ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beiträge betreffend SW im Hinblick auf Gesellschaft bzw. politische Reaktionen
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fraences
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von fraences »

Geldstrafen für nicht gemeldete Prostituierte

Berlin. Prostituierte, die ihre Tätigkeit nicht anmelden, riskieren künftig Zwangsgelder in Höhe von 500 Euro bis 5000 Euro. Das sieht der geänderte Entwurf für das Prostituiertenschutzgesetz vor, wie am Montag aus Koalitionskreisen bekanntwurde. Der Höchstbetrag wird - wie bei anderen Ordnungswidrigkeiten auch - nur dann fällig, wenn jemand permanent gegen die Auflagen verstößt. Auf Drängen der Union wurde den Angaben zufolge auch festgehalten, dass die im Entwurf vorgesehenen Regeln für alle Sexarbeiterinnen gelten, also auch für sogenannte Gelegenheitsprostituierte. Die Anmeldung soll demnach an jedem Ort erfolgen, an dem die Frau ihrem Gewerbe nachgeht. Bietet sie ihre Dienste zum Beispiel erst Messebesuchern in Essen an und geht danach nachLeipzig, so muss sie sich an beiden Orten anmelden. Nach Angaben der stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, Carola Reimann, lehnte die SPD in den Verhandlungen die Forderung der Union nach einem Krankenversicherungsnachweis für Prostituierte ab

http://www.neues-deutschland.de/m/artik ... ierte.html
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Eddy
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von Eddy »

Mit Bußgeldern in dieser Größenordnung macht sich der Staat selbst zum Zuhälter. Womit, wenn nicht durch NOCH MEHR SEXARBEIT, soll das denn bezahlt werden (wie schon an anderer Stelle von mir geschrieben)?


Pfui, Frau Schwesig!

So treiben Sie die Frauen in die Schulden. Die brauchen keinen Zuhälter mehr, für den sie arbeiten müssen, um bei ihm Schulden abzustottern, diese Funktion übernimmt jetzt der Staat als behördlicher Oberzuhälter!

Eddy

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Beitrag von Arum »

Ich frage mich immer, wie das alles faktisch durchgesetzt werden soll. Für solche Flächendeckenden Dauerkontrollen bräuchte man doch eine neue Behörde, so etwas wie ein Prostitutionsschutzaufsichtsamt oder so. Wo SW sich zu melden haben, aber auch zur Koordinierung von Polizeieinsätzen, sowie Dauerbespitzelung von Webseiten, Zeitungsanzeigen usw, darüber hinaus natürlich auch Sozialarbeiter, die SW ihren Beruf auszureden haben. Ein ganz neuer behördlicher Arbeitszweig, der voll und ganz auf Paranoia baut, ja sogar im kleinsten Kaff. Man weiss ja nie, ob nicht vielleicht die Frau Müller von nebenan Lust hätte, sich mal als Gelegenheitsprostituierte zu versuchen. Und wieviel das nicht alles kosten wird: Wen wundert da noch die Grössenordnung der Bussgelder. Irgendwo muss das Geld ja her kommen. Hauptaufgabe von SW wird somit die Dauerbesoldung einer neuen Beamtenkaste.
Guten Abend, schöne Unbekannte!

Joachim Ringelnatz

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Beitrag von Kasharius »

Man darf jedenfalls gespannt sein was die GROKO-Giftküche dann tatsächlich für einen Gesetzentwurf serviert. Übel wird einem schon von den Gerüchen, die aus der Küche verströmen.

Aber ich bleibe dabei. Soweit nicht noch erheblich nachgebessert (ich betone: NACHGEBESSERT!!!) wird, ist das alles nicht verfassungsfest. Der Zweck heiligt eben nicht die Mittel.

Kasharius grüßt und unterdrückt sein würgen...

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Beitrag von Arum »

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Kasharius hat geschrieben: Soweit nicht noch erheblich nachgebessert (ich betone: NACHGEBESSERT!!!) wird, ist das alles nicht verfassungsfest.
Ja, das fragte ich mich nun gerade. Konnte mir schon nicht denken, dass ein solcher Generalverdacht eines ganzen Berufszweigs schlechthin irgendwie verfassungsrechtlich abgedeckt ist.
Guten Abend, schöne Unbekannte!

Joachim Ringelnatz

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Beitrag von Kasharius »

@Arum

es geht ja dem Gesetzgeber wohl weniger um einen Generalverdacht gegenüber den SW, sondern gegenüber den vermeintlich bösen Zuhältern und Menschenhändlern. Den SW wird durch diese ganzen Zwangsmaßnahmen ein vermeintliches staatliches Schutzkonzept aufoktroyiert, das in keinem Verhältnis zur Bekämpfung von Zwangsprostitution und Menschenhandel steht. UND genau hier liegt ein CASUS KNACKSUS in verfassungsrechtlicher Hinsicht -bei weitem aber nicht der einzige.

Kasharius grüßt

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Beitrag von fraences »

Und was brungt es uns das, das es nicht verfassungskonform ist?

Wie lange dauert ein Verfassungsklage?

Dem letzt habe ich von einem der sich damit auskennt, von xtrem Fall 12 Jahre?

Lass es 3-4 Jahre dauern?

Da ist schon massiv das Prostituionsgewereb ausgedünnt.

Ziel erreicht!

ERgänzend. Wie schaut die Geschichte mit Dortmund aus, trotz den graziosen Sieg von Danny gegen die Stadt Dortmund.

Hat sich da was bewegt?

Nööö
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Beitrag von Kasharius »

@freances

verstehe mich nicht falsch: Natürlich wäre eine Verfassungsbeschwerde ja nur ultima ratio. Und in der Regel dauern Verfassungsbeschwerden nicht 12 Jahre.

