ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beiträge betreffend SW im Hinblick auf Gesellschaft bzw. politische Reaktionen
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Kasharius
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Beitrag von Kasharius »

@Melanie

ich habe die Kritik zwischen den Zeilen schon verstanden. Ich bleibe aber dabei, daß zumindest Bewegung in die Sache kommt, ist auch Eurem Widerstand zu verdanken. Das heißt ja nicht, daß er jetzt enden muss. Klar ist: Zwangsuntersuchungen müssen weg! Regelungen, die an die Einsichtsfähigkeit anknüpfen, müssen weg! Das Betreiber zu Hilfsorganen der Behörden werden, muss weg! Ergo: Das gesamte Gesetzeswerk muss weg.

@Friederike

Danke für die fundierte Aufklärung. Der Begriff der "Lügenpresse" wäre schlimm. DC hat es nicht nötig, sich mit PEGIDA oder der AfD gemein zu machen; wollen sie sicher auch nicht. Auch DC hat seinen Anteil daran denke ich, daß der Entwurf des ProstSchuG beginnt, zu erudieren.

@Arum

nicht die Bundesregierung oder ein anderes Verfassungsorgan, sondern letztendlich die Verfassung selbst entscheidet, ob ein Gesetz Zustimmungspflichtig ist. Es ist Zustimmungspflichtig wenn die Länder im Wege des Verwaltungsvollzuges für die Umsetzung des Gesetzes verantwortlich sind.

@all

Ich sage weiter so. Im nächsten Jahr finden in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachen-Anhalt Landtagswahlen statt. Das kann Mehrheiten im Bundesrat verschieben. Und ob in dieser Zeit wirklich Gesetze verabschiedet werden, die Länderinteressen berühren...man wird sehen.

Kasharius grüßt und liest künftig noch genauer, bevor er Siegeshymnen anstößt

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Lady Tanja
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Beitrag von Lady Tanja »

Ich schließe mich noch mal Kasharius an, und möchte durchaus mit den erzielten Änderungen einen kleinen Sieg feiern, auch wenn ich hier vielleicht die Minderheit darstelle.

Wenn SW und diverse Fachverbände nicht gebetsmühlenartig wiederholt hätten, daß das ganze Gesetz Bullshit ist, hätte es womöglich keinerlei Bewegung gegeben, und es wäre so verabschiedet worden.

Denn was wir jetzt auf jeden Fall gewonnen haben, ist: Zeit!

Zeit, weiter unsere Positionen zu vertreten.
Zeit, auf den nächsten unsinnigen Paragraphen hinzuweisen.
Zeit, auf die Sinnlosigkeit dieses Gesetzes hinzuweisen.

Und diese Zeit hätten wir nicht bekommen, wenn wir unsere Stimme nicht erhoben hätten.

just my 2cts,
LadyTanja

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friederike
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von friederike »

Ich denke dass niemand sagen kann dass man sich nun zufrieden zurücklegen kann. Das Gesetzeswerk ist nach wie vor in seiner Missachtung der individuellen Freiheitsrechte abzulehnen.

Mit dem "Schwangerschaftstest" ist sogar noch einmal draufgesattelt worden. Man fragt sich wirklich, was in dem Kopf von Menschen vorgeht, die solche Vorschriften ersinnen.

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Kasharius
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Beitrag von Kasharius »

@Friederike

nein, ich wollte auch nicht so verstanden werden. Aber ich finde @Tanjas jüngste Bewertung der jüngsten Ereignisse nicht falsch.

Zum geforderten Schwangerschaftstest; den darauf liefe es ja hinaus: Mir ist hier die Anleihe beim Mutterschutzgesetz nicht klar. Wer selbstständig arbeitet, entscheidet selbst. Und wer, was selten genug ist, abhängig beschäftigt ist, für den gilt dann eben...genau! Also was soll dieser Passus. Offenbar will man das Gesetz vor die Wand fahren - uns soll es recht sein!

Kasharius grüßt

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Beitrag von fraences »

Naja, Dona Carmen hat bereits 2010 schon darauf aufmerksam gemacht und sich dagegegen gewandt das ein repressives Prostitutionsgesetz in der Mache ist.

Ich erinnere, das Dona Carmen ein Brief 2010 an alle Fachberatungsstellen und Organisationen, die in der Prostitution zu tun haben, angeschrieben hat und darauf hingewiesen das es ein Wechsel im Umgang mit der Prostitutuion geben wird.


Der politische Differenz geht wegen der Konzessionierung.

Schaut selber wer immer noch dafür spricht.

In dem Punkt hat die Schwesig recht, das alle sich einig sind bei der Einführung der KOnzessionierung. Das gilt ab 2 SEXARBEITERN. Was fatale Folgen für die SexarbeiterInnen haben wird!
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von fraences »

Zwei Punkten stimme ich mit Frau Frommel nicht überein.

