Berufsratgeber für Huren

Buchtips für Sexworker oder von Sexworkern
Micha Ebner
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Berufsratgeber für Huren

Beitrag von Micha Ebner »

Lieferbar ist das Buch noch nicht (müsste aber in den nächsten Tagen), aber nachdem ich gerade eben von annainga so charmant dazu aufgefordert worden bin, es hier vorzustellen, will ich dieser Bitte nachkommen:



Berufsratgeber für Huren
Recht - Steuern - Gesundheit - Praxis
broschiert: 204 Seiten
Verlag: Books on Demand GmbH; Auflage: 1 (November 2007)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3837014185
ISBN-13: 978-3837014181

Seit dem am 1. Januar 2002 ist Prostitution nicht mehr sittenwidrig, und Hure wird zunehmend ein normaler Beruf. Dieser Ratgeber richtet sich an Huren und an diejenigen, die über diesen Beruf nachdenken und klärt viele mit dieser Tätigkeit verbundene Fragen: - Mit welchen Einnahmen kann man rechnen, und was bleibt einem davon übrig? - Welche sexuell übertragbaren Krankheiten drohen, und wie schützt man sich davor? - Welche Steuern muss man bezahlen, und wie kann man diese minimieren? - Das Prostitutionsgesetz (ProstG), was muss man beachten? - Club, Laufhaus oder Strich, wo lohnt sich die Arbeit? - Wie findet man seinen Club, oder wo macht man Werbung, wenn man selbständig arbeitet? - Was steht im Strafgesetzbuch (StGB), und welche Ordnungswidrigkeiten gibt es? - Was erzählt man seinem Umfeld, was seinem Vermieter? - Warum Altersarmut eine reale Gefahr ist, und wie man rechtzeitig vorbeugt.




Inhaltsverzeichnis
Vorwort 9

1 Berufseinstieg 13
1.1 Gründe für die Prostitution 13
1.1.1 Verdienst 13
1.1.2 Sonstige Gründe 17
1.2 Gründe gegen die Prostitution 19
1.2.1 Gesundheitliche Gefahren 19
1.2.2 Kriminalitätsrisiko 21
1.2.3 Fehlende gesellschaftliche Anerkennung 21
1.2.4 Verminderte Chancen bei der Partnersuche 22
1.2.5 Keine Berufsperspektive 22
1.2.6 Psychische Belastung 23
1.3 Weitere Aspekte 24
1.3.1 Überschuldung 25
1.3.2 Prostitution aus Gefälligkeit 25
1.4 Tipps für den Berufseinstieg 26

2 Rechtliche Situation 29
2.1 Strafgesetzbuch 30
2.1.1 Jugendschutz 31
2.1.2 Schutz vor Zwang und Ausbeutung 36
2.1.3 Schutz der Gesellschaft 40
2.2 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten 42
2.3 Prostitutionsgesetz und BGB 43
2.3.1 Das Prostitutionsgesetz 45
2.3.2 Die Begründung 54
2.4 Gaststättengesetz GastG 66
2.5 Gerichtsurteile 67
2.5.1 2 StR 186/03 (Zuhälterei) 68
2.5.2 2 StR 131/05 74
2.5.3 Weitere Urteile 78

3 Finanzen 81
3.1 Steuern 81
3.1.1 Schwarzarbeit 81
3.1.2 Umsatzsteuer 83
3.1.3 Einkommensteuer 87
3.1.4 Steuergestaltung 91
3.2 Vermögensbildung 94

4 Gesundheit 103
4.1 Gesetze 103
4.1.1 Das Infektionsschutzgesetz 104
4.1.2 Die Hygiene-Verordnung 108
4.2 Sexuell übertragbare Krankheiten 108
4.2.1 Chlamydien-Infektion 108
4.2.2 Filzläuse 109
4.2.3 Gonorrhö 109
4.2.4 Hepatitis B 110
4.2.5 Herpes 111
4.2.6 HIV 112
4.2.7 HPV 116
4.2.8 Syphilis 116
4.2.9 Trichomoniasis 117
4.2.10 Vaginose 118
4.3 Schutzmaßnahmen 118
4.3.1 Vaginalverkehr 119
4.3.2 Analverkehr 120
4.3.3 Oralverkehr 120
4.3.4 Weitere Sexualpraktiken 122
4.3.5 Risikominimierung 123
4.4 Weitere Gesundheitstipps 124

