SWERF - sexworker-exclusionary radical feminist

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Tilopa
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SWERF - sexworker-exclusionary radical feminist

Beitrag von Tilopa »

Im Auge des Shitstorms
Till Randolf Amelung (Pseudonym?), Jungle World, 2017/49

Habe in der Jungle-World einen Artikel überflogen (Ich gebe zu: Zum ernsthaften Lesen war mir die Zeit zu schade), den ich ziemlich Panne fand, der mich aber immerhin auf einen interessanten Begriff aufmerksam gemacht hat:
>>SWERF (sexworker-exclusionary radical feminist)<<.

Das finde ich eine attraktive und uns stärkende Bezeichnung für feministisch bewegte Prostitutionsgegner, die mir tendenziell zu oft mit "AbolitionistIn" betitelt werden.
"Abolitionist" mag ich überhaupt nicht:
* Prüde Feinde des Universalismus verdienen es nicht, rhetorisch in der Nähe der Anti-Sklaverei-Bewegung zu stehen.
* Die Sklaverei im Westen wurde zudem nicht durch Moralisieren abgeschafft, sondern erst, weil sie im modernen Kapitalismus keine ökonomische Grundlage mehr hatte. (So viel Marx sollte dem durchschnittlichen Jungle-World-Leser hoffentlich noch geläufig sein :002)
* Sexarbeit hat weiterhin eine ökonomische Grundlage und lässt sich somit auch nicht "abschaffen".
* Sexarbeit hat nichts mit Sklaverei zu tun und es wird beiden Phänomenen auf schändliche Weise nicht gerecht (und führt offensichtlich zu keinem Erkenntnisgewinn), wenn so getan wird, als gehörten sie zusammen.

Der Artikel selbst arbeitet sich allerdings genau an diesem Begriff ab und ist im Grunde ein dreister Versuch, rechtes (radikalfeministisches, transfeindliches, hurophobes) Gedankengut in ein linkes Gewand zu packen. Zu Dokumentationszwecken sei er hier verlinkt:
https://jungle.world/artikel/2017/49/im ... shitstorms

Boris Büche
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RE: SWERF - sexworker-exclusionary radical feminist

Beitrag von Boris Büche »

Tag @Tilopa,

ich habe mal sorgfältig gelesen. Der Artikel arbeitet sich eher an der TERF-Thematik ab, und das gut, finde ich.
Überschießendes "Politisieren" beider Seiten ("TERFs", KritikerInnen) wird an ein paar Beispielen nachvollziehbar dargestellt.
Die exklusiv-feministische community wird wirklich nicht mit Kritik verschont.

Der Exkurs zum Streit über Sexarbeit ist kurz drangeklebt, und man merkt ihm an, dass der Autor da nicht wirklich in die Thematik eingestiegen ist.
Es finden sich keine Anzeichen für die Wahrnehmung von Stimmen unserer Seite.
Statt dessen Stellen wie

"Warum die Gesetzesmä­ßigkeiten des Kapitalismus ausgerechnet die Prostitution umgehen und aus ihr einen rosaroten Ponyhof machen
sollten, wie viele Queerfeministinnen offenbar glauben, bleibt deren Geheimnis
."

Würde er unsere Seite gelesen haben, wüsste er, das das KEINE/R so darstellt. Genauso wenig wie das Bauhandwerk, oder was auch immer.
Unter Marktbedingungen lebenswert reicht für einen Beruf, um ihn schön zu finden.

Rechts steht der Autor nicht, und heißt wohl auch so, wie er sich nennt:
https://tillamelung.wordpress.com/
http://www.zeit.de/kultur/2017-06/beiss ... aet-gender

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Tilopa
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Beitrag von Tilopa »

@Boris:
danke für die weiterführenden Quellen und für die Versachlichung meines (wie angekündigt) nur oberflächlich durchdachten Beitrags!

--------------

Mittlerweile habe ich auch gewissenhaft gelesen (die Artikel aus Jungle.World und Zeit Online). Die Kritik des Zeit-Artikels an einem ins anti-emanzipatorische gewendeten Queer-Aktivismus kann ich gut nachvollziehen.

