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24.2.2015
Sex-Kauf-Verbot ohne Wirkung
In Schweden kritisiert der Verband für Sexualaufklärung das Sex-Kauf-Verbot. Es schütze die Prostituierten nicht, sondern zwinge sie in den Untergrund.
Schweden hat vor 15 Jahren als weltweit erstes Land ein Sex-Kauf-Verbot eingeführt. Freier müssen seither mit einer Strafe rechnen, die Prostituierten bleiben straffrei. Das Gesetz ist seit seinem Inkrafttreten umstritten. Kristina Ljungros, Vorsitzende des schwedischen Verbandes für Sexualaufklärung, nannte im «Sveriges Radio» drei Kritikpunkte:
-Es gebe keine statischen Beweise dafür, dass die Zahl der Freier gesunken ist.
-Das Gesetz zwinge Prostituierte, im Geheimen zu agieren.
-Das Verbot stigmatisiere die Prostituierten noch mehr. Deshalb trauten sich weniger, Hilfe zu suchen.
Negativeres Bild von Prostituierten
Kristina Ljungros stützt ihre Aussagen auf eine Studie der Hochschule Malmö, die der Verband für Sexualaufklärung in Auftrag gegeben hatte. Danach sind heute mehr als die Hälfte aller Schwedinnen und Schweden dafür, nicht nur die Freier, sondern auch die Prostituierten zu kriminalisieren. Vor Einführung des Gesetzes im Jahr 1999 wollte das nur ein Drittel. Kristina Ljungros: «Ein Ziel des Gesetzes war es, eine negative öffentliche Meinung gegenüber den Freiern zu schaffen. Das ist gelungen. Gleichzeitig ist aber die Haltung gegenüber den Prostituierten wesentlich negativer geworden und das wollen wir absolut nicht.»
Keine statistischen Beweise
Das Gesetz habe vermutlich auch das Ziel verfehlt, die Zahl der Freier zu reduzieren, sagt Ljungros. Die Regierung behaupte dies zwar, doch gebe es dafür keine statistischen Beweise. Seit das Gesetz in Kraft getreten sei, mache sich ein Freier ja strafbar, wenn er zugebe, für sexuelle Dienstleistungen bezahlt zu haben. Kristina Ljungros fordert den Gesetzgeber auf, das Gesetz zu revidieren, damit es seinen Zweck tatsächlich erfüllen kann.
Kauf-Verbot allein genügt nicht
Ein Sex-Kauf-Verbot allein genüge nicht, sagt Studienleiterin Charlotta Homström. Bei der Verabschiedung des Gesetzes sei geplant gewesen, Unterstützungsangebote für Prostituierte und Ausstiegsprojekte zu fördern. Dieses Versprechen habe die Regierung nur ungenügend erfüllt. Das Gesetz habe deshalb zu anderen Resultaten geführt als ursprünglich geplant. Statt die Prostituierten besser zu schützen, habe das Gesetz sie grösseren Risiken ausgesetzt, weil sie ihre Dienste im Geheimen verkaufen müssen.
Unterschiedliche Regelungen
Nach schwedischem Vorbild haben auch Norwegen, Island und Kanada den Kauf sexueller Dienstleistungen verboten. Finnland bestraft Freier, die unfreiwillige Dienste von Zwangsprostituierten in Anspruch nehmen. Die Schweiz und Österreich gehören zu einer Gruppe von Ländern, welche die Prostitution tolerieren, sie aber rechtlich nicht als Erwerbsarbeit anerkennen. In Deutschland und den Niederlanden ist Prostitution eine legale Erwerbsarbeit. In Deutschland hat das geplante Prostitutionsgesetz eine Kontroverse in der Frauenbewegung ausgelöst.
http://www.frauensicht.ch/Artikel/Koerp ... ne-Wirkung
Sex-Kauf-Verbot ohne Wirkung
In Schweden kritisiert der Verband für Sexualaufklärung das Sex-Kauf-Verbot. Es schütze die Prostituierten nicht, sondern zwinge sie in den Untergrund.
Schweden hat vor 15 Jahren als weltweit erstes Land ein Sex-Kauf-Verbot eingeführt. Freier müssen seither mit einer Strafe rechnen, die Prostituierten bleiben straffrei. Das Gesetz ist seit seinem Inkrafttreten umstritten. Kristina Ljungros, Vorsitzende des schwedischen Verbandes für Sexualaufklärung, nannte im «Sveriges Radio» drei Kritikpunkte:
-Es gebe keine statischen Beweise dafür, dass die Zahl der Freier gesunken ist.
-Das Gesetz zwinge Prostituierte, im Geheimen zu agieren.
-Das Verbot stigmatisiere die Prostituierten noch mehr. Deshalb trauten sich weniger, Hilfe zu suchen.
Negativeres Bild von Prostituierten
Kristina Ljungros stützt ihre Aussagen auf eine Studie der Hochschule Malmö, die der Verband für Sexualaufklärung in Auftrag gegeben hatte. Danach sind heute mehr als die Hälfte aller Schwedinnen und Schweden dafür, nicht nur die Freier, sondern auch die Prostituierten zu kriminalisieren. Vor Einführung des Gesetzes im Jahr 1999 wollte das nur ein Drittel. Kristina Ljungros: «Ein Ziel des Gesetzes war es, eine negative öffentliche Meinung gegenüber den Freiern zu schaffen. Das ist gelungen. Gleichzeitig ist aber die Haltung gegenüber den Prostituierten wesentlich negativer geworden und das wollen wir absolut nicht.»
Keine statistischen Beweise
Das Gesetz habe vermutlich auch das Ziel verfehlt, die Zahl der Freier zu reduzieren, sagt Ljungros. Die Regierung behaupte dies zwar, doch gebe es dafür keine statistischen Beweise. Seit das Gesetz in Kraft getreten sei, mache sich ein Freier ja strafbar, wenn er zugebe, für sexuelle Dienstleistungen bezahlt zu haben. Kristina Ljungros fordert den Gesetzgeber auf, das Gesetz zu revidieren, damit es seinen Zweck tatsächlich erfüllen kann.
Kauf-Verbot allein genügt nicht
Ein Sex-Kauf-Verbot allein genüge nicht, sagt Studienleiterin Charlotta Homström. Bei der Verabschiedung des Gesetzes sei geplant gewesen, Unterstützungsangebote für Prostituierte und Ausstiegsprojekte zu fördern. Dieses Versprechen habe die Regierung nur ungenügend erfüllt. Das Gesetz habe deshalb zu anderen Resultaten geführt als ursprünglich geplant. Statt die Prostituierten besser zu schützen, habe das Gesetz sie grösseren Risiken ausgesetzt, weil sie ihre Dienste im Geheimen verkaufen müssen.
Unterschiedliche Regelungen
Nach schwedischem Vorbild haben auch Norwegen, Island und Kanada den Kauf sexueller Dienstleistungen verboten. Finnland bestraft Freier, die unfreiwillige Dienste von Zwangsprostituierten in Anspruch nehmen. Die Schweiz und Österreich gehören zu einer Gruppe von Ländern, welche die Prostitution tolerieren, sie aber rechtlich nicht als Erwerbsarbeit anerkennen. In Deutschland und den Niederlanden ist Prostitution eine legale Erwerbsarbeit. In Deutschland hat das geplante Prostitutionsgesetz eine Kontroverse in der Frauenbewegung ausgelöst.
http://www.frauensicht.ch/Artikel/Koerp ... ne-Wirkung
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Sex-Handel in Schweden
„Polizei-Arbeit gegen Prostitution ist ein Witz“
Autor: Helmut Steuer
Datum: 03.03.2015 06:27 Uhr
Schweden war eines der ersten Länder, das gekauften Sex unter Strafe stellte. Doch die Umsetzung des Gesetzes sei „ein Witz“, sagt der stellvertretende Chef der Grenzpolizei in Malmö. Ist das Modell gescheitert?
StockholmLeif Fransson, stellvertretender Chef der Grenzpolizei in Malmö, klang resigniert. Wer will, kann in der südschwedischen Großstadt sexuelle Dienste kaufen. In Rita Knobels ZDFzoom-Doku „Deutschland und der gekaufte Sex“, die jüngst im ZDF ausgestrahlt wurde, lässt Fransson seinem Frust freien Lauf. Das seit 1999 geltende Gesetz, das den Sexkauf verbietet, sei gescheitert, so der Polizist.
Tatsächlich war Schweden eines der ersten Länder weltweit, das den Sexkauf unter Strafe stellte. Wobei zwischen Sex-Käufer und –Verkäufer unterschieden wird: Freier können mit bis zu sechs Monaten Gefängnis belangt werden.
Die Frauen, die ihre sexuellen Dienste anbieten, bleiben hingegen straffrei. Von Frauenrechtlerinnen in vielen Ländern als Modell gefeiert, ist vor Ort in Schweden allmählich Ernüchterung eingekehrt, was die Wirksamkeit des Anti-Prostitutionsgesetzes angeht.
„Die Polizei-Arbeit gegen die Prostitution ist ein Witz“, erklärte Fransson im vergangenen Jahr schon gegenüber der Zeitung „Sydsvenskan“. Und auch der stellvertretende Polizeichef von Malmö, Patrik Johansson, stimmt zu. „Das ist nichts, was wir priorisieren“.
Die Gründe dafür sind einfach: Es gibt zu wenig Personal, und der Sexhandel ist von der Straße ins Internet gewandert. Das macht die Fahndung deutlich schwieriger. Tatsächlich sieht man in der Hauptstadt Stockholm kaum noch Prostituierte auf der Straße.
Dagegen boomt der Sexhandel im Internet: Ein paar Klicks und der Freier wird fündig. Ob Massagedienste oder auch ganz offene Prostitutionsangebote – die Seiten zwielichtiger Betreiber lassen keine Wünsche offen. Die Polizei steht dem machtlos gegenüber.
In der Millionenmetropole Stockholm sind gerade einmal vier Polizisten für den Kampf gegen Menschenhandel und Prostitution abgestellt. In Malmö und Göteborg sind es noch weniger. Deshalb ist es verständlich, wenn der stellvertretende Malmöer Polizeichef von „einem Witz“ spricht.
Vertreter der Polizei bemängeln auch, dass die Kontrolle der Prostitution seit der strengen Gesetzgebung im Prinzip nicht mehr funktioniert. Der Sexhandel ist in Privatwohnungen und Hotels ausgewichen, Orte, die nur teilweise von der Polizei kontrolliert werden können.
