Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot

Beiträge betreffend SW im Hinblick auf Gesellschaft bzw. politische Reaktionen
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Tilopa
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Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot

Beitrag von Tilopa »

Noch ein interessanter Fund:
Müsste dieser Antrag des Landesverbands Hamburg auf dem kommenden Bundesparteitag nicht mit demselben Stellenwert behandelt werden?

Entkriminalisierung von Prostitution fortführen -Streichung des § 184f StGB und Ersetzung durch Ordnungswidrigkeitstatbestand
(Angenommen)
Der Landesparteitag möge zur Weiterleitung an den Bundesparteitag beschließen:
Die SPD setzt sich dafür ein, § 184f StGB zu streichen und durch einen neuen Ordnungswidrigkeitstatbestand zu ersetzen.

(Überwiesen an den Bundesparteitag)

Hier nach der Überschrift des Antrags suchen:
https://www.spd-hamburg.de/fileadmin-ha ... 062018.pdf
https://www.spd-hamburg.de/fileadmin-ha ... ng2019.pdf

Davon hat man in den Medien noch nie gelesen. Es kommt halt immer drauf an, wer die mediale Werbetrommel rührt. Der unsympathische Dunstkreis um die Stuttgarter Zeitung ist da sehr umtriebig...

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Kasharius
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Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot

Beitrag von Kasharius »

...tollen Beiträge!

Es gilt weiter: Wir bleiben dran!

Kasharius grüßt

Eddy
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Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot

Beitrag von Eddy »

@tilopa

Anschreiben würde ich den SPD-Parteivorstand, Adresse wie abgedruckt, wenn es um eine persönliche Briefaktion von SW geht. Sollen die im Vorstand (hoffentlich) unter einem Berg von Zuschriften ersticken.

Sehr interessanter Beitrag von Tilopa. In der Tat ist es so, dass eine solche Aktion nur unnötige Aufmerksamkeit auf das Thema lenken würde, wenn der baden-württembergische Antrag von der Antragskommission abgelehnt würde.

Nur: haben wir eine Möglichkeit rechtzeitig (!!!) zu erfahren, ob der Antrag von der Antragskommission angenommen oder abgelehnt wurde? Sind die Anträge irgendwie öffentlich einsehbar (wohl eher nicht?). Und wenn ja, wann? Reicht das Zeitfenster im Falle einer positiven Annahme des Antrags durch die Antragskommission noch aus, etwas zu tun, also z.B. dann eine solche Briefaktion zu starten?

Gerade der Tatbestand, dass es auf dem Parteitag um ganz andere große Themen geht, macht mir Sorge, dass so etwas von übermüdeten und inzwischen denkfaulen Delegierten im Schnelldurchlauf durchgewunken wird, um sich eine anstrengende und komplexe Debatte zu ersparen. Solche Momente sind die seltene Chance, solche schwachsinnigen Anträge widerstandslos durchwinken zu lassen, und hinterher wundern sich dann viele, wie das überhaupt passieren konnte.

Eddy

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Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot

Beitrag von Tilopa »

Bei mir gibt es noch ein interessantes Problem, das vielleicht auch andere SW betrifft:
Ich bin nicht geoutet und möchte das aufgrund der jetzt schon herrschenden Unrechts-Gesetze auch unbedingt verhindern.

Ob die auch Briefe ohne Absender akzeptieren? Oder gibt es ansonsten eine pragmatische Lösung, z.B. das Schreiben per Pseudonym mit einer Fake-Absenderadresse zu verschicken? Fällt jemandem noch was besseres ein?

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Kasharius
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Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot

Beitrag von Kasharius »

Sollte das Thema Sexkauf-Verbot tatsächlich auf dem SPD-Bundesparteitag im Dezember debattiert, bzw. behandelt werden, wären vielleicht auch Aktivitäten vor Ort denkbar....

Wir bleiben dran!

Kasharius grüßt

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Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot

Beitrag von Kasharius »

Hier noch was interesanntes, oder hatten wir das schon...https://www.rtl.de/cms/sozialministeriu ... 19016.html

Kasharius grüßt

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Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot

Beitrag von Kasharius »

...und ein aktueller Artikel der Stuttgarter Zeitung von heute

https://www.stuttgarter-zeitung.de/inha ... duced=true

und Reaktion der BW-Piraten

https://www.presseportal.de/pm/76876/4400701

Kasharius grüßt

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Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot

Beitrag von Tilopa »

Danke - besonders für die prompte Stellungnahme von den Piraten.