Aber mann sollte doch während des Kampfes gegen das geplante neue ProstG auch schon jetzt generell und en detail auf dessen Verfassungswidrigkeit hinweisen und diese herausstellen. Das wird hoffentlich ja auch in den Anhörungen zum Gesetz geschehen durch Ladung entsprechender Sachverständifger.

DESHALB reite ich hier so auf dem verfassungsrechtlichen ASpekt herum. Es geht schon jetzt um Argumentationsmunition gegen das geplante Gesetz.

Ich hoffe @freances da gehst Du mit mir...

Kasharius grüßt Dich herzlich

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Beitrag von fraences »

@Kasharius

Ja, da gehe ich voll mit dir.

Mich ärgert nur wenn ich höre: "Lass das Gesetz mal kommen, der wird eh vom BVG oder EUGH einkassiert werden.

Da ist es besser vorher es zu bekämpfen , was leider von zu weniger gemacht wird. Mir kommt es vor als ob die alle noch nicht aus dem Dortnröschenschlaf aufgewacht sind oder denken , naja das kann man eh nicht kontrollieren, oder das "alte Katz- und Maus spielen zu wollen.

Liebe Grüße, fraences
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Beitrag von Kasharius »

@freances

und ich gehe voll mit Dir:

Nur abzuwarten und auf Besserung zu hoffen, wäre töricht und das ist noch vorsichtig formuliert.

Kasharius grüßt

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Beitrag von Doris67 »

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Arum hat geschrieben:Ich frage mich immer, wie das alles faktisch durchgesetzt werden soll. Für solche Flächendeckenden Dauerkontrollen bräuchte man doch eine neue Behörde, so etwas wie ein Prostitutionsschutzaufsichtsamt oder so.
Das will wohl auch niemand haargenau so anwenden, so naiv ist der Staat nicht. Es geht vor allem um Stigmatisieren, Drohen, Hürden aufbauen und Zweifel säen, damit so viele Huren wie möglich aussteigen bzw. so wenige wie möglich erst einsteigen. Und so wie ich die treudeutsche obrigkeitshörige Untertanenmentalität kenne, wird das wahrscheinlich leider auch funktionieren. In anderen Ländern, mit aufmüpfigeren Huren, bisse sich der Staat mit solchen Methoden wohl die Zähne aus.
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Beitrag von Lucille »

BTW
"Schutz"-Gesetze
es gibt neuerdings auch ein "KulturSchutzGesetz"
Deutsche Kulturgüter dürfen nicht mehr einfach das Land verlassen

... und was ist mit Rotlicht-Kultur.? :018

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Beitrag von Arum »

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Doris67 hat geschrieben:       
Das will wohl auch niemand haargenau so anwenden, so naiv ist der Staat nicht. Es geht vor allem um Stigmatisieren, Drohen, Hürden aufbauen und Zweifel säen, damit so viele Huren wie möglich aussteigen bzw. so wenige wie möglich erst einsteigen.
Aber selbstverständlich. Mein Beitrag war auch eher ironisch gemeint.
Guten Abend, schöne Unbekannte!

Joachim Ringelnatz

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Beitrag von fraences »

Offener Brief von Hekate (KM)
(Aus dem Blog von Hekate in KaufMich)

