Frauenrechtlerin und die Doppelmoral

Abgesehen vom Fehlen der nötigen Hilfsinstitutionen für Sexworker findet hier auch alles Platz, was ihr an bestehenden Einrichtungen auszusetzen habt oder loben wollt
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deernhh
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Frauenrechtlerin und die Doppelmoral

Beitrag von deernhh »

Das ist ja der Hammer, was ich heute zufällig gefunden habe:

19. Dezember 2019, 18:43 Uhr
Prostitution
:
Verdächtige Liebe
Berlin Charlottenburg am frühen Morgen FKK SaunaClub Artemis Bordell Puff Berlin *** Berlin Charlottenburg
Detailansicht öffnen
Etwa 200 Frauen arbeiten im "Artemis"- es soll das größte Bordell Deutschlands sein. (Foto: Jürgen Ritter/ imago)
Das Bordell Artemis wird von der Justiz beobachtet, die Frauenrechtlerin Seyran Ateş hat es stets verteidigt. Ein Mailwechsel nährt die Vermutung, sie könnte Geld vom Betreiber angenommen haben.

Von Ronen Steinke

Die Frauenrechtlerin Seyran Ateş hat einen Ruf als mutige Kämpferin, seit vielen

https://www.sueddeutsche.de/panorama/ar ... -1.4730556

Zum Vergrößern bitte auf das Bild klicken
Screenshot_20191219-221739.png
Tja, leider nur bis hier, da ich nicht Abonnentin der Süddeutschen Zeitung bin.
Dennoch bin ich schockiert:
Überall da, wo es Geld zu holen gibt, ist es wohl mit der Moral bzw. den eigenen Prinzipien vorbei.

Wer ist diese Frau?
Hier:
https://www.pro-medienmagazin.de/gesell ... therpreis/


Mal wieder ein Beispiel von vielen:

An uns an der Basis arbeitenden Sexarbeiter*innen wird Geld verdient, sei es von ominösen "Retter*innen" mit Spendenaufrufen, den kirchlichen Organisationen (die sollen bei ihren eigenen Missbrauchsfällen erst mal selber bei sich aufräumen), den Feministinnen (die nicht wissen, was Feminismus,
wie es unser genialer Tilopa im Thread "Feministinnen und der Rechsruck" sehr schön geschildert hat, ursprünglich bedeutet), den Feministinnen mit ihren mit durch uns SW verkaufsfördernden Zeitungsauflagen, von den Abolitionistinnen und so weiter und so fort ......

Lasst uns Sexworker*innen in Ruhe bei unserer freiwilligen Berufswahl ohne weitere Einmischung von "draußen", die eigentlich keine Ahnung haben, arbeiten, um unser eigenes Geld zu verdienen, stolz sein zu dürfen, und unsere Steuern bezahlen zu dürfen.

Ich kann immer wieder nur wiederholen:
Wir SW sind neben unserer Arbeit total normale Menschen, die wie ihr alle auch, unsere total normalen selbstverständlichen Rechte haben (die uns von euch auch gerne abgesprochen werden) und sie auch in Anspruch nehmen wollen.
Wir an der Basis arbeitenden SW sind weder korrupt noch doppelmoralistisch, weil ehrlich.

Korrupt und doppelmoralistisch seid nämlich ihr da draußen, nicht wir SW.
Unser (SW) Gewissen ist rein.

Deshalb liebe ich dieses Forum, das völlig clean ist und absolut keine Geldspenden annimmt.
Es ist unser SW einziges Wohnzimmer, wo wir SW uns mitteilen können und uns gegen Besserwisserleute wehren können, und zwar mit Seriösität mit einer Prise Witz, Humor und auch Wut.

Sabine Bauer
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Re: Frauenrechtlerin und die Doppelmoral

Beitrag von Sabine Bauer »

Danke Dir, hast es auf den Punkt gebracht .

Boris Büche
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Re: Frauenrechtlerin und die Doppelmoral

Beitrag von Boris Büche »

Mehr zu lesen als in der SZ gibt's in einer schweizer Zeitung. Und was wir da lesen können, klingt recht dünn.

Richtig ist: Seyran Ateş hat EMMAs Appell unterschrieben, ganz oben sogar; das hat mich damals erschreckt, ich halte von Seyran Ateş nämlich sehr viel.
Wir wissen allerdings nicht, wie Alice all die Promis zur Unterschrift bekam, was genau sie ihnen vorgelegt hat, was sie im Falle ihrer Nichtunterzeichnung womöglich als Quittung bekommen (Alice kann echt link sein) . . . Es sind noch mehr Personen auf der U-Liste wo man sich wundert, z.B. Karen Duve, Lisa Fitz . . .
Richtig ist allerdings auch: Frau Ateş würde das nicht noch mal unterschreiben. Das hat sie Stephanie Klee kürzlich gesagt, und es passt auch zu ihrer Äußerung "wenn schon, dann so" die im Artikel zitiert wird.

