LokalNachrichten: ZÜRICH

Hier findet Ihr "lokale" Links, Beiträge und Infos - Sexarbeit betreffend. Die Themen sind weitgehend nach Städten aufgeteilt.
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Marc of Frankfurt
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LokalNachrichten: ZÜRICH

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Zürich


Wirtschaftliche Hauptstadt der Schweiz
www.de.wikipedia.org/wiki/Z%C3%BCrich

Siehe auch unsere Länderberichte Schweiz:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=932

In Zürich gibt es für das interkontinentale Geld die Bahnhofstraße
und für das preiswerte Sexgeschäft die Langstrasse.

Und in der Langstrasse herrschen dieselben Probleme wie in vielen Rotlichtgethos, die es in allen Metropolen gibt: gebrauch illegaliserter Drogen und Billigprostitution, Beschaffungsprostitution, Billigstläden und Imbisse, ausbeuterische Geschäftsverhältnisse und prekarisierende Lebensbedingungen mit allen ihre problematischen Konsequenzen. Vgl. Struwerviertel in Wien, de Wallen in Amsterdam, St. Pauli in Hamburg, BHV in Frankfurt etc. etc. . Deswegen haben sich die Stadtplaner solcher Regionen längst ebenso vernetzt wie SW es z.B. durch dieses Forum tun können.

Zu beobachten sind in gewissen historischen Zyklen oftmals Verdrängungstendenzen und Aufwertungsunternehmungen (Spekulation, Gentrifizierung) ...





Anlaufstellen für Sexworker

- Flora Dora
www.stadt-zuerich.ch/content/sd/de/inde ... gebot.html
www.infostelle.ch/de/fokus/archiv/sexarbeit

- FachInformatonsZentrum Migration und Frauenhandel
www.fiz-info.ch

- Arche, Langstrassenquartier
Jeannette Vernay
www.archeZuerich.ch
www.facebook.com/pages/Arche-Z%C3%BCric ... 2241964454
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=121068#121068
Drogenprojekt in der Langstrasse
www.archezh.ch/Basta/FrameBasta.html
Konzept für die polivalente Beratungsstelle Basta Gassenarbeit Langstrasse
www.archezh.ch/Basta/Basta_Konzept.pdf
(12 Seiten)

- Isla Victoria
www.stadtmission.ch/isla-victoria
Bild

- Gassenarbeit für männliche Sexworker und Stricher
www.aids.ch/d/ahs/msw.php
www.zah.ch/herrmann-zh/zuerich/ (Christian Conrad, Leiter)
www.safeboy.ch

- Projekt für männliche Sexarbeiter: Hermann
www.malesexwork.ch/zuerich/index.html

- Heilsarmee (Freikirche/Sekte)
www.rahab.ch

- ...





Protest von 200 Sexworkern und 4 NGOs gegen Vertreibungspolitik Langstraßenviertel (Bahnhofsviertel/Bezirk 4)
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=138197#138197

ProstitutionsGewerbeVerOrdnung (PGVO) seit 1.1.2013
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=135528#135528

Eröffnung Safer-Sexwork Liebes-Lauben open-air Bordell (August 2013)
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=134538#134538
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=135296#135296
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=1008

Offizieller Strichplan der Stadt Zürich (Feb 2005- Juli 2012)
www.tagesanzeiger.ch/zuerich/region/Der ... y/21721543
Plan ab 2012 siehe Attachment unten.

"The mental health of female sex workers"
gefährlich gegen SW "vermarktete" Zürich-Studie
Prof. Wulf Rössler e.a., Psychiatry Zürich:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=5886

...





Hier Ausschnitte aus einem Artikel zum aktuelle Strukturwandel:

"Die Langstrasse wird ein bisschen chic"


Ganz lesen:
www.shn.ch/pages/artikel.cfm?id=206144

"Gut so, aber bloss nicht übertreiben, finden die Bewohner.

Blutjunges Partyvolk ist nicht erwünscht, das Milieu sowieso nicht.