Seite 1:
„Polizei-Arbeit gegen Prostitution ist ein Witz“
Freier wandern selten ins Gefängnis
Prostitution sorgt immer wieder für heftigen Streit. Betroffene Huren fürchten häufig, dass ihr Gewerbe durch schärfere Strafen in den Untergrund gedrängt und für sie noch gefährlicher wird. In Deutschland dagegen gilt seit 2002 eines der liberalsten Prostitutionsgesetze weltweit. Ein Überblick. (Foto: dpa)
Die Polizei klagt ebenfalls über die schwierige Beweislage. Denn sie muss einen Freier auf frischer Tat erwischen, das heißt, im Moment der Geldübergabe. Und auch dann ist noch nicht gewährleistet, dass der Betreffende belangt werden kann.
Wie soll nachgewiesen werden, dass er sexuelle Dienste kaufen wollte? Dieses Problem hat dazu geführt, dass 2013 nur 80 Freier angezeigt worden sind – eine Halbierung gegenüber dem Vorjahr. In Malmö und Umland gab es sogar nur 22 Fälle, die vor Gericht gebracht wurden.
„Ich glaube nicht, dass das Problem abgenommen hat, vermutlich ist es sogar größer geworden“, sagt Pernilla Nilsson von der Malmöer Polizei. „Aber wir priorisieren diese Fälle nicht sonderlich“. Nur in Ausnahmefällen wanderten Freier ins Gefängnis. Mehrheitlich wurden sie zu Geldstrafen und gemeinnütziger Arbeit verurteilt.
Unbestritten ist, dass die Mehrheit der Frauen, die ihre Dienste anbieten, nicht auf eigene Rechnung arbeiten. Vielmehr, das haben mehrere Untersuchungen ergeben, stehen hinter ihnen Menschenschmugglerringe oder auch einzelne Zuhälter.
Deshalb hat die Politik in Schweden auch Prostitution und Menschenhandel gleichgestellt. Viele der Frauen, die vor allen in den Großstädten Stockholm, Malmö und Göteborg ihre Dienste anbieten, stammen aus Osteuropa und sind über Menschenhändler bis nach Nordeuropa gekommen.
Ist das schwedische Modell also gescheitert? Nicht völlig. Denn immerhin hat sich die Einstellung gegenüber der käuflichen Liebe verändert. Rund 70 Prozent der Bevölkerung sieht die Gesetzgebung als positiv. Selbst befragte Männer unterstützen mehrheitlich den Kampf gegen den Sexhandel.
Derzeit erwägt die rot-grüne Regierung in Stockholm, das Gesetz auch auf Sexkäufe im Ausland auszuweiten. Juristen verweisen zwar auf große rechtliche Probleme, doch bis zum Frühjahr 2016 soll eine Expertengruppe einen entsprechenden Vorschlag vorlegen. Sollte daraus ein tatsächlich ein Gesetz werden, dürfte die Zahl der Hamburg-Ausflüge und Thailand-Charterreisen deutlich abnehmen.
http://www.handelsblatt.com/panorama/au ... 98930.html
„Polizei-Arbeit gegen Prostitution ist ein Witz“
Autor: Helmut Steuer
Datum: 03.03.2015 06:27 Uhr
Schweden war eines der ersten Länder, das gekauften Sex unter Strafe stellte. Doch die Umsetzung des Gesetzes sei „ein Witz“, sagt der stellvertretende Chef der Grenzpolizei in Malmö. Ist das Modell gescheitert?
StockholmLeif Fransson, stellvertretender Chef der Grenzpolizei in Malmö, klang resigniert. Wer will, kann in der südschwedischen Großstadt sexuelle Dienste kaufen. In Rita Knobels ZDFzoom-Doku „Deutschland und der gekaufte Sex“, die jüngst im ZDF ausgestrahlt wurde, lässt Fransson seinem Frust freien Lauf. Das seit 1999 geltende Gesetz, das den Sexkauf verbietet, sei gescheitert, so der Polizist.
Tatsächlich war Schweden eines der ersten Länder weltweit, das den Sexkauf unter Strafe stellte. Wobei zwischen Sex-Käufer und –Verkäufer unterschieden wird: Freier können mit bis zu sechs Monaten Gefängnis belangt werden.
Die Frauen, die ihre sexuellen Dienste anbieten, bleiben hingegen straffrei. Von Frauenrechtlerinnen in vielen Ländern als Modell gefeiert, ist vor Ort in Schweden allmählich Ernüchterung eingekehrt, was die Wirksamkeit des Anti-Prostitutionsgesetzes angeht.
„Die Polizei-Arbeit gegen die Prostitution ist ein Witz“, erklärte Fransson im vergangenen Jahr schon gegenüber der Zeitung „Sydsvenskan“. Und auch der stellvertretende Polizeichef von Malmö, Patrik Johansson, stimmt zu. „Das ist nichts, was wir priorisieren“.
Die Gründe dafür sind einfach: Es gibt zu wenig Personal, und der Sexhandel ist von der Straße ins Internet gewandert. Das macht die Fahndung deutlich schwieriger. Tatsächlich sieht man in der Hauptstadt Stockholm kaum noch Prostituierte auf der Straße.
Dagegen boomt der Sexhandel im Internet: Ein paar Klicks und der Freier wird fündig. Ob Massagedienste oder auch ganz offene Prostitutionsangebote – die Seiten zwielichtiger Betreiber lassen keine Wünsche offen. Die Polizei steht dem machtlos gegenüber.
In der Millionenmetropole Stockholm sind gerade einmal vier Polizisten für den Kampf gegen Menschenhandel und Prostitution abgestellt. In Malmö und Göteborg sind es noch weniger. Deshalb ist es verständlich, wenn der stellvertretende Malmöer Polizeichef von „einem Witz“ spricht.
Vertreter der Polizei bemängeln auch, dass die Kontrolle der Prostitution seit der strengen Gesetzgebung im Prinzip nicht mehr funktioniert. Der Sexhandel ist in Privatwohnungen und Hotels ausgewichen, Orte, die nur teilweise von der Polizei kontrolliert werden können.
Seite 1:
„Polizei-Arbeit gegen Prostitution ist ein Witz“
Freier wandern selten ins Gefängnis
Prostitution sorgt immer wieder für heftigen Streit. Betroffene Huren fürchten häufig, dass ihr Gewerbe durch schärfere Strafen in den Untergrund gedrängt und für sie noch gefährlicher wird. In Deutschland dagegen gilt seit 2002 eines der liberalsten Prostitutionsgesetze weltweit. Ein Überblick. (Foto: dpa)
Die Polizei klagt ebenfalls über die schwierige Beweislage. Denn sie muss einen Freier auf frischer Tat erwischen, das heißt, im Moment der Geldübergabe. Und auch dann ist noch nicht gewährleistet, dass der Betreffende belangt werden kann.
Wie soll nachgewiesen werden, dass er sexuelle Dienste kaufen wollte? Dieses Problem hat dazu geführt, dass 2013 nur 80 Freier angezeigt worden sind – eine Halbierung gegenüber dem Vorjahr. In Malmö und Umland gab es sogar nur 22 Fälle, die vor Gericht gebracht wurden.
„Ich glaube nicht, dass das Problem abgenommen hat, vermutlich ist es sogar größer geworden“, sagt Pernilla Nilsson von der Malmöer Polizei. „Aber wir priorisieren diese Fälle nicht sonderlich“. Nur in Ausnahmefällen wanderten Freier ins Gefängnis. Mehrheitlich wurden sie zu Geldstrafen und gemeinnütziger Arbeit verurteilt.
Unbestritten ist, dass die Mehrheit der Frauen, die ihre Dienste anbieten, nicht auf eigene Rechnung arbeiten. Vielmehr, das haben mehrere Untersuchungen ergeben, stehen hinter ihnen Menschenschmugglerringe oder auch einzelne Zuhälter.
Deshalb hat die Politik in Schweden auch Prostitution und Menschenhandel gleichgestellt. Viele der Frauen, die vor allen in den Großstädten Stockholm, Malmö und Göteborg ihre Dienste anbieten, stammen aus Osteuropa und sind über Menschenhändler bis nach Nordeuropa gekommen.
Ist das schwedische Modell also gescheitert? Nicht völlig. Denn immerhin hat sich die Einstellung gegenüber der käuflichen Liebe verändert. Rund 70 Prozent der Bevölkerung sieht die Gesetzgebung als positiv. Selbst befragte Männer unterstützen mehrheitlich den Kampf gegen den Sexhandel.
Derzeit erwägt die rot-grüne Regierung in Stockholm, das Gesetz auch auf Sexkäufe im Ausland auszuweiten. Juristen verweisen zwar auf große rechtliche Probleme, doch bis zum Frühjahr 2016 soll eine Expertengruppe einen entsprechenden Vorschlag vorlegen. Sollte daraus ein tatsächlich ein Gesetz werden, dürfte die Zahl der Hamburg-Ausflüge und Thailand-Charterreisen deutlich abnehmen.
http://www.handelsblatt.com/panorama/au ... 98930.html
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Eine Untersuchung aus der Schweiz:
GASTBEITRAG: Exportschlager «Prostitutionsverbot»?
Markus Theunert - Als erstes Land hat Schweden 1999 die Prostitution verboten. Für die Regierung ein Erfolgsmodell. Aber es gibt auch Kritik.
------------------------------------------------------------------------
Red. Aufgrund mehrerer Postulate hat der Bundesrat den Auftrag erhalten, einen Bericht zum Spannungsfeld Prostitution, Sexarbeit, sexuelle Ausbeutung und Menschenhandel auszuarbeiten. Sein Erscheinen ist für März beziehungsweise April dieses Jahres angekündigt. Infosperber veröffentlicht im Vorfeld eine Reihe von grundlegenden Beiträgen zu diesem Thema.
------------------------------------------------------------------------
«Pony Love Girls» steht auf dem Einband der Videokassette, und es geht in diesem Film nicht um Kleinmädchen-, sondern um Altherren-Fantasien der schwer verdaubaren Art. Wir befinden uns in einem der wenigen Sexshops Stockholms. Man muss ihn kennen, um ihn zu finden. Nur dezent informiert eine Schrift am Laden darüber, dass hier «Books Magazines Videos» erhältlich seien. Das Wort «Sex» fehlt vollständig. Auch einschlägige Bilder sucht man vergebens. Der ganze Laden sieht aus, als wären Produkte und Einrichtung in den frühen Achtzigern stehen geblieben. Es ist eine traurige Ecke.