Ich bleibe aber bei meinem harten Urteil über den Text in der Jungle-World -- vielleicht, weil ich mich bei dieser Zeitung mal "zu Hause" gefühlt habe:
Die Abschnitte, die sich mit Transgender befassen, gehen mir nach meiner Lesart viel zu "verständnisvoll" mit der radikalfeministischen Ausgrenzung um und bewegen sich in einem anti-linken Weltbild, in dem "das Patriarchat" die Wurzel allen Übels sein soll und der Klassenwiderspruch bestenfalls eine Nebenrolle spielt.

Im "SWERF"-Abschnitt ergreift der Autor dann klare Partei für die Prostitutionsgegner und hantiert feste und plötzlich ganz unkritisch mit der üblichen Anti-Sexarbeits-Rhetorik. Da bin ich nicht gewillt, ihm die Möglichkeit bloßer Naivität zugute zu halten.

Wie dem auch sei... :-)
Das Zitat mit dem "rosaroten Ponyhof" hat mich auf folgenden Gedanken gebracht:
Wir haben es mit einer organisierten Bewegung zu tun, die die Sexarbeit mit aller Macht kriminalisieren will und dafür auch vor krassen Falschdarstellungen nicht zurückschreckt (z.B. der "80% sind Zwangsprostituierte"-Behauptung, die wohl jeder mit realen Kontakten zu Menschen in der Sexarbeit leicht als Unsinn identifizieren kann).
Ich halte es deshalb bei politischen Aktivisten nicht grundsätzlich für verwerflich, rhetorisch mit einer "Gegenutopie" zu arbeiten (auch, wenn ich persönlich die Wahrheit für das bessere Stilmittel halte).
Vielleicht läuft man damit in einer derart polarisierten Debatte weniger Gefahr, der Gegenseite viel zu viel Raum für ihre Lügen einzuräumen und dann nur noch in der Lage zu sein, über den Grad der Repression und nicht mehr über die Unrechtmäßigkeit ebendieser zu diskutieren? Das Ziel lautet ja schließlich Entkriminalisierung und Normalisierung und nicht "etwas weniger Unfreiheit".

Boris Büche
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RE: SWERF - sexworker-exclusionary radical feminist

Beitrag von Boris Büche »

@Tilopa:

Ich glaube, in folgender Passage positioniert sich Amelung am deutlichsten:

"Seit den neunziger Jahren gibt es ­allerdings in lesbischen und feministischen Kreisen eine zunächst vorsichtige,
seit einigen Jahren aber immer deutlichere Wendung gegen die hasserfüllte Paranoia, die Raymond in die Welt gesetzt hat.
Diese Kreise begreifen Transfrauen als Opfer der patriarchalen Gesellschaftsordnung und solidarisieren sich mit ihnen.
Jene, von denen man annimmt, dass sie diesen Bemühungen schaden, werden mit dem ­Akronym TERF belegt
."

Aus weiteren Fundstellen im Web schließe ich, dass Amelung west-links politisch sozialisiert ist, und mal Teil der Göttinger "Szene" war.

Die "autonomen" Westlinken (meine Definition, genaue Strömungskunde überlasse ich anderen) haben sich schon seit ich weiß (späte 80ger)
mit Klassenwidersprüchen kaum befasst. Täten sie es, müssten sie zunächst ihre eigene Klassenherkunft hinterfragen!
Sie sind aber zu gern die Oberlehrerschaft der Linken (und oft selbst Lehrers Kinder); das zu reflektieren, störte den Aktivismus zu sehr,
den sie zur Erhaltung ihres elitären Selbstbilds (klassentypisch!) benötigen.

Kein Zufall, dass linke TWERS genau diesen Zusammenhängen entstammen. Ich kann mir durchaus vorstellen,
dass Amelung hinsichtlich Sexarbeit noch so naiv ist.

Ich, gescheiterter Lehrer Kind (und damit früher Präkariat), war das auch mal.
Bis ich privat mit der ersten Sexarbeiterin bekannt wurde.
Sämtliche Vor-Urteile erwiesen sich in der menschlichen Begegnung als falsch.

Die MiesepeterInnen sind nur in den Medien erfolgreich.
In konkreter Öffentlichkeit, unter Leuten, sind sie leichter zu besiegen.
Eine redegewandte Sexarbeiterin, oder ein reflektierter Kunde, können beeindrucken für 10-20 von denen . . .