1. Es geht nicht um die Einführung der Zwangsuntersuchung, da hat sie wohl was falsch interpretiert.

2. Bei den Betreiber wird es nicht sein, das sie sich nur mit den Fiannazämter rumschlagen (ist ja jetzt schon, wegen Düsseldorfer Verfahren und Haftung für die Umsatzsteuer der SexarbeiterInnen-Vergnügungssteuer)

Ansonsten wider treffend geschrieben!

http://starke-meinungen.de/blog/2015/11 ... schuetzen/

Von: Monika Frommel
Muss der Staat Prostituierte vor sich selbst schützen?

In den Schubladen der Koalition ruht ein abgespeckter Entwurf eines Gesetzes zum Schutz Prostituierter (SZ-Politik, vom27.11.2015: „Schutz und Pflicht“). Federführend ist das Frauenministerium. Nun wollen ausgerechnet die Länder im Bundesrat nicht zustimmen, welche eine Reform angestoßen hatten (etwa NRW). Ziel müsste eine möglichst effektive Kontrolle der Bordellbetreiber sein, entstanden ist ein Entwurf, der das Gegenteil bewirkt: eine engmaschige und bürokratische Überwachung der Prostituierten. Statt „Schutz“ vor Übervorteilung sieht der Entwurf Anmeldepflichten und eine Pflichtuntersuchungen vor (früher hieß das „Bockschein“). Zuständig sollen die Gesundheitsämter sein. Diese können aber weder umfassend beraten noch werden sie eine bezahlbare HIV-Prävention anbieten. Schreibt man dennoch sanktionsbewehrte Pflichtuntersuchungen vor, schafft man eine völlig sinnlose Normenfalle.

Seit die Grünen im Jahre 2002 den Straftatbestand der „Förderung der Prostitution“ abgeschafft haben, wird in Deutschland eine außerstrafrechtliche Regulierung der Prostitution diskutiert. Interessant ist, dass sich die Grünen aus dieser Debatte verabschiedet haben. Dennoch gibt es runde Tische (NRW) und es gab Bund-Länder-Arbeitskreise, aber keine Ergebnisse. Auch die SPD interessiert sich nur mäßig für realistische Lösungen. Es fehlt der Rückenwind für eine angemessene Reform. Gegenwind hingegen gab es reichlich. Etwa an den Rändern der einst an Emanzipation interessierten Frauenbewegung. Sexkauf müsse verboten werden, Freier „von Zwangsprostituierten“ seien zu bestrafen, 90% der Prostituierten seien Opfer von Menschenhandel: Prostitution sei ein Angriff auf „die Würde der Frau“. Kaum zu glauben, dass sich emanzipiert dünkende Frauen solche Stellvertreterkämpfe führen. Durchgesetzt haben sie sich zwar nicht, aber geschadet haben sie dennoch. Dabei fing es 2014 noch ganz gut an.



Es solle nicht um Verbote gehen, sondern um rechtliche Garantien zum Schutz der Sexarbeiterinnen. Nicht die Prostituierten, sondern die Stätten der Prostitution sollten besser kontrolliert werden. Gemeint waren alle Einrichtungen, die Sex gegen Geld vermitteln oder tauschen. Zwar könne man sie nicht wie jedes andere Gewerbe behandeln; denn dafür wäre das Wirtschaftsministerium zuständig, das sicher nicht kooperieren wird, aber man überlege, wie eine Kontrolle aussehen könne, die sich an die Gewerbeaufsicht anlehnt? Angedacht war, dass die Aufsicht führende Behörde das jeweilige Sozialministerium der Länder werden sollte. Das ist vorstellbar, setzt aber ein klares Gesetz voraus, das ihnen vorgibt, was sie zu tun haben. Dieses Gesetz wird es nicht geben. Auch haben die Wirtschaftsministerien der Länder schon im Vorfeld jede Kooperation verweigert, mit den alten Sprüchen: Prostitution sei nun einmal kein Gewerbe, sondern eine Tätigkeit, die eher von der Polizei überwacht werden sollte. Diese sei ja auch bei der Ermittlung von Menschenhandel zuständig. Da war sie wieder, die fatale Gleichsetzung von Prostitution und Menschenhandel, der pauschalen Zuschreibung eines Opferstatus. Konsens bestand lediglich darin, dass Hilfen anzubieten seien, möglichst solche, die den Ausstieg aus der Prostitution erleichtern.