5 Kalkulation 127
5.1 Berechnung des Hurenlohns 128
5.1.1 Arbeitszeit 129
5.1.2 Betriebskosten 131
5.1.3 Risikoaufschläge 133
5.1.4 Erschwerniszuschläge 139
5.1.5 Gewinn 140
5.1.6 www.huloka.de 144
5.2 Einnahmensteuerung 145
5.2.1 Kleinunternehmerregelung 146
5.2.2 Vollerwerbsprostitution 147

6 Berufspraxis 151
6.1 Arbeitsplatz 151
6.1.1 Straßenstrich 151
6.1.2 Laufhaus 155
6.1.3 Wohnungsprostitution 157
6.1.4 Nachtclub 160
6.1.5 FKK-Club 163
6.1.6 Callgirl-Prostitution 166
6.1.7 Sponsored Love 169
6.1.8 Übersicht 172
6.2 Schutz der Privatsphäre 174
6.2.1 Das private Umfeld 174
6.2.2 Der Vermieter 177
6.2.3 Die Kunden 179
6.3 Akquise 182
6.3.1 Stellenanzeigen 182
6.3.2 Den richtigen Laden wählen 184
6.3.3 Selbstvermarktung 185
6.4 Sonstiges 186
6.4.1 Psychische Belastung 186
6.4.2 Krminalität 189

I Index 193

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Ratgeber für Sexarbeiter

Beitrag von annainga »

wenn der titel das hält, was er verspricht, finde ich, hat es einen platz hier verdient! im grunde genommen fehlt so ein buch auf dem markt, habe ich schön öfter mal gedacht. wäre doch prima, könnte man zu einer neueinsteigerin sagen: "hey, lies mal xxxxx von yyyyy, das kann viele fragen beantworten."

ein pluspunkt: der autor dieses buches ist gleichzeitig user dieses forums. bei fragen kann man sich direkt austauschen.

die inhalte, die das inhaltsverzeichnis angeben, finde ich gut ausgewählt. ich habe es gerade bestellt, das lieferdatum wurde allerdings mit ende jan/anf feb angegeben.

somit kann frühestens dann eine rezension erfolgen.

liebe grüße, annainga

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Recht-Steuern-Gesundheit-Praxis

Beitrag von annainga »

ein buch, das eine marktlücke füllt.
ein buch, das endlich geschrieben wurde.
ein buch, das mir fehlte, um es kolleginnen als einstieg für eine erstorientierung zu empfehlen.


man könnte sagen: das beste, was es gibt. allerdings muss man dazu sagen: es gibt kein anderes.

das schmälert keineswegs seinen wert.

das inhaltsverzeichnis ist übersichtlich. die wichtigsten themen für eine orientierung werden angeführt.

das 1. kapitel behandelt den berufseinstieg. ich vermute, der autor hat es bewusst desillusionierend behandelt. der autor weist einige male darauf hin, dass man "jung und hübsch" gute erfolgsaussichten hat, er nennt die faustregel "vor dem 30. geburtstag sollte man die branche verlassen", weist darauf hin, das die tätigkeit überwiegend in altersarmut führt.

als hauptgrund für die aufnahme dieser tätigkeit nennt er finanzielle gründe. andere gründe (spaß am sex, abenteuerlust, partnersuche, gesellschaftlich wertvolle tätigkeit) werden nur "unter anderen" genannt, letzere von sexarbeiterinnen überhaupt nicht, eher von toleranten außenstehenden. das kann ich bestätigen, auch anhand der vielzahl meiner kolleginnen, mit denen ich persönlich bekannt bin, mit denen ich zusammengearbeitet habe.

als einstieg in das buch ist es schwierig das so zu lesen: du wirst gut verdienen, wenn du jung und hübsch bist, du wirst dein geld für luxus- und konsumgüter ausgeben, du wirst dir kein geregeltes leben mit gesichertem auskommen schaffen, du wirst in der altersarmut landen.