Ich hoffe immer noch, dass aus den Piraten was wird und dass sie die sPD irgendwann mal ersetzen. Wenn meine Generation zahlenmäßig nicht so verdammt klein wäre, im Vergleich zu den Mittfünfzigern, die ihr gescheitertes und verbittertes Leben jetzt zunehmend in Verbotsforderungen gießen (sorry, das ist "altenfeindlich" - aber eigentlich nicht, denn vor den "Babyboomern" gab es die deutlich lebensfroheren 68er), hätte sie die sPD vielleicht schon längst überholt und die Sexarbeit und das Hanf komplett entkriminalisiert und wir würden freier leben, atmen und lieben.
:icon_weed :033 :008 :049 :teufel

Neulich ermahnte mich eine befreundete Sexarbeiterin aus Albanien (eine starke junge Frau mit beeindruckender Biografie und unglaublich viel Power):
"Ihr Deutschen lebt in so starken und freien Land, aber ihr macht da überhaupt nichts draus und seid nicht glücklich..."
Zuletzt geändert von Tilopa am 15.10.2019, 09:20, insgesamt 3-mal geändert.

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Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot

Beitrag von Tilopa »

Allianzen für ein Sexkaufverbot
Am Dienstag trifft sich zum ersten Mal ein fraktionsübergreifender Parlamentskreis zum Thema Prostitution. Dagegen formiert sich Protest.
https://taz.de/Nordisches-Modell/!5629886/

Lol, 25 Parlamentarier konnte die hurenhasserfüllte Breymaier für ihren großspurig angekündigten "Arbeitskreis" zusammentrommeln und sie will selbstverständlich nur ihr genehme Gäste aus der Verbotsindustrie als "Experten" einladen.

Positiv aber (wer in Berlin wohnt - bitte hingehen!):
Auch außerparlamentarisch formiert sich Widerstand: Die Bündnisse Sexarbeit ist Arbeit und What the fuck, das Netzwerk Care Revolution und die Interessenvertretung Hydra rufen für Dienstag zu Protesten gegen den Parlamentskreis vor dem Paul-Löbe-Haus in Berlin-Mitte auf. Für Sexarbeitende bedeute das nordische Modell Diskriminierung, heißt es im Aufruf. Es sei ein Nährboden für Ausbeutung, Ausgrenzung und Entrechtung. Unter dem Motto „My body, my choice – raise your voice!“ wollen sie ab 18 Uhr Solidarität mit Sexarbeitenden zeigen.

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Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot

Beitrag von deernhh »

Danke Tilopa für Deine tollen Beiträge! 👍
Hier der vollständige Artikel der von Tilopa genannte Link der "taz"

VON
PATRICIA HECHT

„Nordisches Modell“
Allianzen für ein Sexkaufverbot

Am Dienstag trifft sich zum ersten Mal ein fraktionsübergreifender Parlamentskreis zum Thema Prostitution. Dagegen formiert sich Protest.

Roter Regenschirm mit der Aufschrift "Sexarbeit ist auch Feminismus"
Das sehen die BefürworterInnen des nordischen Modells anders: Botschaft am internationalen FrauentagFoto: Karsten Thielker

VertreterInnen aller Bundestagsfraktionen haben sich angemeldet, das Interesse sei „beeindruckend“, so Organisator Frank Heinrich (CDU): Am Dienstag trifft sich zum ersten Mal der interfraktionelle Parlamentskreis zu einem Sexkaufverbot.

Der Kreis trägt den bewusst offen gehaltenen Titel „Prostitution – wohin?“, doch ins Leben gerufen hat ihn neben Heinrich, der Obmann der Unions-Bundestagsfraktion im Ausschuss für Menschenrechte ist, die Berichterstatterin der SPD-Fraktion für Zwangsprostitution und erklärte Befürworterin eines Sexkaufverbots, Leni Breymaier. Wahrgenommen wird die Runde deshalb als Informationsrunde zum sogenannten nordischen Modell, das den Kauf von Sex bestraft, nicht aber die Prostituierten.

Während dieses Modell in der Union ohnehin weniger umstritten sein dürfte, sprach sich die SPD bislang gegen die Kriminalisierung von käuflichem Sex aus. „Noch habe ich nicht das Gefühl, dass meine Position in der Fraktion breit getragen wird“, sagte Breymaier nun zwar der taz. Doch seit Monaten mehren sich in Partei und Fraktion die Stimmen für ein Sexkaufverbot.

Neben der Bundesvorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF), Maria Noichl, befürwortete jüngst auch der Gesundheitspolitiker und Kandidat für den SPD-Vorsitz Karl Lauterbach das nordische Modell. Am Wochenende sprach sich der Landesparteitag der SPD Baden-Württemberg nach hitziger Debatte ebenfalls dafür aus. „Prostitution ist Ausdruck struktureller Gewalt gegen Frauen, hat negative Auswirkungen auf die Gesamtgesellschaft und verhindert die Gleichstellung der Geschlechter“, heißt es in dem Antrag, der beim SPD-Bundesparteitag im Dezember eingebracht werden soll.

Kein einfacher Durchmarsch
Dennoch: Ein einfacher Durchmarsch dürfte es für die BefürworterInnen eines Sexkaufverbots auch innerhalb der SPD nicht werden. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) etwa pocht auf die bisherigen Beschlüsse: „Wir haben uns dafür entschieden, die rechtliche Stellung von Prostituierten zu verbessern“, sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Auch eine umfassende Strafbarkeit führe nicht dazu, dass es keine Prostitution mehr gebe, sondern dazu, „dass das Ganze in dunkle Ecken verlagert wird“, wo es gar keine Kontrolle mehr gebe.