Bevor Schweden im Jahr 1999 den «Sex purchase act» in Kraft setzte, standen hier allabendlich Dutzende Prostituierte. Nach dem Gesetz, das den Erwerb sexueller Dienstleistungen verbietet, können die schwedischen Gerichte die Käufer – nicht aber die Anbieterinnen – bestrafen. Bei unserem Streifzug im Sommer 2014 sehen wir bloss noch ganz vereinzelt Frauen, die – nach kurzem nervösem Gespräch durchs Autofenster – in mittelständischen Kompaktwagen verschwinden. Sonst herrscht tote Hose am Strassenstrich, in der grauen Hochhausschlucht an der Malmskillnadsgatan gleich bei der U-Bahn-Station Hötorget.
70 Prozent sind für das Verbot
Unsere Mission: Wir wollen vor Ort Licht ins Dunkel bringen und die extrem widersprüchlichen Wahrnehmungen des schwedischen Prostitutionsverbots ausleuchten. Da wäre auf der einen Seite die offizielle Lesart der schwedischen Regierung. Im Jahr 2010 hat sie einen Evaluationsbericht veröffentlicht, in dem sie das Verbot als Erfolg feiert: Die Strassenprostitution habe sich halbiert, eine Verlagerung weg von der Strasse sei nicht zu beobachten, der Menschenhandel sei substanziell zurückgegangen und die öffentliche Meinung stelle sich bei Zustimmungsraten von 70 Prozent heute klar auf die Seite des Verbots.
Auf der anderen Seite ist da die Kritik von Fachleuten und Betroffenenorganisationen. So zweifeln die beiden Forscherinnen Susanne Dodillet und Petra Östergren in ihrer Untersuchung aus dem Jahr 2012 den Regierungsbericht methodisch an. Sie fragen sich: Wie kann eine Verringerung um die Hälfte festgestellt werden, wenn keine verlässlichen Zahlen zur Ausgangssituation vorliegen? Wie kann die Regierung behaupten, das Verbot habe nicht zu einer Verlagerung in Bars und Salons geführt, wenn sie über gar keine Statistiken verfügt, international aber genau solche Verlagerungen beobachtet werden? Die Betroffenenorganisation Rose Alliance klagt vor allem über die erschwerten Arbeitsbedingungen der betroffenen Sexarbeitenden, die sich in den Grau- und Schwarzmarkt abgedrängt sehen, in dem Prävention und Schutz viel schlechter zu gewährleisten seien.
«Sex Girls Stockholm» googeln reicht
Unser Augenschein vor Ort bestätigt die Widersprüche. Während sich nur mit Geduld und scharfem Auge Anzeichen für Strassenprostitution aufspüren lassen, wird beim Blick ins Internet sofort klar: Das Angebot ist riesig. «Sex Girls Stockholm» googeln reicht, um verschiedene einschlägige Seiten zu finden. Auf stockholm.backpage.com entdecken wir tagesaktuelle Inserate aufgeschaltet: Am Tag unseres Besuchs auf der Website, dem 14. Juli 2014, zählen wir 93 unmissverständliche Angebote.
Zu dieser offensichtlichen Realität stehen die Gespräche, die wir mit Fachleuten und Menschen auf der Strasse führen, in erstaunlichem Kontrast. Es scheint einen tiefen Graben zwischen der, von der Mainstream-Gesellschaft unhinterfragten, offiziellen Lesart zu geben und der, nur unter der Hand geäusserten, Kritik an dieser.
Wir lernen: Für die Mitte der schwedischen Gesellschaft hat Prostitution – für Frauen und Männer gleichermassen – keinerlei Charme und mit Sex nichts zu tun. Wirklich gar nichts. Prostitution ist Gewalt. Immer und in jedem Fall. Wenn wir aus der Schweiz zentral die Frage stellen, wie Freiwilligkeit und Schutz der Sexarbeiterinnen zu gewährleisten sind, schreibt der Regierungsbericht klipp und klar: «Aus Gender-Equality- und Menschensrechtsperspektive ist die Unterscheidung zwischen freiwilliger und unfreiwilliger Prostitution irrelevant.» Prostitution ist – aus dieser Optik – stets eine Veräusserung des eigenen Körpers und damit Gewalt an sich selbst. Der Freier, der diese Notlage ausnützt, ist dann kein Sünder im moralisch-religiösen Sinn – sondern ein Krimineller im strafrechtlichen Sinn. Entsprechend entschieden wird bereits der Begriff der «Sexarbeit» abgelehnt. Sexarbeit kann es definitionsgemäss nicht geben, weil bezahlter Sex nicht Sex, sondern Gewalt ist.
«Prostitution ist Gewalt»
In etlichen Gesprächen bestätigt sich diese Optik. Für die 30-jährige Journalistin Sigrid Petersson ist die Gleichung «Prostitution = Gewalt» ebenso unzweifelhaft wahr wie für den 70-jährigen Genderforscher Lars Jalmert oder den 47-jährigen Finanzfachmann Karl, der lieber anonym bleiben möchte. Prostitution sei kein normales Verhalten, ein Freier benutze eine unfreie Person, ein Freier sei Dreck: So oder ähnlich antworten uns auch die meisten Passantinnen und Passanten im Rahmen einer kurzen Strassenumfrage. Adora BatBrat, eine junge Frau aus der schwedischen Gothic-Szene, bringt auf den Punkt, was hier wohl die meisten denken: Wer zu einer Prostituierten geht, ist ein Verlierer. Für sogenannte «happy hookers» – Frauen, die sich selbstbestimmt oder sogar mit Freude an ihrer Arbeit prostituieren – hat es im Weltbild der meisten Schweden keinen Platz.
Wir fragen Klas Hyllander vom schwedischen männer.ch-Pendant «Men for Gender Equality», wo denn schwedische Männer schnellen Sex finden, wenn der Weg über die Prostitution offiziell versperrt ist. Er weigert sich, die Frage zu beantworten. Warum? Weil Prostitution nichts mit Sex und damit auch nichts mit dem Bedürfnis nach schnellem unverbindlichen Sex zu tun habe.
Wir lernen also eine konsequente Gleichsetzung von Sexarbeit mit Gewalt kennen, die wiederum dafür sorgt, dass schwedische Freier ganz unten auf der sozialen Leiter landen. Alle unsere Gesprächspartner sind sich einig: Freier zu sein könnte sich ein schwedischer Mann niemals zuzugeben leisten. Er wäre gesellschaftlich erledigt. Nur Kopfschütteln ernten wir, wenn wir erzählen, dass prominente Männer in Schweizer Illustrierten gern auch mal gefragt werden, ob sie schon ein Bordell von innen gesehen haben – und dies zumindest als Jugendsünde auch zugeben dürfen.
«Weder praxis- noch realitätsorientiert»
Das Bild der nationalen Einigkeit bekommt jedoch Kratzer, wenn wir mit jenen Männern ins Gespräch kommen, die in Schweden wohl nicht zu den Schönen und Erfolgreichen zählen. «Das ist doch keine Prävention. Das ist reine Propaganda», zischt etwa ein Kunde des erwähnten Sexshops, ein graumelierter Einwanderer kurz vor der Pensionierung. «Swedish guys are pussies», Angsthasen seien sie also, die Schweden, meint ein 29-jähriger Secondo mit einer Prise Galgenhumor. Für ihn ist klar: In Schweden haben heute Frauen die Macht – und setzen das Prostitutionsverbot durch, um unliebsame Konkurrenz auszuschalten. Alles frustrierte Emanzipationsverlierer? Nicht nur.
Auch die Forscherinnen Susanne Dodillet und Petra Östergren fordern von der schwedischen Regierung «eine Prostitutionspolitik, die auf Fakten basiert, nicht auf Moral oder radikalfeministischer Ideologie». Ann Jordan vom Programm Menschenhandel und Zwangsarbeit am schwedischen Zentrum für Menschenrechte kritisiert: «Der schwedische Ansatz ist weder praxis- noch realitätsorientiert, sondern ein Versuch, mittels Gesetz das Denken und Handeln der schwedischen Männer zu verändern». Angesichts der dürren Fakten, die die Regierung präsentiere, sei dieser Versuch einer gross angelegten sozialen Umerziehungsmassnahme offensichtlich gescheitert: «Man kann Menschen nicht einmal in Schweden gesetzlich zwingen, sich in ihrem privaten, einvernehmlichen Sexleben so zu verhalten, wie es die Gender-Equality-Ideologie verlangt.»
Funktioniert Schweden auch in der Schweiz?
Wir teilen nach unserem Besuch die Einschätzung, dass das schwedische Prostitutionsverbot nur ideologisch begründbar sei. Wir lernen aber auch eine Gesellschaft kennen, die im ganzen Feld der «Gender Equality» von der Vision einer idealen Gesellschaft ausgeht. Und die Aufgabe, ebendiese ideale Gesellschaft – auch gegen Widerstand – durchzusetzen, delegieren die Schwedinnen und Schweden an ihren Staat. Das steht zwar in Kontrast zu unserem Verständnis von Staat und Gesellschaft, bleibt aber demokratisch, weil der Staat «nur» den gesellschaftlichen Konsens vollstreckt.
Weniger überzeugt sind wir bezüglich der (Un-)Wirksamkeit des Prostitutionsverbots. So rigide uns die Menschen aus der Mitte der Gesellschaft ihrer Unterstützung des Verbots versichern, müssen wir doch annehmen: die normative Kraft des Faktischen wirkt. Weil es (rechtlich) verboten ist, muss es (moralisch) verwerflich sein, lautet die Losung. Das ist zwar ein Zirkelschluss. In einer staatsgläubigen Gesellschaft wie der schwedischen kann das aber ganz reale Folgen haben. Offen müssen wir lassen, ob die Folge tatsächlich eine geringere Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen oder nur das umso eifrigere Verschleiern dieses Tuns ist.
Etwas Sorge macht uns in diesem Zusammenhang jedoch der Eifer, mit dem die schwedische Regierung ihr Erfolgsmodell zu exportieren sucht. Dank seiner Lobbying-Bemühungen hat der Europarat im April 2014 allen europäischen Ländern empfohlen, das schwedische Modell zu übernehmen. Auch die Schweiz ist im Europarat vertreten und wird sich wohl noch mit dieser Debatte konfrontieren müssen. Klar ist: Das schwedische Gesetz und das schwedische Modell sind nicht das Gleiche. Letzteres baut auf einem gesellschaftlichen Konsens, der ausserhalb Skandinaviens so nicht existiert. Deshalb hätte das schwedische Gesetz ausserhalb Schwedens kaum die gleiche Wirkung.
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Dieser Beitrag ist erstmals in der «Männerzeitung» 55/September 2014 erschienen.
Markus Theunert ist Gründer der «Männerzeitung» und Gründungspräsident des Dachverbands Schweizer Männer- und Väterorganisationen, männer.ch.
http://www.infosperber.ch/Artikel/Sexis ... eit2/&g=ad
http://www.maennerzeitung.ch/pdf/zeitun ... 3_2014.pdf
GASTBEITRAG: Exportschlager «Prostitutionsverbot»?
