Die Rede von "Sexarbeit" vs. "Prostitution"
Antje Schrupp auf Zeit-Online, 30.5.2018
https://www.zeit.de/kultur/2018-05/femi ... ettansicht
Dass die Begriffe unterschiedlich konnotiert sind und in unterschiedlicher Absicht verwendet werden, beschreibt die Autorin neutral.
Mit ihrer eigenen These, dass - auch in feministischer Sicht - beide Begriffe berechtigt und zur Unterscheidung in der Sache auch benötigt würden, verlässt sie die neutrale Ebene:
Die Begriffe werden zu zuweisenden Fremdbezeichnungen.
Der Trick mit zwei gegensätzlichen Begriffen wird zur Schwarz-weiß-malerei.
Die These blendet das aus, was hier sprachlich eigentlich interessant wäre - das Framing -, das gerade in diesem semantischen Feld aufzuklären wäre.
Wie soll die Berufsbezeichnung lauten
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"Sexarbeit ist Arbeit" hat auf Facebook dazu das geschrieben:
"Mit der Konstruktion zweier "Fronten" kann man sich das Leben auch sehr einfach machen, Antje Schrupp.
Warum z.B. Hydra e.V. aber eine "Beratungsstelle für Prostituierte" ist und die Organisation trotzdem gleichzeitig häufig den Begriff "Sexarbeiterin" nutzt, kann damit nicht erklärt werden.
Wieso Sexarbeiter*innen diesen Begriff für sich selbst gewählt haben und sich nicht durch stigmatisierende Fremdzuschreibungen diskriminieren lassen wollen, wird im Artikel leider auch nicht erwähnt.
Nothing about us without us - gilt auch für "gutgemeinte" Debattenbeiträge durch Feministinnen."
Diese Unterscheidungskriterien zwischen Sexarbeit und Prostitution sind frei erfunden.
Sexarbeit ist einfach der politischere und von den Sexarbeiterinnen selbst gewählte Begriff ein und derselben Tätigkeit.
Und mir ist noch aufgefallen, dass sie zum Schluß von Gemeinsamkeiten in den pol. Forderungen der unterschiedlichen feministischen Fraktionen fantasiert, die es so gerade eben nicht gibt. Etwa dass alle Feministinnen für Entstiegmatisierung und gut ausgestattete Fachberatungsstellen eintreten. Wo die Prostitutionsgegnerinnen doch selber die schlimmsten Stigmatisierer und größten Feinde der Fachberatungsstellen sind. Die Wahrheit sieht also doch wohl ein wenig anders aus.
Und bessere soziale und materielle Absicherungen? Seit wann interessiert das denn Prostitutionsgegnerinnen?
"Mit der Konstruktion zweier "Fronten" kann man sich das Leben auch sehr einfach machen, Antje Schrupp.
Warum z.B. Hydra e.V. aber eine "Beratungsstelle für Prostituierte" ist und die Organisation trotzdem gleichzeitig häufig den Begriff "Sexarbeiterin" nutzt, kann damit nicht erklärt werden.
Wieso Sexarbeiter*innen diesen Begriff für sich selbst gewählt haben und sich nicht durch stigmatisierende Fremdzuschreibungen diskriminieren lassen wollen, wird im Artikel leider auch nicht erwähnt.
Nothing about us without us - gilt auch für "gutgemeinte" Debattenbeiträge durch Feministinnen."
Diese Unterscheidungskriterien zwischen Sexarbeit und Prostitution sind frei erfunden.
Sexarbeit ist einfach der politischere und von den Sexarbeiterinnen selbst gewählte Begriff ein und derselben Tätigkeit.
Und mir ist noch aufgefallen, dass sie zum Schluß von Gemeinsamkeiten in den pol. Forderungen der unterschiedlichen feministischen Fraktionen fantasiert, die es so gerade eben nicht gibt. Etwa dass alle Feministinnen für Entstiegmatisierung und gut ausgestattete Fachberatungsstellen eintreten. Wo die Prostitutionsgegnerinnen doch selber die schlimmsten Stigmatisierer und größten Feinde der Fachberatungsstellen sind. Die Wahrheit sieht also doch wohl ein wenig anders aus.
