Berlin, die Hauptstadt des Fussball und der Prostituierten -

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sixela
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Berlin, die Hauptstadt des Fussball und der Prostituierten -

Beitrag von sixela »

Übersetzung aus "Le Monde" vom 27.2.
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Der Ort nennt sich Artemis, nch dem Namen einer griechischen Göttin, welche Keuschheit und Jungfräulichkeit gelobt hatte. Zwei Tugenden, bei denen es jedoch vergeblich ist, sie in diesem gigantischen Erotiktempel zu suchen, der ausgeklügelt worden ist, um 100 Prostituierte und sechs Mal soviele Klienten aufzunehmen. Auf vier Stockwerken und 3.000m², würde es sich um „das grösste Freudenhaus Europas handeln“. Am Rande der Peripherie hingestellt, hinter den Lokalitäten von einem Reifenhändler, ist es auch noch bei 3 S-Bahn-Stationen des Berliner Olympiastadium situiert. Zufall oder nicht?

Die Planer von Artemis verwehren sich dagegen es in Hinsicht auf die Fussballweltmeisterschaften geschaffen zu haben, die sich vom 9. Juni bis zum 9. Juli in Deutschland abspielen werden. Es trifft zu, dass der Ort seine Pforten bereits vor 5 Monaten aufgemacht hat und dass er nach der Abreise der Fans weiterhin in Betrieb sein wird. Artemis sollte jedoch an den Tagen, an denen Fussball gespielt wird, auf Höchsttouren laufen, wie mehrere Strukturen, die der Prostitution gewidmet sind, und kürzlich in Deutschland eröffnet wurden.

Wird diese 18. Fussballweltmeisterschaft im Bereich der Kundenanwerbung alle Rekorde schlagen? Deutschland, welches die Prostitution im Jahr 2002 legalisierte, hat gute Gründe dafür um sich das zu fragen. Das „älteste Gewerbe auf der Welt“ ist hier eine Profession wie eine jede andere. Die Freudenhäuser sind ein gut gehendes Geschäft, die Zuhälter werden mit Managern gleichgesetzt und die Prostituierten nennt man hier „Sexarbeiterinnen“, und sie leisten ihre Sozialabgaben, wie ein jeder andere.

MOBILISIERTE EUROPAABGEORDNETE

Über ihre Anzahl weiß man weiterhin nichts Genaues. „Die vorhergehende Regierung sprach von 400.000 Prostituierten. Aber es ist schwierig eine genaue Evaluierung zu haben, da die Prostitution weiterhin eine Randaktivität bleibt“, gibt die Soziologin Emilija Mitrovic zu verstehen, die zu diesem Sujet an der Universität Hamburg arbeitet.

Wie es um ihre Anzahl auch immer bestellt sei, werden sie ihrer ausreichend sein, um während der Weltmeisterschaft der Nachfrage Genüge zu tun, wo 3.000.000 Zuschauer – in der überwiegenden Zahl maskulinen Geschlechts – erwartet werden? Einige der deutschen Feministinnenkreise befürchten einen Zustrom von gegen ihren Willen aus Osteuropa „importierten“ Frauen zu sehen. Seit immerhin mehreren Monaten hat sich ein Gerücht verbreitet: 40.000 Frauen, die von Zuhälternetzwerken rekutiert worden sind, würden Anstalten machen, um die Grenze zu überschreiten.

Keine kompetente Autorität bestätigt diese Schätzung. Sie wird sogar von manchen feministischen Verantwortungsträgerinnen, wie von Nivedita Prasad, der Koordinatorin von Ban Ying, von einem Verband für die Hilfe von aus Asien stammenden Prostituierten, heftig zurückgewiesen: „Um eine Frau zu importieren braucht man Infrastrukturen und Geld. Die Investition ist bei einem Ereignis sehr wichtig, das nur 4 Wochen dauern wird. Und das umso mehr als es von Polizisten nur so wimmeln wird.“

Auch wenn die Gerüchte vor den grossen sportlichen Stelldicheins etwas häufig Vorkommendes sind (im Jahr 2004 hatten mehrere Assoziationen das Kommen von 20.000 zusätzlichen Prostituierten bei den Olympischen Sommerspielen in Athen befürchtet), so ist das Etablieren von einem Zusammenhang zwischen den internationalen Wettbewerben und dem Handel mit menschlichen Lebewesen wahrscheinlich keine weltfremde Vorstellung.

Für Interpol handelt es sich hierbei um ein „erwiesenes Faktum“. „Zum Zeitpunkt von grossen Sportereignissen setzen die Prostitutionsnetzwerke spezifische Strukturen ein“, sagt man bei der internationalen Polizeiorganisation. Interpol gibt zu verstehen, „das ihr“ während dem Federationscoup im Jahr 2005 (eine reduzierte Wiederholung der Weltmeisterschaften) „eine verstärkte Zunahme der Prostituition zu Ohren gekommen ist“, aber ohne den deliktuellen Charakter von dieser Prostitution zu präzisieren. „Es ist sehr schwierig zwischen der legalen Prostitution und der illegalen Prostitution eine Unterscheidung zu machen“, präzisiert man in Berlin, beim Sitz des BKA, dem Bundeskriminalamt.