Markus Theunert - Als erstes Land hat Schweden 1999 die Prostitution verboten. Für die Regierung ein Erfolgsmodell. Aber es gibt auch Kritik.
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Red. Aufgrund mehrerer Postulate hat der Bundesrat den Auftrag erhalten, einen Bericht zum Spannungsfeld Prostitution, Sexarbeit, sexuelle Ausbeutung und Menschenhandel auszuarbeiten. Sein Erscheinen ist für März beziehungsweise April dieses Jahres angekündigt. Infosperber veröffentlicht im Vorfeld eine Reihe von grundlegenden Beiträgen zu diesem Thema.
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«Pony Love Girls» steht auf dem Einband der Videokassette, und es geht in diesem Film nicht um Kleinmädchen-, sondern um Altherren-Fantasien der schwer verdaubaren Art. Wir befinden uns in einem der wenigen Sexshops Stockholms. Man muss ihn kennen, um ihn zu finden. Nur dezent informiert eine Schrift am Laden darüber, dass hier «Books Magazines Videos» erhältlich seien. Das Wort «Sex» fehlt vollständig. Auch einschlägige Bilder sucht man vergebens. Der ganze Laden sieht aus, als wären Produkte und Einrichtung in den frühen Achtzigern stehen geblieben. Es ist eine traurige Ecke.
Bevor Schweden im Jahr 1999 den «Sex purchase act» in Kraft setzte, standen hier allabendlich Dutzende Prostituierte. Nach dem Gesetz, das den Erwerb sexueller Dienstleistungen verbietet, können die schwedischen Gerichte die Käufer – nicht aber die Anbieterinnen – bestrafen. Bei unserem Streifzug im Sommer 2014 sehen wir bloss noch ganz vereinzelt Frauen, die – nach kurzem nervösem Gespräch durchs Autofenster – in mittelständischen Kompaktwagen verschwinden. Sonst herrscht tote Hose am Strassenstrich, in der grauen Hochhausschlucht an der Malmskillnadsgatan gleich bei der U-Bahn-Station Hötorget.
70 Prozent sind für das Verbot
Unsere Mission: Wir wollen vor Ort Licht ins Dunkel bringen und die extrem widersprüchlichen Wahrnehmungen des schwedischen Prostitutionsverbots ausleuchten. Da wäre auf der einen Seite die offizielle Lesart der schwedischen Regierung. Im Jahr 2010 hat sie einen Evaluationsbericht veröffentlicht, in dem sie das Verbot als Erfolg feiert: Die Strassenprostitution habe sich halbiert, eine Verlagerung weg von der Strasse sei nicht zu beobachten, der Menschenhandel sei substanziell zurückgegangen und die öffentliche Meinung stelle sich bei Zustimmungsraten von 70 Prozent heute klar auf die Seite des Verbots.
Auf der anderen Seite ist da die Kritik von Fachleuten und Betroffenenorganisationen. So zweifeln die beiden Forscherinnen Susanne Dodillet und Petra Östergren in ihrer Untersuchung aus dem Jahr 2012 den Regierungsbericht methodisch an. Sie fragen sich: Wie kann eine Verringerung um die Hälfte festgestellt werden, wenn keine verlässlichen Zahlen zur Ausgangssituation vorliegen? Wie kann die Regierung behaupten, das Verbot habe nicht zu einer Verlagerung in Bars und Salons geführt, wenn sie über gar keine Statistiken verfügt, international aber genau solche Verlagerungen beobachtet werden? Die Betroffenenorganisation Rose Alliance klagt vor allem über die erschwerten Arbeitsbedingungen der betroffenen Sexarbeitenden, die sich in den Grau- und Schwarzmarkt abgedrängt sehen, in dem Prävention und Schutz viel schlechter zu gewährleisten seien.
«Sex Girls Stockholm» googeln reicht
Unser Augenschein vor Ort bestätigt die Widersprüche. Während sich nur mit Geduld und scharfem Auge Anzeichen für Strassenprostitution aufspüren lassen, wird beim Blick ins Internet sofort klar: Das Angebot ist riesig. «Sex Girls Stockholm» googeln reicht, um verschiedene einschlägige Seiten zu finden. Auf stockholm.backpage.com entdecken wir tagesaktuelle Inserate aufgeschaltet: Am Tag unseres Besuchs auf der Website, dem 14. Juli 2014, zählen wir 93 unmissverständliche Angebote.
Zu dieser offensichtlichen Realität stehen die Gespräche, die wir mit Fachleuten und Menschen auf der Strasse führen, in erstaunlichem Kontrast. Es scheint einen tiefen Graben zwischen der, von der Mainstream-Gesellschaft unhinterfragten, offiziellen Lesart zu geben und der, nur unter der Hand geäusserten, Kritik an dieser.
Wir lernen: Für die Mitte der schwedischen Gesellschaft hat Prostitution – für Frauen und Männer gleichermassen – keinerlei Charme und mit Sex nichts zu tun. Wirklich gar nichts. Prostitution ist Gewalt. Immer und in jedem Fall. Wenn wir aus der Schweiz zentral die Frage stellen, wie Freiwilligkeit und Schutz der Sexarbeiterinnen zu gewährleisten sind, schreibt der Regierungsbericht klipp und klar: «Aus Gender-Equality- und Menschensrechtsperspektive ist die Unterscheidung zwischen freiwilliger und unfreiwilliger Prostitution irrelevant.» Prostitution ist – aus dieser Optik – stets eine Veräusserung des eigenen Körpers und damit Gewalt an sich selbst. Der Freier, der diese Notlage ausnützt, ist dann kein Sünder im moralisch-religiösen Sinn – sondern ein Krimineller im strafrechtlichen Sinn. Entsprechend entschieden wird bereits der Begriff der «Sexarbeit» abgelehnt. Sexarbeit kann es definitionsgemäss nicht geben, weil bezahlter Sex nicht Sex, sondern Gewalt ist.
«Prostitution ist Gewalt»
In etlichen Gesprächen bestätigt sich diese Optik. Für die 30-jährige Journalistin Sigrid Petersson ist die Gleichung «Prostitution = Gewalt» ebenso unzweifelhaft wahr wie für den 70-jährigen Genderforscher Lars Jalmert oder den 47-jährigen Finanzfachmann Karl, der lieber anonym bleiben möchte. Prostitution sei kein normales Verhalten, ein Freier benutze eine unfreie Person, ein Freier sei Dreck: So oder ähnlich antworten uns auch die meisten Passantinnen und Passanten im Rahmen einer kurzen Strassenumfrage. Adora BatBrat, eine junge Frau aus der schwedischen Gothic-Szene, bringt auf den Punkt, was hier wohl die meisten denken: Wer zu einer Prostituierten geht, ist ein Verlierer. Für sogenannte «happy hookers» – Frauen, die sich selbstbestimmt oder sogar mit Freude an ihrer Arbeit prostituieren – hat es im Weltbild der meisten Schweden keinen Platz.
Wir fragen Klas Hyllander vom schwedischen männer.ch-Pendant «Men for Gender Equality», wo denn schwedische Männer schnellen Sex finden, wenn der Weg über die Prostitution offiziell versperrt ist. Er weigert sich, die Frage zu beantworten. Warum? Weil Prostitution nichts mit Sex und damit auch nichts mit dem Bedürfnis nach schnellem unverbindlichen Sex zu tun habe.
Wir lernen also eine konsequente Gleichsetzung von Sexarbeit mit Gewalt kennen, die wiederum dafür sorgt, dass schwedische Freier ganz unten auf der sozialen Leiter landen. Alle unsere Gesprächspartner sind sich einig: Freier zu sein könnte sich ein schwedischer Mann niemals zuzugeben leisten. Er wäre gesellschaftlich erledigt. Nur Kopfschütteln ernten wir, wenn wir erzählen, dass prominente Männer in Schweizer Illustrierten gern auch mal gefragt werden, ob sie schon ein Bordell von innen gesehen haben – und dies zumindest als Jugendsünde auch zugeben dürfen.
«Weder praxis- noch realitätsorientiert»
Das Bild der nationalen Einigkeit bekommt jedoch Kratzer, wenn wir mit jenen Männern ins Gespräch kommen, die in Schweden wohl nicht zu den Schönen und Erfolgreichen zählen. «Das ist doch keine Prävention. Das ist reine Propaganda», zischt etwa ein Kunde des erwähnten Sexshops, ein graumelierter Einwanderer kurz vor der Pensionierung. «Swedish guys are pussies», Angsthasen seien sie also, die Schweden, meint ein 29-jähriger Secondo mit einer Prise Galgenhumor. Für ihn ist klar: In Schweden haben heute Frauen die Macht – und setzen das Prostitutionsverbot durch, um unliebsame Konkurrenz auszuschalten. Alles frustrierte Emanzipationsverlierer? Nicht nur.
Auch die Forscherinnen Susanne Dodillet und Petra Östergren fordern von der schwedischen Regierung «eine Prostitutionspolitik, die auf Fakten basiert, nicht auf Moral oder radikalfeministischer Ideologie». Ann Jordan vom Programm Menschenhandel und Zwangsarbeit am schwedischen Zentrum für Menschenrechte kritisiert: «Der schwedische Ansatz ist weder praxis- noch realitätsorientiert, sondern ein Versuch, mittels Gesetz das Denken und Handeln der schwedischen Männer zu verändern». Angesichts der dürren Fakten, die die Regierung präsentiere, sei dieser Versuch einer gross angelegten sozialen Umerziehungsmassnahme offensichtlich gescheitert: «Man kann Menschen nicht einmal in Schweden gesetzlich zwingen, sich in ihrem privaten, einvernehmlichen Sexleben so zu verhalten, wie es die Gender-Equality-Ideologie verlangt.»
Funktioniert Schweden auch in der Schweiz?
Wir teilen nach unserem Besuch die Einschätzung, dass das schwedische Prostitutionsverbot nur ideologisch begründbar sei. Wir lernen aber auch eine Gesellschaft kennen, die im ganzen Feld der «Gender Equality» von der Vision einer idealen Gesellschaft ausgeht. Und die Aufgabe, ebendiese ideale Gesellschaft – auch gegen Widerstand – durchzusetzen, delegieren die Schwedinnen und Schweden an ihren Staat. Das steht zwar in Kontrast zu unserem Verständnis von Staat und Gesellschaft, bleibt aber demokratisch, weil der Staat «nur» den gesellschaftlichen Konsens vollstreckt.
