Theater: Wie Sexarbeit auf der Bühne behandelt wird
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Theater: Wie Sexarbeit auf der Bühne behandelt wird
Über Tiere
von Elfriede Jelinek, mit einer musikalischen Durchquerung von Ruedi Häusermann
Kasino Schwarzenbergplatz
Dieses Theaterstück von E.J. habe ich unlängst besucht - es ist eine Aufarbeitung des vor einigen Jahren aufgedeckten Skandals um einen Callgirl-Ring, unter dessen Klientel sich auch Parlamentsangehörige und Staranwälte fanden. Besondere Brisanz bekam die Affaire durch die vermittelten jungen, oft minderjährigen Mädchen aus Osteuropa.
Das Stück besteht im Wesentlichen aus zwei Teilen und einer musikalischen Einstimmung, die Musik untermalt und begleitet das ganze Stück hindurch, sie kommt nie ganz zum Verstummen.
Im ersten vernimmt man den Monolog, die Gedankensprünge einer jungen Frau/Prostituierten. Sie weiß, daß sie eigentlich nur Lustobjekt ist, sie will auch benutzt werden, und es ist ihr bewußt, daß ein geschäftlicher Abend keine Liebesbeziehung ist. Trotzdem hängt sie immer der unendlich oft enttäuschten Hoffnung nach, daß es nicht nur Sex ist/war, sondern daß mehr dahinter steckt.
Hier mein erster Kritikpunkt: Sex, Liebe, Beziehung, Zärtlichkeit und Brutalität werden kommentarlos durcheinandergemischt, zu einander in Beziehung gesetzt, wo es keine gibt.
Im zweiten Teil werden die Abhörprotokolle der Polizei verwendet, die schonungslos zeigen, daß, wenn es um Sex geht, selbst die gebildetsten Menschen, Anwälte, Politiker, zu Tieren werden (können). Die einzelnen Gesprächsfetzen werden immer wieder durch das immer stärker betonte "ficken" zusammengehalten, das den Klebstoff bildet.
Brutal wird vor Augen geführt, daß die Mädchen nur Ware sind, Bildung, Charakter, Wünsche, Ängste, ... werden vollkommen ignoriert, notfalls wird die (bitte minderjährige) Schlampe eben vergewaltigt. Alle noch so extremen Wünsche werden erfüllt.
Aber bitte zum richtigen Termin, denn danach muß der Kunde zu einer Benefiz-Veranstaltung für arme Straßenkinder aus Osteuropa. Aussehen, Haarfarbe, Figur nach Katalog, schließlich ist das ein Gebrauchsgegenstand, kein Mensch ...
Kritikpunkte hier:
Es wäre imho nicht notwendig gewesen, das Wort "ficken" so oft zu verwenden. Ich hatte den Eindruck, daß die Jelinek absichtlich versucht hat, die Zuschauer zu provozieren.
Weiters finde ich diese Sicht auf Prostitution einseitig, da es wieder einmal das Klischee des armen gezwungenen Mädchens nährt. Allerdings muß man hier berücksichtigen, daß dieses Theaterstück eben nur die Aufarbeitung dieses Skandals ist, und keine wissenschaftliche Untersuchung der Szene beabsichtigt hat ...
Generell war der Schauspielerin (die für ihren über eine Stunde langen Monolog wirklich Hochachtung verdient) manchmal schwer zu folgen, da sie stellenweise (sicher beabsichtigt) sehr schnell gesprochen hat.
Ein interessanter Abend, ein interessantes Stück - auch wenn es mich nicht angesprochen hat ...
Liebe Forumsleser, wer von Euch hat dieses Theaterstück auch besucht, wie waren Eure Eindrücke?
von Elfriede Jelinek, mit einer musikalischen Durchquerung von Ruedi Häusermann
Kasino Schwarzenbergplatz
Dieses Theaterstück von E.J. habe ich unlängst besucht - es ist eine Aufarbeitung des vor einigen Jahren aufgedeckten Skandals um einen Callgirl-Ring, unter dessen Klientel sich auch Parlamentsangehörige und Staranwälte fanden. Besondere Brisanz bekam die Affaire durch die vermittelten jungen, oft minderjährigen Mädchen aus Osteuropa.
Das Stück besteht im Wesentlichen aus zwei Teilen und einer musikalischen Einstimmung, die Musik untermalt und begleitet das ganze Stück hindurch, sie kommt nie ganz zum Verstummen.
Im ersten vernimmt man den Monolog, die Gedankensprünge einer jungen Frau/Prostituierten. Sie weiß, daß sie eigentlich nur Lustobjekt ist, sie will auch benutzt werden, und es ist ihr bewußt, daß ein geschäftlicher Abend keine Liebesbeziehung ist. Trotzdem hängt sie immer der unendlich oft enttäuschten Hoffnung nach, daß es nicht nur Sex ist/war, sondern daß mehr dahinter steckt.
Hier mein erster Kritikpunkt: Sex, Liebe, Beziehung, Zärtlichkeit und Brutalität werden kommentarlos durcheinandergemischt, zu einander in Beziehung gesetzt, wo es keine gibt.
Im zweiten Teil werden die Abhörprotokolle der Polizei verwendet, die schonungslos zeigen, daß, wenn es um Sex geht, selbst die gebildetsten Menschen, Anwälte, Politiker, zu Tieren werden (können). Die einzelnen Gesprächsfetzen werden immer wieder durch das immer stärker betonte "ficken" zusammengehalten, das den Klebstoff bildet.
Brutal wird vor Augen geführt, daß die Mädchen nur Ware sind, Bildung, Charakter, Wünsche, Ängste, ... werden vollkommen ignoriert, notfalls wird die (bitte minderjährige) Schlampe eben vergewaltigt. Alle noch so extremen Wünsche werden erfüllt.
Aber bitte zum richtigen Termin, denn danach muß der Kunde zu einer Benefiz-Veranstaltung für arme Straßenkinder aus Osteuropa. Aussehen, Haarfarbe, Figur nach Katalog, schließlich ist das ein Gebrauchsgegenstand, kein Mensch ...
Kritikpunkte hier:
Es wäre imho nicht notwendig gewesen, das Wort "ficken" so oft zu verwenden. Ich hatte den Eindruck, daß die Jelinek absichtlich versucht hat, die Zuschauer zu provozieren.
Weiters finde ich diese Sicht auf Prostitution einseitig, da es wieder einmal das Klischee des armen gezwungenen Mädchens nährt. Allerdings muß man hier berücksichtigen, daß dieses Theaterstück eben nur die Aufarbeitung dieses Skandals ist, und keine wissenschaftliche Untersuchung der Szene beabsichtigt hat ...
Generell war der Schauspielerin (die für ihren über eine Stunde langen Monolog wirklich Hochachtung verdient) manchmal schwer zu folgen, da sie stellenweise (sicher beabsichtigt) sehr schnell gesprochen hat.
Ein interessanter Abend, ein interessantes Stück - auch wenn es mich nicht angesprochen hat ...
Liebe Forumsleser, wer von Euch hat dieses Theaterstück auch besucht, wie waren Eure Eindrücke?
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Elfriede Jelinek hat ein offenbar ein schwer gestörtes Verhältnis zur Sexualität und vielen anderen Dingen auch. Das ist zumindest meine Schlussfolgerung (nicht nur) aus diesem Stück.
Sie ist eine der meistüberschätzten Schriftstellerinnen der Gegenwart.
Nur meine Meinung...
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Die Welt ist umso freier, je weniger Religion und je mehr Sex praktiziert wird
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Elfriede Jelinek - über Tiere - von Pitt Herrmann
Elfriede Jelinek - über Tiere - von Pitt Herrmann
Ich sage Sie zu Ihnen, weil ich nicht mehr die nötige Kraft habe, du zu sagen, etwas tief aus mir drinnen herauszuholen, und das auch noch immer dann, wenn Sie es wünschen. Ich bin zu müde, und zwar für alles, aber nicht für Das Alles, von dem ich vorhin gesprochen habe, denn Das Alles ist das Leibhaftige, und das ist fundiert, im Gegensatz zur Instanz, die ihr Fundament erst noch graben muß. Da könnte ja jede kommen und ein Loch wollen.
Die Bühne im Burgtheater-Kasino am Schwarzenbergplatz ist leer. Fast. Links ein Klavier mit einer Pianistin, rechts ein kleines Podium unter einer noch ausgeschalteten Lampe, daneben ein Stuhl mit der Schauspielerin Sylvie Rohrer. Knapp ein Dutzend Klaviere sind linkerhand samt Musiker eingepfercht in einem wesentlich kleineren Raum linkerhand.
Eine Kakophonie (auch falsch gestimmter) Klaviere setzt ein, ein summender Singsang der Musiker kommt hinzu, unterstützt vom regelmäßigen Ticken einiger Metronome. Manchmal glaubt man, Mozarts Phantasie d-Moll (KV 397) dahinter zu entdecken. Immer mehr Pianisten bilden eine Schlange, schieben sich und ihre sperrigen Instrumente auf die benachbarte, wesentlich größere Bühne, um sich aber nicht auf ihr zu verteilen, sondern am hinteren Rand so eng gedrängt wie zuvor aneinander kleben zu bleiben.
Sylvie Rohrer sitzt im Schatten, spricht schnell und viel zu leise, eher vor sich hin als zum Publikum. Der Gesang der zwölf Pianisten verdichtet sich chorisch... Nach diesem halbstündigen Prolog hätte es so weitergehen können, der Text ist schließlich im Programm abgedruckt. Vielleicht wäre ein so spannender Häusermann-Abend daraus geworden wie so mancher an der Berliner Volksbühne und deren Prenzlberg-Dependance Prater zuvor.
So aber begibt sich Sylvie Rohrer samt Stuhl aufs Podest, schaltet die Lampe an, zupft ihr blaues Kleid zurecht – und legt los, eine volle Stunde lang, manchmal begleitet vom bisweilen geradezu kommentierenden Grummeln der Pianisten. Sylvie Rohrers Versuch, ein fiktives Gegenüber direkt anzusprechen und so dialogische Situationen wenigstens erahnen zu lassen, wird ihr - wie die in der Tat bewunderungswürdige Konzentrationsleistung - sechzig Minuten später vom spürbar rundum erleichtert wirkenden Publikum mit Ovationen gedankt. Und das völlig zu Recht.