Angenommen, die Gesetzgebung wäre an einer rationalen und langfristig tragfähigen Problemlösung und nicht an moralisierenden Scheindebatten interessiert, was wäre das Ziel einer effektiven gewerberechtlichen Regulierung? Technisch würde man Bordelle als erlaubnispflichtige Gewerbe einstufen, die eine Zulassung benötigen. Diese muss an Mindestanforderungen geknüpft werden. Ihre Einhaltung kann fortwährend überprüft werden. Erfahrene Behörden könnten flexibel reagieren, wenn die Betreiber die Mindeststandards unterschreiten, die mit ihnen festgelegt worden sind. Die dort Tätigen (Selbstständige) können Akteneinsicht in die Gewerbeakte nehmen und sehen, ob die einbehaltenen Betriebskosten realistisch sind. Mieter haben ja auch das Recht auf Kontrolle und sie haben Mietervereine, die sie dabei unterstützen. Wieso soll das im Bordell nicht möglich sein? Erst wenn sie mit den dort tätigen Personen zusammen arbeitet, hätte die zuständige Gewerbeaufsicht die Chance, zu erkennen, ob und wo es Ausbeutung gibt (eigentlich strafbar nach § 180a StGB, aber ohne Rechte der Gewerbeaufsicht nicht beweisbar). Vor der zurzeit leeren Drohung mit einem Strafverfahren kämen sehr viel flexiblere Instrumente zum Tragen. Erfüllen die Betreiber ihre Auflagen nicht, kann ihnen und ihren Vertretern (oder Strohmännern) jede weitere Tätigkeit in dieser Branche untersagt werden. Gewerbeaufsicht wäre also die Lösung, aber das Frauenministerium konnte sich gegen die diffusen Widerstände nicht durchsetzen und hatte auch nicht vor, dieses Thema ernsthaft zu diskutieren. So gesehen wundert niemand, dass das geplante Prostituiertenschutzgesetz immer noch auf die Polizei setzt und damit erneut in eine Sackgasse eilt. Der rest ist nur noch öde: Prostituierten müssen sich melden, ansonsten begehen sie eine Ordnungswidrigkeit. Sie müssen das regelmäßig wiederholen und immer dann, wenn sie in einer neuen Stätte arbeiten, was häufig der Fall ist. Außerdem müssen sie die Bescheinigung der rechtzeitig durchgeführten Pflichtuntersuchung (Gesundheitsamt) bei sich führen.



Bürokratie, aber keine Musterverträge. Bescheinigungen, aber keine Kostenkalkulationen. Selbst für das dezente Massengeschäft der nicht öffentlich sichtbaren Wohnungsprostitution gibt es keinen Mieterschutz. Es gilt die völlig unpassende Regel, dass dies gewerbliche Mietverträge seien. Kein Schutz, sondern Wildwuchs. Nicht einmal ein Konzept für die abgestufte Besteuerung existiert. Die Betreiber können deshalb immer noch mit unversteuertem Schwarzgeld arbeiten. Auch die dort Tätigen werden das imitieren. Sie haben sogar einen verständlichen Grund. Sie legen nämlich Wert auf Datenschutz, und den kann ihnen die jetzige (Schein)Lösung nicht garantieren. Ihre Arbeit müsste pauschal besteuert werden, so dass nur diejenigen, die sich namentlich zu ihrem Beruf bekennen, über eine individuelle Einkommenssteuer das zurückfordern können, was sie meinen bei der Pauschalierung zu viel bezahlt zu haben.



Wenn es aber weder eine effektive Preiskontrolle gibt noch sonst irgendeine Transparenz, wie soll dann Ausbeutung verhindert werden? Es ist schlicht abwegig, diese – wie gehabt – über den bizarren Umweg des Vorwurfs des Menschenhandels, eines Straftatbestandes, der bis vor kurzem regelmäßig auf Veranlassung der EU erweitert wurde, zu verfolgen. Dass dieser Weg zu nichts führt und auch zu nichts führen kann, wissen alle Beteiligten seit Jahren. Wieso soll dann in der Zukunft wiederholt werden, was schon in der Vergangenheit nicht durchdacht, sondern nur ideologische motiviert war? Die Ideologie ist bekannt: Menschenhandel ist immer Zwangsarbeit, Prostitution ist fast immer Zwangsprostitution (bis auf ein paar Exoten). Wie kommen Frauenpolitikerinnen auf diese schlichte Gleichung? Viele Menschen arbeiten unter ökonomischen Zwängen. Bordellbetreiber und Vermittler zwingen (bis auf extreme Ausnahmen) niemanden nicht in die Prostitution. Es gibt Zwang. Ein Grund ist ein Überangebot an Anbieterinnen. Wie so oft, leiden die dort Tätigen unter einem wachsenden Druck der Billig-Konkurrenz und überbieten sich deshalb mit Billigangeboten. Ökonomisch schwache Selbstständige gibt es nicht nur in dieser Branche. So gesehen sind sexuelle Dienstleistungen ein Gewerbe wie jedes andere auch. Nicht nur dort sind die Verdienste oft zu niedrig – Ausnahmen bestätigen lediglich die Regel. Die Anbieter, häufig Frauen, müssen nicht nur sozial, sondern ganz brutal mit Altersarmut die Folgen der fehlenden Regulierung bezahlen.