Weniger überzeugt sind wir bezüglich der (Un-)Wirksamkeit des Prostitutionsverbots. So rigide uns die Menschen aus der Mitte der Gesellschaft ihrer Unterstützung des Verbots versichern, müssen wir doch annehmen: die normative Kraft des Faktischen wirkt. Weil es (rechtlich) verboten ist, muss es (moralisch) verwerflich sein, lautet die Losung. Das ist zwar ein Zirkelschluss. In einer staatsgläubigen Gesellschaft wie der schwedischen kann das aber ganz reale Folgen haben. Offen müssen wir lassen, ob die Folge tatsächlich eine geringere Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen oder nur das umso eifrigere Verschleiern dieses Tuns ist.
Etwas Sorge macht uns in diesem Zusammenhang jedoch der Eifer, mit dem die schwedische Regierung ihr Erfolgsmodell zu exportieren sucht. Dank seiner Lobbying-Bemühungen hat der Europarat im April 2014 allen europäischen Ländern empfohlen, das schwedische Modell zu übernehmen. Auch die Schweiz ist im Europarat vertreten und wird sich wohl noch mit dieser Debatte konfrontieren müssen. Klar ist: Das schwedische Gesetz und das schwedische Modell sind nicht das Gleiche. Letzteres baut auf einem gesellschaftlichen Konsens, der ausserhalb Skandinaviens so nicht existiert. Deshalb hätte das schwedische Gesetz ausserhalb Schwedens kaum die gleiche Wirkung.
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Dieser Beitrag ist erstmals in der «Männerzeitung» 55/September 2014 erschienen.
Markus Theunert ist Gründer der «Männerzeitung» und Gründungspräsident des Dachverbands Schweizer Männer- und Väterorganisationen, männer.ch.
http://www.infosperber.ch/Artikel/Sexis ... eit2/&g=ad
http://www.maennerzeitung.ch/pdf/zeitun ... 3_2014.pdf
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13.3.2015
16 Years Since Decriminalizing Prostitution, Here's What's Happening in Sweden
Is prostitution inherently exploitative? Or can it be improved to maximize freedom and equality for everyone involved?
Western countries have been grappling with this question for years. While it's widely understood that prostitution is dangerous for sex workers when it's unregulated, there's also widespread disagreement over whether the industry can be reformed to protect and empower workers, or if it should be abolished altogether.
In an attempt at reform, some countries in Europe have legalized the practice and sought to legitimize the profession. In 2001, Germany passed a law that mandated sex workers be treated like workers in any other industry, which allows them to sue for better wages and have full access to health insurance, pensions and other benefits. But today, abuse and sex trafficking remain serious problems in Germany. The flood of sex workers has driven down wages and decreased working standards. Brothels in the country are booming. In 2013, German magazine Der Spiegel deemed the well-intentioned law a troubling "subsidy program for pimps."
But some Nordic countries, led by Sweden, have sought out unconventional ways to eliminate the sex work industry. A few years before Germany legalized prostitution, Sweden created a paradigm in which selling sex is not considered a crime, but buying it is. This decriminalization model has produced some impressive results in reducing trafficking and prostitution - but not without its fair share of controversy.
The Nordic model: In 1999, Sweden flipped the traditional onus of criminal liability away from sex workers: Paying for sex would be a crime, but being paid for sex would not.
In the decade and a half since the Swedish Sex Purchase Act took effect, prostitution and trafficking have declined dramatically. According to the Swedish Ministry of Justice, prostitution across the country has fully halved. The cost of purchasing sex in Sweden is estimated to be the highest in Europe. Sex workers are reportedly more organized than in Amsterdam, where prostitution is legal. Concerns that the law would lead to an increase in violence against sex workers were allayed by a government report in 2010 suggesting that there was no evidence of the phenomenon.
"The Nordic model is not simply a law, it is a comprehensive model," journalist Meghan Murphy, who has written extensively about international prostitution laws, wrote in an email to Mic. "[It's] the only one of its kind - it includes a strong welfare state, exiting services for women who wish to leave the industry, the retraining of police officers, so that they understand that prostituted women are victims, not criminals, and public education."
About a decade after Sweden saw its success with a decrease in prostitution and trafficking, Norway and Iceland adopted the Swedish model.
The rationale: Sweden's modern laws on prostitution are rooted in a particular feminist reading of its causes, namely that its existence is a product of gender inequality, and that by its very nature it violently commodifies women. The government shifted its legal rhetoric on prostitution to view it as a trade that invariably victimizes its participants, and thus has no business operating in a gender-equal society.
In Being and Being Bought: Prostitution, Surrogacy and the Split Self, Swedish journalist Kasja Ekis Ekman traced the origins of the the law in part to research conducted in Sweden in the 1970s that was guided by a new angle: speaking to sex workers themselves about their lives.
The research was groundbreaking in its ambition to move beyond taboo and focus on the actual social dynamics of prostitution. According to a 2014 report by Murphy in Herizons magazine (print only), "Rather than approaching prostitution as an issue of moral deviance, as had been done in the past, researchers, women's rights activists and social workers shifted the dialogue to focus on social inequality."
As dogmatic as its rationale sounds, the proponents of the Swedish model aren't arguing on abstract principles as much as the empirical reality that most sex workers don't want to be sex workers and, more often than not, come from vulnerable backgrounds. One study found that up to 89% of sex workers want to leave the industry but said they didn't have other options for survival, and that two-thirds fulfill criteria for post-traumatic stress "equal to that of treatment-seeking Vietnam veterans and victims of torture or rape," as Max Waltman, a PhD candidate at Stockholm University, has noted. Its proponents point to studies showing that despite noble intentions, legalization typically increases overall trafficking.
"The Nordic model is about more than just changing the law. It is also an idea - it is about changing the culture, and the culture is what needs to change as well as our legislative approach," Murphy told Mic. "What the Nordic model and its proponents are saying is that men are not entitled to access the bodies of women and girls, even if they pay."
The criticism: The Swedish experience is not universally celebrated, nor is it without many critics. An investigation by the Nation found that in in societies where sex workers are considered victims by the law, they face even greater stigma when they're caught. Despite the fact that Sweden's criminal justice system is designed to protect sex workers, relationships with police and landlords are often fraught, and issues like child custody have become a point of tension.
Pye Jakobsson, a Swedish sex worker and national coordinator of the Rose Alliance, an organization of sex and eroticism workers in Sweden, told Mic that its important to remember that the exploitation of workers is not unique to prostitution, and that like any other industry, work experience varies across the board.
"If stigmatizing an already marginalized group while having the attitude 'See, now your life is shit, I told you, now you have to quit' is progress in your book, this is the way to go," Jakobsson wrote in an email to Mic. "Here in Sweden they call it feminism; clearly not all women have the right to choose over their own bodies."
Jakobssons campaign in favor of decriminalization over Sweden's current model is driven by a conviction that the law isn't as effective as people perceive it to be (sex work is just deeper underground), and also because it strips women of their agency and their rights to do with their body as they wish to.
Sweden's belief that prostitution is the most brutal expression of patriarchy has engendered a kind of paternalism about commodified sex that holds men responsible for their actions while assuming women can't be. It wipes out the possibility of gray areas for men and women to be equal partners in exchanging money for sex. Those sex workers who are able to voluntarily achieve a safe relationship with their clients are understandably frustrated by it. But if the ubiquity of trafficking and violence in the industry are any indication, it's not clear that such scenarios are easy to create and protect in the world as it exists today.
http://mic.com/articles/112814/here-s-w ... ostitution
16 Years Since Decriminalizing Prostitution, Here's What's Happening in Sweden
Is prostitution inherently exploitative? Or can it be improved to maximize freedom and equality for everyone involved?
Western countries have been grappling with this question for years. While it's widely understood that prostitution is dangerous for sex workers when it's unregulated, there's also widespread disagreement over whether the industry can be reformed to protect and empower workers, or if it should be abolished altogether.
In an attempt at reform, some countries in Europe have legalized the practice and sought to legitimize the profession. In 2001, Germany passed a law that mandated sex workers be treated like workers in any other industry, which allows them to sue for better wages and have full access to health insurance, pensions and other benefits. But today, abuse and sex trafficking remain serious problems in Germany. The flood of sex workers has driven down wages and decreased working standards. Brothels in the country are booming. In 2013, German magazine Der Spiegel deemed the well-intentioned law a troubling "subsidy program for pimps."
But some Nordic countries, led by Sweden, have sought out unconventional ways to eliminate the sex work industry. A few years before Germany legalized prostitution, Sweden created a paradigm in which selling sex is not considered a crime, but buying it is. This decriminalization model has produced some impressive results in reducing trafficking and prostitution - but not without its fair share of controversy.
The Nordic model: In 1999, Sweden flipped the traditional onus of criminal liability away from sex workers: Paying for sex would be a crime, but being paid for sex would not.
In the decade and a half since the Swedish Sex Purchase Act took effect, prostitution and trafficking have declined dramatically. According to the Swedish Ministry of Justice, prostitution across the country has fully halved. The cost of purchasing sex in Sweden is estimated to be the highest in Europe. Sex workers are reportedly more organized than in Amsterdam, where prostitution is legal. Concerns that the law would lead to an increase in violence against sex workers were allayed by a government report in 2010 suggesting that there was no evidence of the phenomenon.
"The Nordic model is not simply a law, it is a comprehensive model," journalist Meghan Murphy, who has written extensively about international prostitution laws, wrote in an email to Mic. "[It's] the only one of its kind - it includes a strong welfare state, exiting services for women who wish to leave the industry, the retraining of police officers, so that they understand that prostituted women are victims, not criminals, and public education."
About a decade after Sweden saw its success with a decrease in prostitution and trafficking, Norway and Iceland adopted the Swedish model.
The rationale: Sweden's modern laws on prostitution are rooted in a particular feminist reading of its causes, namely that its existence is a product of gender inequality, and that by its very nature it violently commodifies women. The government shifted its legal rhetoric on prostitution to view it as a trade that invariably victimizes its participants, and thus has no business operating in a gender-equal society.
In Being and Being Bought: Prostitution, Surrogacy and the Split Self, Swedish journalist Kasja Ekis Ekman traced the origins of the the law in part to research conducted in Sweden in the 1970s that was guided by a new angle: speaking to sex workers themselves about their lives.
The research was groundbreaking in its ambition to move beyond taboo and focus on the actual social dynamics of prostitution. According to a 2014 report by Murphy in Herizons magazine (print only), "Rather than approaching prostitution as an issue of moral deviance, as had been done in the past, researchers, women's rights activists and social workers shifted the dialogue to focus on social inequality."
