Presseaussendung zum internationalen Tag gegen Gewalt an SW

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Zwerg
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Presseaussendung zum internationalen Tag gegen Gewalt an SW

Beitrag von Zwerg »

Presseaussendung anlässlich des Internationalen Tages gegen Gewalt an Sexarbeiter*innen (17. Dezember)

In Solidarität mit Sexarbeiter*innen in Deutschland gegen das schwedische Sexkaufverbot.

Anlässlich des Internationalen Tages gegen Gewalt an Sexarbeiter*innen sprechen sich Beratungsstellen für und Selbstorganisationen von Sexarbeiter*innen in Österreich zum wiederholten Male gegen Kriminalisierung von Sexarbeit aus.


Mit Besorgnis und Ärgernis beobachten wir den neuerlichen, verstärkten Vorstoß von Gegner*innen der Sexarbeit in Deutschland. Prostitutionsgegner*innen verfolgen aktuell wieder das Ziel, die schwedischen Kriminalisierungsmaßnahmen in Bezug auf Sexarbeit auch in Deutschland durchzusetzen. Zahlreiche Studien belegen jedoch eindeutig – und darauf möchten wir insbesondere hinweisen - dass Sexarbeiter*innen damit zunehmend stigmatisiert und an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden.

Die aktuellste Studie (veröffentlicht im September 2019) ist eine staatlich in Auftrag gegebene Evaluierung des Gesetzes in Nordirland1. Sie berichtet von eindeutigen Zunahmen an Gewalt gegen Sexarbeiter*innen seit Einführung des Sexkaufverbots. Ähnliche Ergebnisse gibt es in Frankreich, Island oder Norwegen.

Wir – ein Netzwerk von Beratungsstellen und Selbstorganisationen von Sexarbeiter*innen in Österreich – betonen in diesem Zusammenhang, dass jede Kriminalisierung Verletzlichkeiten auslöst und jede Person, die verletzlich ist, leichter Opfer von Gewalt werden kann. Das Sexkaufverbot hindert Sexarbeiter*innen vor allem daran, bei Missachtungen ihrer Rechte öffentliche Institutionen, wie Beratungsstellen oder Polizei, aufzusuchen. Daher sehen wir uns veranlasst, gerade am Internationalen Tag gegen Gewalt an Sexarbeiter*innen unsere Ablehnung gegen Verbotsbestrebungen auszusprechen und fordern eine vollständige Entkriminalisierung von Sexarbeit.

13. Dezember 2019

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Kasharius
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Re: Presseaussendung zum internationalen Tag gegen Gewalt an SW

Beitrag von Kasharius »

Herzlichen Dank mein lieber @Zwerg

Kasharius grüßt

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Zwerg
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Re: Presseaussendung zum internationalen Tag gegen Gewalt an SW

Beitrag von Zwerg »

Tag gegen Gewalt an SexarbeiterInnen
Sexkauf zu verbieten erhöht Gewalt gegen Prostituierte

Ein Sexkaufverbot dämmt Prostitution nicht ein, sondern befördert Übergriffe. In Teilen Österreichs ist Sexarbeit strikt geregelt, in Vorarlberg de facto verboten – Hilfsorganisationen kritisieren das
Gabriele Scherndl

Eine strenge Reglementierung von Sexarbeit zwingt die Frauen, die sie anbieten, in die Illegalität, sagen Hilfsorganisationen.

Wer Sexarbeit kriminalisiert, gefährdet jene, die sie anbieten: Diese Position, die österreichische Hilfsorganisationen seit Jahren vertreten, fasst eine Studie nun in Zahlen – in Auftrag gegeben wurde sie vom nordirischen Justizministerium. Dort nämlich wurde im Jahr 2008 der Kauf sexueller Dienstleistungen streng reguliert und 2015 komplett verboten. Die Auswirkungen dessen wurden von der Queens-Universität Belfast untersucht, nun liegen Ergebnisse vor.