Ein „Prostituiertenschutzgesetz“ könnte also Sinn machen. Aber dieser Entwurf leistet dies nicht. Statt über zu niedrige Preise wird ausgerechnet bei der Prostitution über „Zwang“ und „Freiwilligkeit“ geredet. Nicht die Tätigkeit also solche ist schädlich, sondern der unkontrollierte ökonomische Zwang, zu viele Kunden abfertigen zu müssen, um die zu hohe Miete und Zusatzkosten zahlen zu können. Was geplant ist, erschwert die Arbeit der dort Tätigen ohne jeden Nutzen für sie. Bordellbetreiber werden nicht kontrolliert, sondern müssen sich künftig nur mit den Finanzämtern herum schlagen. Aber die Finanzbehörden interessieren sich nicht für den Schutz der Prostituierten. Was für eine Fehlplanung.
Zuletzt geändert von fraences am 28.11.2015, 17:06, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag von Kasharius »

@freances

ist das wirklich so? Sind sich alle einig? Und was genau verstehst Du unter Konzessionierung? WEnn Du die Pflicht zur Anmeldung von SW meinst dachte ich, viele SW hier wären dagegen. Und wenn Du die Genehmigung für Betreiber meinst, sind doch auch viele - gerade hier, dagegen...?!

Kasharius grüßt Dich herzlich

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Beitrag von fraences »

Ich mente jetzt nicht hier im Forum, aber bereits in der Entstehung uns Auserarbeitung der KOnzessionierung haben viele dafür gesprochen.

Wer war wann und warum
für eine
‚Konzessionierung von Prostitutionsstätten‘?
Doña-Carmen-Thesenpapier
vorgetragen auf dem ‚Initiativkreis Prostitution‘
in Frankfurt/Main am 19. 06. 2012

http://www.donacarmen.de/wp-content/upl ... ierung.pdf

ergänzend. Mit KOnzessionierung meine ich Genehmigungspflicht für Prostitutuionsstätten, die ja auch die Regsitrierung durch die HIntertür beinhaltet!
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Beitrag von Kasharius »

@freances

DANKE!!! Und auch Dir einen gesegneten ersten Advent!

Kasharius grüßt

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Beitrag von fraences »

Dank den HInweis von Sonja Dolinsek, hat sich noch was extrem verschärft im Gesetz.

1000 Euro Bußgeldstrafe bei nicht Registrierung, statt vom MInisterium gesagte 30-50 Euro!

Schon heftig wenn so ein Gesetz unsere Existenz beraubt, aber noch zusätzlich SexarbeiterInnen in die Armut zu treiben ist schon sehr heftig!

Erinnert mich an den "alten Slogan, von der französische SexarbeiterInnen aus Lyon 1975.

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Eddy
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Beitrag von Eddy »

Man sollte sich keinerlei Hoffnungen hingeben, dass die erzielten „Erleichterungen“ auch durch die Argumente der SW oder SW-freundlicher Kreise erreicht wurden.

Sie sind ausschließlich der personellen Lage und damit der Überforderung der Kommunen (sowohl auf der Ebene der Registrierungsbehörden wie der Gesundheitsämter) geschuldet – und das wohl auch nur unter Rücksichtnahme auf die Flüchtlingskrise.

Möglicherweise erhofft man sich damit, die Schwelle im Bundesrat zu senken, falls man doch mit dem Gesetz noch durch den Bundesrat muss.

Dass das so ist, kann ich sogar beweisen. Ich selbst habe eine Stellungnahme zu 15 sehr konkreten Aspekten geschrieben, teilweise – aber nicht ausschließlich – unter Aspekten des Schutzgedankens insbesondere von Frauen der Armutsprostitution oder anderen prekären Lagen. Meine Kritik reichte von der 5-Tage-Frist für die Erteilung der Anmeldebescheinigung (warum nicht sofort?), das Übernachtungsverbot in Verrichtungszimmern (selbst wenn sie grundsätzlich zum Übernachten geeignet wären; eine Kostenfrage für arme oder übermüdete SW) bis hin zu unklaren und fehlinterpretierbaren Formulierungen zur Kondomanwendung „am Körper des Prostituierten“.

Das Einzige, was sich im modifizierten Entwurf in angedeuteter Weise wiederfindet, ist die Verlängerung der Anmeldefrist im Rahmen der Übergangsregelung (jetzt § 36 Abs. 1) für bereits in der Prostitution tätige Personen von drei auf sechs Monate. Ich hatte damals auf die völlige Überforderung der Gesundheitsämter hingewiesen, nach Inkrafttreten des Gesetzes alle bereits tätigen SW innerhalb von drei Monaten zu beraten (auch 6 Monate lösen das Problem nicht, schwächen es nur etwas ab).