Offener Brief an Ministerin Manuela Schwesig

Gepostet am 12.07.2015 23:16

Sehr geehrte Frau Ministerin Schwesig –
Mit großem Befremden habe ich in der Tagespresse von Ihren Plänen erfahren, das so genannte „Prostitutionsschutzgesetz“ zu verschärfen, indem sie die reglementierenden Maßnahmen auf die so genannten „Gelegenheitsprostituierten“ – im Fachjargon auch “Hobbyhuren“ genannt – ausweiten wollen.
Also auf Studentinnen, die ihr Studium mit erotischen Dienstleistungen finanzieren, auf Hausfrauen, die ihr Salär damit aufbessern, das sie gelegentlich einen Gast empfangen und verwöhnen oder auf Frauen, die in Niedriglohnbranchen arbeiten und einen Nebenerwerb brauchen, um über die Runden zu kommen. Alles Frauen, die wissen was sie tun und die garantiert KEINE Zwangsprostituierten sind. Die aber durch die Zwangsregistrierung zu Zwangsprostituierten GEMACHT werden könnten. Gnade Gott der jungen Ärztin oder der jungen Anwältin, bei der ruchbar wird, dass sie ihr Studium durch sexuelle Dienstleistungen finanziert hat. Ihre berufliche Karriere wird beendet sein, bevor sie überhaupt angefangen hat und ihnen wird keine andere Möglichkeit bleiben, ihren Nebenerwerb zum Hauptberuf zu machen, sofern sie es nicht vorziehen, in der Billiglohnbranche zu arbeiten .
Aber abgesehen von der unglaublichen Verschwendung menschlicher Ressourcen: Ihr Plan ist nicht nur eine Diskriminierung und Stigmatisierung dieser Frauen, – er ist ein Frontalangriff auf das sexuelle Selbstbestimmungsrecht ALLER Frauen.
WIE wollen Sie feststellen, ob eine Frau, die in ihrer Wohnung Herrenbesuch empfängt, wirklich eine Gelegenheitsprostituierte ist? Vielleicht handelt es sich ja einfach um eine Frau, die ihre Sexualität frei und selbstbestimmt auslebt und dabei natürlich auch wechselnde Sexualkontakte hat? Wollen Sie ALLE Frauen, deren Sexualleben nicht den kleinbürgerlichen Konventionen der Adenauer-Ära entspricht, unter Generalverdacht stellen?
Und WIE wollen Sie sicherstellen, dass die Frau, die mit einem Mann, der nicht IHR Mann ist, ein Hotelzimmer bucht, KEINE Gelegenheitsprostituierte ist? Wollen Sie den Hoteliers die Sittenpolizei auf den Hals hetzen?
Sehr geehrte Frau Ministerin: Hatten SIE VOR ihrer Verehelichung sexuelle Kontakte zu Männern, ohne sich gleich mit Heiratsgedanken zu beschäftigen? Ich frage ja nur…Und wie ist IHR Umfeld damals damit umgegangen? Hat man SIE argwöhnisch beäugt, Ihnen hinterhergeschnüffelt, Sie wohlmöglich verdächtigt, eine „Hobbyhure“ zu sein?
WENN die lokalen Ordnungsbehörden tatsächlich die von Ihnen geplanten Regelungen umsetzen sollen, sind sie aufgrund der desolaten generell personellen Ausstattung auf „hilfreiche Hinweise aus der Bevölkerung“ angewiesen. Was das für Folgen haben wird, kann man sich leicht vorstellen
Wir wissen aus der jüngeren deutschen Geschichte, dass das Denunziantenwesen in diesem unserem Lande immer recht gut funktioniert hat.
Das war schon zu Zeiten von Metternich so und Hoffmann von Fallersleben (der Dichter unserer Nationalhymne) reimte damals: „Der größte Lump im ganzen Land das ist und bleibt der Denunziant.“
Die Nazidiktatur hätte ohne die eifrigen Blockwarte nicht existieren können und in dem Staatswesen, in dem Sie Ihre Kindheit verbracht haben, gab es ja auch solche nützlichen Zeitgenossen – in der DDR nannte man sie IM’s und sie waren eine unentbehrliche Stütze des Systems, das habe ich erst vor Kurzem beim Besuch des STASI-Museums in Berlin gelernt. Wollen SIE den IM’s wieder eine Beschäftigungsgrundlage verschaffen, Frau Schwesig?
Sehr geehrte Frau Ministerin, Sie sind ja noch sehr jung… gestatten Sie daher einer älteren Dame von nunmehr 61 Jahren einen kleinen historischen Exkurs.
Wissen Sie, geehrte Frau Schwesig, was es bedeutete, in der Bundesrepublik der Adenauerzeit jung zu sein? Damals regierte der Kuppeleiparagraph: jeder Mensch, der einem unverheirateten Paar Obdach gewährte, damit sie das mit einander tun konnten, was Liebesleute gemeinhin mit einander zu tun pflegen , riskierte eine Zuchthausstrafe von bis zu fünf Jahren!
Eltern von heranwachsenden Kindern, die den Freund der Tochter oder die Freundin ihres Sohnes in der gemeinsamen Wohnung übernachten ließen, standen faktisch mit einem Bein im Knast! Und um sie dorthin zu bringen, genügte schon der freundliche Hinweis eines „wohlgesonnenen Nachbarn“
Die gleiche Strafe drohte einem Hauseigentümer oder einer Vermieterin von möblierten Zimmern, wenn sie einer Frau mit häufig wechselnden Sexualpartnern eine Wohnung oder ein Zimmer vermieteten und es tolerierten, dass ihre Mieterin ein Privatleben hatte.
Ein Hotelier, der einem unverheirateten Paar ein Zimmer vermietete, musste überdies um seine Konzession bangen. Und hier genügte schon der Hinweis eines neidischen Konkurrenten, und er war ruiniert.
Der Kuppeleiparagraph war für unzählige Menschen – aber vor allem für junge Frauen – eine ständige Bedrohung, eine Quelle der Angst und des Leids.
1974 – also in dem Jahr in dem Sie geboren wurden, ist er ENDLICH von der damaligen Bundesregierung ersatzlos gestrichen worden!
Generationen von jungen Frauen waren dankbar, dass sie ihr Sexualleben (wenn sie denn eins hatten) frei und ungebunden leben durften – ohne Angst vor misstrauischen Vermietern, schnüffelnden Nachbarn und selbst ernannten Sittenwächtern.
Sie, verehrte Frau Ministerin Schwesig werden durch die Reglementierung der so genannten Gelegenheitsprostitution ein gesellschaftliches Klima schaffen, dass wieder von Scheinheiligkeit, Prüderie, Muff und Schnüffelei , von Spitzelwesen und von Denunziantentum geprägt ist.
Denn JEDE Frau, die ihre Sexualität frei und auch mit wechselnden Partnern lebt, wird von Ihnen unter Generalverdacht gestellt. Ich bin gespannt, wie junge Frauen auf diese Zumutung reagieren werden – dass ihnen durch die Hintertür des angeblichen Schutzes von Prostituierten die Freiheit, die ihre Mütter und Großmütter erkämpft hatten, wieder genommen werden soll.
EINE Berufsgruppe allerdings wird Ihnen zu Dank verpflichtet sein: die Zunft der Rechtsanwälte – denn insbesondere für junge aufstrebende Kollegen und Kolleginnen werden Sie eine solide Existenzgrundlage schaffen, wenn Vermieter, alleinstehende Frauen und Hoteliers scharenweise vor Gericht ziehen um sich vom Verdacht der „Gelegenheitsprostitution“ oder der Begünstigung von Prostitution reinzuwaschen.
Ich bin mir sicher, dass sich auch die ohnehin schon stark überbeanspruchten Justizbehörden freuen werden über die Flut von Prozessen gegen üble Nachrede, in denen Frauen dazu gezwungen werden, ihr Privatleben offenzulegen.
Ich bin mir sicher, dass die Frauen MEINER Generation auf die Barrikaden gehen würden, wenn man von ihnen verlangen würde, ihr Privatleben behördlich überprüfen zu lassen!
Das war es, was ich Ihnen sagen wollte. Für mich persönlich ist mir nicht bange. Eine Frau in meinem Alter darf so ziemlich ALLES an Tabus einer kleinbürgerlichen Sexualmoral ignorieren, denn sie muss ja auf niemanden mehr Rücksicht nehmen. Und sie kann offen aussprechen was ihr nicht passt.
Aber ich bedaure die jungen Frauen, die demnächst wieder in einem Klima der Angst und des Misstrauens leben müssen. Und mir graut vor einer Gesellschaft, die geprägt ist von Heuchelei, Spitzelwesen und Denunziantentum – dem SIE mit ihrer Maßnahme Tür und Tor öffnen werden.
Hochachtungsvoll
Almuth Wessel.
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Eddy
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von Eddy »

Ich bin zutiefst entsetzt und schockiert, dass so etwas (ich meine die neuesten bekannt gewordenen Verschärfungen des ProstituiertenSCHUTZgesetzes) in Deutschland wieder möglich geworden ist.