Wir sollten uns vor allem "sozial vermehren", und dann mit möglichst vielen, persönlichen Stimmen sprechen.
Habe mich gefreut, daß Salomé Balthus Anfang der Woche gesagt hat: "Ich komme jetzt raus".
Kurz zuvor hat sie eine Hetzveranstaltung
in Berlin besucht, ein wenig aufgemischt, und darüber geschrieben:
http://hetaera.de/sexarbeit/

Text von mir, hinsichtlich "sozialer Vermehrung":
http://www.bsd-ev.info/downloads/trug_und_lug_3_.pdf

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Beitrag von Doris67 »

(Ich spreche übrigens das "R" in "SWERF" und "TERF" als "Reactionary" aus, in voller Absicht, denn das paßt bestens.)
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Tilopa
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Beitrag von Tilopa »

@Boris: Danke für die verlinkten Texte. Gut und erbauend zu lesen!
@Doris: Stimmt, "reactionary" passt viel besser, als das schwammige "radical"!

Boris Büche
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RE: SWERF - sexworker-exclusionary radical feminist

Beitrag von Boris Büche »

Interessanter SWERF-Quellentext:
http://www.feministcurrent.com/2015/11/ ... say-swerf/

"Sobald ich begann, meine Überzeugungen kritisch zu untersuchen, und mehr über die Geschichte des Feminismus zu lernen,
realisiere ich die vielen Punkte, in denen der sogenannte liberale Feminismus versagt. Was bald klar wurde: Liberaler Feminismus
ist überhaupt kein Feminismus. Die Unkritische Verehrung individueller Entscheidungen ignoriert die Strukturen und Institutionen,
die das Patriarchat stützen.
"

Die Autorin sagt klar, dass Individualismus nicht die Zielsetzung ist. Die individuelle Wahl einer Frau mag legitim sein, ist aber moralisch
unter Vorbehalt. GUT ist nur die Entscheidung, die ALLEN Frauen potentiell nützt. Eine Entscheidung entlang von tradierten
Rollenvorstellungen ist negativ.

Ich verstehe, was Jindi Mehat meint.

Diese Unzufriedenheit wird indirekt ganz oft angesprochen. Ungleiche Bezahlung (rechnerisch) berufstätiger Männer und Frauen,
resultiert aus solchen Individualentscheidungen, beispielsweise.

Die Gewerkschaften in Deutschland, Antidiskriminierungsgesetze, sorgen schon dafür, dass es real in jedem Beruf keinen Lohn-
unterschied gibt. Dass Grundschullehrer/innen weniger kriegen als Gymnasiallehrer/innen, Krankenpfleger/innen weniger als
Elektriker/innen, dafür können Gewerkschaften nix, und gesetzlich ist das wohl auch kaum zu regeln.

Schon gar nicht die Tatsache, dass sich wenige Frauen für das Elektrohandwerk interessieren.

Ich habe aber noch keine Feministin laut schimpfen hören, dass Frauen z.B. Krankenschwester werden möchten / geworden sind,
und damit den equality gap perpetuieren.

Nur der Beruf der Hure wird so ausgeschlossen.

Also stimmt SWERF als Bezeichnung, egal ob ich scheißliberal bin oder nicht.

Klaus Fricke
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RE: SWERF - sexworker-exclusionary radical feminist

Beitrag von Klaus Fricke »

Redlichkeit

Der BesD hat auf den jungle world Artikel des Autoren Amelung im Zusammenhang mit SWERF geantwortet. Die Antwort, aus der ursprünglich zu ersehen war, das sie von Charlie / BesD stammte, wurde, so die Richtigstellung tatsächlich von Salome Balthus / BesD verfasst. Fabienne Freymadl / BeSD teilt das mit. Die mir als PDF vorliegende Version des Textes (Text abgerufen und von meinem System über Firefox als PDF Dokument am 8.1.2018 um 19:40 Uhr griechische Zeit erfasst), befindet sich als Quelle in der Anlage zu diesem Beitrag.

Ich habe die mir am 8.1.2018 seit 19:40 Uhr griechischer Zeit vorliegende Version des Textes von Salome Balthus / BesD um 20:42 Uhr griechischer Zeit auf der BesD Seite kommentiert. Mithin um 19:42 Uhr deutscher Zeit, mithin eine Stunde nachdem mir der Text als PDF zur Verfügung stand.

Mein Kommentar:


»___S_t_r_a_t_e_g_i_s_c_h_e_r___M_a_r_k_e_n_k_e_r_n___

Zuerst:
Danke für die überarbeitet, interessante und leicht zugängliche neue Webseite des BesD!