Seit einigen Jahren treten an die Stelle von Rotlichtlokalen coole Bars und Galerien, statt dem x-ten Kebabstand öffnet ein vernünftiger Lebensmittelladen, aus Stundenzimmern werden Wohnungen. Was sich im Kreis 4 abspielt, jenem Teil des Langstrassenquartiers im Süden der Geleise, hat im Kreis 5 - jenseits der Bahnunterführung - schon vor fast zehn Jahren begonnen. Dass es nun auch im «Vieri» in diese Richtung geht, hat mehrere Gründe. Einer ist der städtische Zonenplan. Er wurde 2001 geändert und erlaubt nun eine höhere Ausnutzung. Damit wollte die Stadt die bauliche Erneuerung fördern, weil viele Häuser im Quartier in schlechtem Zustand sind. Tatsächlich gesellten sich zur Stadt und den Wohnbaugenossenschaften in jüngster Zeit auch private Investoren, die Geld in Projekte im Kreis 4 stecken.

zum Beispiel mehr Präsenz der Polizei. Sie versucht Drogendeal und -konsum im öffentlichen Raum zu verhindern.

der Strassenstrich. «Er hat nicht abgenommen»

Dafür wurden bei den Bordellen Erfolge erzielt. Durch intensivere Kontrollen ist ihre Zahl gesunken. In einzelnen Fällen hat die Stadt direkt eingegriffen und Rotlichtliegenschaften gekauft [siehe Amsterdam] und umgenutzt. Obwohl die Prostitution im Langstrassenquartier eigentlich nicht erlaubt wäre, geht es laut Vieli nicht darum, sie völlig zu vertreiben: «Wir wollen sie steuern und auf einem erträglichen Niveau halten.» Das Sexgewerbe soll dort möglich sein, wo es für die Frauen sicher ist und die Bevölkerung nicht stört.

Zu lange hat man Unerwünschtes in dieses Gebiet abgeschoben. Früher waren hier das Siechenhaus und der Henkersplatz, später Arbeiter, Katholiken und Italiener, und schliesslich rauchten und lärmten Kehrichtverbrennung und Schlachthof. Mit dem städtischen Engagement für das Langstrassenquartier will man dieser Tradition etwas entgegensetzen. «Die Leute sollen spüren, dass sie nicht der Abfallkübel der Stadt sind»

Heimatgefühl und Bürgerengagement. Integration statt Segregation. Keine «Yuppisierung».

Problem Nummer 1 wird die Drogenszene genannt, an zweiter Stelle folgt die Prostitution."





Methodenhandbuch Straßenstrich-Sozialarbeit:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=126901#126901
Dateianhänge
Vor-Steuer Ticket-Automat <br />für out-door Sexwork<br />seit 2012/13<br /><br />http://goo.gl/maps/A4c2V<br />Posting #127817<br />(Vgl. Bonn 2011-07-12 #101439)
Vor-Steuer Ticket-Automat
für out-door Sexwork
seit 2012/13

http://goo.gl/maps/A4c2V
Posting #127817
(Vgl. Bonn 2011-07-12 #101439)
Studie zur Situation ungarischer Strassenprostituieren - kommentiert.pdf
Gesetze, Hilfsangebote, Verdienst und Situation von Sexworker-Migrant_innen, die in Zürich out-door arbeiten
(Schwerpunkt: Frauen aus Roma-Ghettos in Ungarn)
62 Seiten
Projektbericht IRIS 2008-12
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Die 3 erlaubten Outdoor Strichplätze in Zürich ab 1.7.2012 und Lage der<br />Anlaufstellen
Die 3 erlaubten Outdoor Strichplätze in Zürich ab 1.7.2012 und Lage der
Anlaufstellen
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Marc of Frankfurt
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Keine sichtbare Prostitution erlaubt

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Fenster-Prostitution bleibt verboten

Erste Urteile des Obergerichts liegen vor


Die einst heiss diskutierte Frage, ob die im Zürcher Langstrassenquartier und in Teilen des Niederdorfs praktizierte Fenster-Prostitution tatsächlich rechtswidrig ist, hat bei ihrem Gang durch die gerichtlichen Instanzen inzwischen das Obergericht erreicht. Dieses hat jetzt bestätigt, wonach sich strafbar macht, wer sich hinter ein einsehbares Fenster setzt in der erkennbaren Bereitschaft, der Prostitution nachzugehen. Mit mehreren übereinstimmenden Urteilen, die das Obergericht am Montag den Medien zugestellt hat, wird Rechtssicherheit geschaffen – sofern die Urteile Rechtskraft erlangen sollten.


Bei der umstrittenen Frage, ab wann eine Frau, die hinter einem grell beleuchteten Fenster sitzt, als anwerbende Prostituierte zu betrachten ist, hat sich mancher Einzelrichter in detailreichen, teilweise skurril anmutenden Definitionen versucht. Das Obergericht kürzt die Diskussion ab, indem es festhält, der Sachverhalt könne nicht über eine starre Umschreibung definiert werden, sondern müsse aufgrund des Gesamteindrucks beurteilt werden.