Besonderen Dank an den Beitrag von fraences, der mich von meinem eher auf die Belange der Armutsprostituierten fokussierten Blick abstrahieren lässt und deutlich macht, dass das ProstituiertenSCHUTZgesetz (PSG) tiefgreifende Auswirkungen auf die Gesellschaft haben wird, die weit über die Belange der SW und ihrer Kunden hinausgehen. Fraences hat aufgezeigt, dass das Leben in Deutschland - vor allem für jüngere und sexuell aktive Frauen, auch weitab der Sexarbeit - nach dem PSG ein anderes sein wird als vor dem PSG.

Völlig losgelöst von diesem wichtigen Blick weit über den Horizont der Sexarbeit hinaus möchte ich hier den Inhalt eines Protestschreibens wiedergeben, das ich einigen Beteiligten des Gesetzgebungsverfahrens zukommen lassen werde. Vielleicht kann die/der eine oder andere bei seinen eigenen Protestaktivitäten ja den einen oder anderen Aspekt aufgreifen, übernehmen oder einkopieren?




Die in dem Entwurf für das Prostituierten„schutz“gesetz, soweit jetzt bekannt (Informationsstand 14.07.2015), eingeführte Kombination aus (a) Registrierungspflicht an jedem Arbeitsort/bei jedem Ortswechsel, auch bei Gelegenheitsprostitution, und (b) einem Bußgeld von mindestens 500 Euro selbst bei „Ersttätern“ bei Verstoß gegen die Registrierungspflicht, ist ein Affront gegen alle SexarbeiterInnen, und in extremster Weise gegen die Frauen der Armutsprostitution (mit und ohne Migrationshintergrund), der sich an Dreistigkeit nicht mehr überbieten lässt, und grenzt an den Tatbestand politischer Verfolgung. Das erinnert schon an Gefangene im offenen Strafvollzug, die sich täglich oder wöchentlich bei der Polizei melden müssen.

Der Politik dürfte bekannt sein, dass viele Frauen der Armutsprostitution keinen festen Wohnsitz haben, sondern an ihrer Arbeitsstelle (Club, Bordell, gemietetes Zimmer, Laufhaus usw.) übernachten und leben (essen, trinken, schlafen), was aber voraussetzt, dass sie dann dort auch der Sexarbeit nachgehen. Wenn sie nicht arbeiten, sind die wohnungslos und haben keine Bleibe, es sei denn, sie können sich ein Hotel leisten, was bei jungen vermögenslosen Berufsanfängerinnen oder „schlecht laufenden Geschäften“ – also prekären Vermögensverhältnissen aller Art und Ursache – keinesfalls immer der Fall ist.

Ohne dass sie arbeiten, sind die Frauen der Armutsprostitution – ohne festen Wohnsitz – daher in derselben Lage wie die Penner, die vorm Bahnhof nächtigen!

Der Politik dürfte ebenso klar sein, dass die Registrierungsbehörden in den Städten und Gemeinden keinen Rund-um-die-Uhr-Service (24/7) zur Registrierung anbieten und keinen „Notdienst“ für dringende Registrierungsfälle unterhalten werden.

Damit ist klar, dass selbst die gutmütigste und anpassungsbereiteste Prostituierte aus zeitlichen und organisatorischen, also rein technischen Gründen, gar nicht immer in der Lage sein wird, bei jedem Ortswechsel sich vor Arbeitsbeginn (mit ggf. einem einzigen Kunden, wenn sie im Escort-Bereich tätig ist) anzumelden. Rein organisationstechnisch wird das gar nicht zu machen sein, weil der öffentliche Dienst nicht in der Lage sein wird, die dafür notwendigen Ressourcen bereitzustellen.

Gerade die Frauen der Armutsprostitution ohne festen Wohnsitz wechseln – wegen ihrer schlechten Einkommenslage, Hoffnung auf bessere Verdienstmöglichkeiten, aber auch wegen ihnen nicht genehmer Arbeitsbedingungen oder Regelungen in den Clubs – häufig den Arbeitsort; von Damen, die im Escort-Gewerbe oder über Internet-Dating ihre Kunden generieren, ganz zu schweigen.

Es geht also jetzt gar nicht mehr um Frauen, die sich beharrlich vor der Registrierung weigern (und sei es aus datenschutzbegründeten Ängsten in Bezug auf Nachteile für ihre spätere Karriere außerhalb der Sexarbeit, wie z.B. Studentinnen oder Akademikerinnen), und es geht jetzt auch nicht mehr um Frauen, die sich unbedingt vor der Gesundheitsberatung drücken wollen, sondern es geht jetzt auch um Frauen, die es angesichts der häufigen Ortswechsel rein organisatorisch nicht geregelt bekommen, sich immer und ausnahmslos gesetzeskonform zu verhalten.

Wie sollen Frauen, die vermögenslos einreisen, denn ihren Lebensunterhalt aufbringen, wenn sie nicht arbeiten dürfen, bis der Beratungs- und Registrierungsprozess abgeschlossen ist und die endlich das begehrte Dokument – für einen bestimmten Ort! – in der Hand halten? Wovon sollen diese Frauen ihren Lebensunterhalt bestreiten, wenn ihnen jegliche Einkunftsquellen bis auf Weiteres verschlossen sind?

Sie brauchen dann einen Zuhälter, der sie „vorfinanziert“, und dann später „Rendite“ sehen will. So schaffen Sie einen Markt für Zwangsprostitution und Zuhälterei!