Die VeranstalterInnen des Parlamentskreises rechnen mit rund 25 Teilnehmenden. Sie wolle nicht vorgreifen, sagte Breymaier – aber ihre Idee sei, ein Jahr lang alle sechs bis acht Wochen Treffen abzuhalten, um sich zu informieren. So ist bei der ersten Veranstaltung die Aussteigerin Sandra Norak eingeladen, um über ihre Erfahrungen zu berichten. Weiter könne sie sich jemanden von der Kriminalpolizei vorstellen oder eine Person aus Frankreich oder Schweden, die über die Erfahrungen mit dem nordischen Modell berichte.

Die frauenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Cornelia Möhring, lehnt ein Sexkaufverbot ab. Sie will trotzdem am Parlamentskreis teilnehmen, aus Informationszwecken. Für die Frauen selbst sei das Modell kontraproduktiv, sagte Möhring, die selbst in Schweden war, um mit Betroffenen über dessen Auswirkungen zu sprechen: „Man treibt sie in die Illegalität.“ Für die Opfer von Menschenhandel und Ausbeutung brauche es andere Maßnahmen: „Man muss ihre Rechte und soziale Absicherung stärken.“

Auch außerparlamentarisch formiert sich Widerstand: Die Bündnisse Sexarbeit ist Arbeit und What the fuck, das Netzwerk Care Revolution und die Interessenvertretung Hydra rufen für Dienstag zu Protesten gegen den Parlamentskreis vor dem Paul-Löbe-Haus in Berlin-Mitte auf. Für Sexarbeitende bedeute das nordische Modell Diskriminierung, heißt es im Aufruf. Es sei ein Nährboden für Ausbeutung, Ausgrenzung und Entrechtung. Unter dem Motto „My body, my choice – raise your voice!“ wollen sie ab 18 Uhr Solidarität mit Sexarbeitenden zeigen.

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Wenigstens Bundesjustizministerin Christine Lamprecht (SPD) und die frauenpolitische Sprecherin der Linksfraktion Cornelia Möhring sind etwas vernünftiger, was Sexkaufverbot anbetrifft....

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Und hier der vollständige Artikel der von Tilopa genannte Link der Piratenpartei:

Piratenpartei Deutschland

Sexarbeit in der Illegalität - Die Folgen des nordischen Modells
Stuttgart (ots)

Der baden-württembergische Landesverband der SPD beschließt auf seinem Parteitag, ein Sexkaufverbot zu fordern. [1] Die Piratenpartei zeigt sich erstaunt darüber und fordert die SPD dazu auf, diesen Beschluss zu überdenken.

"Das nordische Modell funktioniert nicht. Das angebliche Ziel ist es, gegen Menschenhandel vorzugehen und Zwangsprostitution zu beseitigen. In keinem Land der Welt konnte man hierbei Erfolge sehen. Das Einzige, was das schwedische Modell bewirkt, ist, dass es denen, die den Job legal und freiwillig machen, die Lebensgrundlage nimmt. Sexworker werden in die Illegalität gedrängt. Relativ sichere Umfelder, wie beispielsweise regulierte Bordelle oder das eigene Studio, werden gegen Hinterzimmer eingetauscht. Am Ende ist damit niemandem geholfen. Sexarbeit ist Arbeit. Fangen wir endlich an, entsprechend damit umzugehen und die Rechte der Sexarbeitenden zu stärken", so unsere Queer-Themenbeauftragte Zoey Matthies.

Des Weiteren würden durch das Sexkaufverbot auch zahlreiche Hilfsprogramme und Regulierungen wegfallen. Denn wer mit kriminalisierten Kunden arbeitet, wird sich zweimal überlegen, ob man solche Angebote nutzen kann. Jonathan Schmid, Koordinator der AG-Queeraten dazu: "Durch legale Sexarbeit ist es deutlich einfacher, gesundheitsfördernde und -schützende Maßnahmen bereitzustellen. Dies würde wegfallen, wenn der Erwerb von Sex und somit auch der Verkauf von Sex illegal werden würde. Statt Sexarbeit zu kriminalisieren, sollten wir die Gesundheit, die Rechte der Sexarbeitenden und die Sexarbeitenden selbst besser schützen."

Um diesen besseren Schutz zu erreichen, fordert die Piratenpartei eine bessere staatliche Unterstützung von Sozialarbeitern, welche Sexarbeitern helfen und beraten können, sowie etwa die personelle Ausstattung der Polizei, damit Fälle von Menschenhandel und Zuhälterei in jedem Fall verfolgt und effektiv aufgeklärt werden können.

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Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot

Beitrag von deernhh »

Und hier noch ein Artikel:

BERLIN

Eine moderne Sklaverei?