As dogmatic as its rationale sounds, the proponents of the Swedish model aren't arguing on abstract principles as much as the empirical reality that most sex workers don't want to be sex workers and, more often than not, come from vulnerable backgrounds. One study found that up to 89% of sex workers want to leave the industry but said they didn't have other options for survival, and that two-thirds fulfill criteria for post-traumatic stress "equal to that of treatment-seeking Vietnam veterans and victims of torture or rape," as Max Waltman, a PhD candidate at Stockholm University, has noted. Its proponents point to studies showing that despite noble intentions, legalization typically increases overall trafficking.
"The Nordic model is about more than just changing the law. It is also an idea - it is about changing the culture, and the culture is what needs to change as well as our legislative approach," Murphy told Mic. "What the Nordic model and its proponents are saying is that men are not entitled to access the bodies of women and girls, even if they pay."
The criticism: The Swedish experience is not universally celebrated, nor is it without many critics. An investigation by the Nation found that in in societies where sex workers are considered victims by the law, they face even greater stigma when they're caught. Despite the fact that Sweden's criminal justice system is designed to protect sex workers, relationships with police and landlords are often fraught, and issues like child custody have become a point of tension.
Pye Jakobsson, a Swedish sex worker and national coordinator of the Rose Alliance, an organization of sex and eroticism workers in Sweden, told Mic that its important to remember that the exploitation of workers is not unique to prostitution, and that like any other industry, work experience varies across the board.
"If stigmatizing an already marginalized group while having the attitude 'See, now your life is shit, I told you, now you have to quit' is progress in your book, this is the way to go," Jakobsson wrote in an email to Mic. "Here in Sweden they call it feminism; clearly not all women have the right to choose over their own bodies."
Jakobssons campaign in favor of decriminalization over Sweden's current model is driven by a conviction that the law isn't as effective as people perceive it to be (sex work is just deeper underground), and also because it strips women of their agency and their rights to do with their body as they wish to.
Sweden's belief that prostitution is the most brutal expression of patriarchy has engendered a kind of paternalism about commodified sex that holds men responsible for their actions while assuming women can't be. It wipes out the possibility of gray areas for men and women to be equal partners in exchanging money for sex. Those sex workers who are able to voluntarily achieve a safe relationship with their clients are understandably frustrated by it. But if the ubiquity of trafficking and violence in the industry are any indication, it's not clear that such scenarios are easy to create and protect in the world as it exists today.
http://mic.com/articles/112814/here-s-w ... ostitution
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Weitere Sexualstrafrechts-Verschärfungen in Schweden
Der Wahnsinn geht in die nächste Runde, die rot-grüne Regierung hat neue Verschärfungen des Sexualstrafrechts angekündigt.
1. Mit dem "Einverständnisgesetz" soll jeglicher Geschlechtsverkehr, dem nicht Frage und Zustimmung vorausgehen, eine Straftat darstellen:
https://www.welt.de/vermischtes/article ... ntakt.html
https://www.independent.co.uk/news/worl ... 17471.html
2. Die Inanspruchnahme legaler sexueller Dienstleistungen im Ausland soll verboten werden:
https://www.thelocal.se/20171207/swedis ... sex-abroad
Zudem ist noch eine Reihe weiterer Verschärfungen geplant, die in der von mir gelesenen Berichterstattung nicht weiter ausgeführt werden.
Voraussichtlich werden sie damit durchkommen, denn so Die Welt:
"So verrückt dieses Hineinregieren in die Intimsphäre anmutet - die erwartete öffentliche Debatte darüber blieb aus. Alle Parlamentsparteien haben dem Gesetz zugestimmt. Auch eine mediale Debatte gibt es nicht. Medien und Politik befeuern sich gegenseitig - und wer ausschert, wird vernichtet."
Mein Versuch, dem eine positive Seite abzugewinnen (der ich ja nicht in Schweden leben muss):
Der Zenit dürfte so langsam erreicht sein. Mir zumindest fehlt die Fantasie, mir vorzustellen, was man da noch draufsetzen könnte; deshalb: die Sache muss irgendwann kippen.
Und die Pointe: Man hat damit nun quasi ein System der Sexualkontrakte installiert, also die "Verdinglichung der Sexualität", die man die ganze Zeit so verbissen bekämpft hat, allgemeingültig vorgeschrieben. Wie in der Prostitution, nur dass die Bezahlung in bar verboten ist. Und ich vermute: Genau das wird sich irgendwann ändern...
Bearbeitet: Rechtschreibfehler korrigiert
Der Wahnsinn geht in die nächste Runde, die rot-grüne Regierung hat neue Verschärfungen des Sexualstrafrechts angekündigt.
1. Mit dem "Einverständnisgesetz" soll jeglicher Geschlechtsverkehr, dem nicht Frage und Zustimmung vorausgehen, eine Straftat darstellen:
https://www.welt.de/vermischtes/article ... ntakt.html
https://www.independent.co.uk/news/worl ... 17471.html
2. Die Inanspruchnahme legaler sexueller Dienstleistungen im Ausland soll verboten werden:
https://www.thelocal.se/20171207/swedis ... sex-abroad
Zudem ist noch eine Reihe weiterer Verschärfungen geplant, die in der von mir gelesenen Berichterstattung nicht weiter ausgeführt werden.
Voraussichtlich werden sie damit durchkommen, denn so Die Welt:
"So verrückt dieses Hineinregieren in die Intimsphäre anmutet - die erwartete öffentliche Debatte darüber blieb aus. Alle Parlamentsparteien haben dem Gesetz zugestimmt. Auch eine mediale Debatte gibt es nicht. Medien und Politik befeuern sich gegenseitig - und wer ausschert, wird vernichtet."
Mein Versuch, dem eine positive Seite abzugewinnen (der ich ja nicht in Schweden leben muss):
Der Zenit dürfte so langsam erreicht sein. Mir zumindest fehlt die Fantasie, mir vorzustellen, was man da noch draufsetzen könnte; deshalb: die Sache muss irgendwann kippen.
Und die Pointe: Man hat damit nun quasi ein System der Sexualkontrakte installiert, also die "Verdinglichung der Sexualität", die man die ganze Zeit so verbissen bekämpft hat, allgemeingültig vorgeschrieben. Wie in der Prostitution, nur dass die Bezahlung in bar verboten ist. Und ich vermute: Genau das wird sich irgendwann ändern...
Bearbeitet: Rechtschreibfehler korrigiert
Zuletzt geändert von Tilopa am 19.12.2017, 19:37, insgesamt 4-mal geändert.
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@Doris: Volle Zustimmung
@ alle: Jetzt würde ich mich über etwas Nachhilfe im internationalen Strafrecht freuen:
Wenn die "Auslandsfreierbestrafung" tatsächlich kommt wie angekündigt:
- Wären dann nicht auch ausländische Staatsangehörige, die im Ausland legale sexuelle Dienstleistungen in Anspruch genommen haben, bei Aufenthalt in Schweden von Strafverfolgung durch die dortigen Behörden bedroht?
- Könnten sich umgekehrt schwedische Freier auf den EU-Gleichheitsgrundsatz berufen?
- Wie soll die schwedische Polizei dem nachgehen? Gehen die dann in Riga und Hamburg im Rotlichtviertel auf Streife und observieren blonde Männer? Oder wollen die ihre lettischen / deutschen Kollegen zur Amtshilfe verdonnern?
...Aber man will halt mal wieder um jeden Preis "ein Zeichen setzen"....
@ alle: Jetzt würde ich mich über etwas Nachhilfe im internationalen Strafrecht freuen:
Wenn die "Auslandsfreierbestrafung" tatsächlich kommt wie angekündigt:
- Wären dann nicht auch ausländische Staatsangehörige, die im Ausland legale sexuelle Dienstleistungen in Anspruch genommen haben, bei Aufenthalt in Schweden von Strafverfolgung durch die dortigen Behörden bedroht?
- Könnten sich umgekehrt schwedische Freier auf den EU-Gleichheitsgrundsatz berufen?
- Wie soll die schwedische Polizei dem nachgehen? Gehen die dann in Riga und Hamburg im Rotlichtviertel auf Streife und observieren blonde Männer? Oder wollen die ihre lettischen / deutschen Kollegen zur Amtshilfe verdonnern?
...Aber man will halt mal wieder um jeden Preis "ein Zeichen setzen"....
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RE: Länderberichte SCHWEDEN:
Demnächst - wie wär' s?
Du bist aus Schweden, mein Lieber?
Dann weißt Du doch was Mutti Dir verboten hat, böser Junge!?
Na gut, bestrafen kann ich Dich ein bisschen, aber lass die Hände vom Schwanz - sonst sag' ichs Mutti!
- nicht attraktiv für Dich? Pardon, aber ich fühle mich nicht gut dabei, Dich zum Kriminellen zu machen.
Klär' das zu Hause, dann darfst Du wieder fragen . . .
Um Schweden nicht ganz ungerecht darzustellen: Manchmal erlaubt man dort auch Dinge, die Spaß machen:
https://www.jetzt.de/schweden/tanzverbot
Du bist aus Schweden, mein Lieber?
Dann weißt Du doch was Mutti Dir verboten hat, böser Junge!?
Na gut, bestrafen kann ich Dich ein bisschen, aber lass die Hände vom Schwanz - sonst sag' ichs Mutti!
- nicht attraktiv für Dich? Pardon, aber ich fühle mich nicht gut dabei, Dich zum Kriminellen zu machen.
Klär' das zu Hause, dann darfst Du wieder fragen . . .
Um Schweden nicht ganz ungerecht darzustellen: Manchmal erlaubt man dort auch Dinge, die Spaß machen:
https://www.jetzt.de/schweden/tanzverbot
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Laut diesem Bericht
https://www.thelocal.se/20171218/swedis ... onsent-law
steht in dem geplanten Gesetz nirgends, dass vorher eine explizite Frage gestellt werden und eine explizite Zustimmung erfolgen muss, sondern die Zustimmung kann auch durch Handlungen signalisiert werden. Ganz so schlimm, wie hier dargestellt, ist das also nicht.
Nur die Beantwortung der Frage, was denn als zustimmende Handlung zu bewerten ist, finde ich schwierig.
https://www.thelocal.se/20171218/swedis ... onsent-law
steht in dem geplanten Gesetz nirgends, dass vorher eine explizite Frage gestellt werden und eine explizite Zustimmung erfolgen muss, sondern die Zustimmung kann auch durch Handlungen signalisiert werden. Ganz so schlimm, wie hier dargestellt, ist das also nicht.
Nur die Beantwortung der Frage, was denn als zustimmende Handlung zu bewerten ist, finde ich schwierig.