Und mit Ihren Bußgeldern, noch dazu in völlig unangemessener Höhe für Personen in prekären Lebenslagen, bringen Sie die Frauen erst in (weitere) finanzielle Notlagen und neue Zwangslagen. Ist das die Absicht eines Gesetzes, das Zwangsprostitution verhindern soll, dass der Staat sich in die Rolle des Zwangs-Ausübenden begibt, als der neue Super-Zuhälter?

Mit dieser neuen Verschärfung im Gesetzgebungsverfahren machen Sie es ganz offensichtlich, dass der Begriff „Prostituiertenschutzgesetz“ eine LÜGE ist, tatsächlich werden die Prostituierten bedroht und verfolgt. Man kann nicht jemanden dadurch schützen wollen, indem man ihn bedroht. Dies erinnert an Vorgehensweisen aus der Nazizeit. Man fragt sich nur noch, wann es soweit ist, dass die Prostituierten einen Stern tragen müssen, je nach Registrierungsbehörde in verschiedener Farbe und Muster? Der geplante Hurenpaß unterscheidet sich von diesem Stern ohnehin nur noch dadurch, dass er nicht äußerlich sichtbar getragen werden muss.

Es ist völlig absurd, diese existenzbedrohenden Restriktionen und Verfolgungen mit der Notwendigkeit einer Zwangs-Gesundheitsberatung zu legitimieren. Erstens gibt die epidemiologische Datenlage in Deutschland die Notwendigkeit einer solchen Zwangsberatung nicht her. Zweitens wäre eine freiwillige, niederschwellige, im Idealfall aufsuchende Gesundheitsberatung - ggf. mit Verpflichtung auf Betreiberseite, diese den Damen zu ermöglichen oder für sie zu organisieren - inhaltlich und von der Nutzbarkeit des transportierten Wissens und der intellektuellen Kommunikation zwischen Berater und zu Beratenden wesentlich effizienter. Die Politik scheint nämlich völlig überzogene Vorstellungen von der Effizienz der geplanten Zwangs-Gesundheitsberatung zu haben.

Grundsätzlich sind in diesem Beratungskontext drei Gruppen von Prostituierten (Abk.:SW) zu unterscheiden:

a) viele SW haben einen hohen Wissensstand zu STD und Prävention, sind selbst Expertinnen auf diesem Gebiet, könnten eigentlich eher auf der anderen Seite (der Beraterseite) sitzen oder haben Spezialfragen, mit denen auch manche Berater überfordert sein werden.

b) andere SW kann man zwar nicht als Expertinnen bezeichnen, sie sind aber hoch interessiert und sehr wissbegierig, haben viele Fragen. Sie würden gerne niederschwellige, an ihre Arbeits- und Zeitsituation (und Muttersprache!) angepasste Beratungsangebote annehmen, wenn es sie denn gäbe

c) eine dritte Gruppe ist fatalistisch eingestellt oder so mit anderen Problemen (finanzieller oder anderer Art) überfordert, dass sie gesundheitliche Aspekte nicht oder marginal interessieren, oder sie sind durch die anderen Probleme so abgelenkt, dass sie bei der Zwangsberatung einen „Zwangstermin“ absolvieren, der für ihre Arbeit und ihr weiteres Verhalten ohne jegliche Relevanz sein wird. Man kann es ihnen nicht einmal übel nehmen, wenn sie an gesundheitlichen Fragen desinteressiert sind, wenn sie durch andere Problemlagen bereits völlig überfordert und vereinnahmt sind


Hinzu kommt, dass SW in den Tagen vor Erstaufnahme der Sexarbeit so abgelenkt, angespannt, nervös und aufgeregt, auch ängstlich sind, dass dies nicht der Zeitpunkt ist, in dem sie für gesundheitliche Informationen oder wissenschaftlich fundierte Fakten – also Belehrungen – aufnahmebereit sind. In einem Thread in einem Sexworkerforum haben sich Berufsanfängerinnen einmal darüber ausgetauscht – deutschsprachige, meist hochgebildete Frauen: Über ihre Gefühlslage und ihren Zustand in den letzten Stunden oder Tagen vor dem ersten Kunden. Das ist frei zugänglich (auch ohne im Forum angemeldet zu sein) und daher auch für Politiker nachlesbar.

Wie viel nervöser und angespannter werden erst Frauen mit Sprachschwierigkeiten und Migrationshintergrund vor dem ersten Arbeitstag sein? Wer diese Berichte und Beiträge liest, versteht, dass das die absolute Unzeit ist, auch noch mit gesundheitlichen, wissenschaftlichen Informationen dazwischenzuplatzen. Da kann man weder mit großer Aufmerksamkeit, starkem Aufnahme- und Erinnerungsvermögen noch mit gezielten Fragestellungen rechnen. Das geht in dieser Situation ins eine Ohr rein, wie es gleich aus dem anderen wieder rauskommt.

Ein freiwilliges, niederschwelliges Angebot nach freier Zeitwahl und Interessenlage, vor allem aber kurz NACH Aufnahme der Sexarbeit, wenn sich die erste Aufregung gelegt hat, wenn die ersten Erfahrungen gemacht wurden, wenn die ersten konkreten Fragen auftauchen, wäre um ein Vielfaches effektiver.

Das dürfte auch die Politik verstehen, und darauf wurde sie auch immer wieder hingewiesen, bis hin zu wissenschaftlicher Seite (wie DSTIG-Gesellschaft).

Dass diese Überlegungen keinen Eingang in den Gesetzgebungsprozess gefunden haben, ist beweisend, dass es der Politik bei ihrer Registrierungswut gar nicht um gesundheitspräventive Aspekte geht, sondern dass unter dem Deckmantel des Gesundheits- und Prostituiertenschutzes hier ganz andere Ziele verfolgt werden, die sich eindeutig gegen die Interessen der Prostituierten richten und in keiner Weise etwas mit deren Schutz zu tun haben.