Eine „musikalische Durchquerung“ nennt der Schweizer Theatermann, Musiker und Komponist Ruedi Häusermann seine Inszenierung der jüngsten Textfläche der österreichischen Literatur-Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek, „Über Tiere“. 21 Burgtheater-Programmheft-Seiten lang, aber mit Punkt und Komma, Groß- und Kleinschreibung und sogar einem Absatz. Besteht das neue „Stück“, für Häusermann übrigens ein „fertig komponiertes Werk“, das keineswegs das Theater bräuchte, doch aus zwei Teilen.
Und sie werden von Sylvie Rohrer, die sich in der ungewöhnlichen, aber doch irgendwie in der Tradition Ernst Jandls und der Wiener Moderne stehenden Uraufführung neunzig Minuten lang monologisierend mit den Wortkaskaden abmüht, nicht zu einem Ganzen zusammengefügt. Was die Mitglieder des Auswahlgremiums der Mülheimer „Stücke“-Tage sicherlich nicht daran hindern wird, „Über Tiere“ als bedeutendes Drama kommendes Jahr an die Ruhr einzuladen.
„Der Text ist nicht leicht zu lesen bzw. es ist schwer, dabei auch seine sinnliche Qualität zu erfassen“ offenbart Regisseur Ruedi Häusermann im Gespräch mit Judith Gerstenberg fürs „Burg“-Programm. Das mit der sinnlichen Qualität kann sich nur auf den ersten Teil beziehen, eine Art Fortschreibung des 1986 veröffentlichten Jelinek-Textes „Begierde & Fahrerlaubnis (eine Ponographie)“: Ein bis zur Resignation verwundetes weibliches Ich spricht zu einem Abwesenden, unterwirft sich ihm als Begehrende, deren Körper nach Gebrauch verlangt, danach „ein Pfad zu werden für das betretende Liebkosen, für das unbesorgte Besorgen“, und verzweifelt im gleichen Augenblick an der Erkenntnis der Unmöglichkeit der Erfüllung dieses Begehrens.
„Checken, schicken, ficken“: Denn im zweiten Teil geht es zwar immer noch und nun erst recht um Sprache, aber nicht mehr um Kunst, um einen fiktiven Text, sondern um konkrete Wirklichkeit, um authentisches Material, um „Klartext“ (Jelinek), den der „Falter“-Journalist Florian Klenk vor zwei Jahren in der Wiener (Szene-) Wochenzeitung publizierte: Frauenhandel im 21. Jahrhundert mit minderjährigen „Penthouse Pets“ aus Osteuropa, die eine noble Wiener Begleitagentur an finanzstarke Herren vermittelt. Die veröffentlichten Abhörprotokolle der Polizei hatten seinerzeit einen veritablen Skandal ausgelöst, da sich unter den Escort-Agentur-Kunden zahlreiche Prominente befanden.
Elfriede Jelinek: „Also der zweite Teil ist ’the real thing’, da fallen alle metasprachlichen Diskurse runter wie Kleider. Da spricht der Herr die Sprache des Herren, und er hat es nicht nötig, blumig drum herumzureden. Er sagt, was er will, er bestellt und bezahlt, und die Frau wird benutzt. Der zweite Teil löscht gewissermaßen den ersten aus und macht ihn dadurch lächerlich.“
Der Artikel wurde entommen:
http://www.herner-netz.de/Jelinek-15050 ... 50507.html
Weitere Informationen über die verwendeten Abhörprotokolle bzw. über die zu Grunde liegende Story:
Der Auslöser:
viewtopic.php?t=202
Gerichtliches:
viewtopic.php?t=795
Ich sage Sie zu Ihnen, weil ich nicht mehr die nötige Kraft habe, du zu sagen, etwas tief aus mir drinnen herauszuholen, und das auch noch immer dann, wenn Sie es wünschen. Ich bin zu müde, und zwar für alles, aber nicht für Das Alles, von dem ich vorhin gesprochen habe, denn Das Alles ist das Leibhaftige, und das ist fundiert, im Gegensatz zur Instanz, die ihr Fundament erst noch graben muß. Da könnte ja jede kommen und ein Loch wollen.
Die Bühne im Burgtheater-Kasino am Schwarzenbergplatz ist leer. Fast. Links ein Klavier mit einer Pianistin, rechts ein kleines Podium unter einer noch ausgeschalteten Lampe, daneben ein Stuhl mit der Schauspielerin Sylvie Rohrer. Knapp ein Dutzend Klaviere sind linkerhand samt Musiker eingepfercht in einem wesentlich kleineren Raum linkerhand.
Eine Kakophonie (auch falsch gestimmter) Klaviere setzt ein, ein summender Singsang der Musiker kommt hinzu, unterstützt vom regelmäßigen Ticken einiger Metronome. Manchmal glaubt man, Mozarts Phantasie d-Moll (KV 397) dahinter zu entdecken. Immer mehr Pianisten bilden eine Schlange, schieben sich und ihre sperrigen Instrumente auf die benachbarte, wesentlich größere Bühne, um sich aber nicht auf ihr zu verteilen, sondern am hinteren Rand so eng gedrängt wie zuvor aneinander kleben zu bleiben.
Sylvie Rohrer sitzt im Schatten, spricht schnell und viel zu leise, eher vor sich hin als zum Publikum. Der Gesang der zwölf Pianisten verdichtet sich chorisch... Nach diesem halbstündigen Prolog hätte es so weitergehen können, der Text ist schließlich im Programm abgedruckt. Vielleicht wäre ein so spannender Häusermann-Abend daraus geworden wie so mancher an der Berliner Volksbühne und deren Prenzlberg-Dependance Prater zuvor.
So aber begibt sich Sylvie Rohrer samt Stuhl aufs Podest, schaltet die Lampe an, zupft ihr blaues Kleid zurecht – und legt los, eine volle Stunde lang, manchmal begleitet vom bisweilen geradezu kommentierenden Grummeln der Pianisten. Sylvie Rohrers Versuch, ein fiktives Gegenüber direkt anzusprechen und so dialogische Situationen wenigstens erahnen zu lassen, wird ihr - wie die in der Tat bewunderungswürdige Konzentrationsleistung - sechzig Minuten später vom spürbar rundum erleichtert wirkenden Publikum mit Ovationen gedankt. Und das völlig zu Recht.
Eine „musikalische Durchquerung“ nennt der Schweizer Theatermann, Musiker und Komponist Ruedi Häusermann seine Inszenierung der jüngsten Textfläche der österreichischen Literatur-Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek, „Über Tiere“. 21 Burgtheater-Programmheft-Seiten lang, aber mit Punkt und Komma, Groß- und Kleinschreibung und sogar einem Absatz. Besteht das neue „Stück“, für Häusermann übrigens ein „fertig komponiertes Werk“, das keineswegs das Theater bräuchte, doch aus zwei Teilen.
Und sie werden von Sylvie Rohrer, die sich in der ungewöhnlichen, aber doch irgendwie in der Tradition Ernst Jandls und der Wiener Moderne stehenden Uraufführung neunzig Minuten lang monologisierend mit den Wortkaskaden abmüht, nicht zu einem Ganzen zusammengefügt. Was die Mitglieder des Auswahlgremiums der Mülheimer „Stücke“-Tage sicherlich nicht daran hindern wird, „Über Tiere“ als bedeutendes Drama kommendes Jahr an die Ruhr einzuladen.
„Der Text ist nicht leicht zu lesen bzw. es ist schwer, dabei auch seine sinnliche Qualität zu erfassen“ offenbart Regisseur Ruedi Häusermann im Gespräch mit Judith Gerstenberg fürs „Burg“-Programm. Das mit der sinnlichen Qualität kann sich nur auf den ersten Teil beziehen, eine Art Fortschreibung des 1986 veröffentlichten Jelinek-Textes „Begierde & Fahrerlaubnis (eine Ponographie)“: Ein bis zur Resignation verwundetes weibliches Ich spricht zu einem Abwesenden, unterwirft sich ihm als Begehrende, deren Körper nach Gebrauch verlangt, danach „ein Pfad zu werden für das betretende Liebkosen, für das unbesorgte Besorgen“, und verzweifelt im gleichen Augenblick an der Erkenntnis der Unmöglichkeit der Erfüllung dieses Begehrens.
„Checken, schicken, ficken“: Denn im zweiten Teil geht es zwar immer noch und nun erst recht um Sprache, aber nicht mehr um Kunst, um einen fiktiven Text, sondern um konkrete Wirklichkeit, um authentisches Material, um „Klartext“ (Jelinek), den der „Falter“-Journalist Florian Klenk vor zwei Jahren in der Wiener (Szene-) Wochenzeitung publizierte: Frauenhandel im 21. Jahrhundert mit minderjährigen „Penthouse Pets“ aus Osteuropa, die eine noble Wiener Begleitagentur an finanzstarke Herren vermittelt. Die veröffentlichten Abhörprotokolle der Polizei hatten seinerzeit einen veritablen Skandal ausgelöst, da sich unter den Escort-Agentur-Kunden zahlreiche Prominente befanden.
Elfriede Jelinek: „Also der zweite Teil ist ’the real thing’, da fallen alle metasprachlichen Diskurse runter wie Kleider. Da spricht der Herr die Sprache des Herren, und er hat es nicht nötig, blumig drum herumzureden. Er sagt, was er will, er bestellt und bezahlt, und die Frau wird benutzt. Der zweite Teil löscht gewissermaßen den ersten aus und macht ihn dadurch lächerlich.“
Der Artikel wurde entommen:
http://www.herner-netz.de/Jelinek-15050 ... 50507.html
Weitere Informationen über die verwendeten Abhörprotokolle bzw. über die zu Grunde liegende Story:
Der Auslöser:
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Gerichtliches:
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“sixela“ hat geschrieben: Sie ist eine der meistüberschätzten Schriftstellerinnen der
Gegenwart
Ich tue mir mit solchen aussagen sehr schwer. Worin wird sie von wem
weswegen überschätzt?
Man sollte auch sauber die betrachtungskriterienen trennen.
Die eine seite ist die betrachtung über IHRER KUNST. Die ist, ähnlich wie
bei nitsch extrem hoch, wendet man als kriterien anerkannte
kunstdefinitionen an
Die andere seite ist DAS GEFALLEN ihrer werke. Mir gefallen die meisten
werke von ihr gar nicht, von nitsch bisher kein einziges mir bekanntes.
d.h. ich achte sehr deren große kunst, würde mir aber nur werke ins haus
hängen die mir gefallen und so wird leider keines deren werke zu mir finden.