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RE: Länderberichte SCHWEDEN:
Ja statt Nein
Wir haben in Deutschland diese Diskussion auch schon gehabt:
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitges ... r-im-recht
"Den Ehrenpreis des Kolumnisten für die Schlagzeile der Woche erhält heute Frau Margarete Stokowski für ihr Werk "Wäre die Vagina
doch ein Auto", veröffentlicht auf Spiegel online am 28. April. [ . . .] Die Assoziation "Vagina - Auto" ist metaphorisch ungewöhnlich,
um nicht zu sagen: innovativ. Wir kannten das bisher anders, nehmen aber die Lyrik gerne, wie sie kommt.
Sie stammt in diesem Fall von Halina Wawzyniak, Abgeordnete der Linken und Erstunterzeichnerin eines eigenen Gesetzentwurfs.
Diese sagt es so: "Wer gegen den Willen des Berechtigten ein Kraftfahrzeug fährt, macht sich strafbar. So einfach kann es sein".
Hieraus folgt (nach Wawzyniak): Wer unbefugt eine Vagina benutzt, muss strafbar sein. Ob die Benutzung unbefugt erfolgte, entscheidet
das Opfer mit einer Anzeigefrist von 30 Jahren.
Der Vorschlag hat Entwicklungspotenzial. Ich finde zum Beispiel, dass jeder, der irgendetwas gegen meinen Willen tut, mit Freiheitsstrafe
von drei Monaten bis zu 15 Jahren bestraft werden sollte. Ich erinnere mich an Trennungen, Versöhnungen, "letzte Aussprachen",
besoffene oder bekiffte "Anmachen" in die eine oder die andere Richtung. An Umdeutungen, Beschönigungen, Entschuldigungen, Peinlichkeiten.
An pubertäre Unsicherheit, verdrehte Fehldeutungen, Rachebedürfnis. Ich überlege, welchem Richter an welchem Amtsgericht ich wohl all diese
Geschichten anvertrauen möchte. Und welche Art von Gerechtigkeit dabei wohl herauskommen könnte.
[ . . .]
Wie oft haben Sie einem drängenden Verlangen einer anderen Person nach
1) Berühren des Körpers,
b) Zungenkuss,
c) Berühren der Genitalien,
d) Geschlechtsverkehr
nachgegeben, obwohl es Ihnen unangenehm und eigentlich nicht willkommen war? Wie viele dieser Fälle sollten mit Freiheitsstrafe
von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft werden?
Ich frage nur mal so: Um Sie zu der Überlegung zu veranlassen, ob und was die deutsche Strafjustiz dazu betragen können wird
und muss, Ordnung in Ihre sexuellen Verhaltensweisen, Bezüge, Obsessionen, Träume oder Grenzerfahrungen zu bringen.
Es ist ja, verehrte Leserinnen und Leser, nicht so, dass sich die Justiz dieser Aufgabe entziehen möchte! Wir machen das vielmehr seit
jeher gern und mit Begeisterung: Verschärfung auf Verschärfung, Perversion hier und Abartiges dort. Kinderschänder und Schwule
und Ziegenficker und Busengrabscher und Bildergucker und Herunterlader und Gedankenverbrecher und Fußfetischisten und Penisherzeiger
und Vulvapräsentiererinnen und überhaupt alle: Die Strafjustiz hat gar keine Probleme mit unmoralischen Dreckschweinen.
Zwei oder drei oder fünf oder 15 Jahre: Nur hereinspaziert! Das Strafen ist des Strafrechts leichteste Übung. "
Wir haben in Deutschland diese Diskussion auch schon gehabt:
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitges ... r-im-recht
"Den Ehrenpreis des Kolumnisten für die Schlagzeile der Woche erhält heute Frau Margarete Stokowski für ihr Werk "Wäre die Vagina
doch ein Auto", veröffentlicht auf Spiegel online am 28. April. [ . . .] Die Assoziation "Vagina - Auto" ist metaphorisch ungewöhnlich,
um nicht zu sagen: innovativ. Wir kannten das bisher anders, nehmen aber die Lyrik gerne, wie sie kommt.
Sie stammt in diesem Fall von Halina Wawzyniak, Abgeordnete der Linken und Erstunterzeichnerin eines eigenen Gesetzentwurfs.
Diese sagt es so: "Wer gegen den Willen des Berechtigten ein Kraftfahrzeug fährt, macht sich strafbar. So einfach kann es sein".
Hieraus folgt (nach Wawzyniak): Wer unbefugt eine Vagina benutzt, muss strafbar sein. Ob die Benutzung unbefugt erfolgte, entscheidet
das Opfer mit einer Anzeigefrist von 30 Jahren.
Der Vorschlag hat Entwicklungspotenzial. Ich finde zum Beispiel, dass jeder, der irgendetwas gegen meinen Willen tut, mit Freiheitsstrafe
von drei Monaten bis zu 15 Jahren bestraft werden sollte. Ich erinnere mich an Trennungen, Versöhnungen, "letzte Aussprachen",
besoffene oder bekiffte "Anmachen" in die eine oder die andere Richtung. An Umdeutungen, Beschönigungen, Entschuldigungen, Peinlichkeiten.
An pubertäre Unsicherheit, verdrehte Fehldeutungen, Rachebedürfnis. Ich überlege, welchem Richter an welchem Amtsgericht ich wohl all diese
Geschichten anvertrauen möchte. Und welche Art von Gerechtigkeit dabei wohl herauskommen könnte.
[ . . .]
Wie oft haben Sie einem drängenden Verlangen einer anderen Person nach
1) Berühren des Körpers,
b) Zungenkuss,
c) Berühren der Genitalien,
d) Geschlechtsverkehr
nachgegeben, obwohl es Ihnen unangenehm und eigentlich nicht willkommen war? Wie viele dieser Fälle sollten mit Freiheitsstrafe
von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft werden?
Ich frage nur mal so: Um Sie zu der Überlegung zu veranlassen, ob und was die deutsche Strafjustiz dazu betragen können wird
und muss, Ordnung in Ihre sexuellen Verhaltensweisen, Bezüge, Obsessionen, Träume oder Grenzerfahrungen zu bringen.
Es ist ja, verehrte Leserinnen und Leser, nicht so, dass sich die Justiz dieser Aufgabe entziehen möchte! Wir machen das vielmehr seit
jeher gern und mit Begeisterung: Verschärfung auf Verschärfung, Perversion hier und Abartiges dort. Kinderschänder und Schwule
und Ziegenficker und Busengrabscher und Bildergucker und Herunterlader und Gedankenverbrecher und Fußfetischisten und Penisherzeiger
und Vulvapräsentiererinnen und überhaupt alle: Die Strafjustiz hat gar keine Probleme mit unmoralischen Dreckschweinen.
Zwei oder drei oder fünf oder 15 Jahre: Nur hereinspaziert! Das Strafen ist des Strafrechts leichteste Übung. "
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RE: Länderberichte SCHWEDEN:
Keinen falschen Optimismus!
In der noch bestehenden Rechtsordnung bedeutet eine "Vergewaltigung", dass der/die Angeklagte "gegen den erkennbaren Willen" des Opfers gehandelt haben muss (und dann abgestuft in schwereren Fällen mit Gewalt oder Drohungen vorgegangen sein muss). Die Beweislast liegt dann beim Opfer.
Mit der schwedischen Änderung muss der/die Angeklagte das positive Signal vorweisen, dass die Gegenseite zum Sex bereit war. Das bedeutet faktisch eine Beweislastumkehr. Es wird also sehr viel leichter zu Verurteilungen kommen. So argumentiert ja auch die schwedische Regierung.
Man nehme zum Beispiel den Fall "Kachelmann": in der neuen Rechtslage wäre Kachelmann wohl chancenlos gewesen.
Eine aussichtsreiche Geschäftsidee wären kleine, jackett- oder handtaschenfähige Blöckchen mit Vordrucken zum einvernehmlichen Sex, "Ich der/die Unterzeichnete, erkläre, dass ich am xx.xx.20XX, XX:XX Uhr, zu sexuellen Handlungen mit Herrn/Frau/Sonstiges/Unbekannte(r)(n) (bitte Zutreffendes kennzeichnen und ausfüllen) bereit bin und diese sexuellen Handlungen wünsche. Dies umfasst die umseitig gekennzeichneten sexuellen Praktiken."
Es handelt sich um ein typisches Beispiel des schwedischen Gesellschaftsmodells. Die Regierung trifft dort nicht nur politische Entscheidungen zur Regelung des gesellschaftlichen Zusammenlebens, sondern sie gibt den Bürgerinnen und Bürgern auch eine offizielle Moral vor. Die Überwachung des moralischen Verhaltens obliegt nicht nur Gott, der Geistlichkeit und der Polizei, sondern der Gesellschaft, das will heißen, man passt auf seinen Nachbarn auf, dass dieser vom regierungsamtlich vorgegebenen Pfad in Denken und Handeln nicht abweicht. Schweden ist durchdrungen von einem totalitären Gesellschaftsmodell. In dem Land könnte und wollte ich nicht leben.
Typisch für solche Modelle ist auch das Streben, die eigene Jurisdiktion zu erweitern. Dagegen, dass schwedische Staatsbürger in Schweden für im Ausland begangene Straftaten verfolgt werden, die nur in Schweden strafbar sind, wird man nicht viel sagen können. Deutsche Staatsbürger dürften aber in Schweden nicht für nicht in Schweden begangene Straftaten verfolgt werden können, vor allem, wenn diese Taten am Tatort nicht strafbar waren. Ein "Europäisches Strafrecht" gibt es zum Glück noch nicht, und angesichts der an diesem Beispiel aufscheinenden grundsätzlichen Auffassungsunterschiede ist ein solches auch keinesfalls wünschenswert.
In der noch bestehenden Rechtsordnung bedeutet eine "Vergewaltigung", dass der/die Angeklagte "gegen den erkennbaren Willen" des Opfers gehandelt haben muss (und dann abgestuft in schwereren Fällen mit Gewalt oder Drohungen vorgegangen sein muss). Die Beweislast liegt dann beim Opfer.
Mit der schwedischen Änderung muss der/die Angeklagte das positive Signal vorweisen, dass die Gegenseite zum Sex bereit war. Das bedeutet faktisch eine Beweislastumkehr. Es wird also sehr viel leichter zu Verurteilungen kommen. So argumentiert ja auch die schwedische Regierung.
Man nehme zum Beispiel den Fall "Kachelmann": in der neuen Rechtslage wäre Kachelmann wohl chancenlos gewesen.