Sodann:
Mich überrascht die Aussage

»Die Tatsache, dass v_i_e_l_e Prostituierte nicht selbstbestimmt und frei arbeiten,« von Charlie, in einem Text, in dem sie zurecht die substanzlosen Behauptungen von Herrn Amelung »Selbstbestimmung ist jedoch für v_i_e_l_e Prostituierte eine hohle Phrase« (Hvhbg. K.F.) kritisiert. Auch die »v_i_e_l_e Prostituierte« Aussage von Charlie ist in dieser Form substanzlos, da zu pauschal und quellenfrei erhoben. Sie entkräftet die folgende Argumentation gegen Hr. Amelung, die sich insbesondere auf den sogenannten "Menschenhandel" bezieht.

Der neo-abolitionistische, der "moderne" Kurs der historischen Diskreditierung, Diskriminierung und menschenverachtenden Repression gegen die Sexarbeit, wird - an die Begriffe des Sklaven-, Mädchen- und Frauenhandels angelehnt und insofern in verzerrender Weise (siehe zur Begriffsgeschichte D. Jazbinsek, Der internationale Mädchenhandel - Biographie eines sozialen Problems Berlin 2002), diskursleitend - heute unter dem emotionalisierenden, eine sachliche Diskussion erschwerenden Begriff des Menschenhandels geführt. Der Begriff, Anette Huland (Frauenhandel in Deutschland - Im Spannungsfeld von Abschiebungspolitik und Prostitution Marburg 2012) hat das klar herausgearbeitet, dient zudem der Abwehr von Migration und ist in der Praxs eng verknüpft mit rassistischen Ansichten, Haltungen und Bewegungen.

Ich empfehle - denn wer von "Menschenhandel", also einem Sekundäreffekt spricht, verschweigt den eigentlichen Skandal, die Ausbeutung, die dem Transfer in sie vorausgeht, also a priori zu betrachten ist - die Diskussion nicht unter dem Menschenhandels-Label, das Markenkern der neo-abolitionistischen Bewegung ist, zu führen.

Der Ansatzpunkt, sofern es um die Skandalisierung von Zuständen geht, ist nicht der irgendwie geartete Transfer von Menschen in die Sexarbeit, sondern, die Ausbeutung von (Sex-) Arbeit und deren Ausübung unter materiell schlechten Bedingungen (geringes Honorar, hohe Verdichtung, risikohafte Arbeitsbedingungen ...) und rechtlich unhaltbaren (diskreditierenden, diskriminierenden, entwertenden ... ) Vorraussetzungen.

Die Ausbeutung sollte von den für Sexarbeit Sprechenden skandalisiert werden. Alle, die demgegenüber den Transfer in ausbeuterische (Sex-) Arbeitsverhältnisse in den Vordergrund stellen, sind strategisch in der Defensive, sobald sie nach Lösungen gefragt werden, mit denen sie Sorge für die Abschaffung ausbeuterischer (Sex-) Arbeitsverhältnisse zu tragen gedenken.

Wo ausbeuterische, prekäre Arbeitsverhältnisse sozial geächtet werden, dass ist, siehe Hartz IV und Folgen in D nicht der Fall, erledigt sich das mit dem Transfer (sekundärer Effekt) in diese von selbst. Genau diesen Paradigmenwechsel, der notwendig wäre, verhindern neo-abolitionistische Bewegungen durch Ihre sexarbeitsrepressive Demagogie unter dem verzerrend ideologisch besetzten Label Menschenhandel. Das mag auch der Grund sein, dass sie in konservativ-neoliberal-christlichen Eliten breite Unterstützung erhalten.

Sexarbeitende, so denke ich, könnten strategisch in die Offensive kommen, wenn das Thema Ausbeutung, und ausbeuterisch-prekäre Arbeitsbedingungen Kernelement ihres politischen Wollens und Ihrer politischen Positionierung werden würde.

Klaus Fricke, Leptokarya den 08.01.2018, 20:42 (deutsche Zeit 19:42)«




Fabienne Freymadl / BesD antwortete

»Fabienne says:
8. Januar 2018 um 20:08
Lieber Klaus,

danke für Deine Glückwünsche.&#8232; Und auch danke für deinen Kommentar. Ich möchte Dich bitten, nochmal genau nachzusehen.