GEFALLEN und KUNST sind zwei total unterschiedliche begrifflichkeiten und
betrachtungsweisen.
“Luci“ hat geschrieben: Kritikpunkt: Sex, Liebe, Beziehung, Zärtlichkeit und
Brutalität werden kommentarlos durcheinandergemischt, zu einander in
Beziehung gesetzt, wo es keine gibt.
hmmm, also genau so wie meist im realem leben, oder ;-) also sehr gut
eingefangen und dargestellt!
“Luci“ hat geschrieben: Kritikpunkt: nicht notwendig gewesen, das Wort "ficken" so
oft zu verwenden. Ich hatte den Eindruck, daß die Jelinek absichtlich
versucht hat, die Zuschauer zu provozieren.
naja, das wort ficken wurde nicht als mittel der provokation eingesetzt,
sondern stellte die metabotschaft über das ganze geschehen dar,
gewissermassen war es die audiotative visualisierung des eigentlichen
inhalts desen, um was es den beteiligtten ging. Ich finde es wurde damit ein
sehr gutes künstlerisches mittel hierfür die gewählt.
“Luci“ hat geschrieben: Kritikpunkt: …keine wissenschaftliche Untersuchung der Szene
beabsichtigt hat ...
tja, du verwirrst mich etwas. Du gehst in ein theater. Theater bedeutet
KUNST nicht wissenschaftliches arbeiten. Wäre es zweiteres, würde man es
labor nennen! Und dann erwartest du eine art umfassende wissenschaftliche
gesamtanalyse? Wunder wunder wunder
“Luci“ hat geschrieben: … manchmal schwer zu folgen, da sie stellenweise (sicher
beabsichtigt) sehr schnell gesprochen hat…
t ...
auch das war ein wichtiges künstlerisches darstellungsmittel. Es sollte die
schnelllebigkeit transferieren, darstellen, wie schnell die faruen
verbraucht sind, wie schnell aus dem erinnern ihrer kunden gestrichen, wie
schnell vom viel geld verdienen weg…. Damit man aber den wichtigen passagen
folgen konnte, wurden sie –geschickt variiert- immer wieder wiederholt und
so beides –verständlichkeit und flüchtigkeit- gut umgesetzt
ich kenne jelinek persönlich von einigen diskusionen/lesungen (die sie
leider nur seeeehr selten macht) und muss sagen, sie hat sicher nicht
umsonst den nobelpreis für ihr werk bekommen. Hohe achtung vor ihrer KUNST.
Aber sie hätte auch einen nobelpreis fürs zickensein verdient!
Mir persönlich GEFALLEN auch die meisten ihrer werke nicht (TRENNUNG von
KUNST und GEFALLEN!), mit …über tiere… hat sie aber über die anerkennung
ihrer KUNST hinaus auch mein GEFALLEN (für DIESES werk) gefunden.
Wenn man in ein museum geht, eine vernissage besucht oder theater sowie
konzert beiwohnt, so sollte man zumindest zwei dinge unterscheiden.
Erstens die KÜNSTLERISCHE betrachtung und zweitens, die subjektive frage
des GEFALLENS! Ich denke, nur dann kann man adäquaten genuss empfangen und
bezugskompetent dialogisieren.
Aber wir mischen halt nicht nur SEX und LIEBE gerne ineinander
(Eingangskritik), sondern eben auch KUNST und GEFALLEN ;-)
übrigens, ich hab das stück im kasino nicht in der burg gesehen, in der burg war am 1207 dann große publikumsdiskus...
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Ist auch im Kasino Schwarzenbergplatz, wo ich es auch gesehen habe.sokrates hat geschrieben: übrigens, ich hab das stück im kasino nicht in der burg gesehen
Ich weiß nicht, wer ohne mein Wissen den Titel meines Postings verändert und "Burgtheater" includiert hat - aber dieser jemand weiß sicher mehr als ich.
Übrigens, lieber Soki, wenn ich mir Deine Statements so ansehe, dann verstärkt sich meine Impression, daß Du die Weisheit mitm Löffl gfressn hast.
Also ich hol mir jetzt auch noch ein paar davon, bring meine grauen Zellen zum Schwitzen und werd Dir dann in den folgenden Tagen eine adäquate Antwort präsentieren.

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@Luci
Es wurde bereits beim ersten Posting "Burgtheater" geschrieben! Dies hat Niemand hineineditiert! Die einzige Änderung die es gab, war von Dir selbst 2 Minuten nach Absendung des ursprünglichen Postings - diese Änderung hat aber nicht den Titel betroffen, der lautete von Anfang an "Burgtheater - El....."
Postings kann man nach einem gewissen Zeitraum nur als Moderator ändern, aber auch da sehen wir, wer was geändert hat.
Zwerg
Es wurde bereits beim ersten Posting "Burgtheater" geschrieben! Dies hat Niemand hineineditiert! Die einzige Änderung die es gab, war von Dir selbst 2 Minuten nach Absendung des ursprünglichen Postings - diese Änderung hat aber nicht den Titel betroffen, der lautete von Anfang an "Burgtheater - El....."
Postings kann man nach einem gewissen Zeitraum nur als Moderator ändern, aber auch da sehen wir, wer was geändert hat.
Zwerg
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Mit "anerkannten Kunstdefinitionen" tu ich mir schwer. Ist ähnlich wie mit "political correctness": Eine selbsternannte Gruppe von "Experten" legt Kunstdefinitionen fest, unter die dann nur eine bestimmte "Klasse" von Künstlern fällt. Ich nehme mir einfach die Freiheit, diese nicht ernst zu nehmen, auch wenn dann ein sokrates wahrscheinlich behaupten würde, ich hätte keine Ahnungsokrates hat geschrieben:Ich tue mir mit solchen aussagen sehr schwer. Worin wird sie von wemsixela hat geschrieben: Sie ist eine der meistüberschätzten Schriftstellerinnen der
Gegenwart
weswegen überschätzt?
Man sollte auch sauber die betrachtungskriterienen trennen.
Die eine seite ist die betrachtung über IHRER KUNST. Die ist, ähnlich wie
bei nitsch extrem hoch, wendet man als kriterien anerkannte
kunstdefinitionen an
...

Überschätzt wird Jelinek von den meisten medialen Kunstkritikern. Der Nobelpreis ist im übrigen auch kein Kriterium, den haben schon noch unnötigere Leute als Jelinek bekommen.
Wie gesagt, nur meine Meinung...
sixela
Die Welt ist umso freier, je weniger Religion und je mehr Sex praktiziert wird
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Soki: Die eine seite ist die betrachtung über IHRER KUNST. Die ist, ähnlich wie
bei nitsch extrem hoch, wendet man als kriterien anerkannte
kunstdefinitionen an
Luci: Wie sieht diese allgemein anerkannte kunstdefinition aus?
Habe nämlich ein wenig im Netz gestöbert, und die Meinungen, was Kunst ist, gehen weit auseinander …
Soki: Die andere seite ist DAS GEFALLEN ihrer werke. Mir gefallen die meisten
werke von ihr gar nicht, von nitsch bisher kein einziges mir bekanntes.
d.h. ich achte sehr deren große kunst, würde mir aber nur werke ins haus
hängen die mir gefallen und so wird leider keines deren werke zu mir finden.
GEFALLEN und KUNST sind zwei total unterschiedliche begrifflichkeiten und
betrachtungsweisen.
Luci: Da gebe ich Dir recht. Ich weiß, daß ich mich da jetzt als Laie auf sehr dünnes Eis begebe, aber korrigier mich einfach, wenn ich falsch liege:
Kunst kann „schön“ im Sinne von ästhetisch sein (Photos von Mapplethorpe) und gefallen, muß es aber nicht (Bilder von Nitsch, die mir überhaupt nicht gefallen).
Frage: Darf Kunst schön sein?
Ich bin mir sicher, daß es diese Diskussion in der geschichte schon mal gab …
Soki: hmmm, also genau so wie meist im realem leben, oder ;-) also sehr gut
eingefangen und dargestellt!
Luci: Der Punkt geht an Dich. Ich weiß, es ist sehr gefährlich, von seiner eigenen Sichtweise auszugehen …
Soki: tja, du verwirrst mich etwas. Du gehst in ein theater. Theater bedeutet
KUNST nicht wissenschaftliches arbeiten. Wäre es zweiteres, würde man es
labor nennen! Und dann erwartest du eine art umfassende wissenschaftliche
gesamtanalyse? Wunder wunder wunder
Luci: Achtung, SELBSTIRONIE!
Soki: auch das war ein wichtiges künstlerisches darstellungsmittel. Es sollte die
schnelllebigkeit transferieren, darstellen, wie schnell die faruen
verbraucht sind, wie schnell aus dem erinnern ihrer kunden gestrichen, wie
schnell vom viel geld verdienen weg…. Damit man aber den wichtigen passagen
folgen konnte, wurden sie –geschickt variiert- immer wieder wiederholt und
so beides –verständlichkeit und flüchtigkeit- gut umgesetzt
Luci: so hab ich das noch nicht gesehen, aber stimmt, jetzt wo Du mich darauf aufmerksam machst, erinnere ich mich: viele passagen wurden in variationen wiederholt
Soki: Wenn man in ein museum geht, eine vernissage besucht oder theater sowie
konzert beiwohnt, so sollte man zumindest zwei dinge unterscheiden.
Erstens die KÜNSTLERISCHE betrachtung und zweitens, die subjektive frage
des GEFALLENS! Ich denke, nur dann kann man adäquaten genuss empfangen und
bezugskompetent dialogisieren.
Luci: Und was mache ich, wenn ich keine adäquate Vorbildung habe und mir auch vorher niemand das Stück erklärt hat?
Vieles, das Du in Deinem posting dargelegt hast, wäre zum Beispiel für mich hilfreich gewesen und ich hätte vieles besser verstanden. Ich bin nämlich eher als der total unbedarfte Durchschnittstheaterbesucher hingegangen.
Wobei wir wieder mal bei der Frage sind: Soll Kunst verstehbar sein, oder soll sie es nicht, um nur einem kleinen Teil des Publikums zugänglich zu sein? Soll ein Künstler Erklärungen abgeben, oder sollen die Involvierten selber draufkommen, was eigentlich alles in dem Werk steckt?