Dass der Betreiber des Artemis einen potentiell zinsfreien Kredit an Seyran Ateş vergeben wolle, wird wahrscheinlich auch stimmen, auch wenn es scheint, dass Frau Ateş es dementiert. "Scheint" sage ich deswegen, weil genaugenommen nur behauptet wird, dass der Kredit am 30. September effektiv werden sollte. Frau Ateş, lesen wir, hat eine Filmidee und das ging der Kreditidee voraus. Wir werden in keiner Weise informiert, und das vermutlich mit Absicht, wozu der Kredit dienen soll. Privat? Budget für den Film? Oder ist Herr Simsek ein Unterstützer der von Frau Ateş gegründeten liberalen Moscheegemeinde, die ganz oben auf der Liste deutscher Anschlagsziele steht - ich wette? Frau Ateş weiß übrigens schon, wie sich eine Kugel im Körper anfühlt und wenn Mitarbeiter vor deinen Augen erschossen werden, und sie macht trotzdem weiter, oder deswegen erst recht . . .

Nun zu dem, was eher nicht stimmt:

"Ein Berliner Bordell steht unter Beobachtung der Justiz"
- höchstens unter Beobachtung einiger Einzelpersonen in der Staatsanwaltschaft, die ihre Blamage vor Gericht nicht verknusen können.

"Eine bessere Werbung für die Betreiber konnte man sich kaum vorstellen"
- eine leisere auch kaum! Mir waren Äußerungen von Frau Ateş zum Artemis, dass sie es besucht, sich mit dort Arbeitenden unterhalten hat, bisher nicht bekannt geworden. Das einzige was ich finden konnte, ist dies. (den angeführten FAZ-Artikel fand ich nicht)

"Die seltsamen Geschäfte von Seyran Ateş" (SZ Überschriftzeile)
- in der Tat, seltsam! Ich leih' mir was, und wenn ich es nach Gebrauch pünktlich und unversehrt zurückgebe, muss ich nichts bezahlen. Wenn nicht, macht der Eigentümer des Gutes ein Geschäft, nicht ich. Wenn ich mir beim Nachbarn die Bohrmaschine leihe, ist das ein Vertrag - aber ein Geschäft nicht.

Und dann noch zur großen Frage:
Wie eigentlich kommt eine Zeitung dazu, in der Post fremder Leute zu lesen?
- ist immerhin eine Straftat was denjenigen angeht, der die Post öffnet, zugänglich macht . . . sollte Anstiftung vorliegen, sicher auch für die Auftraggeber. Kann ja geboten sein - solche Fälle gibt es. Dieser ist sicher keiner davon. Ich denke, es geht hier um die Bestrafung von Seyran Ateş für ihren "Verrat an der feministischen Sache", weiter nichts.

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Anory
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Re: Frauenrechtlerin und die Doppelmoral

Beitrag von Anory »

Hier gibts noch einen kostenlosen Artikel dazu: https://www.tagesspiegel.de/berlin/die- ... 55194.html
Falls das Zitat im Text stimmt ist sie wohl generell gegen Sexarbeit.
Ich hatte vor langem mal von S. Ates gelesen über ihr Engagement und fand das sehr positiv. Schade ist sie gegen Sexarbeit. Bei vielen Feministinnen fehlt glaube ich die Kommunikation auf Augenhöhe mit Sexarbeiter*innen. Ich denke sie können sich nicht vorstellen, dass etwas was in ihrer Moralvorstellung für sie selbst nicht machbar ist, von anderen Menschen freiwillig gemacht werden kann.

Boris Büche
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Re: Frauenrechtlerin und die Doppelmoral

Beitrag von Boris Büche »

Nein, sie ist keine generelle Gegnerin - sie WAR es mal.

So wird Frau Ates zu Sexarbeit zitiert:

Eine ungewöhnliche Unterstützerin haben die Simseks in der Berliner Frauenrechtlerin und Anwältin Seyran Ates gefunden. Sie kennt das Artemis gut. Für ein Buch über Prostitution hat sie mehrfach vor Ort recherchiert, mit Frauen gesprochen. Ates sagt: „Diese Razzia war nie zum Schutz der Prostituierten gedacht. Sonst hätten sie die Aktion über die ganze Stadt verteilen und vor allem die Frauen befreien können, die tatsächlich in Berlin in Wohnungen eingesperrt und zur Prostitution gezwungen werden.“

"Die Tatsache, dass das „Artemis in Berlin im ganzen Rotlicht-Milieu noch die beste Einrichtung für die Prostituierten ist, macht die Prostitution an sich für mich zwar nicht sehr viel besser.“ Aber sie beklage „die Heuchelei all derer, die Prostitution als ,Sexarbeit‘ beschreiben und einen Ort, an dem dies bestmöglich geschieht, unter Aufsicht der Behörden auseinandernehmen, aber dort wegschauen, wo es den Frauen wirklich um Stufen elender geht.“ Sie sagt, die Politik müsse sich endlich ernsthaft mit den Frauen, die diesem Geschäft nachgehen, und deren Anliegen beschäftigen. „Dazu sollten sie einfach mal, wie ich es getan habe, mit sehr vielen Prostituierten sprechen und sich die Einrichtungen von Innen anschauen.


Quelle - gleichzeitig ein schöner Überblick über die Artemis-Affäre

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deernhh
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Re: Frauenrechtlerin und die Doppelmoral

Beitrag von deernhh »

Hier noch weitere Berichte zu diesem Thema:

Nachrichten Panorama Berlin:
Frauenrechtlerin Ateş soll Privatkredit von Bordell-Chef erhalten haben
Es geht um 45.000 Euro
Vorwürfe gegen Frauenrechtlerin: Erhielt Seyran Ateş Privatkredit von Bordell-Chef?