Karl Lauterbach hat eine Diskusssion über ein Verbot der Prostitution angestoßen. Es gibt Zustimmung aus der Union.

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Heinrich Wullhorst
13. Oktober 2019
15:30 Uhr

Diskussion über Prostitutionsverbot
Nicht die Prostituierten sollen durch ein Verbot kriminalisiert werden, sondern die Freier. Das fordert der SPD-Politiker Karl Lauterbach. Foto: Andreas Arnold (dpa)

Prostitution trägt in Deutschland Züge einer modernen Form von Versklavung“, meint der Kandidat um den SPD Vorsitz, Karl Lauterbach. Deshalb forderte er jetzt ein Verbot der Prostitution in Deutschland, wie es bereits in anderen europäischen Ländern an der Tagesordnung ist. In Schweden, Norwegen, Island, Frankreich, Irland und Nordirland ist der Kauf sexueller Dienstleistungen unter Strafe gestellt. Belangt werden dort nicht die Prostituierten, die sexuelle Handlungen anbieten, sondern die Freier, die dafür bezahlen.

Die SPD holte Prostitution aus der Illegalität
Dabei war es die SPD, die in der rot-grünen Regierungsverantwortung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder im Jahre 2001 die Prostitution aus der Illegalität geholt hat. Seitdem hat Deutschland eines der liberalsten Prostitutionsgesetze in Europa. Prostituierte können hier zum Beispiel ihren Anspruch auf Zahlung einklagen, was zuvor wegen dem Makel der Sittenwidrigkeit nicht möglich war. Daneben können sie aus ihrer Erwerbstätigkeit Zahlungen in die Sozialversicherungssysteme leisten. Das so genannte „Prostituiertenschutzgesetz“ aus dem Jahre 2017 hat schließlich festgelegt, dass sich Prostituierte staatlich registrieren lassen müssen, was allerdings nicht auf große Akzeptanz gestoßen ist.

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PROSTITUTION IST KEIN BERUF
Fotoausstellung in Nairobi
Schwester Lea Ackermann will nicht, dass Deutschland das „Bordell Europas“ ist. Von Michael Leh

Die Realität: Viele Frauen arbeiten nach wie vor getrieben vom Druck eines Zuhälters, werden in Abhängigkeit gehalten und sprechen zum Teil noch nicht einmal unsere Sprache. Das ist weit entfernt von der Vorstellung des Gesetzgebers von einer selbstbestimmten frei schaffenden Sexarbeiterin. Frauen werden weiterhin unter Vorspiegelung falscher Tatsachen und vermeintlich seriösen Arbeitsangeboten oft aus dem Ausland nach Deutschland gelockt. Eine große Zahl der Prostituierten, die in Hinterzimmerbordellen oder auf Straßenstrichen „anschaffen“ gehen, stammt aus Bulgarien oder Rumänien. Auch deshalb hat das EU-Parlament bereits 2014 für ein Prostitutionsverbot gestimmt. Es sieht darin eine Chance, den fortlaufenden Menschenhandel einzudämmen.

Deutschland soll nicht Bordell Europas werden
Karl Lauterbach ist auch in Deutschland mit seiner Verbotsforderung nicht allein. Auch aus den Reihen des Koalitionspartners kommt die Forderung, die Gesetzeslage in Deutschland wieder zu verändern. So will der CDU-Bundestagsabgeordnete Thorsten Frei das „schwedische Modell“ auch in Deutschland eingeführt sehen. „Wir müssen dafür sorgen, dass entwürdigenden Angeboten wie sexuellen Flatrates der Boden entzogen wird“, fordert der Politiker. Er will den in der vergangenen Legislaturperiode begonnenen Kampf gegen Zwangsprostitution und Menschenhandel wirksam fortführen, ohne dabei die Prostituierten selbst zu kriminalisieren. Seine Auffassung teilt die rechts- und verbraucherpolitische Sprecherin der CSU/CSU-Bundestagsfraktion Elisabeth Winkelmeier-Becker: „Deutschland darf nicht das Bordell Europas sein.“ Darüber hinaus stellt sie fest, dass auch die Gesellschaft davon betroffen sei, wenn das Frauenbild vieler Männer durch käuflichen Sex geprägt werde. „Es ist deshalb notwendig, dass wir zu einem Paradigmenwechsel kommen.“

Allerdings ist die Rückkehr zu einer Kriminalisierung der Prostitution nicht unumstritten. Selbst die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat sich vor vier Jahren ausdrücklich dagegen ausgesprochen. „Prostituierte gehören einer der am stärksten an den Rand gedrängten Gruppen der Welt an", erklärte der Amnesty-Generalsekretär Shetty damals. Sie seien dem Risiko von Diskriminierung, Gewalt und Missbrauch ständig ausgesetzt. Wolle man ihre Menschenrechte schützen, müsse man sie von staatlicher und gesellschaftlicher Repression befreien. Dies ist durch einen Rückweg in die Illegalität nach der Einschätzung der Menschenrechtsorganisation eben nicht möglich. Darüber hinaus belegen Studien aus Frankreich, dass durch ein Verbot die Situation für die Prostituierten eher schwerer wird.