Es ist nicht zu fassen, wie eine ohnehin schon benachteiligte Personengruppe in Deutschland wieder so diskriminiert und verfolgt werden kann, während in anderen sexuellen und/oder migratorischen Kontexten seitens der Politiker ein hohes Maß an Toleranz und Empathie von der Bevölkerung erwartet und verlangt und bereits ab dem Kindergartenalter, als ein Schwerpunkt pädagogischer Bemühungen, gelehrt wird.

Woher sollen die verarmten, meist vermögenslosen Frauen der Armutsprostitution denn das Bußgeld nehmen?

Ich weiß um die Einnahmesituation vieler SW; manche SW der Armutsprostitution leben von der Hand in den Mund und haben keinerlei Vermögen, auf das sie zurückgreifen können. Schon wenn kleine Probleme auftreten, müssen sie sich bei Kolleginnen oder Kunden Geld leihen, was sie hinterher nicht oder kaum zurückzahlen können ...

Und das trotz teilweise hohem Ausbildungsstand und Akademisierung.

Woher sollen sie das Bußgeld nehmen, außer noch mehr zu arbeiten ... noch längere Arbeitszeiten ... noch weniger freie Tage ... noch mehr Männer ...

Sie werden das Bußgeld sicherlich nicht als Kellnerin oder Kassiererin im Supermarkt verdienen.

Der Staat will mit einem „Prostituiertenschutzgesetz“ die Prostituierten angeblich vor Zwangslagen (und Zwangsprostitution) schützen, und bringt die Frauen selbst in Zwangslagen, die dazu führen, dass sie sich noch mehr prostituieren müssen, um die Bußgelder reinzuwirtschaften. Für die Frauen besteht kein Unterschied, ob ein Zuhälter oder eine Behörde, die sich wie ein Zuhälter verhält, sie erpresst. Die Antwort darauf ist in beiden Fällen gleich: mehr Freier, mehr Sex, mehr Geld.


Um den Prostituierten, die unter diesen Umständen (ohne festen Wohnsitz) leben, überhaupt zu ermöglichen, sich gesetzeskonform verhalten zu können, müsste die Bundesregierung dafür Sorge tragen, dass die Kommunen verpflichtet würden, einen 24/7-Registrierungsservice (7 Tage in der Woche, 24 Stunden am Tag) bereithalten. Dazu wird die Bundesregierung aber kaum legitimiert sein, den Kommunen so weitgehende, weil personalintensive Regelungen aufzuerlegen.

Die Tätigkeitsaufnahme einer Prostituierten an einem neuen Ort und die damit verbundene Registrierungspflicht stellt weder einen medizinischen Notfall noch ein Katastrophenszenario oder den Ausbruch einer bedrohlichen und lebensgefährlichen Seuche dar, also keine Situation, für die man die Kommunen verpflichten könnte, eine 24-Stunden-7-Tage-die-Woche Ruf-, Einsatz- und Verfügungsbereitschaft anbieten zu müssen.

Wenn die Politik aber eine so engmaschige Überwachung und Kontrolle der Prostituierten wünscht, muss sie aber auch die Strukturen vorhalten, die es den Prostituierten – ihren Lebensumständen entsprechend – ermöglicht, sich gesetzeskonform verhalten zu können, und das ist bei Prostituierten ohne festen Wohnsitz nur durch Vorhalten des 24/7-Service möglich. Hier steht die Politik dann in der Bringschuld und hat für die Sicherstellung eines solchen Rund-um-die-Uhr-Registrierungsservice zu sorgen.


Und wie ist es ethisch und verfassungsrechtlich überhaupt vertretbar, dass EU-Bürger (die meisten SW stammen ja aus dem EU-Ausland) so diskriminiert werden, während Nicht-EU-Bürger, die sich im Heimatland in vergleichbaren wirtschaftlichen Situationen befinden und deshalb nach Deutschland kommen, im Rahmen einer neu definierten „Willkommenskultur“ hier wesentlich besser behandelt werden?

Nehmen wir als Beispiel eine verarmte Familie aus Ex-Jugoslawien wie Bosnien, Serbien usw. Vater, Mutter, eine Tochter Anfang 20 und ein jüngeres Geschwisterkind. In ihrer Hoffnungslosigkeit machen sie sich gemeinsam auf dem Weg nach Deutschland. Sie haben Glück, werden nicht schon an oder direkt hinter der Grenze aufgegriffen und zurückgeschickt, sondern erreichen Deutschland und sagen das magische Wort („Asyl“). Wenn es ihnen gelingt, bis zur definitiven Abschiebung ein Jahr in Deutschland zu bleiben, fließen durchschnittlich 36000 Euro (nach kürzlich in den Nachrichten genannten Zahlen kostet ein Asylbewerber pro Jahr durchschnittlich 9000 Euro). Sollte noch eine kostenaufwendige medizinische oder zahnärztliche Behandlung hinzu kommen, kann es auch mehr werden.

Dabei spielt es gar keine Rolle, ob man das nun gut findet oder nicht. Es gibt schließlich auch die Auffassung, Deutschland solle etwas von seinem Reichtum für die Bedürftigen abgeben, und es gibt auch die Auffassung von einem Bedarf an Zuwanderern. Darum geht es hier nicht. Es gilt das grundgesetzlich verbriefte Asylrecht nach § 16a GG, und das bedingt mittelbar dann eben auch ein Aufenthaltsrecht und Unterhaltssprüche (gegenüber dem Staat) für diejenigen, die meinen, sie könnten vielleicht ein Anspruch auf Asylrecht haben, bis dieser Anspruch abschließend geklärt und ggf. zurückgewiesen ist. Das ist Grundrecht und damit unumstößlich.