damit gibt micha ebner eine abbildung der realität wider, so sehr sie mir als professionalisierte sexarbeiterin, die diesen klischees widerspricht, nicht zusagen.

natürlich hätte mir ein erstes kapitel mit der darstellung einer selbstbewussten, eigenbestimmten sexarbeiterin besser gefallen, aber wir befinden uns in einer umbruchphase. zuhälterklischees, sexarbeiterinnenklischees ändern sich nur langsam und es wird einige zeit dauern bis es ankommt.

im 2. kapitel geht es um die rechtliche situation, die widersprüchlich ist. er verweist auf mehrere gerichtsurteile, bringt einige beispiele. z.b. das beispiel eines bordellbetreibers, der der sexarbeiterin die vorschrift erteilt, ausschließlich mit kondom zu arbeiten. das ist legitim, denn er ist offensichtlich auf die gesundheit der frau bedacht, und nicht auf seinen vermögensvorteil. "weist er jedoch das gegenteil an, so liegt die vermutung nahe, dass dies der höheren einnahmen wegen verlangt wird, was dann dirigistische zuhälterei wäre."

was ich nicht wusste: eine sexarbeiterin, die einen kunden mit namen und details benennt, kann auf unterlassung und schadensersatz, also schmerzensgeld, verklagt werden. ein solcher fall ist mir nicht bekannt.

als fazit zieht der autor, dass das ProstG vor allem den betreibern zugute kommt. allerdings profitierten sexarbeiterinnen indirekt durch bessere arbeitsbedingungen und die tatsache, dass zunehmend seriöse geschäftsleute (da fällt mir der sympathische herr gerhartinger ein) "zwielichtige gestalten" ablösen.

das 3. kapitel mit thema finanzen ist sehr übersichtlich, leicht verständlich und gut zu lesen. gerade das düsseldorfer verfahren, das immer wieder falsch verstanden wird, wird hier klar und schlüssig erklärt. endlich weiß ich auch, dass die rürup-rente für mich in frage kommt. zusätzlich weist der autor auf die wichtigkeit hin, sich selbst mit dem thema finanzen auseinanderzusetzen hin. speziell in hinsicht "geldanlage" sollte man nicht leichtgläubig sein.

das thema gesundheit im 4. kapitel: alle relevanten STD´s werden genannt, anhand von tabellen wird auch das berufsrisiko der einzelnen sexpraktiken veranschaulicht.

im 5. kapitel ein heikles thema: die kalkulation. für sexarbeiterinnen mit abitur eventuell in ansätzen nachvollziehbar, für hochschulabsolventen durchführbar, für mathematiklehrer formeln, für die "durchschnittssexarbeiterin" ein großes fragezeichen. macht ja nichts. ein kapitel kann man ruhig überschlagen. für @hannas ein highlight.

wobei auch prima ansätze da sind, die "kleinunternehmerregelung" zu verstehen oder die vorsteuerregelung für vollzeitprostituierte.

das 6. kapitel lautet "berufspraxis". verschiedene sexarbeitsmodelle werden wirklichkeitsnah erfasst. z.b. straßenstrich: "der einsatz von zuhältern soll jedoch nicht grundsätzlich verdammt werden: wenn eine hure zu einem mann ins auto steigt, dann ist sie diesem meist körperlich unterlegen und somit weitgehend hilflos ausgeliefert." er erwähnt auch ein segment, das ich nicht kannte: "sponsored love". am ende werden auch tipps zum schutz der privatsphäre gegeben.

soviel zu den einzelnen kapiteln. alles in allem ist es ein buch, das der noch am anfang stehenden sexarbeiterin wertvolle hinweise geben kann. dafür ist dieses buch auch konzipiert und erfüllt damit klar seinen auftrag.

für sexarbeiterinnen, die professionalisiert sind, den beruf schon länger ausüben, womöglich informationen bereits aus anderen büchern, foren, von kolleginnen kennen, gibt es kaum neues her. aber den anspruch hat der autor auch nicht.

ich werde es guten gewissens weiter empfehlen.

natürlich nicht ohne jetzt auch die nachteile zu nennen:

auch micha ebner unterliegt klischeehaften vorstellungen. sehr oft betont er, "jung und hübsch" könne man gut verdienen. aus meinen erfahrungen weiß ich, dass viele kunden eher eine reife, erfahrene sexarbeiterin buchen. selbst im laufhaus habe ich diese erfahrung gemacht.