Dabei war meine Stellungnahme vor allem unter dem Aspekt des ProstituiertenSCHUTZes geschrieben. Eine völlig vermögenslose Frau, die fünf Werktage (also eine Woche) auf die Anmeldebescheinigung warten muss und in der Zeit nicht arbeiten darf, muss sich einen Zuhälter / Geldleiher / Financier suchen. Eine Frau, die nicht im Club schlafen darf, aber kein Geld für ein Hotel hat, muss auf der Straße übernachten oder ihren letzten Freier bitten, ob er sie mitnimmt … Eine SW, die sich tief nachts zu müde fühlt, um noch mit ihrem Auto nach Hause zu fahren … muss eben in Zukunft ein teures Taxi bezahlen … oder sich übermüdet selbst ans Steuer setzen …

Den Entwurf vom 25.11.2015 betrachte ich daher sogar als eine Verschlimmerung, denn alle sachlichen Argumente (außerhalb der kommunalen Einwände) wurden komplett ignoriert, selbst wenn sie ausdrücklich auf den Schutz der SW abzielten. Es ist diese komplette Ignoranz, die mich so wütend macht.

Damit stehen jetzt drei Dinge fest:

1. Sachliche Argumente werden grundsätzlich ignoriert und jede fachliche und sachliche Argumentation, auch aus dem Blickwinkel des Prostituiertenschutzes, ist völlig sinnlos. Die Politik ist für Sachargumente NICHT ZUGÄNGLICH.
2. Das Gesetz dient ausdrücklich NICHT dem Schutz der Prostituierten, sondern bemüht sich, die Lage der SW so weit wie möglich zu verschlechtern
3. Die für SW entlastend wirkenden Änderungen, die vorgenommen wurden, dienen ausschließlich einer graduellen Entlastung der Kommunen und sind offenbar der Flüchtlingskrise geschuldet.

Damit dürften alle Hoffnungen, Verbesserungen für SW zu erreichen – außerhalb jenen, die gleichzeitig auch die Kommunen entlasten – endgültig zerplatzen.

Beim Gesetzentwurf vom Juli 2015 konnte man die Politiker noch entschuldigen, sie hätten es eben nicht besser gewusst. Jetzt aber MÜSSTEN sie es besser wissen (nicht zu vergessen die beeindruckende Stellungnahme von Dona Carmen!).

Jetzt, Ende November, gibt es keine Entschuldigung mehr. Jetzt sind die Politiker BESTENS informiert. Keiner kann mehr sagen, er hätte dies oder jenes nicht gewusst.

Und damit ist für mich der Entwurf vom 25.11.2015 noch schockierender als der vom Juli. War der vom Juli in vielen Punkten noch mit Unwissenheit entschuldbar, beruht der Entwurf vom 25.11.2015 nun auf vollständiger Kenntnis der Lage und Argumente und offenbart damit die volle Grausamkeit der Politik und den Mangel jeglicher Empathie der beteiligten Politiker.

Der Gesetzentwurf ist ein Armutszeugnis sondergleichen, offenbart Niveau und Qualität politischer Arbeit in Deutschland, und strotzt von Menschenverachtung (auch wenn er das Gegenteil davon behauptet).

Eddy

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Re: RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von Doris67 »

          Bild
friederike hat geschrieben:Mit dem "Schwangerschaftstest" ist sogar noch einmal draufgesattelt worden. Man fragt sich wirklich, was in dem Kopf von Menschen vorgeht, die solche Vorschriften ersinnen.
Ganz einfach: Frauenhaß. (Nein, nicht nur Hurenhaß, denn es geht darum, alle Frauen wieder ca. ins frühe 19. Jahrhundert zurückzukatapultieren, Huren sind nur der Vorwand und Katalysator dazu.)
Mitglied der Confédération Nationale du Travail

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Beitrag von Doris67 »

Des weiteren seh ich das ähnlich wie Eddy: Es wird überhaupt nichts abgeschwächt, jetzt wird's im Gegenteil noch zynischer uns gegenüber.
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Beitrag von malin »

Sehe ich genauso...und keinerlei Anlass "zur Freude"
liebe grüsse malin

eventuell fehlende buchstaben sind durch meine klemmende tastatur bedingt :-)

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Beitrag von fraences »

Es ist nicht nur die Ignoranz, sondern alles was wir Vortragen als Argumente, wird rückwendend gegen uns verwendet.