20.12.2019 | 10:51
Bordell Artemis
dpa
Frauenrechtlerin Seyran Ateş gilt als scharfe Kritikerin der Prostitution. Für die Zeitschrift "Emma" war sie Unterzeichnerin eines Appells gegen Prostitution. Darin heißt es unter anderem: "Das System Prostitution brutalisiert das Begehren und verletzt die Menschenwürde von Männern und Frauen – auch die der sogenannten 'freiwilligen' Prostituierten."

Auch in einem kommenden Buch soll es um das Thema Prostitution gehen. Ungewöhnlich erscheinen vor diesem Hintergrund Aussagen der Frauenrechtlerin, in denen sie sich auffallend positiv über das Berliner Großbordell "Artemis" gesprochen haben soll. Sie kennt das Bordell nach eigenen Angaben gut, habe mehrfach vor Ort mit Frauen gesprochen. Wenn schon Prostitution, dann solle sie so sauber und fair ablaufen wie dort, soll sie einer Reporterin der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" gesagt haben. Dies wiederholte sie auch in einer Pressemitteilung vom Freitag.

Doch die "Süddeutsche Zeitung (SZ)" konnte nun Unterlagen einsehen, die offenlegen sollen, dass Ateş eine private Geschäftsbeziehung zu dem Bordellbetreiber unterhalten soll. Es soll um ein Privatdarlehen in Höhe von 45.000 Euro gehen, das der Bordellchef der Frauenrechtlerin und Anwältin versprochen haben soll. Zahlt Ateş die monatlichen Raten in Höhe von 5000 Euro pünktlich zurück, so sei vereinbart, dass ihr die Zinsen erlassen würden. Dies erfuhr die "SZ" wiederum aus einer internen E-Mail des Anwalts des Bordellchefs.


Ebenfalls interessant: Ateş arbeitete auch an einem Kinofilm über das Berliner Bordell. Das bestätigte Ateş FOCUS Online. Nachdem die Frauenrechtlerin dies dem Bordellbetreiber mitgeteilt habe, soll sie laut "SZ" den Darlehensvertrag erhalten haben.

Ateş weist Vorwürfe zurück
Ateş weist auf Anfrage von FOCUS Online die Vorwürfe, Geschäftsbeziehungen zum "Artemis" zu unterhalten, zurück. In ihrer Stellungnahme betont die Frauenrechtlerin, dass sie sich vielfach engagiere, ohne dafür Geld zu erhalten. Ihr Engagement führe dazu, dass sie massiv bedroht werde und Polizeischutz benötige. "Ungewollt wird so aber auch mein Tätigkeitsbereich eingeschränkt, so dass ich kürzlich in einem Fall finanzielle Unterstützung benötigte", so Ateş. Sie habe sich an einem Unternehmer gewandt, den sie persönlich kenne und "dessen berufliches Wirken als einer der größten Steuerzahler im Bezirk Berlin-Charlottenburg" ihr transparent sei. Die Darlehensvereinbarung sei angemessen verzinst. Sie nehme also "keinerlei wie auch immer gearteten unzulässigen Vorteile in Anspruch".

Sie habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie Kontakt zum "Artemis" habe. Nach Gesprächen mit vielen Frauen, auch im "Artemis", habe sich ihre Haltung zum Thema Prostitution nicht im Ganzen verändert – "ich lehne sie nach wie vor ab". Dennoch gelte es, die Frage zu stellen, wie die Gesellschaft dafür sorgen könne, dass es den Frauen in dem Gewerbe gut gehe. Das Prostitutionsgesetz reiche in ihren Augen nicht aus, um die Frauen vollumfänglich zu schützen.

Staatsanwaltschaft hat das Berliner Bordell im Fokus
Brisant erscheint der Fall auch, weil die Berliner Justiz bereits sei mehreren Jahren das "Artemis" im Fokus hat. Es wurde wegen gleich mehrerer Vorwürfe ermittelt: Ausbeutung von Sexarbeiterinnen, Zuhälterei und Beihilfe zum Menschenhandel. Zwar hatte das Berliner Landgericht Vorwürfe der Staatsanwaltschaft zurückgewiesen, doch die stellt die Unschuldsvermutung offen in Frage: "Wir bleiben bei unserer Rechtsauffassung und der rechtlichen und tatsächlichen Bewertung des Falls", sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Anfang des Jahres dem "Tagesspiegel". Der Anwalt der Bordellbetreiber sprach unterdessen von einer "Hexenjagd".

https://www.focus.de/panorama/welt/es-g ... 81021.html


Berliner Frauenrechtlerin
Seyran Ates rechtfertigt Kredit von Artemis-Betreiber

20.12.19 | 14:58 Uhr
Die Berliner Frauenrechtlerin Seyran Ates gilt seit Jahren als Gegnerin von Prostitution. Jetzt kommt heraus: Sie hat vom Betreiber des Bordells "Artemis" einen Kredit angenommen. Im rbb-Interview räumt sie Fehler ein - wehrt sich aber auch gegen Kritik.

Die Berliner Rechtsanwältin und Frauenrechtlerin Seyran Ates hat einen Privatkredit vom Betreiber des Bordells Artemis bekommen. Das bestätigte sie am Freitag dem rbb. Zunächst hatte die “Süddeutsche Zeitung“ [Bezahlinhalt] darüber berichtet.