In gut drei Jahren gab es zwei Verurteilungen von Freiern und fünf Verurteilungen wegen Menschenhandels zum Zweck der Prostitution, heißt es in der Studie. Und: Die Analyse von über 170.000 Werbeanzeigen zeigt, "dass die Gesetzgebung wenig Einfluss auf das Angebot und die Nachfrage nach sexuellen Dienstleistungen hatte". Tatsächlich sei sogar das Geschäftsvolumen der Sexarbeiterinnen gestiegen.
Mehr Übergriffe

Und: Prostituierte wurden häufiger belästigt und stigmatisiert und meldeten, dass sie vermehrt Angst und Unbehagen spüren würden. In drei Jahren stieg die Anzahl der gemeldeten Übergriffe auf Prostituierte von drei auf 13 Fälle bei Belästigungen, von einem auf 13 bei sexuellen Belästigungen und von 10 auf 42 Fällen bei Drohungen.

Befragt wurden auch jene, die sexuelle Dienstleistungen in Anspruch nahmen. Es zeigte sich, dass die Gesetzgebung nur eine "begrenzt abschreckende Wirkung auf das Kundenverhalten hatte". So sagte über die Hälfte der Kunden, das Verbot hätte nichts daran geändert, wie oft sie sich Sex kaufen würden. Im Bericht wird aber eingeräumt, dass es nicht die Gesetzeslage sein müsse, die für die vermehrten Gewalttaten gegenüber Sexarbeiterinnen verantwortlich ist. Es könne auch damit zusammenhängen, dass die Sexarbeit im Land steige oder dass Übergriffe zunehmend gemeldet werden.
Schweden in Österreich

In Deutschland wurden zuletzt Stimmen nach einem kompletten Sexkaufverbot laut: Mehrere Sozialdemokratinnen forderten das sogenannte nordische Modell. Es wird insbesondere in Schweden angewandt und hat zum Ziel, Sexarbeit so weit wie möglich einzudämmen. Aus Angst, dass diese Stimmung nach Österreich überschwappt, sprechen sich Beratungsorganisationen anlässlich des internationalen Tags gegen Gewalt an Sexarbeiterinnen am 17. Dezember für eine Entkriminalisierung der Sexarbeit und gegen Verbotsbestrebungen aus.

Unterstützt wird die Forderung von prominenten Beratungsstellen, darunter Lefö, eine Stelle für Migrantinnen, zu der auch die Polizei Sexarbeiterinnen schickt, die Opfer von Menschenhandel wurden, und vom Sexworker-Forum, in dem Sexarbeiterinnen sich austauschen.

Christian Knappik ist der Administrator des Forums und betreibt eine Hilfshotline, an die sich Frauen im Notfall wenden können. Auch wenn in Österreich derzeit keine Partei ein komplettes Prostitutionsverbot fordert, so "haben wir im Prinzip das schwedische Modell schon da", sagt Knappik. In Vorarlberg etwa ist Prostitution zwar nicht verboten, aber ausschließlich in angemeldeten Bordellen erlaubt. Nur: Bisher wurde kein einziges Bordell genehmigt. "Natürlich haben wir in Vorarlberg illegale Prostitution", sagt ein Sprecher des Landeskriminalamts Vorarlberg, "so wie auch im Rest des Landes". Bei Gewalt gegen Sexdienstleisterinnen schreite man ein, so wie bei anderen Gewaltfällen auch. "Allerdings hatten wir in den letzten Jahren keinerlei Anzeigen von Sexdienstleisterinnen", so der Sprecher.
Dunkelziffer jener in der Illegalität

"Überall, wo ein massives Verbot herrscht, ist die Szene irrsinnig hart", sagt Interessenvertreter Knappik. "Dort haben es Frauen noch schwerer, weil sie erpressbarer, angreifbarer und wehrloser sind, wenn sie nicht zur Polizei gehen können." Ausbeuter oder auch Scheinpolizisten, also Personen, die fiktive Strafen aussprechen würden, hätten dort größere Chancen. Denn wenn eine Frau illegal in der Sexarbeit arbeiten müsse, könne sie nur schwer Anzeige erstatten, so Knappik.

Die AG Prostitution im Bundeskanzleramt schätzte die Zahl der Sexarbeiterinnen im Land zuletzt auf 6.000 bis 7.000. Knappik geht von etwa 10.000 aus, weil die Regulierung sie in die Illegalität drängen würde.