Das die Bußgelder wegen Nicht-Registrierung in dem veränderten Entwurf auf 1000 Euro angehoben wurde (vorher 30-50) ist die Antwort auf die Boykott Aktion der Registrierung.
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von fraences »

Entwurf für neues Prostitutionsgesetz
Der Idiotentest bleibt


Eine Anmeldung als SexarbeiterIn soll zukünftig bundesweit gültig sein. Wer nach Ansicht der Behörden zu dumm ist, hat schlechte Karten.
Eine Prostituierte sitzt in einem rot beleuchteten Raum an einem Tisch

Soll zukünftig bundesweit arbeiten dürfen: Eine Prostituierte sitzt in einem Bordell in Hamburg. Foto: ap

BERLIN taz | Mehr als ein Jahr haben SPD und CDU gebraucht, um sich auf einen Entwurf für das neue Prostituiertenschutzgesetz zu einigen. Nun hat das Frauenministerium unter Manuela Schwesig (SPD) Änderungen vorgenommen und verkündet, in der alten Version werde das Gesetz nicht kommen. Die Union tobt und fordert, der Koalitionspartner habe sich an getroffene Vereinbarungen zu halten. Doch auch aus Sicht der SPD dürfte es Kritik am neuen Entwurf geben. Immerhin formuliert dieser die generelle Ausrichtung des Gesetzes um.

Die offensichtlichen Änderungen betreffen vor allem die umstrittene Anmelde- und Beratungspflicht für SexarbeiterInnen. Diese soll nun bundesweit gültig sein, statt auf einzelne Kommunen begrenzt. Anmeldebescheinigungen sollen länger gültig sein. Wer über 21 ist, soll die Bescheinigung elektronisch verlängern können. Die gesundheitliche Beratung soll nur vor der ersten Anmeldung statt jährlich oder halbjährlich stattfinden. Die Regelungen sollen erst zwei Jahre nach Verkündung des Gesetzes in Kraft treten – vorher war dafür ein halbes Jahr vorgesehen.

Zudem soll „fehlende Einsichtsfähigkeit“ kein Grund mehr sein, die Anmeldung zu verweigern. Gerade diesen Punkt hatten AktivistInnen und SexarbeiterInnen scharf kritisiert und als „Idiotentest“ bezeichnet. Fehlende Einsicht sei dem alten Entwurf nach anzunehmen, wenn etwa eine „stark ausgeprägte Intelligenzminderung“ vorliege – frei übersetzt: Wenn die Behörde der Meinung ist, eine Person sei zu dumm, um zu wissen, was sie tut.

Doch ein genauer Blick zeigt: Die „fehlende Einsichtsfähigkeit“ ist nicht gestrichen, sondern nur weniger prominent platziert. Etwas weiter hinten im Entwurf steht nun, die Behörde habe unverzüglich die „zum Schutz einer Person erforderlichen Schritte und Maßnahmen“ zu veranlassen, wenn sich Anhaltspunkte dafür ergäben, dass „eine Person nicht über die zum eigenen Schutz erforderliche Einsichtsfähigkeit verfügt“.

In der Gesetzesbegründung heißt es, dieser Absatz erfasse Konstellationen, in denen „das Wohl einer Person in so gravierender Weise gefährdet erscheint, dass auf behördlicher Seite eine Pflicht zur Veranlassung von Schutzmaßnahmen ausgelöst wird“. Explizit verwiesen wird an dieser Stelle auch auf Paragraf fünf – also auf die Gründe, eine Anmeldebescheinigung zu verweigern. Die genaue Form der Schutzmaßnahmen wird nicht weiter ausgeführt. Es liegt also im Ermessen der Behörden, ob eine Verweigerung der Anmeldebescheinigung bei „fehlender Einsichtsfähigkeit“ unter „erforderliche Schritte und Maßnahmen“ fällt.
Keine Anmeldung für Schwangere

Auch schwangere Frauen sollen sich nicht anmelden dürfen. Zu groß sei die in der Prostitution „typischerweise bestehende unverantwortbare Gefährdung des Wohls des ungeborenen Lebens des Kindes“. Sollte eine Behörde die Aussage einer Frau anzweifeln, kann sie eine ärztliche Bescheinigung oder einen ähnlichen Nachweis fordern und die Erteilung der Bescheinigung bis dahin aussetzen. Bei geschütztem Geschlechtsverkehr – den das Gesetz in Form der Kondompflicht vorschreibt – ist das Infektionsrisiko von SexarbeiterInnen allerdings nicht höher, als bei anderen Menschen mit einem Sexualleben. Was der Entwurf in dieser Form vermittelt: Sex ist in der gesamten Schwangerschaft prinzipiell gefährlich. Das ist schlicht falsch.