Jetzt nehmen wir eine identische Familienkonstellation, aber eben diesseits der EU-Grenze, also z.B. Ungarn, Bulgarien, Rumänien usw. Das magische Wort „Asyl“ ist nutzlos, also bleibt die Familie gleich zu hause. Stattdessen macht sich die Tochter, Anfang 20, allein auf die Reise nach Deutschland. Ob sie zuhause offen sagt, was sie hier vor hat, ob sie sagt, sie arbeite im Restaurant, oder ob sie wirklich erst „normale“ (meist unqualifizierte und schlecht entlohnte) Arbeit annimmt und dann merkt, dass das „nichts bringt“, wenn man davon noch einen eigenen Hausstand in Deutschland unterhalten muss (Miete usw.), und davon dann kein Geld für die Familie zuhause übrig bleibt, und dann erst nach dieser Erfahrung von einem „normalen Job“ in die Sexarbeit wechselt, sei dahingestellt. Jedenfalls kann sie nicht „Asyl“ sagen, bekommt auch keine medizinische Hilfe nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, sondern ist völlig allein auf sich gestellt.

Pro Arbeitstag im Sexgewerbe wird sie in den meisten Regionen 25 Euro Pauschalsteuern zahlen müssen. Bei 200 Arbeitstagen im Jahr allein schon 5000 Euro, die sie „einbringt“.

Zusätzlich muss sie jeden Arbeitstag noch einen höheren zweistelligen oder gar niedrig-dreistelligen Betrag an den Betreiber (Zimmervermieter, Clubbesitzer) zahlen. Dieser Betrag führt nahezu 1 : 1 zu einer Gewinnsteigerung bei diesem in gleicher Höhe, der dann ebenfalls meist hoch-progressiv zu versteuern ist. Schließlich verursacht es für den Betreiber nicht wirklich merklich höhere Kosten, wenn eine oder einige Frau(en) mehr in seinem Etablissement arbeiten … im Zweifelsfall ist das Buffet eben schneller leer …

Auch der „Gewinn“, den die Betreiber versteuern, ist letztendlich das Eintrittsgeld oder die Miete der Prostituierten. Kalkuliert man das mit ein, bringt jede Prostituierte, ob sie nun Kunden hat oder nicht, ob sie viel verdient, wenig, gar nichts, oder Geld verliert, weil die Kosten höher sind als die Einnahmen (ja, das gibt es auch!), einen Betrag an unmittelbaren und mittelbaren Steuern (mittelbar z.B. in Form der Gewinnversteuerung des Betreibers), der zwischen 50 und 100 Euro pro Arbeitstag liegen dürfte.

Eine Prostituierte, die 200 Tage im Jahr arbeitet, bringt dem Staat damit durch unmittelbare und mittelbare (beim Betreiber abgegriffene) Steuern einen Betrag in Höhe von 10.000 bis 20.000 Euro pro Jahr. Man könnte auch sagen: sie finanziert uns ein bis zwei Asylbewerber.

Sollten wir die Prostituierten nicht ebenso willkommen heißen wie die Asylbewerber? Sollten wir nicht auch für die Prostituierten eine Willkommenskultur und –struktur aufbauen, anstelle einer bedrohungs- und bußgeldbasierten Verfolgungskultur? Noch dazu mit Bußgeldern, die in keiner Relation zu dem meist niedrigen Einkommen und den prekären Vermögensverhältnissen stehen?

Wie können wir eine solche Ungleichbehandlung zulassen – Willkommenskultur für Asylbewerber aus Nicht-EU-Staaten, Bedrohungs-/Verfolgungskultur mit unangemessen hohen Bußgeldern für Frauen aus EU-Ländern, die hier – ohne jegliche staatliche Hilfe und ohne irgendwelche Ansprüche an unsere Sozialsysteme zu stellen – selbst mit Sexarbeit ihr Geld verdienen wollen, die keinen Cent vom deutschen Staat verlangen oder erwarten, und noch 10000 bis 20000 Euro an mittelbaren und unmittelbaren Steuereinnahmen veranlassen (unabhängig davon, wie gut oder schlecht ihre Geschäfte laufen!) und damit locker 1 - 2 Asylbewerber refinanzieren – neben all dem, was sie mit ihren Einnahmen für ihre Familie oder das familiäre Umfeld im Heimatland leisten?

Die Aufopferungsbereitschaft mancher Sexarbeiterinnen für ihre Familie im Heimatland ist für deutsche Verhältnisse unfassbar und überfordert offenbar auch das Vorstellungsvermögen deutscher Politiker, die unter ganz anderen Lebensbedingungen aufgewachsen sind und daher gar nicht über die erforderliche Empathie verfügen können, um die Frauen der Armutsprostitution auch nur ansatzweise zu verstehen. Daraus resultiert dann auch die wirre und jeglicher Realität entbehrende Vorstellung, es handle sich bei allen oder der Mehrzahl dieser Frauen um Zwangsprostituierte und Gewaltopfer.


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Klaus Fricke
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von Klaus Fricke »

Zur Information (Dnke an Norbert für den Hinweis auf dieses Dokument)

SPD Bundestagsfraktion
Pressemitteilungvom 14.07.2015
Schärfere Regeln konterkarieren Prostituiertenschutz
von Sönke Rix, frauenpolitischer Sprecher:

Laut Presseberichten wurde der Entwurf für ein Prostituiertenschutzgesetz auf Drängen von CDU/CSU verschärft. Weiterhin wird berichtet, die Union habe sich in allen Punkten durchgesetzt. Tatsächlich hat die SPD-Bundestagsfraktion in den Verhandlungen mit der Union deren ursprünglichen Forderungen nach Verboten und Zwang eine Absage erteilt.

„Prostituiertenschutz - für die SPD-Bundestagsfraktion schreit das nicht nach schärferen Regeln. Schutz bedeutet für uns, alles dafür zu tun, dass Prostituierte sicher und selbstbestimmt arbeiten können. Wir haben deshalb verhindert, dass die Prostituierten in die dunklen Ecken gedrängt werden. So haben wir den Plänen von CDU/CSU bezüglich eines Mindestalters von 21 für Prostituierte, der Lizenzierung für Prostituierte sowie der Einführung von Zwangsuntersuchungen eine Absage erteilt.

