerbsarbeit anerkannt und anderen Formen der Erwerbsarbeit gleichgestellt werden.“ Christiane vom Schloß, Redakteurin der Flaschenpost, hat mit Undine de Rivière, Sexarbeiterin, Physikerin sowie Gründerin und Sprecherin des „Berufsverbandes erotische und sexuelle Dienstleistungen“, zu ihrem Berufsalltag und dem geplanten Gesetz gesprochen.

Christiane: Undine, du hast einen Beruf, der Menschen neugierig macht. Wie sieht dein Arbeitsalltag aus?

Undine de Rivière: Eigentlich recht unspektakulär. Montags bis freitags beginnt mein Arbeitstag meist irgendwann vormittags zuhause mit dem Beantworten von E-Mails, Social-Media-Marketing, Buchhaltung und anderem Bürokram. Mittags schalte ich mein Telefon ein. Kundentermine finden ab 13:00 Uhr in meinen Arbeitsräumen statt, dazwischen heißt es, aufräumen, wischen, einkaufen, Bettlaken und Handtücher waschen etc. Ich bin selten länger als bis 20:00 Uhr beschäftigt, so dass ich einen normalen Feierabend habe. Später am Abend schaue ich nur oft noch einmal meine E-Mails an. Am Wochenende arbeite ich gar nicht.
Undine war vor Kurzem zu Gast in »Menschen bei Maischberger«, wo das Thema unter dem Titel »Gütesiegel für Bordelle, Strafen für Freier – Wird Prostitution menschlicher?« beleuchtet wurde. Die Sendung wird am Samstag, 31.01.15, um 23:15 Uhr auf 3sat wiederholt und ihr könnt sie auch in der ARD-Mediathek anschauen.

Ich treffe mich nur mit wenigen Gästen pro Woche, dann aber gern auch mal über mehrere Stunden. Die meisten meiner Kunden verabreden Termine länger im voraus per E-Mail, so dass ich zeitlich und inhaltlich gut planen kann. Für Laufkundschaft oder kurzfristige Verabredungen habe ich nur selten Zeit. Der Schwerpunkt meiner Arbeit ist seit Jahren die kreative Seite der Erotik: Rollenspiele, Fetisch-Sex, BDSM (Spiele mit Fixierungen, Machtgefälle und/oder Schmerz), sowohl aktiv als auch passiv. Ich arbeite selbst organisiert in einem kleinen Studio, das ich eingerichtet habe und mir mit ein paar Kolleginnen teile. Gelegentlich mache ich Ausflüge in andere Branchenzweige der Sexarbeit: Escort, Bordelle oder Gangbang (Gruppensex-Parties).

Du bist auch Sprecherin des Berufsverbandes erotische und sexuelle Dienstleistungen. Welche Ziele hat dein Berufsverband?

Der BesD verfolgt das Ziel, die Arbeits- und Lebensbedingungen von Sexdienstleister_innen zu verbessern, über die unterschiedlichen Aspekte von Prostitution zu informieren und aufzuklären, ein realistisches Bild der Sexarbeit zu vermitteln und der Diskriminierung und Kriminalisierung von Menschen in der Sexarbeit entgegenzuwirken.

Der BesD verfolgt dieses Ziel insbesondere durch berufsbezogene Veranstaltungen, Beratungs- und Bildungsangebote, öffentlichkeitswirksame Arbeit, Promotion und Publikation, politisches und rechtliches Engagement, nationale und internationale Vernetzung, Förderung von Bildung, Forschung, Kultur und Inklusion von und Solidarität mit Minderheiten in der Sexarbeit.

Das geplante Prostitutionsgesetz hat viel Protest heraufbeschworen. Welche geplanten Änderungen finden Sexarbeiter diskriminierend?

Eigentlich alle…

Eine polizeiliche Registrierungspflicht etwa gibt es in keiner anderen Branche, und diese Daten sind aufgrund der bestehenden gesellschaftlichen Stigmatisierung von Sexworkern besonders brisant. Ein entsprechender Versuch ist bereits 2009 in den Niederlanden an der EU-Datenschutzrichtlinie gescheitert, da die besondere Schutzwürdigkeit von Daten über das Sexualleben auch ein bezahltes Sexualleben nicht ausschließen darf.

Eine sinnvolles, bundeseinheitliches, zusammen mit Menschen aus der Praxis entwickeltes “Prostitutionsstättengesetz” mit Erlaubnispflicht für größere Betriebe ähnlich einer Gaststättenkonzession könnte zwar theoretisch in einer wohlmeinenden Gesellschaft ein Mittel sein, um gute Arbeitsbedingungen für Sexworker und Rechtssicherheit für Bordellinhaber zu gewährleisten – ein funktionierendes Beispiel dafür findet sich in Neuseeland – hierzulande und in der derzeitigen Stimmung müssen wir allerdings davon ausgehen, dass solche Konzessionen bzw. das Nichterteilen derselben vor allem zur “Prostitutionseindämmung” verwendet werden, wo Baurecht und Sperrbezirke nicht ausreichen. Angedacht sind derzeit Auflagen zum Betrieb, die jede Kommune individuell, willkürlich und sogar nachträglich festlegen kann, sowie die Pflicht zur Bordell-Konzessionierung für jede einzelne Sexarbeiter_in, die nicht allein in ihrer eigenen Wohnung arbeitet.

Dass bei einer normalen Gewerbeanmeldung ohne besondere Erlaubnis- oder Überwachungspflicht bereits das ganze Instrumentarium des Gewerberechts greift und somit zum Beispiel einschlägig vorbestraften Bordellinhabern der Betrieb untersagt werden kann, wird geflissentlich ignoriert. Übrigens nehmen noch immer nicht alle Kommunen überhaupt Gewerbeanmeldungen für Bordelle entgegen, da sie das ProstG von 2002 ausdrücklich nicht umsetzen wollen und widerrechtlich an der Sittenwidrigkeit der Sexarbeit festhalten.