Im Fall einer 28-jährigen Brasilianerin kommt das Obergericht beispielsweise zum Schluss, sie habe sehr wohl gewusst, was es brauche, um ihrer potenziellen Kundschaft ihren Willen zur Prostitution zu offenbaren. Anzunehmen, die Beschuldigte habe sich lediglich ans Fenster gesetzt, um sich von der Arbeit zu erholen, Tee zu trinken oder mit ihren Kolleginnen zu plaudern, wäre nach Ansicht des Obergerichts jedenfalls weltfremd.

Auch dem erstinstanzlich noch akzeptierten Einwand, die Beschuldigte habe sich in einem Rechtsirrtum befunden, kommt das Obergericht nicht nach. Als Prostituierte sei sie in einem speziellen Gewerbe tätig und müsse sich deshalb vor der Arbeitsaufnahme auch registrieren lassen. Folglich dürfe erwartet werden, dass sie sich über die bestehenden Regelungen erkundigt, heisst es im Urteil des Obergerichts. Was die Frage der Wirtschafts- beziehungsweise Berufsausübungsfreiheit anbelangt, wird auf die als zutreffend erachteten Ausführungen der Vorinstanz verwiesen. Diese hatte das von der Verteidigung angeführte Argument zurückgewiesen.


Obergericht, Geschäftsnummer SU070060/U/eh u. a.
nzz.ch/nachrichten/kultur/aktuell/fenster-prostitution_bleibt_verboten_1.682829.html

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Marc of Frankfurt
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Zyklen der Stadtsoziokultur

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Strukturwandel


NZZ: Die letzte Meile

Von den Ausländern und Büezern über den Stützli-Sex bis zu den 68ern: Im Rotlichtviertel um die Zürcher Langstrasse haben die Akteure immer wieder gewechselt. Jetzt kommt die Latte-macchiato-Fraktion.


Von Sacha Batthyany



Es war wieder so weit. Anfang März geriet das Zürcher Langstrassenquartier, das berühmteste Rotlichtviertel der Schweiz, in die Schlagzeilen: «Abrechnung im Milieu». Wieder diese Bilder, die alle kennen, auch wenn sie nie da waren – oder nur heimlich: die frierenden Nutten in ihren engen Latexröckchen vor dem Roland-Kino, die finsteren Typen mit ihren Bartschatten in den Hinterhöfen, die roten Lichter der Massagesalons. Es war wie 2004 beim Doppelmord in der «Ego-Bar», es war wie 2005, als Albert Moosberger, der «dicke Albert», Inhaber einiger Sexlokale, vor dem «Red Lips» erstochen wurde. Es gab eine Lichterkette, es gab eine Mahnwache gegen Gewalt im Quartier. Es war wie immer, hiess es, wie all die Jahre zuvor. War es das tatsächlich?

Am Samstag, dem 8. März 2008, abends um halb neun wurde auf den Italiener Angelo Donati, den Chef einer Security-Firma, vor seiner Wohnung an der Rolandstrasse geschossen. Dreimal in den Bauch, einmal in den Kopf. Ein tragischer Tod; Angelo, den alle «Engel der Langstrasse» nennen, hinterlässt Frau und Töchter. Nur: Eine Abrechnung im Milieu war es nicht. Es ging nicht um Schutzgeld, nicht um Erpressung, sondern um eine Frau und um Eifersucht. Es war ein Beziehungsdrama, und es hätte, auch in dieser Ruchlosigkeit, überall geschehen können, Gümligen, Göschenen, Goldküste, vor jeder Haustüre der Schweiz.



Schmutzig und verludert

Allein der Mythos der Langstrasse als Sündenmeile und Mafiazone überdeckte das reale Geschehen. Das Klischee schlug zu. «Typisch Langstrasse eben», werden sich viele gedacht haben, «was kann man anderes erwarten?» Seit mehr als hundert Jahren schon, seit dem «Italienerkrawall» im Juli 1896, als Schweizer und italienische Gastarbeiter aneinandergerieten, dient das Quartier als Projektionsfläche. So wie der Zürichberg der Ort der Schönen und Reichen, so ist die Langstrasse der Ort, wo die wilden Kerle wohnen. Es sind Quartiere, die man besser meidet, bis heute: zu schmutzig, zu verludert, zu südosteuropäisch.

Vom Boom im Westen der Stadt und den Galerien haben zwar viele gelesen, vielleicht waren sie im Schiffbau, vielleicht auf Besuch in der – nur vorübergehenden – Studentenbleibe der Tochter, aber an der Langstrasse, einfach so? Niemals. Dabei hat sie sich mehrmals und ständig verändert.