Menschen in Prostitution besser vor Kriminalität schützen
In einem Beitrag für die Zeitschrift „Neue Caritas“ hat die Bundesgeschäftsführerin des Sozialdienstes Katholischer Frauen (SKF), Renate Jachmann-Willmer, beschrieben, wie die innerverbandliche Debatte zum Schutz der Prostituierten verläuft: „Wir stehen zwischen jenen, die ein Verbot für den besten Weg halten und uns vorwerfen, Gewalt, Erniedrigungen, Zwänge, in denen Prostituierte stehen, nicht ernst genug zu nehmen, und jenen, bei denen wir als Moralapostelinnen gelten, die Prostitution als Beruf wie jeden anderen betrachten und keinerlei Regulierungen des Gewerbes wünschen.“

Beim Sozialdienst Katholischer Frauen sei man daher davon überzeugt, dass es eine Lösung geben müsse, die Menschen in der Prostitution besser vor Kriminalität in jeglicher Form schütze. „Gleichzeitig müssen wir gesellschaftlich daran arbeiten, dass Prostitution nicht immer mehr Akzeptanz findet“, so Jachmann-Willmer.

https://www.die-tagespost.de/politik/ak ... 315,202030

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Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot

Beitrag von Eddy »

Ganz frisch (September 2019) ist die erste systematische Evaluation eines Nordischen Modells überhaupt, in diesem Fall aus Nordirland (nordisches Modell ab 2015) unter Berücksichtigung der Republik Irland (nordisches Modell ab 2017):

https://www.justice-ni.gov.uk/sites/def ... or-sex.pdf

Das sind 177 Seiten auf Englisch und daher viel zu lesen, deshalb hier dasselbe PDF, in dem aber die für uns wichtigsten Stellen bereits gelb markiert sind, zum schnellen Drüberlesen:

http://freepdfhosting.com/a7dd85097d.pdf

Und hier eine Kurzfassung der wichtigsten Ergebnisse als 3-seitiges PDF auf Deutsch:

http://freepdfhosting.com/c635a1f763.pdf


Eddy

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Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot

Beitrag von Zwerg »

Vielen Dank!

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Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot

Beitrag von friederike »

Eine ausgezeichnete und wichtige Studie! Die Ergebnisse decken sich mit meiner Wahrnehmung!

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Tilopa
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Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot

Beitrag von Tilopa »

Hier noch mal der ganze Text des Aufrufs zur Demo heute in Berlin.
Dabei geht es auch um progressive Forderungen von Sexarbeitern für Sexarbeiter - nicht nur um die reine Verteidigung gegen die immer rücksichtsloser agierende Verbotslobby. :001
Kommt alle heute zur Kundgebung: 18.00 Uhr, Paul-Löbe-Haus
Es geht um Sexarbeitsrechte und gegen das ProstSchG und weitere gesetzliche Verschärfungen!


Pressemitteilung:
Als bundesweite Kampagne "Sexarbeit ist Arbeit. Respekt", initiiert 2016 von feministischen Sexarbeiter*innen, Sozialarbeiter*innen und queer/feministischen Aktivist*innen, protestieren wir am

Dienstag, den 15.10.2019
ab 18 Uhr
vor dem Paul-Löbe-Haus

Wir fordern die Rücknahme des ProstSchG und die Streichung aller diskriminierenden Paragraphen in den verschiedensten Gesetzen wie z. B. dem Strafgesetzbuch, dem Aufenthaltsrecht, Baurecht.

Wir protestieren gegen den ab 20 Uhr stattfindenden parlamentarischen Arbeitskreis "Prostitution - wohin?". Die Initiator_innen des Arbeitskreises sind Bundestagsabgeordnete der CDU/CSU und der SPD. Sie haben 2016 – gegen den Protest von Sexarbeiter*innen, ihrer Verbände, Fachberatungsstellen und NGO`s , das ProstituiertenSchutzGesetz (ProstSchG) verabschiedet. Sie sind es auch, die seit längerem die Einführung eines Sexkaufverbots für Deutschland fordern und verweisen dabei immer wieder auf das "Schwedische Modell“.

• Das ProstSchG bedeutet Kontrolle, Registrierung, lückenlose Erfassung von Mobilitätsdaten und persönlichen Daten der Sexarbeiter*innen und den Aufbau von – fast - unüberwindbaren Hürden für die Bordelle, sodass Arbeitsplätze vernichtet werden und Sexarbeiter*innen "abwandern" in ungeschützte Arbeitssituationen, wo sie vereinzeln und den kollegialen Austausch vermissen müssen.
• In Schweden gilt seit nunmehr 20 Jahren das sog. Sexkaufverbot. Danach werden Kunden von Sexarbeiter*innen verfolgt und bestraft. Ihnen droht ein Bußgeld und auch Gefängnisstrafe, gepaart mit diskreditierenden Briefen nach Hause und zum Arbeitsplatz. Sexarbeiter*innen werden nicht bestraft, haben jedoch die Auswirkungen des Gesetzes zu tragen.