Soki: Aber wir mischen halt nicht nur SEX und LIEBE gerne ineinander
(Eingangskritik), sondern eben auch KUNST und GEFALLEN ;-)
Luci: Sex und Liebe mische ich nur bei meinem geliebten Partner ineinander.
Kunst und Gefallen finde ich schwierig zu trennen … da muß ich noch üben und brauche wohl noch einige Erläuterungen …
Bin gespannt auf Deine Antwort ...
Luci
bei nitsch extrem hoch, wendet man als kriterien anerkannte
kunstdefinitionen an
Luci: Wie sieht diese allgemein anerkannte kunstdefinition aus?
Habe nämlich ein wenig im Netz gestöbert, und die Meinungen, was Kunst ist, gehen weit auseinander …
Soki: Die andere seite ist DAS GEFALLEN ihrer werke. Mir gefallen die meisten
werke von ihr gar nicht, von nitsch bisher kein einziges mir bekanntes.
d.h. ich achte sehr deren große kunst, würde mir aber nur werke ins haus
hängen die mir gefallen und so wird leider keines deren werke zu mir finden.
GEFALLEN und KUNST sind zwei total unterschiedliche begrifflichkeiten und
betrachtungsweisen.
Luci: Da gebe ich Dir recht. Ich weiß, daß ich mich da jetzt als Laie auf sehr dünnes Eis begebe, aber korrigier mich einfach, wenn ich falsch liege:
Kunst kann „schön“ im Sinne von ästhetisch sein (Photos von Mapplethorpe) und gefallen, muß es aber nicht (Bilder von Nitsch, die mir überhaupt nicht gefallen).
Frage: Darf Kunst schön sein?
Ich bin mir sicher, daß es diese Diskussion in der geschichte schon mal gab …
“Luci“ hat geschrieben: Kritikpunkt: Sex, Liebe, Beziehung, Zärtlichkeit und
Brutalität werden kommentarlos durcheinandergemischt, zu einander in
Beziehung gesetzt, wo es keine gibt.
Soki: hmmm, also genau so wie meist im realem leben, oder ;-) also sehr gut
eingefangen und dargestellt!
Luci: Der Punkt geht an Dich. Ich weiß, es ist sehr gefährlich, von seiner eigenen Sichtweise auszugehen …
“Luci“ hat geschrieben: Kritikpunkt: …keine wissenschaftliche Untersuchung der Szene
beabsichtigt hat ...
Soki: tja, du verwirrst mich etwas. Du gehst in ein theater. Theater bedeutet
KUNST nicht wissenschaftliches arbeiten. Wäre es zweiteres, würde man es
labor nennen! Und dann erwartest du eine art umfassende wissenschaftliche
gesamtanalyse? Wunder wunder wunder
Luci: Achtung, SELBSTIRONIE!

“Luci“ hat geschrieben: … manchmal schwer zu folgen, da sie stellenweise (sicher
beabsichtigt) sehr schnell gesprochen hat…
Soki: auch das war ein wichtiges künstlerisches darstellungsmittel. Es sollte die
schnelllebigkeit transferieren, darstellen, wie schnell die faruen
verbraucht sind, wie schnell aus dem erinnern ihrer kunden gestrichen, wie
schnell vom viel geld verdienen weg…. Damit man aber den wichtigen passagen
folgen konnte, wurden sie –geschickt variiert- immer wieder wiederholt und
so beides –verständlichkeit und flüchtigkeit- gut umgesetzt
Luci: so hab ich das noch nicht gesehen, aber stimmt, jetzt wo Du mich darauf aufmerksam machst, erinnere ich mich: viele passagen wurden in variationen wiederholt
Soki: Wenn man in ein museum geht, eine vernissage besucht oder theater sowie
konzert beiwohnt, so sollte man zumindest zwei dinge unterscheiden.
Erstens die KÜNSTLERISCHE betrachtung und zweitens, die subjektive frage
des GEFALLENS! Ich denke, nur dann kann man adäquaten genuss empfangen und
bezugskompetent dialogisieren.
Luci: Und was mache ich, wenn ich keine adäquate Vorbildung habe und mir auch vorher niemand das Stück erklärt hat?
Vieles, das Du in Deinem posting dargelegt hast, wäre zum Beispiel für mich hilfreich gewesen und ich hätte vieles besser verstanden. Ich bin nämlich eher als der total unbedarfte Durchschnittstheaterbesucher hingegangen.
Wobei wir wieder mal bei der Frage sind: Soll Kunst verstehbar sein, oder soll sie es nicht, um nur einem kleinen Teil des Publikums zugänglich zu sein? Soll ein Künstler Erklärungen abgeben, oder sollen die Involvierten selber draufkommen, was eigentlich alles in dem Werk steckt?
Soki: Aber wir mischen halt nicht nur SEX und LIEBE gerne ineinander
(Eingangskritik), sondern eben auch KUNST und GEFALLEN ;-)
Luci: Sex und Liebe mische ich nur bei meinem geliebten Partner ineinander.
Kunst und Gefallen finde ich schwierig zu trennen … da muß ich noch üben und brauche wohl noch einige Erläuterungen …
Bin gespannt auf Deine Antwort ...
Luci
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Körper und Inszenierung
Der bulgarische Künstler: Ivo Dimchev inszeniert sich in:
"Lili Handel - Dichtung und Musik aus dem Boudoir der weißen Hure"

"Es geht um Geschichten, die aus den Erinnerungen ihres Körpers gespeist werden
...
Süchtig nach der Aufmerksamkeit
...
wissend um den eigenen körperlichen Verfall, der sie mehr und mehr zu einer geschlechtslosen Kreatur werden lässt, scheut die Hure oder Diva kein Mittel, um ihr Innerstes zu veräußern.
...
im Physical Theatre wurzelnde künstlerische Arbeit, die keine Genregrenzen kennt
...
Spielen mit Schmerz
...
Ihn faszinierten die extremen Körpererfahrungen des japanischen Butô (Tanz der Finsternis - Wikipedia)
...
Der Tänzer versetzte sich in eine Art Trance und versuchte die dem Körper eingeschriebenen dunklen Schichten zur Erscheinung zu bringen.
...
Er spielt mit der Schönheit des Ungesunden und des akzeptierten Schmerzes – und mit der süßen Verführung des eigenen Körpers im Genuss und in der gleichzeitigen Impotenz, er selbst zu sein."
Vieles kommt mir vertraut vor. Wie geht es Euch?
.
"Lili Handel - Dichtung und Musik aus dem Boudoir der weißen Hure"

"Es geht um Geschichten, die aus den Erinnerungen ihres Körpers gespeist werden
...
Süchtig nach der Aufmerksamkeit
...
wissend um den eigenen körperlichen Verfall, der sie mehr und mehr zu einer geschlechtslosen Kreatur werden lässt, scheut die Hure oder Diva kein Mittel, um ihr Innerstes zu veräußern.
...
im Physical Theatre wurzelnde künstlerische Arbeit, die keine Genregrenzen kennt
...
Spielen mit Schmerz
...
Ihn faszinierten die extremen Körpererfahrungen des japanischen Butô (Tanz der Finsternis - Wikipedia)
...
Der Tänzer versetzte sich in eine Art Trance und versuchte die dem Körper eingeschriebenen dunklen Schichten zur Erscheinung zu bringen.
...
Er spielt mit der Schönheit des Ungesunden und des akzeptierten Schmerzes – und mit der süßen Verführung des eigenen Körpers im Genuss und in der gleichzeitigen Impotenz, er selbst zu sein."
Vieles kommt mir vertraut vor. Wie geht es Euch?
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Mit Verspätung uraufgeführt.
Die Hure im Lumpenhaufen
Von Karsten Mark am 3. Oktober 2007 16:16 Uhr
DUISBURG Eines ist sicher: Mit Veronica Ferres wäre die Duisburger Gebläsehalle bei der "Courasche"-Uraufführung ausverkauft gewesen.
Wilhelm Genazinos "Courasche oder Gott lass nach" ist ein Jahr nach der geplanten Uraufführung und der Absage von Ferres, die sich in der Rolle der Soldatenhure um ihr Image sorgte, endlich auf die Bühne der RuhrTriennale gekommen - mit drei hervorragenden Schauspielerinnen.
Julischka Eichel, Barbara Nüsse und Anna Franziska Srna schlüpfen in die Rolle der Courasche. Büchner-Preisträger Genazino hat sich bei seiner dreiteiligen Kreation auf die 1670 erschienene Urfassung von Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen gestützt, weniger auf Brechts berühmte Dramenfassung.
Einfache Sorgen
Genazinos holt die Marketenderin und Hure des Dreißigjährigen Kriegs in die Gegenwart, um sie dann wieder in die Vergangenheit zu rücken. Im ersten Teil steht die Hure unserer Zeit auf der Bühne - eine einfache Frau mit einfachen Sorgen und Weisheiten: "Zu Männern mit Strickwesten und großen Unterhosen kann man Vertrauen haben."
Genazino spielt ganz unverhohlen mit Geschlechterklischees und verschafft sich damit einen gewissen Vorrat an Komik, um die bitterste, die mittlere Episode, zu bewältigen.
Die Courasche als Flüchtling am Ende des Zweiten Weltkriegs, von den Russen vergewaltigt, das Kind verloren, selber beinahe verhungert, prostituiert sich für ein Stück hartes Brot. Dort macht das Bühnenbild von Andrea Uhmann Sinn: Das Stück spielt auf einem Haufen Lumpen.
Regisseurin Stephanie Mohr inszeniert puristisch auf den Dialog hin. Es funktioniert, weil die Darstellerinnen und Daniel Rohr in den Männerrollen starke Schauspieler sind. Die Live-Videoprojektion an der Decke wäre hingegen verzichtbar.
Der hörenswerte Männerchor aus Wien dient der Auflockerung. Die kann das Stück vertragen, vor allem die mittlere Episode ist ein wenig lang geraten.
Sprache kein Skandal
Mit einem Schlussakt im 19. Jahrhundert und der Courage als sexuell ausgebeutetes Dienstmädchen zeigen Autor und Regie, dass sie es auch besser auf den Punkt bringen können.
Wenn Ferres die "ordinärer Sprache" moniert, lässt sich die nicht von der Hand weisen. Für einen Skandal reicht das aber sicher nicht.
