Abrechnung einer SW mit ihrem Beruf

Ein nahezu unerschöpfliches Thema: Psychologische Betrachtungsweise der Sexarbeit
Melanie
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Beitrag von Melanie »

Nun ich interpretiere ihre Art der Rückschau - als Abrechnung, als Schlußstrich mit ihrem Job als SW und es tut mir leid um diese SW !!!

Nicht alle arbeiten in diesem Job so freiwillig und geraten dabei unter Druck - erst wenn eine neue Lebenssituation eintritt ziehen manche Menschen auf diese Art einen Schlussstrich.

- sory, aber DAS hätte auch von mir sein können, als ich noch bei einer bestimmten Agentur gearbeitet habe. -

Jetzt hat sich meine Einstellung verändert, denn ich entscheide mit wem ich Kontakt habe und welchen Service ich anbiete.

LG Melly
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annainga
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RE: Abrechnung einer SW mit ihrem Beruf

Beitrag von annainga »

was mir oft auffällt - die meinung zu unserer tätigkeit als sexarbeiterin ändert sich oft um 180 grad, sobald man aussteigt. eine ex-kollegin von mir sagt, dann gehen dinge in deinem kopf ab, die du nicht für möglich hältst. du siehst alles aus einer anderen perspektive. es holt dich immer wieder ein. du bewertest den job als prostituierte ganz anders, wenn du ihn nicht mehr machst ...

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Marc of Frankfurt
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Verarbeitungsstrategien beim SW-Outplacement

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Das wird mir langsam auch immer deutlicher. Es scheint an der dahinterliegenden Polarisierung zu liegen, die unsere Kultur erzeugt hat:

Diese schwerst integrierbaren Gegensätze zwischen Arbeitswelt und Kultur mit Erotik nur in Kunst oder zu Werbezwecken, aber wirklichem wild gelebten Sex nur im Privaten fern der Öffentlichkeit.
Und im Gegensatz dazu, davon abgespalten und ausgegrenzt das Sexbusiness und Schlampenleben (HWG) mit öffentlich verfügbaren/buchbaren Erotik-DienstleisterInnen.

In jedem Lebensmodell müssen wesentliche Anteile des Menschsein verdrängt bzw. kontrolliert/kultiviert werden.

Solagne das Sexleben/geschäft funktioniert (Jugend, Markterfolg, Lust, Lebensnotwendigkeit, Finanzzwang) und damit es funktioniert ist eine ganz andere Lebenseinstellung und Selbstmotivation erforderlich als z.B. für Fließbandarbeit, unterbezahlte Sozialarbeit oder Akademikerkarriere...

Steigt man aus der Sexarbeit aus, folgt mit dem Tapetenwechsel auch eine innere Transformation.

Je nachdem wie die Grundeinstellung zur Sexualität ist und wie glückhaft Sexualität privat und in der Prostitution bis dahin gelebt werden konnte, kann es zu einer Rückunterwerfung an die herrschende putophobe Morallehre kommen.

Die nachträgliche Annahme z.B. von Opferrolle oder Prostitutionsgenerschaft als Verarbeitungsmechanismus für bis dahin verdrängte negative Erfahrungen...

Der Ausstieg, das Outplacement erfordert zusätzlich die Bildung einer neuen Identität als Ex-SexarbeiterIn. Dazu gibt es bisher kaum Studien und vergleichende Untersuchungen geschweige denn Aufklärungsliteratur. Es scheint unterschiedlicheste Wege zu geben. Geglückte und unglückliche...

www.sexworker.at/exit





Wie kann helfen?:

viewtopic.php?p=54027#54027 (Witz über Therapeutenvielfalt)





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Hanna
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Beitrag von Hanna »

Marx hats viel schlichter formuliert: "das Sein bestimmt das Bewußtsein."
Hier paßts mal her...
Augen gab uns Gott ein Paar / um zu schauen rein und klar / um zu GLAUBEN was wir lesen / wär ein Aug' genug gewesen (aus HH. zur Teleologie)

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annainga
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Re: Verarbeitungsstrategien beim SW-Outplacement

Beitrag von annainga »

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Marc of Frankfurt hat geschrieben:Steigt man aus der Sexarbeit aus, folgt mit dem Tapetenwechsel auch eine innere Transformation.
dasselbe gilt auch für den einstieg.

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Hanna hat geschrieben:"das Sein bestimmt das Bewußtsein."

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Marc of Frankfurt
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Aufklärung der Mehrheit

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Wirklich passend. Das ist m.E. das Wesen der sog. nichtsexuellen Prostitution. Oder dieser hier:
  • "Wes Brot ich ess, des Lied ich sing'."

Das Wesen der Mehrheitsgesellschaft ist es, daß die korrumpierende Wirkung der herrschenden Meinung nicht zur Diskussion steht. :-(

Normierende Wirkung der Masse (Norm im rein statistischen Sinne).

Hingegen Minderheiten und Fremde z.B. Sexarbeiter und Sexualassistenten müßen sich erklären und rechtfertigen für ihr 'Anderssein', wenn sie sich behaupten wollen.





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