Stefan Pörtner sitzt in der Bar Rossi und trinkt Orangenlimonade. Das «Rossi» hiess früher «Sans Souci», ein Striplokal, es gab «Halbelis» für 250 Franken, Champagner in Halbliterflaschen und ein bisschen nackte Haut. Heute trinken junge Leute Sprint-Bier von der Zürcher Brauerei Turbinenbräu. Auch das «Rossi» steht für den Wandel im Quartier, und wer diesen Wandel verstehen will, fern von kalten Statistiken und veränderten Bauzonenordnungen, der muss Stephan Pörtners preisgekrönte Krimis lesen.



«Köbi der Held»

Alle seine vier Bände über den Privatdetektiv Köbi spielen im Langstrassenquartier und beschreiben die soziokulturellen Veränderungen in kleinen, aber entscheidenden Details. 1998 erschien sein erster Band, «Köbi der Held». Köbi verstrickt sich in einen Mordfall, kauft Kaffee beim Italiener um die Ecke, die links-alternative Szene dominiert, Köbi isst in der «Silberkugel», dem einzigen Imbiss, der damals durchgehend geöffnet hatte. Im Jahr 2000, in Band zwei, ist die Idylle schon getrübt, die Drogenabhängigen sitzen auf der Wiese der nahen Bäckeranlage, es ist die Zeit, nachdem die offene Drogenszene am Letten aufgehoben worden war und die Junkies in die Wohnquartiere zogen. Es ist die Zeit, als die Stadt das Gastronomiegesetz lockerte, die Italiener-Läden verschwanden, Lavazza-Kaffee gab es auch bei Pick Pay, die Kebabbuden verdrängten alle anderen Imbisse und verkauften Dosenbier für 3 Franken 50. In Pörtners letztem Band, 2007, knapp zehn Jahre nach seinem Erstling, entscheidet sich Köbi, das Quartier zu verlassen. Aus der «Silberkugel», dem biederen Imbiss, ist längst eine Lounge geworden mit grossen Fenstern. Köbi: «Lounges waren nichts für mich. Ich sah zu wenig gut aus, um mich auf einem Sofa zu lümmeln, Latte macchiato zu schlürfen und blasé auf die Badenerstrasse zu linsen.»

Die Veränderungen, die Pörtners Privatdetektiv Köbi durchlebt, lassen sich auch wissenschaftlich beschreiben. Soziologen und Sozialgeografen wie Heiri Leuthold von der Zürcher Forschungsstelle Sotomo subsumieren Köbis Beobachtungen unter dem Begriff Gentrifizierung und meinen «eine Veredelung des Wohnumfeldes». Es ist wie ein Zyklus. Leuthold sagt: «Bis in die neunziger Jahre dominierten die sogenannten A-Städte: Ausländer, Alte, Arbeitslose, sie wohnen im Zentrum, während die, die es sich leisten können, in die Vororte ziehen.» Die A-Städte, so Leuthold, seien das Produkt des bürgerlichen Wohnideals: «Ein Haus mit Garten am Stadtrand, eine Ehefrau, die zu den Kindern schaut, und ein Mann, der abends nach Hause kommt.» Durch den Wegzug des Mittelstandes und die Rückwanderung der Ausländer Mitte der siebziger Jahre aufgrund der wirtschaftlichen Rezession entstand in vielen Städten ein Vakuum. In London, New York, Berlin, auch in Zürich. Nur wurde das Vakuum hier mit Sexklubs gefüllt.

Es war das Milieu, das mit Hilfe der Banken die freien Apartmenthäuser kaufte, in denen bis dahin italienische Saisonniers gelebt hatten. 1976 eröffnete Gody Müller an der Brauerstrasse den «Stützli-Sex». Für einen Franken durfte man 30 Sekunden lang einer nackten Frau beim Tanzen zusehen – die Männer standen vor dem Guckkasten Schlange. Die Langstrasse – das Schlüsselloch für kleinbürgerliche Phantasien. Gody Müller wurde Millionär, verprasste sein ganzes Geld, so wie es sich für eine Milieugrösse gehört, und lebte fortan von der Fürsorge.

Neben dem horizontalen Gewerbe kamen auch die Studenten und die 68er auf der Suche nach billigem Wohnraum. Sie eröffneten kleine Läden, sie trafen sich im «Krokodil» oder im «Stray Cats». Auch diesen Kreisen diente die Langstrasse als Projektionsfläche. Auch für sie war es der Ort, wo die wilden Kerle wohnen, doch wild hiess nicht mehr verludert, nicht wie in bürgerlichen Kreisen; wild hiess weniger angepasst, weniger spiessig, ein bisschen verrückt und mediterran. Noch heute hört man sie das Leben im Quartier romantisieren, wo Schriftsteller angeblich mit Dirnen philosophieren, wo Multikulturalismus gelebt wird und man auf Dachterrassen statt Würsten lieber Salsiccia piccante grilliert.