Zuerst:
Der Text wurde zwar von Charlie, unserer Generalsekretärin online gestellt, aber von der AG Media verfasst. Die Sprecherin der AG Media ist Salome Balthus, sie hat somit auch den Text verfasst. Noch haben nicht alle Redakteur*innen einen Account, daher stellt Charlie die Texte im Auftrag online.

Dann lies bitte auch noch genau nach. Im Text steht nirgends »Die Tatsache, dass v_i_e_l_e Prostituierte nicht selbstbestimmt und frei arbeiten,«, sondern wortwörtlich:

"Die weit verbreitete Meinung, dass viele Prostituierte nicht selbstbestimmt und frei arbeiten, veranlasst ihn, uns den Terminus „Arbeiter*innen“ abzusprechen."

Das ist doch schon ein sehr wesentlicher Unterschied. Insofern wird die Argumentation gegen die unhaltbare Aussage des Herrn Amelung in keinster Weise "entkäftet".

Ich möchte dich bitten, noch mal genau nach zu lesen.
Mit den besten Grüßen
Fabienne Freymadl«




Darauf antwortete ich um 23:25 Uhr griechische, also 22:35 Uhr deutsche Zeit:

»Klaus Fricke, Leptokarya, 08.01.2018, 23 Uhr 25, griechische Zeit,

Hallo Fabienne,

Zuerst:
___M_a_r_k_e_n_k_e_r_n___
Fern Deiner Anmerkungen, wird durch sie das zentrale Anliegen meines Kommentars - die Skandalisierung der Ausbeutung und prekärer Arbeitsverhältnis in den strategischen Markenkern der Pro-Sexarbeits-Bewegung zu integrieren und damit offensiv gegen den strategischen Markenkern "Menschenhandel" der neo-abolitionistischen Bewegung erfolgreich zu sein - nicht berührt.

Was hälst Du von diesen Überlegungen?


Sodann:
___Q_u_e_l_l_e_n_g_e_n_a_u_i_g_k_e_i_t___-___R_e_d_l_i_c_h_k_e_i_t___-___F_e_h_l_l_e_k_t_ü_r_e___

- Eine andere Urheberschaft als die von Charie war für mich, wie Du einräumst, heute um 19:42 deutscher Zeit nicht erkennbar. Ich hatte genau gelesen. Danke, dass Du da, was das Prozedere des BesD angeht, Transparenz herstellst

- Den von Dir in Frage gestellten Zitattext habe ich mit copy und paste aus der Version übernommen, die ich um 19:42 Uhr kommentierte und zuvor um 18:40 Uhr deutsche, 19:40 Uhr griechische Zeit als PDF Dokument von der BesD e.V. Seite als Download angefertigt hatte. Der Zitattext, den ich verwende stammt unmittelbar aus dem Text, der mir als PDF Dokument zur Verfügung stand. Der Download fand um 18:40 Uhr deutscher Zeit statt. Da ich den Text in Griechenland als PDF Dokument heruntergeladen hatte und mein Speichersystem entsprechend voreingestellt war, erscheint auf meinem Dokument die griechische Zeit, also 19:40 Uhr.

Eine Fehlkopierung aus dem Ursprungstext fand nicht statt. Ich hatte den Text genau gelesen. Dies habe ich soeben erneut geprüft.

Das Dokument stelle ich jetzt, ebenso wie meinen obigen, Deinen und diesen Kommentar von mir auf sexworker.at zur Verfügung.

Wo das - eventuell systemische - Problem liegt, sollte auch der BesD prüfen, so wie ich meine Quellen gewissenhaft geprüft habe und hatte.

Grüße
Klaus aus Leptokarya, Griechenland, das D immer um eine Stunde Ortszeit voraus ist.«


Dateianhänge
2018-01-05, BesD, Charlie, Offener Brief an die Redaktion der „Jungle World“ – BesD e.V. Berufsverband Sexarbeit.pdf
(78.02 KiB) 185-mal heruntergeladen

Boris Büche
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RE: SWERF - sexworker-exclusionary radical feminist

Beitrag von Boris Büche »

Lieber Klaus,
danke für Dein "nicht-mehr-aktiv"-sein!