Dem Bericht zufolge soll Ates zum 30. September dieses Jahres 45.000 Euro vom Artemis-Geschäftsführer Hakki Simsek bekommen haben. Das räumte Ates im Gespräch mit Radioeins ein. Sie widersprach aber energisch dem Vorwurf, sie habe ein zinsloses Darlehen erhalten. "Das ist nicht wahr. Ich habe in bedrängter Situation Hilfe gebraucht, dann ging es ganz schnell mit Hakki Simsek - aber wohlgemerkt gegen ortsübliche Zinsen, die teilweise über dem EZB-Zinssatz lagen. Das ist alles von einem Anwalt aufgesetzt worden", so Ates. Und weiter: "Was mich traurig macht ist, dass ich in dieser Situation nicht woanders Hilfe bekommen habe. Jetzt versucht jemand, meine Person zu diskreditieren."

Ates: "War in großer Stresssituation"
Eine Geschäftsbeziehung mit dem Artemis-Betreiber weist die Frauenrechtlerin im rbb-Interview genauso entschieden zurück wie die Behauptung, früher gemachte positive Äußerungen über das Bordell stünden in Zusammenhang mit dem Kredit.

Ates arbeitet seit längerem an einem Buch über Prostitution und recherchiert dafür im Artemis. Über das Bordell hat sich die Frauenrechtlerin in der Vergangenheit positiv geäußert: Sie sprach von sauberen und fairen Verhältnissen. "Meine Äußerungen habe ich zwei, drei Jahre vorher gemacht. Ich gestehe natürlich ein, dass ich andere Leute hätte fragen sollen, aber ich war in einer großen Stresssituation", so Ates.
"...da war ich naiv"
Über ihren Kontakt und Verbindungen zu Simsek habe sie immer transparent informiert, auch dass ihr Bruder seit Jahren auf der Artemis-Baustelle arbeitet, betont Ates. Dass sie als Kritikerin von Prostitution Geld von einem Bordellbetreiber nimmt und das Irritationen auslöst, könne sie auch nachvollziehen. Sie ergänzte aber: "Ich hätte nicht geglaubt, dass dies so gegen mich verwendet wird, da war ich naiv. Ich kann die Kritik und Enttäuschung verstehen. Aber es ist nicht richtig, dass ich plötzlich hier eine Einrichtung in den Himmel lobe. Ich recherchiere seit Jahren, und das ist noch lange nicht abgeschlossen."

Das Bordell war am 14. April 2016 von einem Großaufgebot von 900 Polizisten, Zollfahndern und Staatsanwälten durchsucht worden. Danach hatte die Staatsanwaltschaft zuerst von direkten Verbindungen zur organisierten Rocker-Kriminalität, Ausbeutung von Prostituierten und Gewaltanwendung gesprochen; den Betreibern wurde vorgeworfen, 17,5 Millionen Euro Sozialabgaben hinterzogen zu haben. Die Staatsanwaltschaft stoppte das Verfahren gegen die Artemis-Betreiber jedoch im Januar 2019: Es gebe keinen hinreichenden Verdacht, hieß es.

Sendung: Radioeins, 20.12.2019, 12:38 Uhr

https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2 ... redit.html

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Re: Frauenrechtlerin und die Doppelmoral

Beitrag von deernhh »

Ihr Lieben,

ich danke Euch ganz herzlich für die Hilfe und Aufklärung.
Ihr seid klasse. Danke!

Weitere Berichte über das Thema habe ich vorhin oben eingestellt.

Liebe Grüße von mir

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Re: Frauenrechtlerin und die Doppelmoral

Beitrag von Boris Büche »

Na, da stand ja das Motiv für den shitstorm:

S.Ateş: Dennoch gelte es, die Frage zu stellen, wie die Gesellschaft dafür sorgen könne, dass es den Frauen in dem Gewerbe gut gehe. Das Prostitutionsgesetz reiche in ihren Augen nicht aus, um die Frauen vollumfänglich zu schützen.
+
Ates arbeitet seit längerem an einem Buch über Prostitution

WIR wussten das mit dem Buch noch nicht, bestimmt wusste es aber frau bei der EMMA.
Und sie weiß auch, was drinstehen wird: KEIN Loblied auf das "Nordische Modell" und die "Freierbestrafung".

Klar, auch andere Kreise sähen Seyran Ateş gerne neutralisiert - insofern gäbe es potentielle weitere Verdächtige, z.B. Teile der etablierten islamischen Verbände. Es soll jetzt schon in der ägyptischen Boulevardpresse stehen, in Ateş' Moschee würden Jungfrauen in die Prostitution rekrutiert.

Es wird, mal wieder, für eine Weile gefährlicher als sonst schon üblich für Seyran Ateş. Fiese Sache!

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Re: Frauenrechtlerin und die Doppelmoral

Beitrag von Boris Büche »

@deernhh: Danke auch Dir für weitere Aufklärung - ist unser Nachrichtendienst nicht gut? :003

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Re: Frauenrechtlerin und die Doppelmoral

Beitrag von deernhh »

Boris Büche hat geschrieben:
20.12.2019, 20:53
@deernhh: Danke auch Dir für weitere Aufklärung - ist unser Nachrichtendienst nicht gut? :003
Ja, Boris Büche, Euer Nachrichtendienst ist super!
Danke schön! :001

Und auch ganz vielen herzlichen Dank an Anory und Sabine Bauer!

Liebe Grüße von mir

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Re: Frauenrechtlerin und die Doppelmoral

Beitrag von Adultus-IT »

Die Dame kann sich rechtfertigen wie sie will, es bleibt eine Doppelmoralistin!... auf den persönlichen Vorteil bedacht. :011

Getreu dem Spruch.... "Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern ?"