Berichte, wonach sich Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter dem Entwurf zufolge in jeder Kommune anmelden müssen, sind nicht korrekt. Noch werden derzeit verschiedene Anmeldeoptionen geprüft. Sicher muss hier die Maßgabe sein: Der behördliche Aufwand muss in einem angemessenen Verhältnis zum Nutzen stehen.

Ebenso wenig trifft zu, dass Prostituierte sofort mit einem Bußgeld belegt werden, wenn sie ihre Anmeldebestätigung nicht vorweisen. Erst wenn sie die Bescheinigung nicht fristgemäß nachreichen, kann die Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld bewehrt werden.

Entgegen anders lautender Berichte soll es möglich sein, zum Informations- und Beratungsgespräch eine anerkannte Fachberatungsstelle hinzuziehen. Diese Regelung ist durchaus sinnvoll, gibt es doch in einigen Kommunen bereits gut funktionierende Kooperationen zwischen Behörden und Fachberatungsstellen. Diese Zusammenarbeit kategorisch auszuschließen und damit auf die Kompetenz und den Vertrauensvorsprung der Fachberatungsstellen zu verzichten, wäre aus unserer Sicht ein Fehler.

Doch haben wir im Ergebnis der fast einjährigen Verhandlungen nicht nur verhindert, dass Prostitution in die Illegalität gedrängt wird. Mit der Erlaubnispflicht für Prostitutionsstätten tragen wir auch direkt zum Schutz der Prostituierten bei. Danach sollen Prostitutionsstätten in Zukunft genauso wie die Pommes-Bude Standards erfüllen, die zu guten Arbeitsbedingungen von Prostituierten führen. Sicherheit und Gesundheitsschutz – das muss hier die Maßgabe sein. Darüber hinaus müssen Bordellbetreiber künftig den Beratungsangeboten den Zugang ermöglichen.

Die SPD-Bundestagsfraktion wird im parlamentarischen Verfahren darauf achten, dass das Prostituiertenschutzgesetz hält, was es mit seinem Namen verspricht.“


http://www.spdfraktion.de/presse/presse ... rtenschutz

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Beitrag von fraences »

@Eddy

Der Brief ist von Almuth Wessel nicht von mir. Ich hab den nur gepostet.

Aber Almuth spricht mir aus den Herzen und der ist sehr gut formuliert und spricht die Problematik an , was das für ALLE Frauen bedeutet.

Nur zu Richtigstellung.

Liebe Grüße, Fraences
Zuletzt geändert von fraences am 16.07.2015, 00:40, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag von Eddy »

Hoffen wir, dass es so ist, wie die SPD am 14.7. schrieb.

Der eingangs dieser Seite 56 verlinkte Artikel aus dem "Neuen Deutschland" beruht immerhin (angeblich) auf einer dpa-Meldung - ist also wohl auch nicht aus der Luft gegriffen. dpa gilt doch wohl als seriös?

Damit steht Aussage gegen Aussage und es stellt sich akut die Frage, was nun wirklich stimmt, auch um angemessen zu reagieren bzw. überzogene und der (neuen?) Situation nicht mehr angemessene Protestaktivitäten zu vermeiden.

Wer weiß was?

Eddy

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Beitrag von fraences »

@Eddy Die gleichen Gedanken habe ich auch.

Ich denke, denen ist klar, das sie weit eine Grenze überstritten haben und jetzt wollen sie die Öffentlichkeit besänftigen.

Warten wir ab. Irgendwann müssen sie den Referentenentwurf öffentlich machen. Spätestens dann wenn er auf die Tagesordnung vom Bundestag die erste Anhörung anberaumt wird.
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Beitrag von Kasharius »

@Eddy

also ich persönlich finde Dein geplantes Protestschreiben sehr gut! Es beschreibt vor allem sehr gut den eklatanten (vermeintlichen) Widerspruch im Ansatz der CDU/CSU-Bundestagsfraktion: Einerseits sollen SW vor Zwangsprostitution und Menschenhandelgeschützt werden, andererseits werden SW einem derart starken Kontroll- und Legitimationsdruck ausgesetzt, daß hier dann doch von einem faktischen Berufsverbot ausgegengen werden muss. Das ist abgrundtief verlogen!

@Klaus

ein Mann als frauenpolitischer Sprecher, was ist die SPD Modern !!! :002 Mit der jetzt vermittelten Klarstellung der SPD-Bundestagsfraktion bin ich nicht einverstanden. Den auch dort wird prinzipiell an der geplanten Zwangsberatung festgehalten. Das geht nicht! Hier liegt auch ein wesentlicher Unterschied zur Schwangerenkonfliktberatung (die für sich genommen auch problematisch ist. ). In einem Fall gibt es zwei verschiedene Grundrechtsträger: Die schwangere abtreibungsbereite FRau und das (ungeborene Kind. Selbstbestimmungsrecht und Lebensschutz stehen sich hier gegenüber.

Anders bei SW: Deren Selbstbestimmungsrecht und ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit und persönliche Freiheit vereinen sich hier in einem Grundrechtssubjekt. Der Gesetzgeber muss also die Frage beantworten, warum er das Selbstbestimmungsrecht u7nd das Recht auf freie Berufsausübung von SW generell weniger gewichtet, als das Recht auf körperliche Unversehrheit; den genau das tut der Gesetzgeber mit dem Zwangsberatungskonzept völlig pauschal und ohne konkreten Anlass.

Betroffen sind zudem das informationelle Selbstbestimmungsrecht und die europarechtlich geschützten Grundfreiheiten: Niederlassung- und Dienstleistungsfreiheit.

Kasharius grüßt