Die polizeilichen Behörden sind auf jeden Fall nicht die einzigen, um einen Zusammenhang zwischen Sport und Frauenhandel herzustellen. Anfang Februar haben die 11 Europaabgeordneten der Kommision für Frauenrechte und Gleichberechtigung der Geschlechter einen Antrag vorgelegt damit dass das Europaparlament anlässlich von seiner nächsten Sitzung (13.-16. März) eine Resolution über „die erwzungene Prostitution im Rahmen von weltweiten Sportereignissen“ annehme. Diese Gewählten verlangen von der Kommission und den Mitgliedsstaaten „während der internationalen Sportereignisse eine grossangelegte Kampange in Europa zu starten, um die Öffentlichkeit im Allgemeinen, und die Sportler und die Fans im Besonderen, über die Problematik der erzwungenen Prostitution und des Handel zu informieren und aufzuklären, aber vor allem um die Nachfrage zu limitieren, indem die potentiellen Klienten sensibilisiert werden“. Ein Seminar über das Sujet wird am 8. März in Brüssel zum Internationalen Frauentag organisiert werden.

Die feministischen Organisationen wollten hier nicht aussen vor bleiben. Die eine von ihnen, die Internationale Koalition gegen den Frauenhandel, hat über Internet eine Petition zirkulieren lassen, um, vor allem, von 32 Teams, die an der Weltmeisterschaft teilnehmen, zu verlangen, „ihren Widerstand zur sexuellen Ausbeutung von Frauen publik“ zu machen. Die Unterstützung der Welt des Fussball zu erhalten ist auch die Zielsetzung des Nationalen Deutschen Frauenrat. Diese feministische Lobby hat von der deutschen Equipe gefordert, bei ihrer Kampagne mit der Überschrift „Rote Karte für die erzwungene Prostituition“ die Schirmherrschaft zu übernehmen. Vergebliche Liebesmüh! Nur ein einziger Spieler hat befürwortend geantwortet (der Ersatztorhüter Jens Lehmann, der sich seitdem wieder zurückgenommen hat).

„SEIEN SIE LIEB...“

Der Deutsche Fussballbund (DFB) hat seinerseits erklärt, dass er unter den Ansuchen von Wohltätigkeitsverbänden zusammenbrechen würde. Bis dato hat es nur eine einzige feministische Organisation - „Frauenrecht ist Männerrecht (FIM)“ - geschafft, einen Ballesterer dazu zu gewinnen, um für ihre Aktion die Schutzherrschaft zu übernehmen, aber es handelt sich um einen deutschen Internationalen aus den 1960er Jahren, Siggi Held. Was nun den Internationalen Fussballverband (FIFA) anbelangt, so hütet sich die FIFA, abgesehen davon um zu versichen, „dass es in den Stadien und um die Stadien herum keine Prostitution geben wird“, wohlweislich davor, sich in die Debatte einzumischen.

Die Gleichgültigkeit des Berufsfussball wird das Aufdenwegbringen von zahlreichen Initiativen während der Weltmeisterschaft nicht behindern: mehrsprachige Hotlines für die Opfer des Handel, Aufnahmerefugien, Ratschläge für die Klienten, um die „illegalen“ Prostituierten zu erkennen ... „Wir halten auch nach einem Mittel Ausschau, um in den Ursprungsländern der Frauen Information zu machen, wo manche sich dabei sehen werden, dass man ihnen vorschlage, während der Weltmeisterschaft in den Bars oder in den Restaurants Gelegenheitsjobs anzunehmen. Man muss ihnen sagen können, dass sie Gefahr laufen, in den Netzwerken der Prostituion gefangen zu werden“, gibt Schwester Lea Ackermann zu verstehen, die Begründerin der Assoziation Solwodi (Solidarität mit den Frauen in Verzweiflung).

Legal oder illegal, gezwungen oder aus freien Stücken zustimmend, wird sich die Prostitution wohl im Zentrum der Besorgnisse der Veranstaltungsstädte befinden. Die Stadtverwaltung Berlin sieht vor, 100.000 Verhüterli zu verteilen und ein Flugblatt in Englisch zu drucken, wo 10 Regeln für das gute Verhalten für die Fans figurieren werden, welche mit einer Prostituierten verkehren wollen („1. Seien Sie lieb und respektvoll. 2. Gewährleisten Sie, dass Ihr Körper sauber ist. 3. Trinken Sie nicht zu viel...“).

Was nun die Freudenhäuser anbelangt so teilen nicht alle die Vorstellung, dass die Weltmeisterschaft ein Synonym für gute Umsätze sein wird. „Die Fussballfans sind häufig besoffen“, beunruhigt sich Felicitas Weigmann, „die Patronin des Café Pssst, von einem kleinen Bordel wie im alten Berlin, welches am Ursprung der Debatte über die legale Prostitution steht. Meine regelmäßigen Klienten sind wichtiger als die betrunkenen Fans, die nur ein einziges Mal kommen würden“.
Die Welt ist umso freier, je weniger Religion und je mehr Sex praktiziert wird