Termine: 5., 6., 8., 9. und 10. Oktober, jeweils 20 Uhr. Karten: 070 020 02 34 56.
www.ruhrtriennale.de
Quelle: ruhrNachrichten.de

So toll treiben es die Trümmerfrauen
VON GÜNTHER HENNECKE, 04.10.07, 21:45h
Duisburg - Dieser Courage ist ihre bekannte Kriegs-Geschichte ausgetrieben worden. Aus Grimmelshausens „Ertzbetrügerin und Landstörtzerin“, die Büchner-Preisträger Wilhelm Genazino als Vorlage für seine „Courasche oder Gott lass nach“ beansprucht, ist eine Neuzeit-Hure geworden.
Jedenfalls im ersten Bild der Uraufführung seines neuen, im Auftrag der Ruhr-Triennale in der Duisburger Gebläsehalle präsentierten Stücks (Regie: Stephanie Mohr). Hier ist Courasche jedenfalls keineswegs eine Mutter, die Kind, Hab und Gut verteidigt. Begleitet von zwei Kolleginnen, entsteigt sie zwar einem eindringlichen Lumpenszenario (Bühne Andrea Uhmann), hat aber nichts im Sinn, als es den Männern zu besorgen. Da ist - man kommt wegen der massenweise Verwendung der Begriffe nicht umhin, sie zu zitieren - so viel vom Vögeln und Ficken die Rede, dass das Bild der Vorlage platt und derangiert auf der Strecke bleibt.
Dass ein Chor aus acht Männern (das Vokalensemble des Philharmonia Chors Wien), den Irrgarten aus kniehoch aufgehäuften Lumpen umschreitend, Psalmen und Weisen aus dem 16. Jahrhundert singt, wenig später sogar wissen will, „wieviel Sternlein stehen“, ist herzallerliebstes Kontrastprogramm. So nebenher werden wir auch mit der Erkenntnis beglückt, dass „ein rammelnder Mann das einfältigste ist, was es auf der Welt gibt“. So weit, so billig.
Dass auch der Himmel nichts Besseres zu bieten hat, soll uns wohl der Teil des Bühnenbildes vermitteln, der wie eine Wolke unter der Decke hängt. Auf ihm ist - von einer Video-Kamera übertragen - noch einmal das Elend im Detail zu sehen, das sich unten in der Welt abspielt. Doch dann kippt das Geschehen ins Weltkriegs-Elend. Die es zuvor gegen Bares mit kompletten Betriebsräten und Friseur-Vorständen trieben, sind zu Trümmerfrauen mutiert, die sich aus purer Not jedem hingeben, der ihnen trocken Brot oder eine Wehrmachtsjacke bietet. Mit den Worten „Aber mach's bitte kurz“, bückt sich die Heldin und kaut das Brot.
Immerhin wird ein Hauch jener Courasche erkennbar, die man kennt, besser: zu kennen glaubte, ehe Genazino sie ins wahre Leben führte. Barbara Nüsse ist es zu danken, dass ein wenig von der Tragik und der Verzweiflung, aber auch vom Überlebenswillen erkennbar wird, die diese Frau antreibt. Gleichwohl ist die Erkenntnis, dass Frauen unter Kriegen und Männern leiden, Männer vor allem unter sexueller Not, nicht gerade aufregend. Wenn schließlich der „ehrwürdige Herr“ das Dienstmädchen nimmt, weil die Gattin unter Kopfschmerzen leidet - dann hat es uns endgültig in dramatische Niederungen verschlagen.
75 Minuten ohne Pause. Aufführungen am 5., 6., 8., 9., 10. Oktober; Karten unter 0700 - 20 02 34 56.
Quelle: rundschau-online.de
Ruhrtriennale: Genazinos "Courasche" uraufgeführt
Es geht um das Elend der Bordelle: Wilhelm Genazinos Dreiakter "Courasche oder Gott lass nach" ist gestern uraufgeführt worden. Das Publikum feierte die Auftragsarbeit der Ruhrtriennale in Duisburg mit langem Applaus.
Mutter Courage ist eine der berühmtesten weiblichen Theaterfiguren. Die gleichnamige Chronik aus dem Dreißigjährigen Krieg von Bertolt Brecht hat sie bekannt und populär gemacht. Brecht stützte sich auf den Kurzroman "Trutz Simplex Oder Lebensbeschreibung der Ertzbetrügerin und Landstörzerin Courasche", den Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen 1670 veröffentlicht hat. Jetzt hat Büchnerpreisträger Wilhelm Genazino die Figur zu neuem Leben erweckt.
Courasche, die Titelfigur, wird von drei Schauspielerinnen verkörpert: Julischka Eichel spielt die junge, Anna Franziska Srna die mittlere und Barbara Nüsse die alte Courasche. Im ersten Akt ist Courasche eine routinierte Hure in einem trostlosen Puff von heute, im dritten und letzten Akt spielt sie ein Zimmermädchen vor gut hundert Jahren, dem der gnädige Herr nachstellt wie in Arthur Schnitzlers "Reigen". Das Hauptbild liegt in der Mitte: der zweite Akt spielt auf der Flucht, 1945, westlich von Stettin. Courasche ist kurz vor dem Verhungern. Sie erzählt ihre Geschichte einem Soldaten, der desertiert ist. Er begehrt die in Lumpen gehüllte Frau - die beiden kommen ins Geschäft. Ein Brocken trockenes Brot wechselt den Besitzer und die Courasche ist dem Soldaten zu Willen.
Veronica Ferres gab Rolle zurück [InfoMail PROstitution informierte]
Wilhelm Genazino ist der Chronist des grauen Alltags, ein Feind aller Verklärung. Insofern war es von Veronica Ferres - eine Schauspielerin, die den Glamour liebt - konsequent, die Rolle im letzten Jahr zurückzugeben. Freilich wäre die Courasche eine interessante Erweiterung ihrer Darstellungskunst gewesen - Veronica Ferres ist eine wandlungsfähige Aktrice. Schade, dass sie vor dieser Herausforderung zurückgeschreckt ist. Doch auch ohne sie ist die Uraufführung, selbst wenn sie um ein Jahr verspätet herauskommt, geglückt.
Stephanie Mohr übernimmt Genazinos Ästhetik für ihre Inszenierung. Die Regisseurin betont die Schlichtheit, ja Schäbigkeit. Die drei Hauptdarstellerinnen spielen außerordentlich nüchtern - und bekommen einen verblüffenden Kontrapunkt, einen achtköpfigen Männerchor: Das Vokal-Ensemble des Philharmonia Chors Wien singt vom Tanzen und Springen und vom Maien - spielt aber Männer, die sich neugierig im Bordellviertel umschauen. Der Kontrast beschwört den Geist der Heuchelei, der mit der Prostitution einhergeht.
Die Uraufführung dauert nur fünf Viertelstunden - aber sie hat es in sich. Weder das Stück noch die Inszenierung hebt den moralischen Zeigefinger. Wilhelm Genazino wie seine Regisseurin Stephanie Mohr weisen nur darauf hin, welche Potenziale verloren gehen, wenn Männer sich mit dieser schalen Befriedigung ihrer Sexualität zufrieden geben. Genazinos "Courasche", ein absurdes Drama über einen beklagenswerten Zustand, fordert geradezu dazu auf, gegen das Elend der Bordelle anzugehen.
Quelle: zeit.de
Das Elend der Bordelle konnte entstehen, weil Sexwork nicht kultiviert werden durfte, weil Prostitution über Jahrhunderte nicht geduldet wurde. Jetzt wird das Elend als Argument gegen die Prostitution gewendet. Welche unreflektierte Scheinheiligkeit und Doppelmoral.
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Von Karsten Mark am 3. Oktober 2007 16:16 Uhr
DUISBURG Eines ist sicher: Mit Veronica Ferres wäre die Duisburger Gebläsehalle bei der "Courasche"-Uraufführung ausverkauft gewesen.
Wilhelm Genazinos "Courasche oder Gott lass nach" ist ein Jahr nach der geplanten Uraufführung und der Absage von Ferres, die sich in der Rolle der Soldatenhure um ihr Image sorgte, endlich auf die Bühne der RuhrTriennale gekommen - mit drei hervorragenden Schauspielerinnen.
Julischka Eichel, Barbara Nüsse und Anna Franziska Srna schlüpfen in die Rolle der Courasche. Büchner-Preisträger Genazino hat sich bei seiner dreiteiligen Kreation auf die 1670 erschienene Urfassung von Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen gestützt, weniger auf Brechts berühmte Dramenfassung.
Einfache Sorgen
Genazinos holt die Marketenderin und Hure des Dreißigjährigen Kriegs in die Gegenwart, um sie dann wieder in die Vergangenheit zu rücken. Im ersten Teil steht die Hure unserer Zeit auf der Bühne - eine einfache Frau mit einfachen Sorgen und Weisheiten: "Zu Männern mit Strickwesten und großen Unterhosen kann man Vertrauen haben."
Genazino spielt ganz unverhohlen mit Geschlechterklischees und verschafft sich damit einen gewissen Vorrat an Komik, um die bitterste, die mittlere Episode, zu bewältigen.
Die Courasche als Flüchtling am Ende des Zweiten Weltkriegs, von den Russen vergewaltigt, das Kind verloren, selber beinahe verhungert, prostituiert sich für ein Stück hartes Brot. Dort macht das Bühnenbild von Andrea Uhmann Sinn: Das Stück spielt auf einem Haufen Lumpen.
Regisseurin Stephanie Mohr inszeniert puristisch auf den Dialog hin. Es funktioniert, weil die Darstellerinnen und Daniel Rohr in den Männerrollen starke Schauspieler sind. Die Live-Videoprojektion an der Decke wäre hingegen verzichtbar.
Der hörenswerte Männerchor aus Wien dient der Auflockerung. Die kann das Stück vertragen, vor allem die mittlere Episode ist ein wenig lang geraten.
Sprache kein Skandal
Mit einem Schlussakt im 19. Jahrhundert und der Courage als sexuell ausgebeutetes Dienstmädchen zeigen Autor und Regie, dass sie es auch besser auf den Punkt bringen können.
Wenn Ferres die "ordinärer Sprache" moniert, lässt sich die nicht von der Hand weisen. Für einen Skandal reicht das aber sicher nicht.