es gibt so gut wie kein zahlenmaterial zu den verdiensten von sexarbeiterinnen. beate leopold hat eine studie, die magere N-zahlen hat, erstellt. wie soll man bitteschön dann zahlen über die verdienste verteilt in altersgruppen und schönheitsgrade erstellen können?

ich denke, ein guter verdienst hängt auch sehr vom professionalisierungsgrad ab. eine sexarbeiterin, die sich mit dem beruf identifiziert, ihre homepage liebevoll gestaltet (unzählige beispiele hier auf sexworker.at: tanja, jenny, oberelfen, katarina ..... entschuldigung für die, die ich nicht nenne), die den kunden ernst nimmt, verdient besser als eine "junge und hübsche" sexarbeiterin, die oft noch zu wenig ahnung vom geschäft hat und sich mit dem drumherum zu wenig beschäftigt, weil sie "ja eh bald wieder aufhört".

dieses klischee "nur jung und hübsch verdient gut" zieht sich durchs komplette buch.

auch das klischee "einmal hure, immer hure" auf englisch "you can get the girl out of the redlight, but you can´t get the redlight out of the girl" findet erwähnung.

weiterhin fehlen mir zu den zahlen und tabellen die hinweise, woher sie kommen.

für einen ratgeber halte ich das wort "hure" für ungewöhnlich, mir persönlich hätte "sexarbeiterin" besser gefallen, auch andere worte wie "drüber lassen" und "vögeln" halte ich für unangemessen.

ein persönliches nachwort des autors fehlt, das buch endet zu abrupt.

aber zum schluss:

mein kompliment zu diesem buch. es ist mehr als eine gute zusammenfassung der broschüren, die bereits existieren. einige male werden auch interessante interpretationen zur sexarbeit angedacht und verleiten zum weiterphilosophieren.

liebe grüße von annainga

Hanna
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Beitrag von Hanna »

Hallo annainga,
gratuliere zu dieser Rezension
du machst mich richtig neugierig,
aber zur Zeit lese ich noch das Buch von Barbara Domentat.
..und zu mehr komm ich nicht wgen diesen quälenden Veantwortungsgefühlen ...

liebe Grüße, Hanna
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Beitrag von annainga »

Hanna H. hat geschrieben:..und zu mehr komm ich nicht wgen diesen quälenden Veantwortungsgefühlen ...
was meinst du damit?

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Beitrag von Zwerg »

@annainga

Vielen Dank für Deine Beschreibung! Darf ich den Text auf der Sexworker Zeitung verwenden? Wir sollten das Buch ein wenig promoten.

LG
Christian

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Beitrag von annainga »

ja, sicher.

Hanna
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Beitrag von Hanna »

@annainga
was meinst du damit
ach, so ein sehr gemischtes Gefühl, das Platz greift, wenn die Tragikkomik die eigene Person erreicht...

wenn ich ein wenig dunkelrede, meine ich meistens mich selbst.
Schau mal auf meine neue Signatur.

das müssen wir aber jetzt nicht vertiefen

lg

Hanna
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Beitrag von JayR »

annainga, danke für die Rezension.

Hast du mal überlegt sie etwas angepasst bei amazon.de zu posten?
Ich glaube, die Rezensionen dort haben Bedeutung für die Kaufentscheidung.

LG JayR

http://www.amazon.de/Berufsratgeber-f%C ... 615&sr=8-1

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Beitrag von annainga »

habe ich bereits gemacht @JayR
allerdings genauso dort wie hier.
war zu faul umzuändern.

liebe grüße, annainga

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Beitrag von annainga »

ach ja!

was ich noch sagen wollte:

sexworker.at steht im vorwort unter anderen organisationen (wie z.b. MADONNA) genannnt!

dankeschön @micha ebner!

liebe grüße, annainga

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Beitrag von Zwerg »

annainga hat geschrieben: was ich noch sagen wollte:

sexworker.at steht im vorwort unter anderen organisationen (wie z.b. MADONNA) genannnt!

dankeschön @micha ebner!
Hi Micha Ebner!