Und bessere soziale und materielle Absicherungen? Seit wann interessiert das denn Prostitutionsgegnerinnen?
Zuletzt geändert von Andreas R. am 02.06.2018, 18:34, insgesamt 2-mal geändert.
Liebe Grüße und bis denne
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RE: Wie soll die Berufsbezeichnung lauten
Ich hab mal für "Hure" gestimmt, was zu meinen Zeiten, neben "Prostituierte", die gängige Bezeichnung war; auch von uns Frauen untereinander. Prostituierte klingt so sehr nach Stock im Hintern, finde ich, "SexarbeiterIn" ist für mich eher Porno und SexdienstleisterIn klingt irgendwie wie "Bäckereifachverkäuferin", nur in unanständig.
Daher -> Hure, passt schon.
Grüße!
Mondfrau
Daher -> Hure, passt schon.
Grüße!
Mondfrau
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- Wohnort: 85716 Unterschleissheim
- Ich bin: KundIn
Meine Meinung - völlig ungefragt
Sex Worker ist der angepaßte Begriff, der auch die
Konzessionierung überdauern wird. Prostituierte ist nach wie vor
der aufsässige wie abstoßende Begriff, der in der Illegalität neue
Nahrung bekommen, und auch diese überdauern wird.
Ich werde ja nicht müde, darauf hinzuweisen, dass es neben den
Damen im Laufhaus, denen, die es geschafft haben, auch noch die
ungezähmten Girlies in der Kurfürstenstraße, beispielsweise, nur
mal so als Beispiel, gibt. Diese Frauen stehen nunmal nur mit
Lippenstift ausgestattet, in der ersten Reihe, und geben sich
berufsmäßig ganz anders, ohne unbedingt anders zu sein, als die
Damen im Appartement. Nur mal so mein Eindruck. Ich lasse mich
gerne belehren. Prostitution wird nie schicklich sein. Sexarbeit hat
sehr wohl die Chance dazu.
Was die Autorin als Grund für den Unterschied angibt, die
Freiwilligkeit, ist dann totaler Quatsch. Der Sex der Armen und
der der Reichen findet nun mal in unterschiedlichen Millieus statt.
Wenn ich jetzt noch die femme fatale ins Spiel bringen darf, dann
muß ich ganz klar eingestehen, dass ich nie zu einer Sexarbeiterin
gehen würde, sondern immer zu einer Prostituierten. Und das ist
das Bild, das die Branche transportiert, und die Welt nicht
wahrhaben will, aber die Männer suchen, und für das sie berappen
(natürlich nur auf Zeit, denn gleich danach geht die Dominanz
gegenüber der Frau weiter). Da wird der Widerspruch zwischen
Theorie und Praxis sichtbar, der beiden Begriffen innewohnt.
Prostitution ist ein System, in dem die Frauen das Sagen haben,
und die Männer den Wegfall der Verantwortung, und die
Übernahme der Verantwortung durch die Frau genießen. Dafür
zahlen sie. Und dafür wird sie gehaßt, und in Schranken verwiesen.
Konzessionierung überdauern wird. Prostituierte ist nach wie vor
der aufsässige wie abstoßende Begriff, der in der Illegalität neue
Nahrung bekommen, und auch diese überdauern wird.
Ich werde ja nicht müde, darauf hinzuweisen, dass es neben den
Damen im Laufhaus, denen, die es geschafft haben, auch noch die
ungezähmten Girlies in der Kurfürstenstraße, beispielsweise, nur
mal so als Beispiel, gibt. Diese Frauen stehen nunmal nur mit
Lippenstift ausgestattet, in der ersten Reihe, und geben sich
berufsmäßig ganz anders, ohne unbedingt anders zu sein, als die
Damen im Appartement. Nur mal so mein Eindruck. Ich lasse mich
gerne belehren. Prostitution wird nie schicklich sein. Sexarbeit hat
sehr wohl die Chance dazu.