Termine: 5., 6., 8., 9. und 10. Oktober, jeweils 20 Uhr. Karten: 070 020 02 34 56.
www.ruhrtriennale.de
Quelle: ruhrNachrichten.de

So toll treiben es die Trümmerfrauen
VON GÜNTHER HENNECKE, 04.10.07, 21:45h
Duisburg - Dieser Courage ist ihre bekannte Kriegs-Geschichte ausgetrieben worden. Aus Grimmelshausens „Ertzbetrügerin und Landstörtzerin“, die Büchner-Preisträger Wilhelm Genazino als Vorlage für seine „Courasche oder Gott lass nach“ beansprucht, ist eine Neuzeit-Hure geworden.
Jedenfalls im ersten Bild der Uraufführung seines neuen, im Auftrag der Ruhr-Triennale in der Duisburger Gebläsehalle präsentierten Stücks (Regie: Stephanie Mohr). Hier ist Courasche jedenfalls keineswegs eine Mutter, die Kind, Hab und Gut verteidigt. Begleitet von zwei Kolleginnen, entsteigt sie zwar einem eindringlichen Lumpenszenario (Bühne Andrea Uhmann), hat aber nichts im Sinn, als es den Männern zu besorgen. Da ist - man kommt wegen der massenweise Verwendung der Begriffe nicht umhin, sie zu zitieren - so viel vom Vögeln und Ficken die Rede, dass das Bild der Vorlage platt und derangiert auf der Strecke bleibt.
Dass ein Chor aus acht Männern (das Vokalensemble des Philharmonia Chors Wien), den Irrgarten aus kniehoch aufgehäuften Lumpen umschreitend, Psalmen und Weisen aus dem 16. Jahrhundert singt, wenig später sogar wissen will, „wieviel Sternlein stehen“, ist herzallerliebstes Kontrastprogramm. So nebenher werden wir auch mit der Erkenntnis beglückt, dass „ein rammelnder Mann das einfältigste ist, was es auf der Welt gibt“. So weit, so billig.
Dass auch der Himmel nichts Besseres zu bieten hat, soll uns wohl der Teil des Bühnenbildes vermitteln, der wie eine Wolke unter der Decke hängt. Auf ihm ist - von einer Video-Kamera übertragen - noch einmal das Elend im Detail zu sehen, das sich unten in der Welt abspielt. Doch dann kippt das Geschehen ins Weltkriegs-Elend. Die es zuvor gegen Bares mit kompletten Betriebsräten und Friseur-Vorständen trieben, sind zu Trümmerfrauen mutiert, die sich aus purer Not jedem hingeben, der ihnen trocken Brot oder eine Wehrmachtsjacke bietet. Mit den Worten „Aber mach's bitte kurz“, bückt sich die Heldin und kaut das Brot.
Immerhin wird ein Hauch jener Courasche erkennbar, die man kennt, besser: zu kennen glaubte, ehe Genazino sie ins wahre Leben führte. Barbara Nüsse ist es zu danken, dass ein wenig von der Tragik und der Verzweiflung, aber auch vom Überlebenswillen erkennbar wird, die diese Frau antreibt. Gleichwohl ist die Erkenntnis, dass Frauen unter Kriegen und Männern leiden, Männer vor allem unter sexueller Not, nicht gerade aufregend. Wenn schließlich der „ehrwürdige Herr“ das Dienstmädchen nimmt, weil die Gattin unter Kopfschmerzen leidet - dann hat es uns endgültig in dramatische Niederungen verschlagen.
75 Minuten ohne Pause. Aufführungen am 5., 6., 8., 9., 10. Oktober; Karten unter 0700 - 20 02 34 56.
Quelle: rundschau-online.de
Ruhrtriennale: Genazinos "Courasche" uraufgeführt
Es geht um das Elend der Bordelle: Wilhelm Genazinos Dreiakter "Courasche oder Gott lass nach" ist gestern uraufgeführt worden. Das Publikum feierte die Auftragsarbeit der Ruhrtriennale in Duisburg mit langem Applaus.
Mutter Courage ist eine der berühmtesten weiblichen Theaterfiguren. Die gleichnamige Chronik aus dem Dreißigjährigen Krieg von Bertolt Brecht hat sie bekannt und populär gemacht. Brecht stützte sich auf den Kurzroman "Trutz Simplex Oder Lebensbeschreibung der Ertzbetrügerin und Landstörzerin Courasche", den Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen 1670 veröffentlicht hat. Jetzt hat Büchnerpreisträger Wilhelm Genazino die Figur zu neuem Leben erweckt.
Courasche, die Titelfigur, wird von drei Schauspielerinnen verkörpert: Julischka Eichel spielt die junge, Anna Franziska Srna die mittlere und Barbara Nüsse die alte Courasche. Im ersten Akt ist Courasche eine routinierte Hure in einem trostlosen Puff von heute, im dritten und letzten Akt spielt sie ein Zimmermädchen vor gut hundert Jahren, dem der gnädige Herr nachstellt wie in Arthur Schnitzlers "Reigen". Das Hauptbild liegt in der Mitte: der zweite Akt spielt auf der Flucht, 1945, westlich von Stettin. Courasche ist kurz vor dem Verhungern. Sie erzählt ihre Geschichte einem Soldaten, der desertiert ist. Er begehrt die in Lumpen gehüllte Frau - die beiden kommen ins Geschäft. Ein Brocken trockenes Brot wechselt den Besitzer und die Courasche ist dem Soldaten zu Willen.
Veronica Ferres gab Rolle zurück [InfoMail PROstitution informierte]
Wilhelm Genazino ist der Chronist des grauen Alltags, ein Feind aller Verklärung. Insofern war es von Veronica Ferres - eine Schauspielerin, die den Glamour liebt - konsequent, die Rolle im letzten Jahr zurückzugeben. Freilich wäre die Courasche eine interessante Erweiterung ihrer Darstellungskunst gewesen - Veronica Ferres ist eine wandlungsfähige Aktrice. Schade, dass sie vor dieser Herausforderung zurückgeschreckt ist. Doch auch ohne sie ist die Uraufführung, selbst wenn sie um ein Jahr verspätet herauskommt, geglückt.
Stephanie Mohr übernimmt Genazinos Ästhetik für ihre Inszenierung. Die Regisseurin betont die Schlichtheit, ja Schäbigkeit. Die drei Hauptdarstellerinnen spielen außerordentlich nüchtern - und bekommen einen verblüffenden Kontrapunkt, einen achtköpfigen Männerchor: Das Vokal-Ensemble des Philharmonia Chors Wien singt vom Tanzen und Springen und vom Maien - spielt aber Männer, die sich neugierig im Bordellviertel umschauen. Der Kontrast beschwört den Geist der Heuchelei, der mit der Prostitution einhergeht.
Die Uraufführung dauert nur fünf Viertelstunden - aber sie hat es in sich. Weder das Stück noch die Inszenierung hebt den moralischen Zeigefinger. Wilhelm Genazino wie seine Regisseurin Stephanie Mohr weisen nur darauf hin, welche Potenziale verloren gehen, wenn Männer sich mit dieser schalen Befriedigung ihrer Sexualität zufrieden geben. Genazinos "Courasche", ein absurdes Drama über einen beklagenswerten Zustand, fordert geradezu dazu auf, gegen das Elend der Bordelle anzugehen.
Quelle: zeit.de
Das Elend der Bordelle konnte entstehen, weil Sexwork nicht kultiviert werden durfte, weil Prostitution über Jahrhunderte nicht geduldet wurde. Jetzt wird das Elend als Argument gegen die Prostitution gewendet. Welche unreflektierte Scheinheiligkeit und Doppelmoral.
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Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 10.06.2008, 08:02, insgesamt 1-mal geändert.
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SWAS 2008
Once again the fabulous travelling Sex Workers' Art Show is looking for your talent!
This is the official call for submissions for the 2008 SWAS tour!
Anyone
who has worked in the sex industry is encouraged to apply: porn stars,
strippers, escorts, dommes, webcam girls (and boys), hookers, etc. Spread
this around, post it on your blog, tell everyone you know. And feel free
to contact us with questions!
THE SHOW:
The Sex Workers' Art Show is a cabaret-style evening of visual and
performance art created by people who work in the sex industry to dispel
the myth that we are anything short of artists, innovators, and geniuses!
The artwork and performances offer a wide range of perspectives on sex
work. The show hopes through its diversity of viewpoints to move beyond
"positive" and "negative" into a fuller articulation of the complicated
ways sex workers experience our jobs and our lives. You can read more
about the show at www.sexworkersartshow.com.
WHAT WE'RE LOOKING FOR:
Sex trade workers are in a unique position to observe the freaky dynamics
of capitalism, desire, ownership, gender, and race. We are looking for
hilarious, disturbing, challenging, entertaining, accessible work that
addresses these issues. Or, you know, whatever else. You don't have to be
an experienced performer to apply! We're interested in a range of
mediums- spoken word, burlesque, music, video and performance art of all
kinds. It is important to us to include performers from all over the
world: non-US residents are encouraged to apply!
THE DEAL:
The tour is happening late January through early March 2008. It hits
approximately 30 cities nationwide, in a bit over a month. Venues will be
varied, from small clubs and galleries to large theaters and college
campuses. We'll be traveling in two new vans, staying in hotels. There
will be eight performers, a technical director and road crew along. Pay
is $3500/performer, plus lodging, transportation (including flights), and
some meals. Staff will be provided to sell performers' merchandise.
SUBMITTING:
People who are working or have worked in the sex industry are invited to
submit any kind of visual or performance art. Pieces should be no more
than 12 minutes long. DEADLINE HAS BEEN EXTENDED! Please email
info@sexworkersartshow.com for more information.
Thanks everyone! Please spread the word and forward this!
Buch herausgegeben von der 'Theaterdirektorin'
Working Sex - Sex Workers Write About a Changing Industry:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=35544#35544
Nachtrag:
Whores On Campus: The Sex Worker Arts Show Controversy
Jayne Swift
In: “Wagadu - feminist online magazin” Volume 8 Fall 2010
Jayne Swift recently completed her M.A. in Cultural Studies at the University of Washington and is currently pursuing doctoral work--where she hopes to continue studying and researching the "strange meeting" of commercial sexuality and academic knowledge.
In 2008, the College of William and Mary forced performers in a touring art show (and their student sponsors) to sign a contract described by the ACLU as discriminatory and unconstitutional.