Die Einhaltung einer Kondompflicht kann nicht unter menschenwürdigen Bedingungen überprüft werden, und für einen Untersuchungszwang auf Geschlechtskrankheiten gibt es keinerlei wissenschaftliche Basis (Sexarbeitende haben keine höheren Infektionsraten als der Rest der Bevölkerung, und die auf informierter Freiwilligkeit basierende Präventionsarbeit der Gesundheitsämter und AIDS-Hilfen funktioiniert nachweislich hervorragend).

Ein Mindestalter von 21 drängt junge Menschen in die Illegalität oder vorenthält ihnen sichere, legale Arbeitsorte und/oder angenehme Kunden, je nachdem, ob bei Missachtung die Sexworker selbst bestraft werden, oder diejenigen, die ihnen Infrastruktur zur Verfügung stellen, oder ihre Kunden.

Die Bestrafung von Kunden von “Zwangsprostituierten” ist sinnlose, wenn nicht sogar schädliche Symbolpolitik. Beihilfe zu einer Straftat wie Menschenhandel oder Freiheitsberaubung, oder gar eine Vergewaltigung sind natürlich bereits strafbar, da besteht keine Regulierungslücke. 70% der Anzeigen, die zu Menschenhandelsverfahren führen, kommen von den Opfern selbst und deren Umfeld. Zum Umfeld gehören auch aufmerksame Kunden, die man mit einer solchen Hexenjagd davon abschrecken würde, Hinweise zu geben, die sie selbst belasten könnten.

Als einzige Maßnahme im derzeit diskutierten Katalog befürworten wir ein Werbeverbot für gesundheitsgefährdende Praktiken wie ungeschützten Geschlechtsverkehr – unter der Voraussetzung, dass das allgemeine Werbeverbot für Sexarbeit, das immer noch auf dem Papier steht, zusammen mit allen anderen diskriminierenden Sonderparagraphen endlich gestrichen wird.

Die im Positionspapier der Koalition explizit aufgeführte Beibehaltung der Grundlage für die kommunalen Sperrbezirksverordnungen ist ein Schlag ins Gesicht der Hurenbewegung. Bereits 2007 in der Evaluation der ProstG von 2002 wurde die Frage aufgeworfen, ob solche flächendeckenden Berufsverbote noch mit der Abschaffung der Sittenwidrigkeit von Sexarbeit vereinbar sind – und das sind sie selbstverständlich nicht.

Die Sperrbezirke gelten vielerorts nicht nur für stark frequentierte Großbordelle oder sichtbare Anbahnung im öffentlichen Raum, sondern für alle Arten von Sexarbeit, inklusive Haus- und Hotelbesuche beim Kunden, kleine, diskrete Massagestudios oder für eine nebenberuflich engagierte “Hobbyhure”, die in ihrer Privatwohnung ein paar zahlende Besucher pro Monat empfängt. Wo tatsächlich Interessen kollidieren, braucht es Lösungen, die die Rechte aller Beteiligten berücksichtigen. Und theoretisch mögliche Störungen (angeblich “milieubedingte Unruhe”), die de facto nicht auftreten, dürften erst recht kein Grund für ein Verbot sein.

Die GroKo verteidigt ihre Pläne mit der Begründung, Zwangsprostitution und Menschenhandel könnten so verhindert werden? Was hältst du von dieser Begründung?

Das Beispiel Wien, wo es eine Registrierungspflicht und wöchentliche (!) Zwangsuntersuchungen für Sexworker gibt, zeigt: Wer einen Menschen dazu manipulieren kann, für ihn oder sie anschaffen zu gehen und sich ausbeuten zu lassen, hat selbstverständlich auch genug Macht, diesen Menschen dazu zu bringen, sich ordnungsgemäß anzumelden, um unauffällig zu bleiben. In Wien waren nahezu alle Opfer von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung der letzten Jahre registriert.

Habt ihr weitere Protestaktionen gegen das neue Prostitutionsgesetz geplant?

Wir verstärken bereits unsere Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, haben uns bei Initiativen wie der “Freiheit statt Angst”-Kundgebung in Berlin angeschlossen und arbeiten mit Unterstützern unserer Position zusammen, wie beispielsweise dem Deutschen Frauenrat, dem Deutschen Juristinnenbund und dem Bündnis der Fachberatungsstellen für Sexarbeitende. Sollten Teile der diskriminierenden Neuregelungen tatsächlich rechtswirksam werden, bereiten wir uns auf Modellklagen vor.

https://www.piratenpartei.de/2015/01/29 ... onsgesetz/
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)

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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von fraences »

Koalition blockiert sich bei Prostitutionsgesetz

Ein Mindestalter für Prostituierte und Kondompflicht – das muss das neue Prostitutionsgesetz enthalten, fordert die Union. Die SPD widerspricht. Nun stockt der so weit gediehene Gesetzgebungsprozess.


Seinem Fraktionskollegen Volker Ullrich hingegen reichen vage Beteuerungen nicht mehr aus. Er drohte im Gespräch mit der "Welt" bereits mit dem ganz großen Koalitionskrach. "Wenn wir bis zum Sommer kein Gesetz haben, werden wir selber eins vorlegen. Das dürfte zwar schwierig für den Koalitionsfrieden sein, aber die Umstände verlangen entschlossenes Handeln."

Hier weiter lesen:
http://www.welt.de/politik/deutschland/ ... esetz.html
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