Auch von meiner Seite ein "Danke Schön" für die Erwähnung!
Auch ein Vorab-Danke für das Buch - Annainga hat mich darauf neugierig gemacht und ich werde es mir nicht entgehen lassen. Ich werde Morgen auf unserer Sexworker Zeitung einen Hinweis auf das Werk veröffentlichen

Liebe Grüße aus Wien

Christian

Micha Ebner
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Beitrag von Micha Ebner »

Zunächst einmal herzlichen Dank an annainga für diese ausführliche und auch sehr faire Rezension.

dieses klischee "nur jung und hübsch verdient gut" zieht sich durchs komplette buch.
Ich gebe jetzt mal offen zu, dass ich auf keine Studie verweisen kann, um diese These zu beweisen. Es gibt jedoch eine ganze Reihe von Indizien dafür, dass Realität und Klischee so weit nun auch nicht auseinander liegen.

Sicher nicht in jedem Einzelfall. Mit ein wenig suchen würde man vermutlich eine 60-jährige Hure finden, der man die Jahre auch ansieht, die aber trotzdem besser verdient als eine hübsche 18-jährige Kollegin.

Betrachten wir aber mal die "Gesamtmenge". Betrachten wir auch mal - unabhängig vom individuellen Verdienst - für wie viel 60-Jährige der Markt Kunden bereit hält. Wenn ich behaupte, dass Prostitution auf Dauer keine Berufsperspektive bietet, dann ja nicht nur deswegen, weil die Älteren tendenziell schlechter verdienen als die Jüngeren, sondern auch deshalb, weil Etliche die Branche verlassen müssen, damit den verbleibenden Kolleginnen überhaupt noch etwas zum leben bleibt.

Ich habe Indizien versprochen.

Wenn der Gesetzgeber in der Begründung zum ProstG schreibt, dass Huren im Alter "nahezu ausnahmslos" aus staatliche Unterstützungsleistungen angewiesen sind, dann könnte auch er einem Klischee erliegen, mindestens ebenso wahrscheinlich ist es jedoch, dass der Staat sehr genau weiß, wohin seine Unterstützungsleistungen fließen. (Wie bereits erwähnt, halt ich die Formulierung "nahezu ausnahmslos" für übertrieben - diejenigen, die solche Unterstützungsleistungen nicht brauchen, fallen halt nicht auf. Aber man möge mir zugestehen, dass ich dieses Problem nicht völlig aus der Luft gegriffen habe.)

Wenn ich die Inserate in der BZ (oder auch in anderen Tageszeitungen durchsehe), dann fällt mir auf, dass mit einem konkreten Alter primär bei den jungen Sexarbeiterinnen geworben wird. Wenn "Erfahrung" so sehr gefragt wäre, wo bleiben denn die massenhaften Inserate der 40+-Kolleginnen?

Man kann ja auch mal auf einer Seite wie www.gesext.de durchblättern, wie hoch denn die Gebote für junge und für alte Anbieterinnen gehen. (Nach Möglichkeit erst mal auf eine bestimmte Region filtern, damit regionale Preisunterschiede das Ergbnis nicht verwässern.)

Wenn man sich die Berichte in den einschlägigen Diskussionsforen über sogenannte Pauschalclubs ansieht, dann ergibt sich auch sehr deutlich die Tendenz, dass deren Belegschaft entweder sehr geringe Deutschkenntnisse haben oder eben deutlich über der von mir erwähnten Altersgrenze liegen. Wenn die anderswo so gut verdienen würden, warum tun sie sich dann diese rechte wenig lukrative Form der Prostitution an?

Zuletzt erinnere ich mich auch noch sehr konkret an eine Diskussionsveranstaltung bei der Gewerkschaft Verdi in Berlin, ist etwa ein Jahr her, es ging um Pauschalbesteuerung, die in Berlin eingeführt werden soll, Tagessatz bei 25,- oder 30,- Euro (da ist meine Erinnerung nicht mehr so ganz konkret). Margrit Fleischhauer, die einen "Hausfrauenpuff" betreibt, und etliche andere aus der Altersklasse "Erfahrung" haben diesen Tagessatz als viel zu hoch bezeichnet. Ich weiß jetzt auch, was man in der Alterklasse "gerade mal so legal" verdient (zumindest verdienen kann), dort würde man sich auch über 50,- Euro nicht ernsthaft aufregen können, weil es immer noch ein Bruchteil von dem ist, was man später mal an Steuern bezahlen müsste.