This contract required the art show to comply with state obscenity laws, despite the fact that these laws contained an express exception for performances at institutions of higher education. The contract was aimed only at one group: The Sex Workers’ Arts Show.
Created by former sex worker and sex workers’ rights activist Annie Oakley in an attempt to demystify sex work, the Arts Show was a forum in which the cultural meanings of “sex worker,” were redefined and celebrated by those who work in the industry. The Arts Show toured college campuses across the U.S. from 1998-2009, leaving a trail of controversy in its wake.
Many protested the Arts Show as a step on the slippery slope to moral ruin of “innocent” student bodies. The protests involved citizens, alumni and state legislators, who decried the show for, in the words of Delegate Mark Cole, “turning the public property of the College into a bawdy house venue for pimps, prostitutes and dominatrix.” These protests reached a national scale, with conservative news personalities such as Laura Ingraham deriding Annie Oakley on FOX news. Moreover, the controversy over the Arts Show followed it to other college campuses— including Duke and Virginia Commonwealth University. These protests became nothing short of moral panics, compressing cultural anger and anxiety onto the presumed outsider: the scapegoated sex worker.
Critics, unwittingly, framed the Art Show as a challenge to the integrity of academic space, due to the Art Show’s frank depiction of commercial sex cultures. For instance, Jo Weldon’s contributions included teaching an audience member how to dance and twirl tassels, while joking she went to graduate school because she wanted to keep stripping. Weldon’s piece points to the pedagogical potential of the Arts Show and hints at the anxieties that fuelled critics’ attempts to separate commercial sexuality from educational institutions. Yet, university departments and student groups frequently invited and allocated student funds for the Art Show (15 out of 32 shows in the 2008 tour took place on college campuses). The fact that students may now be asked to attend events and read texts that feature insider views’ of sex work suggests larger changes in the cultural climate of academia regarding issues of commercial sexuality.
How do we explain this seeming paradox? The Art Show was continually invited into the hallowed halls of academia and often met with resistance for entering. The Art Show’s presence on college campuses functioned to raise questions about the possibilities of sex worker participation in academic communities. The controversy over the Sex Workers’ Art Show dramatizes the epistemic and ontological threats that sex workers are seen as posing to institutions of higher education. These controversies demonstrate the need for greater inquiry into sex workers experiences in academic spaces as well as an acknowledgment of the ways in which we, as sex workers, are already shaping academic knowledge and communities.
.
This is the official call for submissions for the 2008 SWAS tour!
Anyone
who has worked in the sex industry is encouraged to apply: porn stars,
strippers, escorts, dommes, webcam girls (and boys), hookers, etc. Spread
this around, post it on your blog, tell everyone you know. And feel free
to contact us with questions!
THE SHOW:
The Sex Workers' Art Show is a cabaret-style evening of visual and
performance art created by people who work in the sex industry to dispel
the myth that we are anything short of artists, innovators, and geniuses!
The artwork and performances offer a wide range of perspectives on sex
work. The show hopes through its diversity of viewpoints to move beyond
"positive" and "negative" into a fuller articulation of the complicated
ways sex workers experience our jobs and our lives. You can read more
about the show at www.sexworkersartshow.com.
WHAT WE'RE LOOKING FOR:
Sex trade workers are in a unique position to observe the freaky dynamics
of capitalism, desire, ownership, gender, and race. We are looking for
hilarious, disturbing, challenging, entertaining, accessible work that
addresses these issues. Or, you know, whatever else. You don't have to be
an experienced performer to apply! We're interested in a range of
mediums- spoken word, burlesque, music, video and performance art of all
kinds. It is important to us to include performers from all over the
world: non-US residents are encouraged to apply!
THE DEAL:
The tour is happening late January through early March 2008. It hits
approximately 30 cities nationwide, in a bit over a month. Venues will be
varied, from small clubs and galleries to large theaters and college
campuses. We'll be traveling in two new vans, staying in hotels. There
will be eight performers, a technical director and road crew along. Pay
is $3500/performer, plus lodging, transportation (including flights), and
some meals. Staff will be provided to sell performers' merchandise.
SUBMITTING:
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submit any kind of visual or performance art. Pieces should be no more
than 12 minutes long. DEADLINE HAS BEEN EXTENDED! Please email
info@sexworkersartshow.com for more information.
Thanks everyone! Please spread the word and forward this!
Buch herausgegeben von der 'Theaterdirektorin'
Working Sex - Sex Workers Write About a Changing Industry:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=35544#35544
Nachtrag:
Whores On Campus: The Sex Worker Arts Show Controversy
Jayne Swift
In: “Wagadu - feminist online magazin” Volume 8 Fall 2010
Jayne Swift recently completed her M.A. in Cultural Studies at the University of Washington and is currently pursuing doctoral work--where she hopes to continue studying and researching the "strange meeting" of commercial sexuality and academic knowledge.
In 2008, the College of William and Mary forced performers in a touring art show (and their student sponsors) to sign a contract described by the ACLU as discriminatory and unconstitutional.
This contract required the art show to comply with state obscenity laws, despite the fact that these laws contained an express exception for performances at institutions of higher education. The contract was aimed only at one group: The Sex Workers’ Arts Show.
Created by former sex worker and sex workers’ rights activist Annie Oakley in an attempt to demystify sex work, the Arts Show was a forum in which the cultural meanings of “sex worker,” were redefined and celebrated by those who work in the industry. The Arts Show toured college campuses across the U.S. from 1998-2009, leaving a trail of controversy in its wake.
Many protested the Arts Show as a step on the slippery slope to moral ruin of “innocent” student bodies. The protests involved citizens, alumni and state legislators, who decried the show for, in the words of Delegate Mark Cole, “turning the public property of the College into a bawdy house venue for pimps, prostitutes and dominatrix.” These protests reached a national scale, with conservative news personalities such as Laura Ingraham deriding Annie Oakley on FOX news. Moreover, the controversy over the Arts Show followed it to other college campuses— including Duke and Virginia Commonwealth University. These protests became nothing short of moral panics, compressing cultural anger and anxiety onto the presumed outsider: the scapegoated sex worker.
Critics, unwittingly, framed the Art Show as a challenge to the integrity of academic space, due to the Art Show’s frank depiction of commercial sex cultures. For instance, Jo Weldon’s contributions included teaching an audience member how to dance and twirl tassels, while joking she went to graduate school because she wanted to keep stripping. Weldon’s piece points to the pedagogical potential of the Arts Show and hints at the anxieties that fuelled critics’ attempts to separate commercial sexuality from educational institutions. Yet, university departments and student groups frequently invited and allocated student funds for the Art Show (15 out of 32 shows in the 2008 tour took place on college campuses). The fact that students may now be asked to attend events and read texts that feature insider views’ of sex work suggests larger changes in the cultural climate of academia regarding issues of commercial sexuality.
How do we explain this seeming paradox? The Art Show was continually invited into the hallowed halls of academia and often met with resistance for entering. The Art Show’s presence on college campuses functioned to raise questions about the possibilities of sex worker participation in academic communities. The controversy over the Sex Workers’ Art Show dramatizes the epistemic and ontological threats that sex workers are seen as posing to institutions of higher education. These controversies demonstrate the need for greater inquiry into sex workers experiences in academic spaces as well as an acknowledgment of the ways in which we, as sex workers, are already shaping academic knowledge and communities.
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Klassiker
Mit Geld kriegt man sie alle - „Besuch der alten Dame“ im Kulturhaus Schlanders
Schlanders – Friedrich Dürrenmatts Tragikomödie „Der Besuch der alten Dame“ ist die Geschichte eines unmoralischen Angebotes, das nicht etwa einer jugendlichen Schönheit, sondern einem ganzen, elenden Dorf gemacht wird. Auf Einladung des Südtiroler Kulturinstituts ist Dürrenmatts Stück in einer Inszenierung der Schauburg München am 28. Februar im Kulturhaus Schlanders zu sehen.
Dass man einem Ort mit dem wenig schmeichelhaften Namen „Güllen“ den Rücken kehrt, mag wenig verwundern. Wer aber zurückkehrt, nach 45 Jahren, führt nicht unbedingt Gutes im Schilde. Das trifft jedenfalls auf Klara Wäscher zu, die ihr Heimatdorf in jungen Jahren verlassen hat und nun als Multimillionärin Claire Zachanassian zurückkehrt. Es sind wahrlich keine schönen Erinnerungen, die Claire mit Güllen verbindet. Mit 17 Jahren geschwängert und sitzen gelassen, blieb ihr nur Flucht und Prostitution. Nun ist sie als mehrfache Witwe zu Geld gekommen und lebt nur noch für einen Gedanken: Gerechtigkeit. Man könnte es aber auch Rache nennen. Dem bankrotten Ort verspricht sie einen Milliardenbetrag, wenn der treulose ehemalige Jugendgeliebte Alfred Ill getötet wird. Diese Forderung lehnen die Bewohner zwar entrüstet ab, doch seltsamerweise beginnen sie, Geld auszugeben, das sie gar nicht besitzen. „Die Welt machte mich zu einer Hure, nun mache ich sie zu einem Bordell“, sagt Claire.
Friedrich Dürrenmatt schrieb dieses aufrüttelnde Stück über eine ach so ehrenwerte Kleinstadt als bittere Groteske über die Korrumpierbarkeit der Menschen im Jahre 1956. Das Thema ist auch 52 Jahre nach Erscheinen dieser gallebösen Parabel noch hochaktuell. Gil Mehmerts Inszenierung ist satirisch mit Gemeindechören und agilem Turnverein ausgestattet. Er macht die Schwächen des Menschen begreifbar, ohne zu verurteilen
„Der Besuch der alten Dame“ in der Inszenierung der Schauburg München ist am Donnerstag, 28. Februar im Kulturhaus „Karl Schönherr“ in Schlanders zu sehen. Beginn: 20 Uhr. Einführung: 19.15 Uhr. Karten in allen Athesia-Buchhandlungen.
http://www.dervinschger.it/artikel.phtm ... tikel=9975
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Schlanders – Friedrich Dürrenmatts Tragikomödie „Der Besuch der alten Dame“ ist die Geschichte eines unmoralischen Angebotes, das nicht etwa einer jugendlichen Schönheit, sondern einem ganzen, elenden Dorf gemacht wird. Auf Einladung des Südtiroler Kulturinstituts ist Dürrenmatts Stück in einer Inszenierung der Schauburg München am 28. Februar im Kulturhaus Schlanders zu sehen.