Gentrifizierung, Aufwertung, nennen die Stadtplaner diesen Prozess. Und er geht weiter. Laut dem Geografen Leuthold folgen auf die Studenten und Künstler neue Gastronomen und Boutiquen, mit der Folge: Renovationen nehmen zu, kinderlose Paare ziehen ein, das Quartier verändert sein Gesicht. Leuthold sagt: «Die Langstrasse ist mitten drin in diesem Wandel.» So wie Hamburgs Schanzenviertel, der Wiener Spittelberg, SoHo in Manhattan, das Redlight in Amsterdam. Alles wird aufgewertet. Alles gesäubert.

Während diese Entwicklung von den Offiziellen der Stadt Zürich begrüsst wird, äussern Anwohner erste Bedenken: Zürichs Rotlichtviertel verkomme zum Yuppie-Quartier, der Charme gehe verloren, bald sei es wie in einer Flughafenlounge, so keimfrei und so unpersönlich.

Bereits ist der Ausländeranteil gesunken, die Geburtenrate steigt, die Galeriendichte auch, die Mieten sowieso. Aus der «Schönau», dem Treffpunkt für Alkoholiker, wurde die schicke «Osteria da Concetta», aus dem Nachtlokal «St. Pauli» soll ein Hotel werden, aus der «Galerie La Perla» ein Haus mit Lofts. Neben den Bahngeleisen bauen Architekten wie HLS oder Vera Gloor neue Häuser, an der Bäckerstrasse werden Bäume gepflanzt, es wird aufgemotzt, «gepimpt», wie jemand auf der Strasse sagt, «wie in anderen Ländern vor Olympia». Aus Spielsalons oder Striplokalen entstanden Bars und Cafés: «Forum», «Casablanca», «Plazda», «Sport», «Rossi», «Acapulco», ihre Betreiber sind die neuen Kinder der Langstrasse. Sie prägen den Charakter des Quartiers.

Für diesen Wandel gibt es ein Symbol, so wie es bereits Stephan Pörtner in seinen Krimis beschrieb: den Latte macchiato. Das milchige Kaffeegebräu mit weissem Schaum ist das Wappenzeichen der neuen Gastronomen. Es hat den Rioja der 68er abgelöst.

«Natürlich ist ein Wandel spürbar, doch es wird kein Yuppie-Quartier, die Langstrasse wird nie familientauglich]. Sie soll eine Vergnügungsmeile bleiben», sagt Brigit Wehrli-Schindler, Direktorin der Stadtentwicklung Zürich. «Als 1999 die Lage mit den Drogenabhängigen und Dealern unhaltbar wurde, mussten wir handeln.» Parallel zur Gentrifikation des Quartiers, die sowieso stattfand, hat die Stadt verschiedene Massnahmen getroffen, das Viertel von Drogen und Prostitution zu entlasten. Ziel war es, das Milieu zurückzudrängen. Was jedoch nur bedingt gelang.

Man rief das Aufwertungsprojekt «Langstrasse Plus» ins Leben, dessen Leiter, Rolf Vieli, seitdem als «Mr. Langstrasse» bezeichnet wird und für Ruhe und Ordnung sorgen soll. Man säuberte die Bäckeranlage von den Drogensüchtigen, ging repressiv gegen Bordellbesitzer und Schaufenster- dirnen vor, kaufte mehrere Liegenschaften, um sie dem Milieu zu entziehen, und schuf den «Langstrassen-Kredit», mit dem zweimal jährlich Gewerbeprojekte unterstützt werden, die das Leben im Quartier verbessern.



In finsteren Hinterhöfen

Erfolge? «Natürlich zeichnen sich Erfolge ab», sagt Rolf Vieli, Leiter von «Langstrasse Plus»: «Die Lebensqualität ist gestiegen, die Anzahl Drogendealer und Junkies ging zurück.» Die blauen Glühbirnen in den Hinterhöfen, die den Drogenabhängigen die Sicht auf ihre Venen erschweren, wurden entfernt. Doch das Sexmilieu blieb und blüht. Anders als Glühbirnen liess es sich nicht so einfach austauschen.