Es gibt eine noch viel grundlegendere Änderung am Gesetzesentwurf. Der SPD-Bundestagsfraktion ging es von Anfang an darum, eine effektivere Regulierung legaler Prostitution zu ermöglichen. So ist es auch im Koalitionsvertrag festgehalten. Immer wieder betonte die SPD, eine klare Trennung zu illegalem Menschenhandel sei unbedingt aufrechtzuerhalten. In der Einleitung des Entwurfs für das Prostituiertenschutzgesetz heißt es nun, das Gesetz biete die Möglichkeit, die „Kriminalität im Bereich des Rotlichtmilieus insgesamt zurückzudrängen“. Das Gesetz diene der Abwehr „erheblicher Gefahren“ für die „Gesamtheit der in der Prostitution tätigen Personen“.

Diese Gefahren sind laut Entwurf solche der Gesundheit und der Sicherheit, aber eben auch des Menschenhandels – ein Aspekt, zu dem das Bundesjustizministerium einen eigenen Gesetzesentwurf vorgelegt hat und der genau dort richtig aufgehoben ist. Immerhin hat das Prostitutionsgesetz aus dem Jahr 2002 erstmals rechtlich klargestellt, dass Sexarbeit nicht sittenwidrig ist, sondern ein Gewerbe. SexarbeiterInnen sind also nicht per se Zwangsprostituierte und Opfer von Menschenhandel – sondern in erster Linie DienstleisterInnen.

https://www.taz.de/Entwurf-fuer-neues-P ... /!5255860/
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Beitrag von Nymphe »

Die ganze in der Zusammenfassung für die Presse "Verschlankung" genannte Änderung des Registrierungsverfahrens ist eindeutig nur dem Protest der Länder geschuldet. Dass das für diejenigen, die sich registrieren lassen, ebenfalls eine Erleichterung ist, ändert nichts an dem grundsätzlich diskriminierenden und abschreckenden bzw. illegalisierenden Charakter des Gesetzes. Und die Verschlimmerungen sind ja bereits benannt worden.

Mich würde nochmal eine rechtliche Einschätzung der Datenschutzproblematik durch unsere Rechtsexpert_innen hier interessieren. In der Begründung wird auf die EU-Datenschutzrichtlinie eingegangen und behauptet, der würde genüge getan, selbst wenn man davon ausginge, dass die Tatsache, dass man als SW tätig ist, unter Daten über das Sexualleben fällt, die besonders sensibel sind und damit eigentlich gar nicht erhoben werden dürfen.

"Artikel 8 Absatz 4 der Richtlinie 95/46/EG erlaubt die Einführung zusätzlicher Ausnahmen vom grundsätzlichen Verbot der Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener
Daten. Voraussetzung für eine solche Ausnahme ist, dass sie einem wichtigen öffentlichen Interesse dient, in einer nationalen Rechtsvorschrift vorgesehen ist und angemessene Garantien zum Schutze der Rechte und Interessen des Betroffenen vorsieht. Mit dieser Vorschrift macht das deutsche Recht von dieser Möglichkeit Gebrauch. Ein wichtiges öffentliches Interesse besteht vorliegend in den mit dem Prostituiertenschutzgesetz verfolgten Zielen der Regulierung des Prostitutionsgewerbes durch Schaffung ordnungsrechtlicher Überwachungsinstrumentarien und der Verdrängung gefährlicher, sozial unverträglicher oder krimineller Auswüchse der Prostitution. Zugleich dient die Anmeldung wie auch die gesundheitliche Beratung dem Schutz der in der Prostitution tätigen Personen."

Was meint ihr, kommen die damit durch? Ist die "Schaffung ordnungsrechtlicher Überwachungsinstrumentarien", die "Verdrängung gefährlicher, sozial unverträglicher oder krimineller Auswüchse der Prostitution" und der "Schutz der in der Prostitution tätigen Personen" "ein wichtiges öffentliches Interesse" im Sinne der Datenschutzrichtlinie? Und wer ist ggf. in der Beweispflicht, ob dieses Gesetz diesen behaupteten Zwecken überhaupt dient?

Weiterhin verweisen sie darauf, dass diese Daten nur eine Behörde bekäme, und den Rest könne man dann auf Wunsch mit der Aliasbescheinigung erledigen.

Was nicht stimmt, weil man sich vor Ausstellen der Aliasbescheinigung namentlich beim Gesundheitsamt vorstellen muss, und weil die Tatsache der Anmeldung zudem jetzt auch noch automatisch ans Finanzamt weitergegeben wird.

Und falls der Beamte bei der Registrierung Anhaltspunkte hat, dass "etwas nicht stimmt", sollen die Daten munter noch an diverse andere Stellen weitergegeben werden können (zum Schutz nötige Maßnahmen ergreifen und so).

Wie ist eure Einschätzung, falls das verabschiedet wird und wir klagen?
It is no measure of health to be well adjusted to a profoundly sick society.