Dass man einem Ort mit dem wenig schmeichelhaften Namen „Güllen“ den Rücken kehrt, mag wenig verwundern. Wer aber zurückkehrt, nach 45 Jahren, führt nicht unbedingt Gutes im Schilde. Das trifft jedenfalls auf Klara Wäscher zu, die ihr Heimatdorf in jungen Jahren verlassen hat und nun als Multimillionärin Claire Zachanassian zurückkehrt. Es sind wahrlich keine schönen Erinnerungen, die Claire mit Güllen verbindet. Mit 17 Jahren geschwängert und sitzen gelassen, blieb ihr nur Flucht und Prostitution. Nun ist sie als mehrfache Witwe zu Geld gekommen und lebt nur noch für einen Gedanken: Gerechtigkeit. Man könnte es aber auch Rache nennen. Dem bankrotten Ort verspricht sie einen Milliardenbetrag, wenn der treulose ehemalige Jugendgeliebte Alfred Ill getötet wird. Diese Forderung lehnen die Bewohner zwar entrüstet ab, doch seltsamerweise beginnen sie, Geld auszugeben, das sie gar nicht besitzen. „Die Welt machte mich zu einer Hure, nun mache ich sie zu einem Bordell“, sagt Claire.
Friedrich Dürrenmatt schrieb dieses aufrüttelnde Stück über eine ach so ehrenwerte Kleinstadt als bittere Groteske über die Korrumpierbarkeit der Menschen im Jahre 1956. Das Thema ist auch 52 Jahre nach Erscheinen dieser gallebösen Parabel noch hochaktuell. Gil Mehmerts Inszenierung ist satirisch mit Gemeindechören und agilem Turnverein ausgestattet. Er macht die Schwächen des Menschen begreifbar, ohne zu verurteilen
„Der Besuch der alten Dame“ in der Inszenierung der Schauburg München ist am Donnerstag, 28. Februar im Kulturhaus „Karl Schönherr“ in Schlanders zu sehen. Beginn: 20 Uhr. Einführung: 19.15 Uhr. Karten in allen Athesia-Buchhandlungen.
http://www.dervinschger.it/artikel.phtm ... tikel=9975
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Aus der Bibel
THEATER: Eine neue Sicht
Mythos Maria Magdalena
BELZIG - Palästina vor 2000 Jahren. Eine Frau lehnt sich auf gegen ihre Herkunft. Aufgewachsen im Judentum und beeinflusst vom matriarchalen Glauben sucht sie einen religiösen Weg, entdeckt ihre Heiligkeit als Frau. Und trifft den bedeutendsten Mann der damaligen Zeit – Jesus.
Dies ist nicht nur der Beginn einer ungewöhnlichen Liebesgeschichte. Dies ist der Einstieg ins Oster-Trance-Spektakel im Zentrum für experimentelle Gesellschaftsgestaltung. Es geht um Trance, Tanz, Tod und Auferstehung.
Barbara Stützel bringt zunächst mit „Maria Magdalena – Heilige und Hure“ eine neue Version des Mythos auf die Bühne. Untermalt mit zauberhaften und kraftvollen Gesängen entwickelt sich eine Geschichte, die bisher von Männern überliefert war.
„Maria Magdalena“-Aufführung morgen, 21 Uhr, im Zegg. Eintritt: 8 Euro (ermäßigt: 3 Euro).(MAZ)
http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/ ... EATER.html
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Mythos Maria Magdalena
BELZIG - Palästina vor 2000 Jahren. Eine Frau lehnt sich auf gegen ihre Herkunft. Aufgewachsen im Judentum und beeinflusst vom matriarchalen Glauben sucht sie einen religiösen Weg, entdeckt ihre Heiligkeit als Frau. Und trifft den bedeutendsten Mann der damaligen Zeit – Jesus.
Dies ist nicht nur der Beginn einer ungewöhnlichen Liebesgeschichte. Dies ist der Einstieg ins Oster-Trance-Spektakel im Zentrum für experimentelle Gesellschaftsgestaltung. Es geht um Trance, Tanz, Tod und Auferstehung.
Barbara Stützel bringt zunächst mit „Maria Magdalena – Heilige und Hure“ eine neue Version des Mythos auf die Bühne. Untermalt mit zauberhaften und kraftvollen Gesängen entwickelt sich eine Geschichte, die bisher von Männern überliefert war.
„Maria Magdalena“-Aufführung morgen, 21 Uhr, im Zegg. Eintritt: 8 Euro (ermäßigt: 3 Euro).(MAZ)
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Film-Theater
Faßbinder's Film "In einem Jahr mit 13 Monden" auf die Bühne gebacht:
Die Welt: Erwin verlässt die Welt, in der er keinen Platz findet
Die piazzaähnliche, ins Halbdunkel getauchte Idylle mit Bänken und einem schmusenden Paar, dessen Rücken nur zu sehen sind, täuscht. Die herumlungernden Gestalten, der Daddelroom, die hellerleuchtete Vitrine mit Dessous, die Frau, die mit übergeschlagenen Beinen wie die Huren in der Herbertstraße in einem Glaskasten mit gemalter Wohnlichkeit sitzt, sind klare Belege dafür, dass hier Freier schnelle sexuelle Befriedigung suchen (Bühne: Michael Schaltenbrand).
Es ist die Stricherszene am Frankfurter Mainufer, die Rainer Werner Fassbinder im Film "In einem Jahr mit 13 Monden" beschreibt und die Andreas Bode nach dem von Fassbinders Ehefrau Juliane Lorenz nacherstellten Drehbuch im Malersaal des Schauspielhauses musik- und texttreu inszeniert hat.
Mit Erfolg. Der Schauspieler Jürgen Uter lässt der tragisch zerrissenen, zwischen den Geschlechtern leidenden transsexuellen Hure Elvira, die einst der Schlachter Erwin war, ihre Würde. Er macht aus der Passionsgeschichte eines sich selbst erniedrigenden, von anderen gedemütigten Menschen ein aufrüttelndes Drama der Einsamkeit und der unerfüllten Sehnsucht nach Liebe, das in zwingender Konsequenz mit dem Selbstmord endet.
"Mama, der Papa ist tot", sagt die Tochter (Monique Schwitter) von Erwin/Elvira, der noch immer mit Irene (Marlen Diekhoff) verheiratet ist. Still Szenen wie diese sind es, die das Unglück schmerzhaft erfahrbar machen. Weniger die eher ins Bizarre gewendeten Personen der Schwulenszene, unter ihnen Jana Schulz als rote Zora [Sexworker] und Lukas Holzhausen als Zuhälter [Spekulant] Anton Saitz. Alle Schauspieler bis auf Uter schlüpfen in verschiedene Rollen, um Erwins Lebensweg zu erzählen. Bode findet einen eigenen, durchweg überzeugenden Zugriff, ohne Fassbinders Film und dessen Düsternis zu imitieren. MN
welt.de/welt_print/article1826447/Erwin_verlsst_die_Welt_in_der_er_keinen_Platz_findet.html

Der Film kann auch angesehen werden als Abrechnung Fassbinders mit Frankfurt, das in den 1970er Jahren immer mehr zum Prototyp einer sozial kalten und vom Geld beherrschten Großstadt wurde.
http://de.wikipedia.org/wiki/In_einem_J ... _13_Monden
http://www.amazon.de/einem-Jahr-mit-13- ... B0006JMKDK
Mehr Frankfurt:
http://sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=1073
Mehr Callboys:
http://sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=1001
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Die Welt: Erwin verlässt die Welt, in der er keinen Platz findet
Die piazzaähnliche, ins Halbdunkel getauchte Idylle mit Bänken und einem schmusenden Paar, dessen Rücken nur zu sehen sind, täuscht. Die herumlungernden Gestalten, der Daddelroom, die hellerleuchtete Vitrine mit Dessous, die Frau, die mit übergeschlagenen Beinen wie die Huren in der Herbertstraße in einem Glaskasten mit gemalter Wohnlichkeit sitzt, sind klare Belege dafür, dass hier Freier schnelle sexuelle Befriedigung suchen (Bühne: Michael Schaltenbrand).
Es ist die Stricherszene am Frankfurter Mainufer, die Rainer Werner Fassbinder im Film "In einem Jahr mit 13 Monden" beschreibt und die Andreas Bode nach dem von Fassbinders Ehefrau Juliane Lorenz nacherstellten Drehbuch im Malersaal des Schauspielhauses musik- und texttreu inszeniert hat.
Mit Erfolg. Der Schauspieler Jürgen Uter lässt der tragisch zerrissenen, zwischen den Geschlechtern leidenden transsexuellen Hure Elvira, die einst der Schlachter Erwin war, ihre Würde. Er macht aus der Passionsgeschichte eines sich selbst erniedrigenden, von anderen gedemütigten Menschen ein aufrüttelndes Drama der Einsamkeit und der unerfüllten Sehnsucht nach Liebe, das in zwingender Konsequenz mit dem Selbstmord endet.
"Mama, der Papa ist tot", sagt die Tochter (Monique Schwitter) von Erwin/Elvira, der noch immer mit Irene (Marlen Diekhoff) verheiratet ist. Still Szenen wie diese sind es, die das Unglück schmerzhaft erfahrbar machen. Weniger die eher ins Bizarre gewendeten Personen der Schwulenszene, unter ihnen Jana Schulz als rote Zora [Sexworker] und Lukas Holzhausen als Zuhälter [Spekulant] Anton Saitz. Alle Schauspieler bis auf Uter schlüpfen in verschiedene Rollen, um Erwins Lebensweg zu erzählen. Bode findet einen eigenen, durchweg überzeugenden Zugriff, ohne Fassbinders Film und dessen Düsternis zu imitieren. MN
welt.de/welt_print/article1826447/Erwin_verlsst_die_Welt_in_der_er_keinen_Platz_findet.html

Der Film kann auch angesehen werden als Abrechnung Fassbinders mit Frankfurt, das in den 1970er Jahren immer mehr zum Prototyp einer sozial kalten und vom Geld beherrschten Großstadt wurde.
http://de.wikipedia.org/wiki/In_einem_J ... _13_Monden
http://www.amazon.de/einem-Jahr-mit-13- ... B0006JMKDK
Mehr Frankfurt:
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Mehr Callboys:
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