Gruss
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Telefonmehrwertdienste Bereich Erotik (Telefonsex/Hotline/Anbieter/Agenturen)
weitere Themengebiete: Grundlagen im Bereich der Online-Erotik
Kontakt: (Freecall DE) 08000 1 40 44 42

Boris Büche
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Re: Frauenrechtlerin und die Doppelmoral

Beitrag von Boris Büche »

Der Shitstorm rollt, die AbolitionistInnen sind 's zufrieden.

Wenn ihr mich fragt, kann die Indiskretion nur durch eine Mitarbeiterin von Frau Ateş begangen worden sein.
Die Plazierung der Nachricht in der Süddeutschen Zeitung schließt die Täterschaft aus islamischen Kreisen nicht aus, wahrscheinlicher ist aber eine "feministische" Connection.

Presseethisch ein ziemlicher Skandal, jemanden in Verruf zu bringen, der eh' schon auf der Liste der Djihadisten steht . . .
Den Kredit brauchte Seyran Ateş übrigens, sagt sie, um eilig Sicherheitsmaßnahmen für ihren Moscheeverein zu finanzieren.

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Re: Frauenrechtlerin und die Doppelmoral

Beitrag von Boris Büche »

Ein ausführliches Interview zur Sache ist nun erschienen.
(Quelle Die Zeit, 27. Dezember 2019)

Seyran Ateş: "Ich schäme mich in Grund und Boden"

Die Frauenrechtlerin und Moscheegründerin Seyran Ateş ließ sich einen Privatkredit über 45.000 Euro geben – vom Betreiber eines Bordells. Ein Gespräch über Fehler, käuflichen Sex und Heuchelei. Interview: Evelyn Finger


DIE ZEIT: Frau Ateş, als Frauenrechtlerin sind Sie jahrzehntelang gegen die Prostitution zu Felde gezogen. Was war Ihr härtestes Verdikt in dieser Sache?

Seyran Ateş: Das weiß ich wirklich nicht mehr, denn seit ich politisch denken kann, war ich strikt gegen Prostitution. Ich hatte dazu schon als junge Anwältin eine klar ablehnende Haltung. Slogans wie "Stoppt Sexkauf" gehörten für mich dazu. In meinen Zwanzigern war ich auf jeder Demonstration zum Internationalen Frauentag und zur Walpurgisnacht: Dann zogen wir im Berliner Bezirk Schöneberg die Martin-Luther-Straße entlang, wo sich die großen Sexshops befanden. Die Polizei musste die Schaufenster sichern, und wir schrien: "Der größte Zuhälter ist der Staat!"

ZEIT: Wieso denn der Staat?

Ateş: Weil er aus unserer Sicht die Prostitution begünstigte und die Frauen gefährdete durch eine halblegale Situation: Prostitution war nicht verboten, aber verstieß gegen die guten Sitten, und das hieß, die Frauen konnten sich nicht mit Berufsangabe kranken- und sozialversichern. Sie konnten auch ihr Geld nicht einklagen, wenn Freier nicht zahlten. Sexshops wiederum waren erlaubt, und der Staat profitierte von deren Steuern – während im Hinterzimmer der Sex stattfand.

ZEIT: Kurz vor Weihnachten wurde bekannt, dass Sie vom Betreiber des größten Berliner Bordells einen Privatkredit in Höhe von 45.000 Euro angenommen haben. Daraufhin nannte man Sie Heuchlerin und Hure. Ein Geldgeber Ihrer liberalen Ibn-Rushd-Goethe-Moschee, die Sie vor gut zwei Jahren in Moabit gegründet haben, kündigte seine Unterstützung auf. Verstehen Sie den Zorn?

Ateş: Ja! Ich verfluche mich für meine Dummheit und bedaure meinen Fehler. Seit Tagen zermartere ich mir den Kopf, warum ich mir das Geld nicht anderswo geliehen habe. Im Nachhinein fürchte ich, das war der größte Fehler meines Lebens.

ZEIT: Nach unserem Kenntnisstand war der Kredit ganz legal. In Ihrer Presseerklärung vom 20. Dezember schreiben Sie, dass die Darlehensvereinbarung von einem Rechtsanwalt aufgesetzt wurde und eine Verzinsung enthielt.

Ateş: Das stimmt. Das Darlehen war legal. Aber dass etwas legal ist, heißt noch nicht, dass es gut ist. Ich sehe jetzt, dass ein Kredit von dem Bordellbetreiber Hakki Şimşek – dem ich vertraue, weil ich ihn durch meine Recherchen zur Situation von Prostituierten seit Langem kenne – nicht nur mir persönlich schadet. Die öffentliche Kritik gefährdet die Existenz unserer Moschee, und mein unbedachtes Handeln beschädigt auch das Ansehen des Reform-Islams. Das ist unverzeihlich. Und deshalb geht es mir jetzt ehrlich gesagt sehr schlecht.

ZEIT: Die Sache mit dem Kredit wurde am vergangenen Freitag durch die Süddeutsche Zeitung aufgedeckt. Wussten Sie vorher, dass das kommt?

Ateş: Ja, der Autor Ronen Steinke hatte mir am 17. Dezember eine E-Mail geschrieben. Als ich die sah, war mein erster Gedanke: Wie kommt er an diese vertraulichen Informationen? Ich habe dann meinen Anwalt kontaktiert, und wir setzten eine Stellungnahme für die Öffentlichkeit auf. Dann erst habe ich eine längere E-Mail an die Redaktion der SZ geschrieben. Und dann warteten wir ganz nüchtern ab, was kommt. Aber als ich den Artikel las, war es, als würde mir ein Eimer eiskaltes Wasser über den Kopf geschüttet.