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Jupiter
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von Jupiter »

Ich denke, dass auch der Bereich "Datenschutz" und damit die Aufgabe der Datenschutzbeauftragten betrachtet werden muss. Ich habe hier schon mal darauf hingewiesen: http://www.sexworker.at/phpBB2/viewtopi ... 568#148568

Gruß Jupiter
Wenn du fühlst, dass in deinem Herzen etwas fehlt, dann kannst du, auch wenn du im Luxus lebst, nicht glücklich sein.

(Tenzin Gyatso, 14. Dalai Lama)

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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von friederike »

Die Frage ist so allgemein nicht einfach zu beantworten.

Die EU-Richtlinie spricht sehr allgemein von den "angemessenen Garantien" - offensichtlich ein weites Feld.

Einen Schwachpunkt hat das Ministerium Schwesig vermutlich jetzt abgeschwächt. Die Anmeldung kann jetzt offenbar an einer beliebigen Stelle in der Bundesrepublik erfolgen. Damit ist das Problem entfallen, dass man sich in kleinen Gemeinden, wo jede jeden kennt, auf dem Bürgermeisteramt einfinden musste, wo die Nachbarin am Computer sitzt usw.

Ein rechtlicher Angriff würde wohl in eine Einzelfallabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse usw., auf dass sich die Bundesregierung beruft, den "angemessenen Garantien" und den Schutzinteressen der Betroffenen hinauslaufen. Das Ergebnis wird wohl vom konkreten Fall abhängen.

Den Schwachpunkt sehe ich darin, dass die Anmeldepflicht und die Datenerfassung anlasslos allein durch die Aufnahme der Prostitution ausgelöst und vorgeschrieben wird. Es spielt also keine Rolle, ob konkret ein öffentliches Interesse oder ein Schutzbedürfnis für wen auch immer vorliegt. Die selbstbestimmte Edel-Escort, die gelegentlich tätige Hobby-Hure und alle anderen Fallkonstellationen werden gleichermaßen unter Generalverdacht gestellt.

Gänzlich aussichtslos dürfte deshalb ein Angriff nicht sein, der EuGH hat durchaus zugunsten der Menschenrechte im Datenschutz geurteilt, siehe die Urteile zur Vorratsdatenspeicherung EuGH, 08.04.2014 - C-293/12 und C-594/12 aus 2014. Dort klingt genau dieses Argument an: die generelle, nicht durch mehr oder weniger konkreten Anlass begründete Datensammelei ist nicht zulässig. Der Wunsch des Staates nach "Kontrolle" reicht nicht aus.

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Kasharius
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Beitrag von Kasharius »

@Nymphe

zu einer fundierten juristischen Einschätzung reicht es hier im Forum nicht aus. ABER: Das Problem des gesamten Gesetzes besteht ja offenkundig darin, daß dessen (vermeintliches Ziel) zwar legitiem sein mag, aber in dieser Form gar nicht verwiklicht wird. Zudem ist es völlig unverhältnißmäßig da es die Grundrechte der Betreiber u n d der SW (jenen also die das Gesetz ja schützen soll) zu stark einschränkt; die Argumente wurden hier ja schon rauf- und runter dekliniert. All dies gilt auch für den Datenschutz. Es ist nicht klar, welche Daten von wem, wozu g e n a u erhoben und genutzt werden soll. Es ist nicht klar warum Betreiber berechtigt sein sollten, für die Behörde (welche?!) Daten zu erfassen; insbesondere nicht bei selbstständig arbeitenden SW. Es ist nicht klar, warum jemand der nur gelegentlich und ohne feste Erwerbsabsicht sexuelle Dienste anbietet, unter all diese regiden Regelungen fallen soll! Es ist nicht klar warum SW bei der Anmeldung keinen Beistand haben können (klarer Verstoß gegen das Rchtsstaatsprinzip in Art. 20 GG). Es ist nicht klar, was genau das Nutzungskonzept enthalten muss, daß der Betreiber vorlegen soll! Es ist nicht klar, wer nach welchen Kriterien warum feststellt, ob jemand "einsichtsfähig" ist! Es ist nicht klar,weshalb Arbeitgeber im Bewerbungsverfahren in der Regel nicht nach Behinderung und Schwangerschaft fragen dürfen (Verstoß gegen das AGG), hier aber Betreiber/Behörde (welche?) berechtigt sein sollen, sogar Selbstständige "in den Mutterschutz zu zwingen", oder sog. EINSICHTSFÄHIGKEIT zu erfassen (klarer Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung Art. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG und das Benachteiligungsverbot in Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2GG)! Es ist nicht klar, wie all das und weitere geplante Grundrechtseingriffe, wie Zwangsberatung- und Zwangsuntersuchung Zwangsprostitution verhindern soll, wenn den Hintermännern und Hinterfrauen die dabei nicht offen zu Tage treten g a r n i c h t s geschieht!

Es ist nicht klar, ob der Gesetzgeber weiß wa er tut - wiedermal!!!

Kasharius grüßt