«Die Sonne», die «Lambada-Bar», «Die Ritze», all die Apartmenthäuser werden immer da sein, auch die Anzahl der Prostituierten ist gleich geblieben, schätzen Sozialarbeiterinnen der Beratungsstelle Basta, doch sind die Frauen weniger sichtbar, was die Gesundheits-Prävention erschwert. «Aus den Augen, aus dem Sinn», bezeichnet man im Quartier die Anstrengungen der Stadt. Zwar dürfen sich Prostituierte seit 2002 offiziell nicht mehr im Fenster präsentieren und ihren Freiern winken, dafür stehen sie in finsteren Hinterhöfen und warten frierend auf Kundschaft. Oder sie weichen aus.

Anwohner aus benachbarten Stadtteilen beschweren sich, das Milieu sei in andere Quartiere diffundiert. Laut Peter Bielmann, Quartiervereinspräsident in Seebach, breite es sich zurzeit in Seebach aus. «Ich gönne dem Langstrassenquartier jegliche Aufwertung. Doch was ist mit den anderen?»

Dass aus dem berühmtesten Rotlichtviertel der Schweiz ein ruhiger, gehobener Stadtteil wird, ist nicht zu erwarten, doch es droht zur «Unterhaltungsmeile» zu verkommen. Ein Disney-Land für Erwachsene, in dem sich die Schweiz austoben darf?

Es sieht ganz danach aus, denn auch die letzte Meile ist gefallen: das Restaurant Volkshaus am Helvetiaplatz, bis anhin immun gegen Veränderung und Sammelpunkt der Gewerkschaften, Büezer und all jener, die ehrliches Essen schätzen. Morgen wird es geschlossen. Die Topfpflanzen in brauner Hydrokultur, die Eichentische und die tamilischen Kellner stehen auf der Strasse. Die Latte-macchiato-Fraktion hat zugeschlagen. «Aus dem Volkshaus wird ein Bistro», sagt Koni Frei, einer der vier Betreiber, «wir waren in Paris, um Möbel zu kaufen.» Paris? Bis vor wenigen Jahren kamen hier die Möbel noch aus dem Brockenhaus.



Das raue Dasein

Das neue Volkshaus/Bistro wird noch mehr Partyvolk anziehen, das gerade erst das Quartier für sich entdeckte und in der «Zukunft» und im «Bling», den neuen Klubs, die Nächte verbringt. Sie strömen in die In-Bar «Longstreet» mit den roten Wänden und den Plüschsofas. Auch das «Longstreet» war einmal ein Striplokal, das verleiht der Bar erst die von vielen ersehnte Verruchtheit. Schon wieder missbraucht eine neue Generation das Quartier als ihre Projektionsfläche. Sie pfeifen auf italienische Läden und auf Multikulti, wie die Alternativen vor 20 Jahren, schliess lich sind sie damit aufgewachsen. Sie hatten Multikulti bereits im Klassenzimmer. Sie suchen Urbanität und das raue Dasein, sie wollen Bars, in denen früher gestrippt wurde, weil es ihnen das Gefühl vermittelt, ihr eigenes Leben sei verruchter. Sie sehnen sich nach einem Stück Wildnis in einem so herausgeputzten Land wie der Schweiz.

Es ist Nacht geworden an der Langstrasse, das «Longstreet» füllt sich, aus dem nahen «Fogo-Latino» klingt Samba, die Schweiz hat im Fussball gegen Deutschland verloren, den Kebabverkäufer kümmert das wenig, seine Türkei spielte in Weissrussland nur unentschieden, «Kebab mit alles, scharf?» Stephan Pörtner, der Krimiautor, der die Quartierentwicklung in seinen vier Bänden beschrieb, setzt seinen Hut auf und geht nach Hause. Nachdem seine Hauptfigur, der Privatdetektiv Köbi, im vierten Band aus dem Quartier ausgezogen ist, ist auch Pörtner gegangen, nach 21 Jahren. «Als ich anfing zu schreiben, wollte ich über eine kleine Ecke der Schweiz berichten, die niemand kennt. Und jetzt kennt sie jeder.» In der Tat ist Zürichs Langstrasse im Ausland bekannter als Marc Chagalls Fenster im Fraumünster. Für Pörtner war es Zeit zu gehen. Ihm werden andere folgen. Einige sind schon weg. Die wilden Kerle wechseln das Quartier. Ein neuer Zyklus beginnt.