Worauf Du mit "Markenkern" hinaus wolltest, habe ich erst nach der Lektüre der Antwort an Fabienne verstanden. Eine Trennung der Anregung/Frage von der Textkritik (in zwei Beiträgen, oder so) hätte gut getan. Durch die Verschachtelung wurde ich verwirrt. Möglicherweise ging es Fabienne ähnlich. Was erklären würde, warum das in ihrer Antwort nicht vorkommt.
Dass "Tatsache" aus dem Text rauseditiert wurde, ist gut. Dass Editierung bestritten wird, ist nicht gut. Weiter will ich dazu nichts sagen.


Welche Realitäten unterstützen die "weit verbreitete Meinung, dass viele Prostituierte nicht selbstbestimmt und frei arbeiten"?

Seit ich "dabei" bin, scheint mir: Kaum welche. Nur eine (gewesene) Sexarbeiterin, mit der ich gesprochen habe, weist abolitionistische Argumentationsbestände nicht komplett zurück.
Ansonsten (autobiographische Zeugnisse inbegriffen, sofern nicht von sog. "Überlebenden" verfasst) sagen die meisten: Schattenseiten im Gewerbe haben sie persönlich nicht erlebt / aus zweiter Hand erfahren. (in Deutschland, heutzutage, versteht sich)

Etwas zu diskutieren, was man selbst nicht kennt, nicht mal indirekt, ist schwer. Redlicher, man lässt es - bis man klüger ist.

Das Schweigen zu Ausbeutung, Zwangslagen, Zuhälterei, die Zurückweisung solcher Vorhaltungen als Fiktion, spielt natürlich der GegnerIn zu. Ich wünsche mir da gelegentlich auch mehr "Tatsachenberichte" anstelle meines Bauchgefühls. Denn mehr habe ich nicht, als nicht-Sexarbeiter. Ich kann nur der Redlichkeit derer vertrauen, mit denen ich spreche, oder die zur Öffentlichkeit sprechen. SexarbeiterInnen kommen mir, das sei gesagt, äußerst vertrauenswürdig vor! Dennoch bleibt in mir eine kleine Unsicherheit bestehen, wo ich nur glauben, nicht wissen kann.

Ich habe mich vor zwei Jahren mal mit einem kritischen Mitglied des BesD unterhalten. Sie hatte am Sexwork-Kongress in Hamburg teilgenommen, und war verärgert. Sie sagte, es sei eher eine Werbeveranstaltung gegenüber der Öffentlichkeit, als ein Kongress der Sexarbeitenden gewesen - was die Zusammensetzung der Teilnehmerschaft betrifft, wie auch die Unwilligkeit, Missstände, oder Problemlagen zu diskutieren. Sie hatte ein Beispiel für eine Problemlage, von der sie sagte, dass sie dafür im BesD keine Anerkennung als Gesprächsthema fand. Obwohl einiges dran sei, und Weglassen des Themas den AbolutionistInnen das Feld überließe.

(nenne das Thema hier nicht, ist definitiv seperate Diskussion wert)

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Beitrag von Kasharius »

Der Skandal liegt aber doch vor allem darin, daß die Gegner(innen) der Prostitution insbesondere deren Interessenvertretungen onisono sinngemäß unterstellen, sie würden dem Menschenhandel das Wort reden bzw. sich nicht genügend davon distanzieren und mit Zuhältern paktieren; so ja jüngst beispielsweise die Spiegel-Redakteurin Müller in der Doku vom Novemer 2017 auf ZDFinfo. Die Stellungnahmen zu der Doku von Frau Stephanie Klee und Frau Balthus belegen das Gegenteil!

Kasharius grüßt und findet es Schade, daß @Klaus nicht mehr hier aktiv ist.
P.S. @Boris

Dir ein frohes, gesundes und in jeder Hinsicht erfolgreiches neues Jahr.

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Beitrag von Tilopa »

Ich finde es auch schön, mal wieder von dir, @Klaus, zu hören!
Deine Beiträge sind nicht immer leicht lesbar, aber sie enthalten wertvolle Gedankengänge, die das Geschehen strategisch, intelligent und im historisch-kritischen Kontext betrachten -- gerne wieder mehr davon! :-)

Was ich nicht schön finde, ist der Anlass für deinen Beitrag offenbar ein Streit mit anderen Engagierten aus dem Pro-Sexarbeits-Spektrum ist. (Ich hoffe, ich interpretiere die Dinge nicht vollkommen falsch und dass sich keiner der Beteiligten ernstlich unfair behandelt fühlt. Weiter mische ich mich deshalb auch nicht ein).
Halten wir und unsere Verbündeten lieber zusammen:
Wir haben genug Sexualfeinde, Hurophobe, Moralapostel, Linke-,Rechte- und bürgerliche Autoritäre, Spießer, Feministen und deren Mitläufer als Gegner, als dass wir uns wegen missglückter Formulierungen auch noch selbst zerfetzen sollten.