Was die Autorin als Grund für den Unterschied angibt, die
Freiwilligkeit, ist dann totaler Quatsch. Der Sex der Armen und
der der Reichen findet nun mal in unterschiedlichen Millieus statt.
Wenn ich jetzt noch die femme fatale ins Spiel bringen darf, dann
muß ich ganz klar eingestehen, dass ich nie zu einer Sexarbeiterin
gehen würde, sondern immer zu einer Prostituierten. Und das ist
das Bild, das die Branche transportiert, und die Welt nicht
wahrhaben will, aber die Männer suchen, und für das sie berappen
(natürlich nur auf Zeit, denn gleich danach geht die Dominanz
gegenüber der Frau weiter). Da wird der Widerspruch zwischen
Theorie und Praxis sichtbar, der beiden Begriffen innewohnt.
Prostitution ist ein System, in dem die Frauen das Sagen haben,
und die Männer den Wegfall der Verantwortung, und die
Übernahme der Verantwortung durch die Frau genießen. Dafür
zahlen sie. Und dafür wird sie gehaßt, und in Schranken verwiesen.
Wo Schatten ist, muß auch Licht sein.
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- interessiert
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Re: Wie soll die Berufsbezeichnung lauten
Der letzte Beitrag bzw. die Namensfindung ist zwar schon etwas älter, aber dennoch ist das Thema bristant wie nie.
"Sexarbeiterin" assoziiert eine Form der Berufsanstellung / sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis, was in den wenigsten Fällen zutrifft.
"Sexdienstleisterin" unterstreicht hier im Wort die Selbständigkeit und unternehmerische Freiheit.
Erotikbetriebe, welche schon Erfahrenswerte mit Sozialversicherungsträger bzw. Rentenversicherung zu tun hatten, werden den kleinen aber feinen Unterschied mittragen.
"Sexarbeiterin" assoziiert eine Form der Berufsanstellung / sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis, was in den wenigsten Fällen zutrifft.
"Sexdienstleisterin" unterstreicht hier im Wort die Selbständigkeit und unternehmerische Freiheit.
Erotikbetriebe, welche schon Erfahrenswerte mit Sozialversicherungsträger bzw. Rentenversicherung zu tun hatten, werden den kleinen aber feinen Unterschied mittragen.
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- ModeratorIn
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- Ich bin: SexarbeiterIn
Re: Wie soll die Berufsbezeichnung lauten
Habe einfach mal diesen Thread genommen, um diesen Artikel einzustellen ....
Kolumne «Ertappt»:
Beschimpfen mit Erklärungsbedarf
Ein Rentner wird verurteilt, weil er eine Nachbarin als «Tschättere» bezeichnet hat. Die Staatsanwaltschaft muss den Begriff erklären.
Pascal Jäggi
Publiziert heute um 10:49 Uhr
Kurioses aus der Welt der Justiz.
Olivier Samter
Die Jungen zeigen vor, wie man es der Staatsanwaltschaft einfach macht. Wie ein 25-Jähriger aus Horgen, der einen anderen als dummen Menschen und Sohn einer Sexarbeiterin bezeichnet – mittels Sprachnachricht. Eine klare Sache, die Strafverfolgungsbehörden brauchen sich nur die Nachrichten anzuhören und können den Mann wegen fünf Beschimpfungen in sieben Minuten verurteilen. Die Strafe, wie bei Beschimpfungen üblich, ist nicht hoch: 15-mal 30 Franken, während zweier Jahre auf Bewährung ausgesetzt, und eine Busse über 300 Franken. Fall erledigt.
