Als schweizer Zeitung bezieht sich die Weltwoche natürlich auf die Situation in der Schweiz- ist aber mE allgemein gültig.
Titel: "Unternehmen Unterwelt".
Subtitel: "Paragraf 1: Das organisierte Verbrechen ist ein Markt. Paragraf 2: Der Markt gehorcht den Gesetzen des Marktes. Paragraf 3: Ein Staat, der Marktgesetze missachtet, regiert gegen sich selbst. Zur Ökonomie der Kriminalität."
http://www.weltwoche.ch/artikel/?AssetI ... egoryID=82
Daraus ein kleiner Ausschnitt, Sexworker betreffend:
Im Verhängnis
Besonders anfällig für das downscaling ist auch der Tatbestand des «Menschenhandels». Das Anliegen ist an sich völlig legitim: Man will verhindern, dass Prostituierte zum willenlosen Handelsobjekt degradiert werden. Der Gesetzgeber dachte dabei wohl an die Geschichte vom braven Mädchen, das mit falschen Versprechungen in die Fremde gelockt, dort an einen Puffier verschachert und zur Prostitution gezwungen wird. Solche Fälle gibt es, doch sie sind selten. Aus einem leicht nachvollziehbaren Grund: Infolge des wirtschaftlichen Gefälles besteht in den ärmeren Ländern ein derartiges Überangebot an Prostituierten, die noch so gern im reichen Norden anschaffen wollen, dass es wirtschaftlich schlechterdings unsinnig wäre, eine Frau, von der man nicht einmal weiss, ob sie für das Geschäft taugt, gegen ihren Willen zu verschleppen.
Wohl gibt es immer wieder Fälle von Drittweltfrauen, die schamlos ausgebeutet werden – doch geschieht dies nicht «trotz», sondern gerade «wegen» der gesetzlichen Restriktionen. Weil die Prostituierten aus den ärmsten Ländern keine Chance haben, regulär in der Schweiz anzuschaffen, ist ein beträchtlicher Schwarzmarkt entstanden, der nach seinen eigenen Gesetzen funktioniert. Mit dem Rechtsschutz des Staates dürfen diese Frauen nicht rechnen, und der private «Beschützer», der Zuhälter, der in die Lücke springt, ist letztlich ihr Verbündeter gegen einen gemeinsamen Feind, den Staat.
Gleichwohl sind Fälle von Menschenhandel im klassischen Sinn in der Schweiz rar – also verschärfte man die Praxis. Nach neuester Rechtsprechung ist der Tatbestand auch dann schon erfüllt, wenn beispielsweise ein Puffier im Ausland selbst eine Prostituierte anwirbt und ihr einen Vorschuss für die Reise bezahlt, den sie dann bei ihm abarbeiten muss. Zumal das Bundesgericht Frauen aus Entwicklungsländern (wie bereits dargelegt) ohnehin nur einen schwachen freien Willen attestiert, steht damit praktisch jeder Bordellbesitzer wieder mit einem Bein im Gefängnis. Die Folge: Jene, die etwas zu verlieren haben, ziehen sich zurück, Leute mit weniger Skrupeln springen in die Lücke. Und das Geschäft mit den Illegalen blüht wie nie zuvor.