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Beitrag von Tilopa »

Ich habe in einem Beitrag weiter oben ja die These versucht, dass die "Ponyhof-Utopie" mitunter genau das richtige Mittel sein könnte, um der extremen und unredlichen Argumentation vieler Abolitionisten ein positives Extrem entgegen zu halten.
Nachdem ich die Argumentation von Klaus gelesen habe, ist mir das wieder peinlich. Wir sollten uns mehr denn je selbstbewusst mit den Schattenseiten befassen. Wir haben da nichts zu verbergen und ohnehin keine Deutungshoheit, die wir verlieren könnten. Die Betonköpfe können wir sowieso nicht überzeugen. Aber die vielen Unbeteiligten und Halb-Interessierten gewinnt man am ehesten durch Wahrhaftigkeit. Lassen wir durch seriöse Argumentation die Abolitionisten mit ihren Zerrbildern, ihrem erhobenen Zeigefinger und ihrer unmenschlichen Weltsicht als die irrationalen Ideologen auflaufen, die sie mehrheitlich sind.

@Kasharius:
Weil du die Doku erwähnst - ich finde, der folgende Schnipsel ist eine Randnotiz wert:
Manuela Schon* freut sich wie Bolle, dass das Propagandamaterial von "Abolition 2014" ungeprüft übernommen wurde:
"There's been a new documentary on a public TV channel, a really big one. It was gratifying, because when they started, they didn't know anything about the Nordic model and were in favour of prostitution. It was supposed to be 45 minutes but the journalist was so impressed when he did his research, he extended it to 90 minutes. And it was abolitionist and recycled our activism. We could see it was our research."
https://nordicmodelnow.org/2017/12/17/t ... n-germany/ (Hervorhebung von mir; Achtung -- Link geht auf eine üble Seite, die reaktionäre Prostitutionspolitik normalisieren will)

*Wenn ich das richtig verstehe, bezeichnet sie sich als Anarchistin. In krasser Karikatur dazu scheint ihr wichtigstes Anliegen die Schaffung eines Unrechtsstaats zu sein, der Frauen und Männern einvernehmlichen Sex außerhalb ihrer prüden und extrem einseitigen Definition verbietet und sich staatlicher Gewalt bedient, um selbiges Verbot durchzusetzen. Finde ich ähnlich amüsant wie den "PorNO-Rauswurf" bei den Münchener "Autonomen", der hier neulich irgendwo zitiert wurde. :003

Boris Büche
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RE: SWERF - sexworker-exclusionary radical feminist

Beitrag von Boris Büche »

Danke, @Tilopa,
für die Verlinkung des Schon-Interviews. Ja, sie ist etwa in soweit "Anarchistin" wie die in München, die oben zitiert sind.
Machtausübung ist in diesen Kreisen nicht verpönt - auch ohne Ansage vorher.

"At first, we spent lots of time on the Internet, mostly participating in discussions. But now we can do other things because we don’t have to always step in. Like when the new law was discussed, we sent a lot of letters to the members of the national Parliament. Then we found that during the debates in Parliament, a number of parliamentarians repeated word for word the arguments we’d sent them."

beschreibt noch besser, wie vorgegangen wurde: Beschallung der Ahnungslosen, bis der Wo-Rauch-ist-muss-Feuer-sein-Effekt auftritt.

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Beitrag von Kasharius »

@Boris


...aber den Interessenverbänden BeSD und BSD wir unseriöse Lobbyarbeit und Paktieren mit den bösen Menschenhändlern vorgeworfen. Das Maß an Verlogenheit und mangelndem Demokratieverständnis - so sehe ich das Agieren der Abos - ist nicht zu beschreiben. Und @Tilopa hat Recht! Dem muss man trotzdem - mit geballter Faust in der Tasche, möchte ich ergänzen - Argumentativ begegnen...
Dabei sind auch die Schattenseiten zu benennen, aber nicht ständig wie eine Monstranz vorsich her zu tragen. Genau das tun die Abos und fordern es von allen anderen auch ein - finde ich!
Kasharius grüßt Euch beide herzlich