ZEIT: In der SZ stand nicht nur, dass Sie einen Kredit von Hakki Şimşek angenommen hätten, laut einem Vertrag vom 12. September 2019. Sondern auch: Ihnen würden die Zinsen erlassen, wenn Sie monatliche Raten von 5000 Euro pünktlich zurückzahlten. Und vor allem: Sie hätten das Bordell des Kreditgebers, das Artemis, stets als vorbildlich verteidigt. Stimmt das?

Ateş
: Letzteres stimmt, dazu stehe ich, und ich kann Ihnen auch erklären, wieso. Zunächst aber zu dem Kredit: Die Darlehensvereinbarung enthielt eine Verzinsung, die zwei Prozent über dem jeweils aktuellen Basiszins der EZB lag. Mir Zinsen zu erlassen war nie Gegenstand des Vertrags, der Vorschlag tauchte lediglich in einem E-Mail-Wechsel zwischen Hakki Şimşek und seinem Anwalt auf – wie ich jetzt erst erfahren habe.

ZEIT: Warum sind Sie denn nicht zur Bank gegangen, zumal in Zeiten der Nullzinsen?

Ateş: Das hätte länger gedauert und wäre anstrengender gewesen, da ich als Selbstständige kein so geregeltes Einkommen habe wie Angestellte. Nach zwei Jahren permanenten Stresses beim Aufbau der Moschee war ich privat in akuter Geldnot.

ZEIT: Darf ich fragen, warum?

Ateş: Darauf möchte ich nicht antworten. Ich wünsche mir, dass meine Privatsphäre respektiert wird – gerade weil ich aus Problemen sonst keinen Hehl mache. Zu dem Kredit von Hakki Şimşek kann ich jedoch versichern: Alles wurde ordnungsgemäß vereinbart. Meinen Darlehensvertrag bekam ich per Post und schickte ihn auch per Post zurück an den Anwalt Silvin Bruns. Der mailte ihn an Şimşek, und aus diesem Mailverkehr wurden offenbar die in der SZ zitierten Informationen abgefangen. Ich frage mich nur, von wem und wozu.
"Ich habe aus dem Kontakt nie ein Geheimnis gemacht"

ZEIT: Das klingt, als hätten Sie eine Vermutung.

Ateş
: Keine konkrete. Aber ich lebe nicht umsonst mit Personenschutz. Natürlich hat unsere reformorientierte Moschee Feinde, und auch ich persönlich bekomme immer wieder Drohungen. Vor einem halben Jahr wurden E-Mails von mir und Freunden der Moschee gehackt. Es tauchten Textbausteine aus meinen E-Mails auf Facebook auf.

ZEIT
: Nun geht es hier nicht um Ihre zweifellos mutige Arbeit und die Bedrohungen, über die wir in dieser Zeitung immer wieder berichtet haben. Sondern es geht um die Nähe zu einem Bordellbetreiber, durch die Sie sich einen Vorteil verschafft haben sollen. Könnten die Behörden die E-Mails von Hakki Şimşek abgefangen haben?

Ateş: Das kann ich nicht ausschließen. Aber ich hoffe es nicht, denn die juristischen Hürden für Observationen durch die Polizei sind in Deutschland sehr hoch.

ZEIT: Dass Şimşek oder sein Anwalt die Informationen weitergegeben haben, schließen Sie aus?

Ateş: Definitiv. Ich vertraue beiden. Im Jahr 2017 begann ich im Artemis mit Recherchen für ein Buch über Prostitution, seither habe ich dort immer wieder Frauen interviewt. Das war über den langen Zeitraum nur möglich, weil ich die Arbeitsbedingungen für die Frauen dort akzeptabel fand und ein Vertrauensverhältnis zu dem Bordellbetreiber aufbauen konnte. Mein Team von Personenschützern des LKA hat ebenfalls gewusst, dass ich für Gespräche ins Artemis gehe. Ich habe aus dem Kontakt nie ein Geheimnis gemacht, das Thema auch mehreren Redaktionen angeboten.

ZEIT: Uns zum Beispiel. Die SZ moniert nun, Sie hätten durch positive Äußerungen Werbung für das Bordell gemacht und im Zusammenhang mit diesen Äußerungen nie offengelegt, dass Sie eine "private Geschäftsbeziehung" zum Bordellbetreiber pflegen. Richtig?

Ateş: Nein! Ich hatte und habe keine "Geschäftsbeziehung" zu Hakki Şimşek. Zwischen meiner angeblichen Werbung und dem Kredit lagen anderthalb Jahre. Als ich mich positiv über das Artemis geäußert habe, gab es noch gar keinen Kredit, den ich hätte "offenlegen" können. Die Unterstellung, die im Artikel der SZ auch noch mitschwingt, ich sei im Nachhinein dafür bezahlt worden, dass ich das Artemis gelobt habe, ist nicht nur falsch, sondern infam. Ich habe nur Geld angenommen, das ich auch zurückzahlen werde – und dieser Kredit war falsch und unpassend genug, wie ich jetzt einsehe. Aber mir wurde nichts geschenkt, und ich wurde für nichts bezahlt. Wenn ich dermaßen korrupt wäre, wie die SZ insinuiert und Sie hoffentlich nicht, würde ich keine Darlehensverträge schließen, sondern in diesem Milieu würden Umschläge mit Geld ausgetauscht.