Nicht ganz so einfach macht es den Behörden ein 77-Jähriger aus Wädenswil. Diesen Frühling geriet er mit einer Nachbarin aneinander. Warum ist unklar. Belegt ist hingegen, dass er sie im Treppenhaus des Mehrfamilienhauses als «Tschättere» bezeichnete. Wie die Staatsanwaltschaft feststellt, wurde sie dadurch «in ihrem Ansehen als ehrbarer Mensch grob herabgesetzt». Wieso, erklärt sie in Klammern: «Tschättere» sei Berndeutsch und bedeute so viel wie Klatschbase, Schnöriweib oder Schlampe. Muss man erst mal wissen. Der Nachbarin war der Begriff offenbar bekannt, entsprechend verurteilt die Staatsanwaltschaft den Beschuldigten zu einer bedingten Geldstrafe von 5-mal 130 Franken und einer Busse von 300 Franken.
Wie die Schlampe in die Reihe der doch ähnlichen Bedeutungen gerutscht ist, bleibt offen. Heutzutage bezeichnet das Wort doch eher eine Sexarbeiterin als einen schlampigen Menschen. Eine kurze Google-Suche zeigt, dass Schnöriweib die wahrscheinlichere Bedeutung ist. In einem Berndeutsch-Blog ist gar zu lesen, dass der Ausdruck weniger negativ besetzt ist als «Schnäderiwyb». Vielmehr bedeute er eher, dass die Betreffende über ein gut geschliffenes Mundwerk verfüge.
https://www.zsz.ch/beschimpfen-mit-erkl ... 7538608937
Kolumne «Ertappt»:
Beschimpfen mit Erklärungsbedarf
Ein Rentner wird verurteilt, weil er eine Nachbarin als «Tschättere» bezeichnet hat. Die Staatsanwaltschaft muss den Begriff erklären.
Pascal Jäggi
Publiziert heute um 10:49 Uhr
Kurioses aus der Welt der Justiz.
Olivier Samter
Die Jungen zeigen vor, wie man es der Staatsanwaltschaft einfach macht. Wie ein 25-Jähriger aus Horgen, der einen anderen als dummen Menschen und Sohn einer Sexarbeiterin bezeichnet – mittels Sprachnachricht. Eine klare Sache, die Strafverfolgungsbehörden brauchen sich nur die Nachrichten anzuhören und können den Mann wegen fünf Beschimpfungen in sieben Minuten verurteilen. Die Strafe, wie bei Beschimpfungen üblich, ist nicht hoch: 15-mal 30 Franken, während zweier Jahre auf Bewährung ausgesetzt, und eine Busse über 300 Franken. Fall erledigt.
Nicht ganz so einfach macht es den Behörden ein 77-Jähriger aus Wädenswil. Diesen Frühling geriet er mit einer Nachbarin aneinander. Warum ist unklar. Belegt ist hingegen, dass er sie im Treppenhaus des Mehrfamilienhauses als «Tschättere» bezeichnete. Wie die Staatsanwaltschaft feststellt, wurde sie dadurch «in ihrem Ansehen als ehrbarer Mensch grob herabgesetzt». Wieso, erklärt sie in Klammern: «Tschättere» sei Berndeutsch und bedeute so viel wie Klatschbase, Schnöriweib oder Schlampe. Muss man erst mal wissen. Der Nachbarin war der Begriff offenbar bekannt, entsprechend verurteilt die Staatsanwaltschaft den Beschuldigten zu einer bedingten Geldstrafe von 5-mal 130 Franken und einer Busse von 300 Franken.
Wie die Schlampe in die Reihe der doch ähnlichen Bedeutungen gerutscht ist, bleibt offen. Heutzutage bezeichnet das Wort doch eher eine Sexarbeiterin als einen schlampigen Menschen. Eine kurze Google-Suche zeigt, dass Schnöriweib die wahrscheinlichere Bedeutung ist. In einem Berndeutsch-Blog ist gar zu lesen, dass der Ausdruck weniger negativ besetzt ist als «Schnäderiwyb». Vielmehr bedeute er eher, dass die Betreffende über ein gut geschliffenes Mundwerk verfüge.
https://www.zsz.ch/beschimpfen-mit-erkl ... 7538608937