Die Langstrasse als Filmkulisse: von «Marronibratern» bis zu Koksern

Vier Spielfilme in 50 Jahren zeigen den veränderten Charakter des Quartiers: 1957 erschien Bäckerei Zürrer von Kurt Früh. Dem Schweizer Regisseur gelang ein präzises Porträt des kleinbürgerlichen Milieus und der aufkeimenden Spannung zwischen den Schweizern und den ausländischen Saisonniers, den «Marronibratern». Der alteingesessene Bäcker Zürrer (Emil Hegetschweiler) kann sich nicht damit abfinden, dass einer seiner beiden Söhne eine Affäre mit der Tochter des benachbarten italienischen Gemüsehändlers hat. Samirs Filou aus dem Jahre 1988, rund 30 Jahre danach, setzte den Klassiker von Kurt Früh fort. Die Arbeiter sind weg, stattdessen hält sich der Lebenskünstler Max mit Gelegenheitsdiebstählen und kleinen Gaunereien über Wasser. Lizzy, seine Wohnpartnerin, geht auf den Strich, die Italiener werden nicht mehr «Marronibrater» genannt, sondern Secondos. Der vielleicht bekannteste Film über die Langstrasse kam 2004 ins Kino und zementierte das Bild eines harten, trostlosen und heruntergekommenen Stadtteils. Strähl von Manuel Flurin Hendry erzählt die Geschichte eines einsamen und medikamentensüchtigen Polizisten (Roeland Wiesnekker), der sich mit der albanischen Drogenmafia anlegt. Um Drogen geht es auch in Samirs Snow White von 2005. Das Sittenporträt spielt an Zürichs Goldküste und in einem fiktiven Industriequartier, das stark an die Langstrassengegend erinnert. Die einzelnen städtischen Milieus vermischen sich, man trifft sich bald an schicken Pool- partys, bald in zerfallenen Industriebauten, Hauptsache, alle tanzen, Hauptsache, es wird genug Kokain verteilt. (bat.)

«Die Langstrasse wird aufgemotzt und &#8722; es ist wie in anderen Ländern vor Olympia.»

nzz.ch/nachrichten/schweiz/die_letzte_meile_1.697259.html





Fachjournal für Stadtplaner zum Thema Gouvernementalität
http://www.derive.at





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Nicht legitimierte Wirtschaftsförderung?

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Klüngelvorwurf um die kommunalen Investitionen gegen die Sexarbeitsbranche
(Kreditevolumen 2 Millionen Franken).


Tagesanzeiger: Der Langstrassenkredit sorgt für Ärger

Die Stadt unterstützt acht Geschäfte im Kreis 4 mit Geld. Das wird nicht von allen goutiert. Am meisten Kritik äussern andere Gewerbetreibende.



http://www.tagesanzeiger.ch/dyn/news/zu ... 56653.html





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Rekordzuwachs: 645 neue Sexworkerinnen in Zürich

Beitrag von Zwerg »

Rekordzuwachs: 645 neue Sexworkerinnen in Zürich

Die Zahl der Prostituierten hat in der Stadt Zürich einen neuen Rekord erreicht. 645 «Neue» zählte die Polizei 2007. An der Langstrasse herrscht dicke Luft.

4460 Prostituierte waren Ende 2006 legal in der Stadt Zürich registriert. 2007 hat die Polizei 645 neue Sexworkerinnen gezählt – eine Zunahme von 14,5 Prozent; erneut ein Rekord. 2003 waren 3100 Prostituierte in Zürich tätig, 1999 nur 1890. «Die neuen Frauen stammen vor allem aus der Schweiz, Deutschland und Ungarn», sagt Stapo-Sprecherin Judith Hödl. Im Rotlichtmilieu finde ein immer härterer Verdrängungskampf statt. Spürbar für die Bevölkerung seien vor allem die Nebenerscheinungen: «Im Kreis 4 und 5 haben die Klagen wegen Lärm, Abfall und Freierverkehr zugenommen.»

Sorgenfalten bereitet die Situation im Chreis Cheib vor allem Rolf Vieli, Projektleiter von Langstrasse Plus. Im letzten Jahr hat er seinen Kampf um die Rückeroberung der Langstrasse intensiviert und mit verschiedenen städtischen Ämtern das Projekt Rotlicht gestartet. «Rund um die einschlägigen Lokale sind die Auswüchse der Zunahme an Freiern und Prostituierten spürbar», sagt er. Die Belastung für die Quartierbevölkerung müsse gestoppt werden.

Ganz anderer Meinung ist da Lea Bösiger von der Beratungsstelle Isla Victoria. Die reiche Schweiz sei für Sexworkerinnen interessant und Arbeit gebe es genug. «Heutzutage gehen Männer aus allen Schichten ins Puff.» Es wäre an der Zeit, den Strichplan anzupassen und Prostitution rund um die Langstrasse zuzulassen, damit die Frauen dort legal arbeiten könnten.