Schutz ist nicht zu erkennen.

Doch worum geht es den Prostitutionsgegner_innen wirklich? Im Verbund mit Organisationen wie z. B. Sisters, Solwodi, Terre des Femmes vertreten sie für
• ein rückwärtsgewandtes Gesellschaftsbild mit der Priorisierung der Kleinfamilie,
• und wollen, dass Sexualität ausschließlich in Beziehungen und für "Liebe" zu haben ist.
Schutz fordern sie nur verbal. Sonst stünden auf ihrer Agenda zumindest auch Forderungen wie:
• umfassende Einstiegsberatung für Menschen, die anschaffen gehen wollen, um sie auf die Erfordernisse der Sexarbeit vorzubereiten,
• Verpflichtung von Frauenhäusern zur Aufnahme von Frauen, die in der Sexarbeit tätig waren,
• Schutz vor Beleidigungen und Verletzungen von Sexarbeiter*innen auf der Straße durch Prostitutionsgegner_innen und die öffentliche Verurteilung solcher Taten,
• Schaffung von alternativen Arbeitsplätzen und Förderung von Bildung im schulischen und beruflichen Bereich,
• Schutz vor Abschiebung von migrantischen Sexarbeiter*innen und Wiedergutmachung im Rahmen von Strafverfahren aller Art,
• Usw. Usf.

Unsere Position ist klar:
Menschen können nur gestärkt werden durch Rechte und Respekt. Rechte und Respekt brauchen auch Sexarbeiter*innen. Verdrängung und Verbote sind keine Mittel des Schutzes, sondern stellen eine zusätzliche Schwächung der Rechte von Sexarbeiter*innen und ihre weitere Diskriminierung und Stigmatisierung dar.
Dass das „Schwedische Modell“ für Sexarbeiter*innen in Schweden keinen Schutz darstellt, haben sie gerade in einer großen Studie belegt . Sie haben ihre sicheren Arbeitsplätze, die Bordelle, verloren, können sich nicht mit einer Kollegin eine Arbeitswohnung teilen, arbeiten allein und haben kaum kollegialen Austausch mehr, Kinder, Partner und Vermieter stehen im Verdacht der Ausbeutung/Zuhälterei, sie müssen sich auf unsichere Situationen einlassen – zum Schutz ihrer Kunden und finanzielle Einbußen bedrohen sie.

Wollen das die Prostitutionsgegner_innen, wenn sie von Schutz sprechen? Es stellt sich die Frage nach ihrer Motivation. Ihr moralischer Anspruch ist eingebettet in einem konservativen Mainstream, den wir mit Hilfe des Feminismus, der Demokratie und gesellschaftlichen Liberalisierung überholt geglaubt hatten. Wir leben in einer vielfältigen Gesellschaft, in der die Rechte unteilbar sind und auch Minderheiten die gleichen Rechte zustehen, auch die Sicherung der persönlichen Freiheitsrechte. Eine Gesellschaft, in der die sexuelle Selbstbestimmung grundgesetzlich garantiert wird - besonders von Frauen. Hier sehen wir uns im Verbund mit Feministinnen, die sich in diesem Kontext selbstverständlich für einen straffreien Schwangerschaftsabbruch und natürlich auch für LGBTQ - Rechte und die Rechte anderer Minderheiten einsetzen. Wir wollen eine tolerante Gesellschaft, mit gleichen Rechten für Alle - ohne Stigmatisierung und erst recht ohne strukturelle Gewalt, was das ProstSchG mit seinen „Zwangsberatungen“, dem „Hurenausweis“ und der Verletzung des Datenschutzes zweifelsfrei ist.

Die Forderung eines Sexkaufverbotes zeugt zudem von einer starken Sexualfeindlichkeit. In Zeiten immer höherer Anforderungen, Mobilitäten, Unsicherheiten und steigender Digitalisierung sind Menschen weniger eingebunden in Familienverbände, Freundschaftskreise und Kiez- oder Dorfgemeinschaften und vermissen Nähe, Intimität, Sexualität. Grundbedürfnisse, die entscheidend sein können für die Gesundheit, das Wohlergehen und die Leistungsbereitschaft. So verwundert es nicht, dass Mediziner, (Sexual-) Psychologen, Therapeuten, Hirnforscher, Neurobiologen, Alters- und Demenzforscher verstärkt auf die Bedeutung von Sexualität - in seiner Vielfalt und mit seinen persönlichen Veränderung während eines Lebens – aufmerksam machen. Sexualität hält schlank, fit und schön, macht gesund und stellt eine Ressource dar, die jeder Mensch einsetzen kann, aber nicht muss. Es ist längst überfällig, darauf gesellschaftlich zu reagieren und Sexualität in seiner Vielfältig anzuerkennen und nicht nur in einer heterosexuellen Ehe zur Zeugung von Nachkommen zu tolerieren. Menschen sind vielfältig und haben vielfältige Begierden. Dazu gehört natürlich auch der Wunsch, seine Sexualität in der Sexarbeit – also losgelöst von einer verpflichtenden Beziehung und gegen Geld in einem klaren Setting auszuleben.