Eine aussichtsreiche Geschäftsidee wären kleine, jackett- oder handtaschenfähige Blöckchen mit Vordrucken zum einvernehmlichen Sex, "Ich der/die Unterzeichnete, erkläre, dass ich am xx.xx.20XX, XX:XX Uhr, zu sexuellen Handlungen mit Herrn/Frau/Sonstiges/Unbekannte(r)(n) (bitte Zutreffendes kennzeichnen und ausfüllen) bereit bin und diese sexuellen Handlungen wünsche. Dies umfasst die umseitig gekennzeichneten sexuellen Praktiken."
Es handelt sich um ein typisches Beispiel des schwedischen Gesellschaftsmodells. Die Regierung trifft dort nicht nur politische Entscheidungen zur Regelung des gesellschaftlichen Zusammenlebens, sondern sie gibt den Bürgerinnen und Bürgern auch eine offizielle Moral vor. Die Überwachung des moralischen Verhaltens obliegt nicht nur Gott, der Geistlichkeit und der Polizei, sondern der Gesellschaft, das will heißen, man passt auf seinen Nachbarn auf, dass dieser vom regierungsamtlich vorgegebenen Pfad in Denken und Handeln nicht abweicht. Schweden ist durchdrungen von einem totalitären Gesellschaftsmodell. In dem Land könnte und wollte ich nicht leben.
Typisch für solche Modelle ist auch das Streben, die eigene Jurisdiktion zu erweitern. Dagegen, dass schwedische Staatsbürger in Schweden für im Ausland begangene Straftaten verfolgt werden, die nur in Schweden strafbar sind, wird man nicht viel sagen können. Deutsche Staatsbürger dürften aber in Schweden nicht für nicht in Schweden begangene Straftaten verfolgt werden können, vor allem, wenn diese Taten am Tatort nicht strafbar waren. Ein "Europäisches Strafrecht" gibt es zum Glück noch nicht, und angesichts der an diesem Beispiel aufscheinenden grundsätzlichen Auffassungsunterschiede ist ein solches auch keinesfalls wünschenswert.
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RE: Länderberichte SCHWEDEN:
Dann will ich Dir Deinen Optimismus natürlich nicht nehmen.
Aus den Erläuterungen des schwedischen Ministerpräsidenten ist zu schließen, dass die im heutigen deutschen Recht verwendete Definition " ... gegen den erkennbaren Willen ..." ersetzt werden durch etwas wie " ... ohne die ausdrückliche Zustimmung ...". Es genügt also dem Ankläger, glaubhaft zu machen, dass eine solche ausdrückliche Zustimmung nicht vorgelegen hat. Aus dem "ein Nein ist ein Nein" wird "alles, was nicht dokumentierbar ein Ja ist, ist ein Nein".
Faktisch bedeutet dies, dass einem Angeklagten wesentlich weniger Verteidigungsargumente zur Verfügung stehen. Der hohe Grundsatz "in dubio pro reo" hilft ihm da wenig. Dessen strikte Anwendung ist schon lange in den Geruch geraten, faktisch eine Strafvereitelung für Vergewaltigungen darzustellen. In diesem Bereich gibt es naturgemäß nur selten zweifelsfreie Fallkonstellationen, erfahrene Richter räumen ein, dass es hier ein hohes Risiko von Fehlurteilen gibt.
Bekannt wurden die Fälle Kachelmann und Horst Arnold. Ein Mausklick erklärt, wie brisant schon die heutige Rechtslage ist.
Die Geisteshaltung der schwedischen Politik wird deutlich hinter dem unschuldig klingenden Satz "If you are unsure, refrain". Er besagt zunächst, dass Menschen und wohl insbesondere Frauen nicht in der Lage sind, ein klares Nein auszusprechen. Er sagt darüberhinaus aus, dass Sex etwas ist, das man eigentlich nicht macht. Wenn einer schon Sex will, dann geht er ein schwer kalkulierbares Risiko ein. So wie etwa ein Drachenflieger, der bei nicht vollkommen sicherer Wetterlage auf den Start verzichtet.
Aus den Erläuterungen des schwedischen Ministerpräsidenten ist zu schließen, dass die im heutigen deutschen Recht verwendete Definition " ... gegen den erkennbaren Willen ..." ersetzt werden durch etwas wie " ... ohne die ausdrückliche Zustimmung ...". Es genügt also dem Ankläger, glaubhaft zu machen, dass eine solche ausdrückliche Zustimmung nicht vorgelegen hat. Aus dem "ein Nein ist ein Nein" wird "alles, was nicht dokumentierbar ein Ja ist, ist ein Nein".
Faktisch bedeutet dies, dass einem Angeklagten wesentlich weniger Verteidigungsargumente zur Verfügung stehen. Der hohe Grundsatz "in dubio pro reo" hilft ihm da wenig. Dessen strikte Anwendung ist schon lange in den Geruch geraten, faktisch eine Strafvereitelung für Vergewaltigungen darzustellen. In diesem Bereich gibt es naturgemäß nur selten zweifelsfreie Fallkonstellationen, erfahrene Richter räumen ein, dass es hier ein hohes Risiko von Fehlurteilen gibt.
Bekannt wurden die Fälle Kachelmann und Horst Arnold. Ein Mausklick erklärt, wie brisant schon die heutige Rechtslage ist.
Die Geisteshaltung der schwedischen Politik wird deutlich hinter dem unschuldig klingenden Satz "If you are unsure, refrain". Er besagt zunächst, dass Menschen und wohl insbesondere Frauen nicht in der Lage sind, ein klares Nein auszusprechen. Er sagt darüberhinaus aus, dass Sex etwas ist, das man eigentlich nicht macht. Wenn einer schon Sex will, dann geht er ein schwer kalkulierbares Risiko ein. So wie etwa ein Drachenflieger, der bei nicht vollkommen sicherer Wetterlage auf den Start verzichtet.
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Auch der djb hatte sich für ein explizites 'Ja' in der deutschen
Debatte ausgesprochen. Ich fand's eigentlich gut, weil in der
Sexarbeit ja auch nur ein verabredetes 'Ja' gilt. Irgendwie empfand
ich Schadenfreude, dass das jetzt auch beim ONS gelten könnte.
Aber der djb hat sich ja nicht durchgesetzt. Da man grundsätzlich
an ein Kondom denken muss, kann man ja auch noch an das
explizite 'Ja'-Wort denken. Hat doch was romantisches an sich, oder?
Debatte ausgesprochen. Ich fand's eigentlich gut, weil in der
Sexarbeit ja auch nur ein verabredetes 'Ja' gilt. Irgendwie empfand
ich Schadenfreude, dass das jetzt auch beim ONS gelten könnte.
Aber der djb hat sich ja nicht durchgesetzt. Da man grundsätzlich
an ein Kondom denken muss, kann man ja auch noch an das
explizite 'Ja'-Wort denken. Hat doch was romantisches an sich, oder?
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Istanbul-Konvention und Strafrechtsreform
Das mit der Kontrolle der Sexualität durch den Staat, das wollte
ich später auch noch hinzufügen. Danke. Dennoch: Wenn man
grundsätzlich einer Gesellschaft, einem Gemeinwesen, das Recht
zubilligt, ein Strafgesetzbuch herauszugeben, und das auch von
Executive und Legislative umzusetzen ist, dann bin ich mit dem
djb der Meinung, dass das Ja-Wort sich in der Gesellschaft längst
etabliert hat, und jetzt nur wieder die männlich gestrickte Justiz
Bedenken vorbringt. Im Pay-Sex folgt die Strafe auf dem Fuß,
und die Session wird abgebrochen, oder es gibt Prügel, egal
wieviel bezahlt wurde. Und das finde ich gut.
Leider finde ich die Begründung vom djb nicht (hatte sie mal auf
facebook), aber Prof. Dr. Maria Wersig scheint mir weit davon
entfernt, nicht liberal zu sein (auch wenn sich der djb nicht
gegen die Erlaubnispflicht hat aussprechen können), und Prof. Dr.
Ulrike Lembke hat sich mit ihrem SZ Artikel auch sehr weit für die
SW aus dem Fenster gelehnt.
https://www.djb.de/verein/Kom-u-AS/K6/st18-02/
https://www.djb.de/static/common/downlo ... ention.pdf
ich später auch noch hinzufügen. Danke. Dennoch: Wenn man
grundsätzlich einer Gesellschaft, einem Gemeinwesen, das Recht
zubilligt, ein Strafgesetzbuch herauszugeben, und das auch von
Executive und Legislative umzusetzen ist, dann bin ich mit dem
djb der Meinung, dass das Ja-Wort sich in der Gesellschaft längst
etabliert hat, und jetzt nur wieder die männlich gestrickte Justiz
Bedenken vorbringt. Im Pay-Sex folgt die Strafe auf dem Fuß,
und die Session wird abgebrochen, oder es gibt Prügel, egal
wieviel bezahlt wurde. Und das finde ich gut.
Leider finde ich die Begründung vom djb nicht (hatte sie mal auf
facebook), aber Prof. Dr. Maria Wersig scheint mir weit davon
entfernt, nicht liberal zu sein (auch wenn sich der djb nicht
gegen die Erlaubnispflicht hat aussprechen können), und Prof. Dr.
Ulrike Lembke hat sich mit ihrem SZ Artikel auch sehr weit für die
SW aus dem Fenster gelehnt.
https://www.djb.de/verein/Kom-u-AS/K6/st18-02/
https://www.djb.de/static/common/downlo ... ention.pdf
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Re: Länderberichte SCHWEDEN:
Hat zwar nichts mit Sexwork zu tun, stelle es aber trotzdem hier rein
Gerechtigkeit
AB JETZT GILT IN SCHWEDEN EIN NEUES SEX-GESETZ
01.07.2018
"Nein heisst nein" ist zwar wichtig und richtig, doch in Schweden geht man nun noch einen Schritt weiter: Dort muessen nun alle Partner dem Geschlechtsverkehr explizit zustimmen. Sonst kann man spaeter wegen Vergewaltigung rechtlich belangt werden.
Ein entsprechendes Gesetz wurde bereits im Dezember beschlossen, ab heute tritt es in Kraft.
Weiterlesen unter:
http://www.bento.de/politik/schweden-da ... t-2566831/
Gerechtigkeit
AB JETZT GILT IN SCHWEDEN EIN NEUES SEX-GESETZ
01.07.2018
"Nein heisst nein" ist zwar wichtig und richtig, doch in Schweden geht man nun noch einen Schritt weiter: Dort muessen nun alle Partner dem Geschlechtsverkehr explizit zustimmen. Sonst kann man spaeter wegen Vergewaltigung rechtlich belangt werden.
Ein entsprechendes Gesetz wurde bereits im Dezember beschlossen, ab heute tritt es in Kraft.
Weiterlesen unter:
http://www.bento.de/politik/schweden-da ... t-2566831/