Am Rande: Mein Erfahrungen aus dem persönlichen Umfeld stützen ebenfalls meine These, aber auf der Basis geringer Fallzahlen.


Damit ich nicht missverstanden werde: Ich gönne jeder älteren Sexarbeiterin gerne ihren beruflichen Erfolg. Aber ich warne davor, in jungen Jahren davon auszugehen, man könnte das jetzt bis zur Berentung so weiterführen. Und alle gemeinsam können es schon gleich gar nicht so weiterführen. Wenn sich also die Frage "Ausbildung (Studium) oder keine Ausbildung" stellt, dann rate ich klar zu ersterem.

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Marc of Frankfurt
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Beitrag von Marc of Frankfurt »

Natürlich gibt es mehr sichtbare jüngere SW zu einem Zeitpunkt auf dem Markt.

(1) Jüngere zeigen sich auch ohne Probleme, weil sie wissen. dass sie dem herrschenden Schönheitsideal entsprechen und weil somit weniger Gefahr droht von Nicht-Kunden = Voyeuren diskriminiert zu werden.

In allen privaten online-communities findem man die Dominanz der Jugend, weil die älteren weniger Medienerfahrung haben und nicht mehr so ungezwungen sich preisgeben wollen. Würde da einer ableiten es gibt überwiegend junge Singels?


(2) Darüberhinaus bleiben aber viele Jungen auch nur kurz im Sexbiz, weil sie zwar schön anzusehen sind und evt. viele Erstkunden hatten, aber nicht die notwendige SW-Kompetenzen haben um Stammkunden sich zu "erarbeiten", oder diese Fähigkeiten auch nicht entwickeln konnten, denn gelehrt werden SW-Kompetenzen ja nicht (Angst vor und Tabu "Förderung der Prostitution", Stigma etc.).


(3) Viele jungen arbeiten evt. weniger professionell Teilzeit als Vollzeit.

D.h. in den Verzeichnissen und Clubs sieht man immer viele aber immer neue Mädchen, während die wenigeren älteren kontinuierlich dabei sind und im Vergleich zur Sichtbarkeit einen viel größeren Marktanteil haben als vermutet.

Aber Jammern gehört zum Geschäft und da werden sich die älteren im Zweifelsfall eben auch besser drauf verstehen ;-)





.
Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 19.02.2008, 14:39, insgesamt 1-mal geändert.

Micha Ebner
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Beitrag von Micha Ebner »

Marc of Frankfurt hat geschrieben:während die wenigeren älteren kontinuierlich dabei sind und im Vergleich zur Sichtbarkeit einen viel größeren Marktanteil haben als vermutet.
Man könnte jetzt auch argumentieren "Man muss halt 6 Tage die Woche statt 3 arbeiten, wenn's nicht mehr so gut läuft".


Bleibt die Erkenntnis, dass eine seriöse Studie mit hohen Fallzahlen

a) dringend erforderlich und

b) ungemein schwierig ist, weil sehr viele Faktoren das Ergebnis signifikant verwässern können.

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betthaserl
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Beitrag von betthaserl »

Hallo alle zusammen!

Erstmals finde ich das es echt Zeit war, dass es so ein Buch gibt und wollte fragen ob mir jemand sagen kann wo ich es bestellen kann?!
Würde mir sicher helfen viele meiner Fragen zu beantworten!

Ein großes DANKE im vorraus! :102
Bin Einsteigerin und vollgestopft bis obenhin mit Fragen, Fragen und nichts als Fragen.
Nehmt es mir nicht übel!

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Beitrag von Micha Ebner »

betthaserl hat geschrieben: wo ich es bestellen kann?!
Ganz normal über den Buchhandel oder auch über's Internet:

http://www.amazon.de/Berufsratgeber-für ... 3837014185



Kleine Warnung am Rande: Kapitel 2 (rechtliche Situation) beschreibt nur die Situation in Deutschland, und die unterscheidet sich ziemlich von der in Österreich.