ZEIT: Die SZ schreibt, allein im Jahr 2016 habe Şimşek 210.000 Euro an PR-Berater gezahlt.

Ateş: Ich weiß nur von einem Berater, und der sagt, dass die Summe nicht einmal ansatzweise stimmt. Tatsache ist, dass Şimşek Beratung brauchen konnte, denn die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelte damals gegen das Artemis. Aber alle Anschuldigungen erwiesen sich als haltlos. Die Ermittlungen und Verfahren wurden eingestellt.

ZEIT: Bei diesen Ermittlungen soll es um schwere Delikte wie Zuhälterei, Steuerhinterziehung und Menschenhandel gegangen sein. Allerdings wurden die Ermittlungsmethoden im März 2018 in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung hart kritisiert. Sie selbst sagten der FAS: Wenn Frauen schon als Prostituierte arbeiten müssten, dann bitte wie im Artemis – "selbstbestimmt, ohne ausgebeutet zu werden". Wie kamen Sie zu der positiven Einschätzung des Bordells?

Ateş: Ich habe mich damals mit meinem Sachverstand als Anwältin in den Fall eingearbeitet und halte die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft für abwegig. Allerdings war ich weder Ermittler noch Richter. Zu meinem positiven Urteil kam ich, indem ich die Frauen regelmäßig besuchte. Durch vertrauliche Interviews gewann ich den Eindruck, dass sie im Artemis besser vor Gewalt geschützt und fairer behandelt wurden als in anderen Bordellen oder gar auf dem Straßenstrich. Die Frauen sagten immer wieder: Hier ist es sauber und sicher.

ZEIT: Wann hatten Sie zum ersten Mal Kontakt ins Rotlichtmilieu?

Ateş: 2001 oder 2002 in meiner Anwaltskanzlei. Meine erste Mandantin war eine Türkin, zwangsverheiratet nach Deutschland, die aus einem westlichen Bundesland nach Berlin flüchtete, von einem Zuhälter aufgefangen wurde und in der Kurfürstenstraße landete. Zu mir kam sie wegen Körperverletzung unter Prostituierten. Ich gewann den Fall, und so folgten weitere Mandantinnen, türkische wie deutsche. Hellhörig wurde ich durch einen Sorgerechtsfall in einer streng gläubigen muslimischen Familie. Die Frau, die sich mit meiner Hilfe scheiden ließ, erzählte, dass ihre Schwiegereltern in Istanbul ein illegales Bordell betrieben. Dort wurde "schmutziges" Geld der Freier zur Bank gebracht, wo man die Scheine austauschte, sodass "sauberes" Geld zurückkam. Ich war empört.

ZEIT: Ist das Geld, das Sie sich von Hakki Şimşek geliehen haben und das mit "Sexarbeit" verdient wurde, schmutziges oder sauberes Geld?

Ateş: Ich möchte es hier nicht als sauberes Geld bezeichnen, um mich reinzuwaschen. Ich kann es aber auch nicht moralisieren und schmutzig nennen. Das ist der Punkt, wo ich anfange rumzueiern. Hier empfinde ich Reue und Schmerz.

ZEIT: Schämen Sie sich, dass Sie über die religiöse Heuchelei anderer so hart geurteilt haben?

Ateş: Ja, aber auch wenn ich selbst nun als Heuchlerin dastehe, die Doppelmoral beim Thema Sex bleibt trotzdem kritikwürdig. 2009 hörte ich erstmals von Prostituierten, dass es muslimische Freier gibt, die mit ihnen eine Zeit-Ehe schließen wollen, damit der Sex halal ist – also nach dem Islam erlaubt. Ich dachte sofort: ein Tatort-Stoff! Vergeblich versuchte ich Thea Dorn für das Thema zu gewinnen, mit der ich ein Drehbuch für den Tatort Familienaufstellung geschrieben hatte. Also begann ich auf eigene Faust, Prostituierte zu befragen, zuerst in Neukölln. Und allmählich merkte ich, dass ich als Anwältin zwar das seit 2001 geltende Prostitutionsgesetz kannte, aber von den betroffenen Frauen keine Ahnung hatte.

ZEIT: Befürworten Sie nun also die Prostitution?

Ateş: Nein. Ich bin aber für eine konsequente Legalisierung, weil die Kriminalisierung nur die Frauen gefährdet. Ich weiß heute, dass Prostitution nicht so einfach zu beurteilen ist, wie ich mir das viele Jahre vorgestellt habe. Ich will, dass es den im Bordell tätigen Frauen gut geht. Das und nicht die Abschaffung des Gewerbes hat Priorität.

ZEIT: In der SZ heißt es, dass Sie im September in einer E-Mail an Şimşek von einem Film schrieben, den Sie über das Artemis machen wollten. Kurz darauf erhielten Sie den Darlehensvertrag. Außerdem hätten Sie Ihren Kreditgeber und seinen Anwalt in der E-Mail mit "Ihr Lieben" angeredet.

Ateş: Ja. Aber den Plan zu einem Film gab es schon ewig. Hier habe ich das Gefühl, es geht einfach nur darum, mich und meine Arbeit zu diskreditieren.

ZEIT: In Ihrer Stellungnahme betonen Sie, Şimşek sei Unternehmer und Steuerzahler. War der Kredit von ihm also doch okay?