Sexarbeiter*innenrechte sind Menschenrechte und Frauenrechte
https://www.facebook.com/sexarbeitistar ... 5104675543

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Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot

Beitrag von deernhh »

Auch auf Twitter wird ganz groß diskutiert

https://mobile.twitter.com/sexworkpol
https://www.twitter.com/sexworkpol
Screenshot_20191015-131848.png
Fortsetzung
Screenshot_20191015-132011.png
Fortsetzung
Screenshot_20191015-132143.png
Zum Vergrößern bitte auf das jeweilige Bild klicken.
Weitere noch viele mehrere Kommentare bitte auf den obigen Twitter-Link klicken.


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15.10.2019

KOMMENTAR VON
PATRICIA HECHT

Diskussion um ein Sexkaufverbot
Sichtbarkeit schützt


In der SPD mehren sich Stimmen für ein Sexkaufverbot. Doch das nordische Modell würde für SexarbeiterInnen weniger Schutz bedeuten.

Gebüsch im Berliner Tiergarten, das für Prostitution genutzt wird
Versteckt: Bestimmte Ecken im Berliner Tiergarten sind bekannt für käuflichen SexFoto: dpa

Noch gibt es keine Partei in Deutschland, die den Kauf von sexuellen Dienstleistungen verbieten will. Und auch in der SPD ist derzeit nicht absehbar, ob diejenigen die Überhand gewinnen, die das sogenannte nordische Modell tatsächlich einführen wollen. Doch allein die Tatsache, dass die BefürworterInnen eines Sexkaufverbots in Partei und Fraktion derzeit lauter werden, ist beunruhigend.

Denn worum es beim nordischen Modell geht, ist nicht der Schutz von Frauen, sondern die Moral: Sexarbeit darf es nicht geben. Diese Position mag zwar das Gewissen rein halten, geht aber an der Realität vorbei. Zu der gehört, anzuerkennen, dass längst nicht alle Frauen in der Sexarbeit Opfer sind und viele den Beruf aus freien Stücken wählen – manche, weil sie genau diesen haben wollen, manche mangels Alternativen. Auch Letzteres aber kann durchaus besser sein, als gar keine Möglichkeit zum Geldverdienen zu haben.

Schlimm dabei ist, dass das Modell die Situation von Sexarbeitenden faktisch verschlechtert. Dass es Freier bestraft, aber keine Prostituierten, mag zunächst vertretbar klingen, weil es die Frauen selbst nicht zu treffen scheint. Doch das ist ein Trugschluss. Sobald Strukturen in die Illegalität verlagert werden, sind die Konsequenzen: weniger Schutz, weniger Rechte, mehr Stigma. Diverse Studien zeigen: Sex wird auch dann gekauft, wenn er verboten ist – aber im Untergrund. Dabei wäre nichts erreicht, außer dass Sex­arbeit weniger sichtbar wäre.

Der aktuelle Parlamentskreis, zu dem auch die SPDlerin und Befürworterin des Modells, Leni Breymaier, geladen hat, fragt nun zwar scheinbar offen, wohin es mit der Prostitution in Deutschland gehen soll. Doch einiges spricht dafür, dass die Runde dazu dienen soll, langfristig Mehrheiten für ein Sexkaufverbot zu organisieren. Eine Evaluation des jüngsten Gesetzes zur Regelung von Prostitution steht ab 2022 an. Käme es bis dahin zum Umdenken in der Partei, wäre das ein erzkonservativer Paradigmenwechsel in Sachen Sexarbeit in der deutschen Politik.

https://taz.de/Diskussion-um-ein-Sexkau ... 0752000000

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Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot

Beitrag von Kasharius »

Ich finde es jedenfalls sehr gut, dass den Abolitionistinen nicht das Feld überlassen wird, sondern ihnen aktiver Widerstand entgegenschlägt.

Und es könnte sich lohnen diese SPD-Abgeordneten zu kontaktieren

http://daniela-de-ridder.de/wir-fuer-si ... ner-buero/

https://www.eva-hoegl.de/berlin-mitte-mein-wahlkreis/

Kasharius grüßt solidarisch!