Frauen entscheiden selbst über ihren Beruf

In einem Positionspapier von Maiz, einem autonomen Zentrum von und für Migrantinnen – auch dieses unterstützt die Forderung der Organisationen nach Entkriminalisierung – warnt man davor, Diskussionen über Zwangsprostitution, Menschenhandel und Gewalt zu vermischen. Diese Gleichsetzung würde oft die Forderung nach einem generellen Verbot nach sich ziehen. Wichtig sei, gegen eine Viktimisierung von migrantischen Sexarbeiterinnen aufzutreten. "Unsere Erfahrung zeigt, dass die weitaus überwiegende Mehrheit von Sexarbeiterinnen selbst entscheidet, in die Branche einzusteigen, unabhängig davon, welche Beweggründe letztendlich dafür ausschlaggebend sind", heißt es in dem Papier.

In Wien kritisieren NGOs, dass Prostitution lediglich aus der öffentlichen Wahrnehmung verdrängt worden sei. Das Anbieten sexueller Dienstleistungen auf der Straße, also das Anbandeln auf dem Strich, ist seit einer Gesetzesnovelle 2011 nur noch in recht entlegenen Gegenden erlaubt, etwa an der Brunner Straße in Liesing und an der Brünner Straße in Floridsdorf. Dort hätten Sexarbeiterinnen weder Schutz noch Infrastruktur, so der Tenor der Kritik. (Gabriele Scherndl, 17.12.2019)

https://www.derstandard.at/story/200011 ... stituierte

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Kasharius
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Re: Presseaussendung zum internationalen Tag gegen Gewalt an SW

Beitrag von Kasharius »

Ich entnehme dem Artikel, dass es eine AG Prostitution im Bundeskanzleramt gibt - alle ACHTUNG! Das ist in D wohl noch Zukunftsmusik....

Kasharius grüßt

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Re: Presseaussendung zum internationalen Tag gegen Gewalt an SW

Beitrag von Zwerg »

@kasharius
Nicht nur das... da sitzen auch einige durchaus kompetente Personen drin, die Begriffe wie Menschenrecht, europäische Menschenrechtskonvention, Grundrechte und auch sexuelle Selbstbestimmung hoch halten und danach handeln.

Mit ein Grund warum Schweden ideologisch (und auch geologisch) nicht näher rücken sollte!

Liebe Grüße

christian

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Kasharius
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Re: Presseaussendung zum internationalen Tag gegen Gewalt an SW

Beitrag von Kasharius »

...den kompetensten kenne ich wohl.... :) [von den SW-Vertreterinnen mal abgesehen ;) ]

Kasharius grüßt respektvoll

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Re: Presseaussendung zum internationalen Tag gegen Gewalt an SW

Beitrag von Zwerg »

Falls Du den meinst, der hier herumzwergt, so ist der nicht dabei (zumindest nicht physich, aber bisweilen im Geiste doch).
SexarbeiterInnen sind ohnehin nicht zugelassen....
Liebe Grüße

christian - der nicht überall dabei sein muss und trotzdem unsere Gedanken bisweilen einbringt :-)

Einige NGO`s (LEFÖ, MAIZ, SXA-Info, PIA-Salzburg und auch IBUS) sind mit uns im regen Austausch und teilen viele unserer Forderungen.

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Re: Presseaussendung zum internationalen Tag gegen Gewalt an SW

Beitrag von deernhh »

Zum Internationalen Tag gegen Gewalt an SexarbeiterInnen
PIRATENPARTEI FORDERT SELBSTBESTIMMUNG AUCH IM SEXGEWERBE

16. DEZEMBER 2019

Seit 2003 wird am 17. Dezember der „Internationale Tag gegen Gewalt an SexarbeiterInnen“ begangen. An diesem Tag wird auf die Ursachen von Gefahren und physischer Gewalt gegen Sexworker hingewiesen und mögliche Lösungsansätze für ein menschenwürdiges und sicheres Leben für alle in der Sexarbeit tätigen Menschen diskutiert. Einer der wichtigsten Punkte ist hierbei ein Ende der Diskriminierung und der gesellschaftlichen Marginalisierung sowie Stigmatisierung. Die Piratenpartei schließt sich dieser Forderung an.