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Mandy
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Beitrag von Mandy »

ich glaube das buch werde ich mir auch geben!

Lg.

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Beitrag von Hanna »

Da wir z.Zt. viele neue Sexarbeiterinnen im Forum haben möchte ich nicht versäumen, dieses Buch nochmals mit Hilfe eines Postings in den Vordergrund zu rücken, zumal da ichs selbst jetzt endlich gelesen habe.

in wesentlichen Teilen kann ich mich der Rezension von Annainga weiter oben im Threat nur anschließen. Es ist ein notwendiges Buch, sehr hilfreich für die Berufseinsteigerin.

Was mir vor allem gefällt ist die illusionslose Darstellung des Einstiegs und das Kapitel Finanzen. Sehr hilfreich auch gerade für Einsteigerinnen ist das 6. Kapitel (Praxis) wo über die verschiedenen Prostituitonsformen und deren Vor- und Nachteile abgehandelt wird. Wohltuend kurz wird auf den letzten Seiten die Problematik abgehandelt die mit Sexarbeitet eher nichts zu tun hat: Zwangsprostitution und Drogenstrich.

Demgegenüber sind die Mängel des Buches unbedeutend und in einer 2. Auflage leicht abzustellen. Aus meiner Sicht ist zu kritisieren:
1. Ich hätte gerne auch etwas mehr über den Autor gewußt. Sollte er sich diesbezüglich bewußt zurückgehalten haben (vielleicht aus Diskretionsgründen) dann muß man überlegen, ob man solche Werke nicht besser unter Pseudonym verfaßt.
2. der Begriff "Hure" ist mittlerweile überholt, ich würde ihn durch Sexarbeiterin ersetzen!
3. den Versuch den Arbeitslohn einer Sexarbeiterin inklusive aller Gesundheitsgefahren und Erschwernisse zu errechnen, kann ich aus moralischer Sicht nicht tadeln. Im Gegenteil wenn einem einmal ganz dürr die Gesundheitsrisiken vorgerechnet werden ist das vielleicht für manche Dame mit etwas zu lockerer Praxis eine eindringlichere Warnung als der moralisch erhobene Zeigefinger! Ich würde nur die Formeln der leichten Lesbarkeit wegen in die Fußnoten oder in einen Anhang verbannen.
4. Manche zweifelhaften Zahlen könnten unnötig für Akzeptanzprobleme des Buches sorgen. Ich meine z.B. das "Ausstiegskapital" von 800 000 Euro oder die unreflektiert übernommene Anzahl von 400 000 Sexarbeiterinnen. Da ist weniger mehr.
5. Ein vollständig vernachlässigtes Segment ist die Hobby- und Alterssexarbeiterin die erst in einem Alter anfängt wo Micha Ebner längst zum Aufhören rät. Gerade für viele ältere Frauen hat nämlich Gelegenheitsprostitution viele Vorteile: Sie mußten oft aus dem Erwerbsprozeß ausscheiden, die Frage nach der beruflichen Alternative stellt sich also nicht mehr, haben aber bedingt durch ihr Alter eine hohe Sozialkompetenz, werden durch die begrenzte Anzahl ihrer Kunden auch nicht so stark psychisch belastet und können so ihr (oft geringes) Einkommen ohne besondere Steuerbelastung sinnvoll aufstocken.
6. irgendwie hätte das Buch noch ein Nachwort verdient. eine kurze soziologische oder gesellschaftspolitische Abhandlung um das Ganze in einen größeren kkontext zu stellen. Da gebe ich Annainga recht, das Buch endet zu abrupt.

aber lesenswert auf jeden Fall und auf die (verbesserte) 2. Auflage bin ich gespannt.

beste Grüße
Hanna
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Vanessa-Eden
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RE: Berufsratgeber für Huren

Beitrag von Vanessa-Eden »

Vielen Dank an Micha Ebner für dieses hervorragende Buch, diesen tollen Ratgeber im Dschungel der Prostitutionsgesetze.

Ich habe mir erlaubt, von meiner neuen Seite www.escort-coach.de/ratgeber auf dieses hilfreiche Buch aufmerksam zu machen.

vg
Vanessa Eden :001