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Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot

Beitrag von Kasharius »

Hier noch folgendes :

Anlässlich der heute im Paul-Löbe-Haus stattfindenden interfraktionellen Sitzung von Politikerinnen der CDU/CSU – und SPD-Bundestagsfraktion zum Thema „Prostitution wohin?“ erklärt Rechtsanwalt Dr. Martin Theben :

Diese unter einem vermeintlich Ergebnis offenen Titel tagende interfraktionelle Veranstaltung dient allein dazu, dem sog. Sexkauf-Verbot nach dem Nordischen Modell den Weg zu ebnen. Wie in Schweden und anderen europäischen Ländern soll auch in Deutschland die Inanspruchnahme sexueller Dienste unter Strafe gestellt werden. Wer diesem Modell zustimmt muss wissen, dass er dadurch nicht nur das sexuelle Selbstbestimmungsrecht von in der Prostitution tätigen Menschen beseitigt. Auch würden sämtliche Ansätze von Sexualassistenz und Sexualbegleitung gefährdet werden. Menschen mit Behinderungen, deren Angehörige und gesetzliche Betreuer, aber auch Einrichtungen der Alten- und Behindertenhilfe sähen sich bei Einführung eines solchen Verbotes der Strafverfolgung ausgesetzt. Ein Sex-Kauf-Verbot ändert nichts an der Situation von Zwangsprostituierten, beschneidet aber in verfassungswidriger Weise Menschenrechte. Außerdem wird, wie schon bei der Einführung des sog. Prostituiertenschutzgesetzes, die Diskussion weitestgehend über die Köpfe der Betroffenen hinweg geführt. Was für Menschen mit Behinderungen gilt, und gerade auch von Politikerinnen und Politikern der SPD akzeptiert wird, muss auch für in der Prostitution tätige Menschen und deren Selbstvertretungsorganisationen gelten: NICHTS ÜBER UNS, OHNE UNS! Ich solidarisiere mich mit all jenen, die gegen ein Sex-Kauf-Verbot eintreten – SEXARBEIT IST ARBEIT!“

Rechtsanwalt Theben lebt und arbeitet in Berlin und unterstützt u.a. die Kampagne SEXARBEIT IST ARBEIT und das Schwarmkunst-Projekt Strich-Code-Move

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friederike
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Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot

Beitrag von friederike »

Ein großer Auftritt! Herzlichen Dank!

Eddy
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Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot

Beitrag von Eddy »

Wenn bloß alle Juristen so denken würden wie RA Theben! Viel zu viele haben noch gar nicht begriffen, was "RECHT" eigentlich ist.

Als Gegenpol zu dem tollen Beitrag von RA Theben fällt mir ein Gedicht ein, das ich vor kurzem in einem Freierforum fand.

Ich nenne es mal: "Deutsches Polizeigedicht".


Wer hat Angst vorm Nikolaus?

Eins, zwei, drei,
hier arbeitet bald die Sex-Polizei.
Eins, zwei, drei und vier,
dann steht der Sex-Spitzel in der Tür.
Stasi und Gestapo – Deutschland ist erfahren.
Da weiß man, wie man hat zu verfahren.

Die sexuelle Selbstbestimmung ist ein Graus,
die treiben Staatsanwalt und Richter aus!
Polizeistaat, Überwachungsstaat,
Spitzelstaat – das wollten wir schon lange,
darum macht uns der Nikolaustag in Berlin nicht bange.
Bis 365 Millionen neue Straftaten pro Jahr –
der Traum jedes Polizeistaats wird endlich wahr!

SPD-Bundesparteitag, 6.-8.12.2019, Berlin
Das Nordische Modell kommt.


Gedacht ist dieses Gedicht wohl zur "Verteilung" (Briefkasteneinwurf-Aktion) an Polizeiwachen, -präsidien usw., daher der Bezug "hier arbeitet"

Der Kontext dieses Gedichtes ist wohl, die Polizei zu sensibilisieren und der Polizei die Rolle als "vierten" Betroffenen (neben Freiern, SW und Betreibern) klarzumachen.

Erstens: wer soll die Mehrarbeit leisten, die durch das Gesetz entsteht? DIe Massenverfolgung bisher unbescholtener Männer, die jetzt zu Kriminellen gemacht werden?

Zweitens: Welches Selbstbild will die Polizei in Zukunft von sich haben, nicht nur der einfache Streifenbeamte, sondern auch die Führungs-Elite? Sex-Polizist, Sex-Spitzel, Sex-Gestapo? Sex-Stasi? Klar ist, dass das eine ANDERE Polizei sein wird, als die, sie wir heute haben. Auch von ihrem Selbstverständnis her.

Wer die oben verlinkte 3-seitige Kurzversion der irischen Studie gelesen hat, weiß, dass irgendwie auch die Polizei in Irland Skrupel hat, das Gesetz knallhart umzusetzen, und dabei an Menschenrechte denkt. Sie fokussiert sich daher auf Fälle von Gewalt, Missbrauch und Menschenhandel, und die beiden Verurteilungen, die bisher aufgrund des Gesetzes erfolgten, betrafen nicht Sex mit SW, sondern Geldangebote für Sex an Frauen, die gar nicht als SW arbeiteten. Schweden geht dagegen viel radikaler vor, Telekommunikationsüberwachung usw., also das "volle Programm", das man z.B. auch im Kontext von KiPo einsetzen würde ...

Eddy