In diesem Jahr fällt der Tag in eine Zeit, in der allen Ernstes alle Parteien im Bundestag an Gesprächen über eine Strafbarkeit des Kaufs von sexuellen Dienstleistungen teilnehmen. Dass damit das Selbstbestimmungsrecht der in diesem Gewerbe freiwillig Tätigen quasi abgeschafft würde, scheint wenig zu interessieren, wo es doch einer Stärkung bedürfte, um Zwangslagen zu vermeiden. Die Piratenpartei setzt auch hier auf das Konzept der sexuellen Selbstbestimmung. Die Entscheidung für oder gegen Prostitution soll jeder Mensch individuell und nur für sich selbst treffen. Wenn die Politik der Ansicht ist, dass SexarbeiterInnen besser geschützt werden sollen, dann muss sie diesen Schutz gemeinsam mit den in der Sexarbeit tätigen Menschen konzipieren und nicht gegen deren einhelligen Protest. Das gilt nicht nur für das so genannte Prostituiertenschutzgesetz, sondern auch für alle Überlegungen in Richtung des unter dem Namen „nordisches Modell“ firmierenden Sexkaufverbots, wie es in Schweden eingeführt wurde. Damit würde in der Folge ein ganzer Berufszweig einem faktischen Berufsverbot unterworfen. Das erinnert an die fehlgeschlagene Prohibitionspolitik im Drogenbereich, Es verunmöglicht vor allem eine sichere und selbstorganisierte Berufsausübung. Illegale Strukturen werden gestärkt. SexarbeiterInnen sehen sich gezwungen, alleine und isoliert zu arbeiten, dürfen beispielsweise keine gemeinsamen Wohnungen etc. mehr betreiben und werden somit in die Illegalität getrieben. Der Zugang zu unvoreingenommenen Beratungsstellen, zu ärztlicher Vorsorge sowie sicheren sexuellen Praktiken wird erschwert.

Ganz außer Acht gelassen wird, dass es Bevölkerungsgruppen gibt, die kaum eine andere Chance haben, ihre sexuellen Bedürfnisse im gegenseitigen Einverständnis zu befriedigen. Gerade in diesem Bereich gibt es Dienstleister, die unter den Begriff der Prostitution fallen, obwohl sie mit der klassischen Prostitution überhaupt nichts zu tun haben. Sexualbegleitung, Pornodarstellungen, Callboys und -girls, Tantra-Massage – all das ist Bestandteil der Sexarbeit.

Hinsichtlich eines Sexkaufverbots wird immer wieder argumentiert, dass sich das Angebot überwiegend aus ökonomischen Notlagen ergibt und es somit keine Selbstbestimmung sei, dieses Angebot zu machen.

Hier möchten wir ergänzen, dass jegliche Form der Arbeit immer nur so freiwillig ist, wie die ökonomische Situation auch Alternativen zulässt. Will man den Menschen, die aus rein wirtschaftlichen Notsituationen heraus diese Tätigkeit ausüben und sich dabei in ihrer Selbstbestimmung verletzt sehen, wirklich helfen, muss man ihnen eine ökonomische Alternative bieten. Und da es illusorisch ist, dass für jeden Menschen problemlos sofort eine andere, bezahlte Tätigkeit gefunden werden kann, ist hier ein Bedingungsloses Grundeinkommen die Lösung. Denn nur wer dies erhält, kann wirklich frei entscheiden, welcher Beschäftigung er nachgehen möchte. Das gilt nicht nur für die Sexarbeit, sondern für alle Tätigkeiten.

https://www.piratenpartei.de/2019/12/16 ... exgewerbe/

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Kasharius
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Re: Presseaussendung zum internationalen Tag gegen Gewalt an SW

Beitrag von Kasharius »

Hier weitere Artikel zum Thema

https://www.kreisbote.de/lokales/kempte ... 54685.html

https://www.br.de/nachrichten/deutschla ... ge,RikbKKd

Ujnd hier ein sehr eindrückliches Gedicht einer Sexworkerin auf Englisch, veröffentlicht auf der Seite des BeSD e. V.

https://berufsverband-sexarbeit.de/inde ... /17/15257/

Kasharius sagt: Die Menschenwürde bzw. das sexuelle SElbstbestimmungsrecht gilt für ALLE SEXARBEITERINNEN UND SEXARBEITER

Kasharius grüßt