Ateş: Nein, aber ich werde meinen Helfer hier nicht verteufeln, um mich zu salvieren. Er hatte mir übrigens geraten, lieber jemand anderen um einen Kredit zu bitten. Er hätte als Türke auch gern für die liberale Moschee gespendet, aber es war klar, dass das nicht geht.

ZEIT
: Sie beide wollten die Moschee, den heiligen Raum, also schützen vor der profanen Realität: dass ausgerechnet ein Bordellbetreiber einer Imamin zu helfen bereit wäre?

Ateş: Wenn Sie damit sagen wollen, dass wir Menschen gern heiliger wären, als wir sind, dann muss ich Ihnen wohl zustimmen. Die Frauen im Artemis haben mich gefragt: Wieso ist das Geld, das die Männer hier reintragen, sauber, und wenn wir es raustragen, ist es schmutzig? Wieso heißen die Freier in unserem Haus Gäste und wir Prostituierte? Eine Frau schilderte mir, wie ein gläubiger Freier sie auf Knien anflehte, die Zeit-Ehe zu schließen. Man nennt das auch Mut’a-Ehe oder Genuss-Ehe, sie wird hauptsächlich von Schiiten praktiziert. Also: Ich will mich künftig stärker hüten vorm Moralisieren. Aber ich habe nie gesagt, dass ich unfehlbar bin.

ZEIT: Haben Sie in den letzten Tagen auch Unterstützung bekommen?

Ateş: Viele sprachen mir Mut zu, darunter Pfarrerinnen und Pfarrer. Das hat mich gerührt. Als gläubiger Menschen bin ich sicher, dass Gott mir nur auferlegt, was ich schultern und meistern kann. Im Türkischen sagt man: "Her iste bir hayir var." In allem steckt etwas Gutes. Ich hoffe, dass der Skandal um mich sich eines Tages zum Guten wendet.

ZEIT: Werden Sie die Leitung der liberalen Moschee abgeben?

Ateş: In der Politik würde ich vielleicht zurücktreten. Mit der Moschee bin ich so eng verbunden, wenn ich da rausgehe, ist sie tot. Also: Nein.

ZEIT: Sie schreiben seit Jahrzehnten über Eigenheiten Ihrer Herkunftskultur. In Ihren Büchern kann man lesen, dass im Orient die Scham eine besondere Rolle spielt. Kann es sein, dass Sie sich Ihrer Geldnot so schämten, dass Sie sich lieber jemandem anvertrauen wollten, der selbst, nun ja, kein Engel ist?

Ateş: Ich habe Hakki Şimşek gesagt, dass ich mich schäme, nicht besser kalkuliert zu haben. Und definitiv komme ich aus einer Schamkultur. Aber ich bin keine arme Idealistin, sondern habe immer wieder gut verdient und konnte auch schon anderen aushelfen. Außerdem neige ich zu einem eher verantwortungsvollen Umgang mit Geld. Gerade darum war mir meine Not peinlich. Ich wollte, dass keiner davon erfährt. Nun weiß es das ganze Land – und ja: Ich schäme mich in Grund und Boden.

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Re: Frauenrechtlerin und die Doppelmoral

Beitrag von deernhh »

@Boris Büche

Vielen, vielen, lieben Dank!
Hier der Link zum Interview der "Zeit"

https://www.zeit.de/2020/01/seyran-ates ... it-bordell

Liebe Grüße von mir

Boris Büche
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Re: Frauenrechtlerin und die Doppelmoral

Beitrag von Boris Büche »

Heuchelei der Meisterklasse

Mit taktischen drei Wochen Verspätung schreibt nun Sabine Constabel (Sisters e.V.) einen offenen Brief an die deutsch-türkische Anwältin, die einen Kredit von einem Bordellbetreiber angenommen hat: Warum schämen Sie sich, Seyran Ateş?

Er endet mit einer "Einladung":
Statt sich zur Kumpanin von Bordellbetreibern zu machen, könnten Sie etwas für die Frauen in der Prostitution tun. Arbeiten Sie mit in unserem Verein Sisters, gerade eine Anwältin können wir gut gebrauchen!

Ja, weiß Frau Constabel nicht, dass Frau Ateş vor Jahren die Initiative "Stop Sexkauf" als Rechtssachverständige beraten hat?, Thema: "Juristische Fragen für die Umsetzung der Freierbestrafung in Deutschland"? Ohhh doch!, Frau Constabel weiß das, denn sie war am gleichen Tag, am gleichen Ort Referentin.
Interessant, dass Frau Constabel so tut, als hätte es noch keine Zusammenarbeit gegeben, und als könnte diese noch denkbar sein, nachdem sich Frau Ateş vom "Nordischen Modell" distanziert hat.

Als OB! bei Sisters e.V. noch jemand mitmachen könnte, wollte, oder dürfte, der Gespräche mit 100+ Frauen geführt hat, die nicht Huschke Norak oder Sandra Mau heißen! Dass Frau Ateş sich von der abolitionistischen Linie distanziert hat, ist grade der Grund für diesen heuchlerischen Artikel von S. Constabel, in dem noch mal gepflegt nachgetreten wird, nachdem Frau Ates gezielt "verpfiffen" wurde.

Boris Büche
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Re: Frauenrechtlerin und die Doppelmoral

Beitrag von Boris Büche »

. . . und der Herr Journalist hat es auch noch mit ihr.