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Tages-Anzeiger

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Am Sihlquai dominieren die Roma-Zuhälter

Von Stefan Hohler. Aktualisiert um 09:26 Uhr

Der Strassenstrich am Sihlquai wird zunehmend von Dirnen aus Osteuropa besetzt. Die Polizei vermutet in vielen Fällen Menschenhandel, der Nachweis aber ist äusserst schwierig.
Sein Ruf reicht bis nach Budapest. Zürichs grösster Strassenstrich verspricht schnelles Geld und zieht Menschenhändler aus Osteuropa an.
Bild: Thomas Burla/Fotograf



  • Was ist erlaubt, was nicht ?

    Prostitution:
    Ist für mündige Personen in der Schweiz grundsätzlich legal.

    Kuppelei und Zuhälterei:
    Wird seit der Revision des Sexualstrafrechts 1992 nicht mehr bestraft – sofern kein Zwang und keine Kontrolltätigkeit ausgeübt oder keine Abhängigkeit ausgenützt wird. Ansonsten kommen die Artikel 182 und 195 des Strafgesetzbuches (StGB) zur Anwendung:

    Menschenhandel:
    Artikel 182 StGB: «Wer als Anbieter, Vermittler oder Abnehmer mit einem Menschen Handel treibt zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung wird mit einer Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bestraft. Das Anwerben eines Menschen zu diesen Zwecken ist dem Handel gleichgestellt. In jedem Fall ist auch eine Geldstrafe auszusprechen.»

    Förderung der Prostitution:
    Artikel 195 StGB: «Wer eine Person unter Ausnützung ihrer Abhängigkeit oder eines Vermögensvorteils wegen der Prostitution zuführt, wer die Handlungsfreiheit einer Person, die Prostitution betreibt, dadurch beeinträchtigt, dass er sie bei dieser Tätigkeit überwacht oder Ort, Zeit, Ausmass oder andere Umstände der Prostitution bestimmt, wer eine Person in der Prostitution festhält, wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder einer Geldstrafe bestraft.»



Am Sihlquai findet ein harter Verdrängungs- und Konkurrenzkampf statt. Die Strasse mutiert immer mehr zu Zürichs Hauptstrassenstrich. Andere für die Prostitution ebenfalls vorgesehene Strassen wie Mythenquai, Allmendstrasse in der Brunau, Stauffacherquai sind verwaist. Unterdessen ist bereits bis Budapest bekannt, dass am Sihlquai das schnelle Geld zu machen ist. Nach Angaben von Peter Rüegger, Chefermittler der Stadtpolizei, sind es insgesamt mehrere hundert Frauen, die sich am Sihlquai prostituieren – und es werden immer mehr. Pro Abend werden dort gegen 40 Prostituierte gezählt. Rund die Hälfte stammt aus Ungarn, viele sind Roma.

Wenn die Personenfreizügigkeit auf Bulgarien und Rumänien ausgeweitet wird, wie dies das eidgenössische Parlament beschlossen hat, wird mit einer noch stärkeren Zuwanderung von noch ärmeren Frauen aus Südosteuropa gerechnet. Jetzt schon machen die Frauen aus Ungarn und aus weiteren ehemaligen Ostblockstaaten rund einen Drittel der jährlich in der Stadt Zürich neu in die Prostitution einsteigenden Personen aus.



Ronja, die Zigeunerin aus Budapest

Eine der vielen Roma am Sihlquai ist Ronja (Name geändert), eine 33-jährige «Zigeunerin aus Budapest», wie sie sich selber vorstellt. Zusammen mit ihrer 21-jährigen Schwester und einer 23-jährigen Freundin steht sie seit zwei Monten Abend für Abend unter der Kornhausbrücke. Zufrieden mit dem Geschäft ist sie nicht: «Hier nix gut, viele Frauen», sagt sie. Der Konkurrenzkampf sei sehr hart, fährt sie fort und zeigt auf eine junge Schweizer Drogensüchtige, die in der Nähe steht. Frauen wie diese würden die Preise drücken. Sie überlegt sich deshalb, in Deutschland zu arbeiten. Die drei Roma-Frauen wohnen in einer Absteige im Kreis 4 und bezahlen nach eigenen Angaben für das Hotelzimmer mit zwei Betten 80 Franken pro Nacht. Für das Kind der Schwester sorgt in Budapest die Grossmutter. Die Frage, ob sie einen Chef hätten, weist Ronja energisch zurück: «Nein wir sind selbständig und allein mit dem Zug nach Zürich gefahren.»



Ideale Opfer für Menschenhändler

Eine Aussage, die die Polizei immer wieder hört, aber vermutlich nicht der Wahrheit entspricht. Denn nicht nur die explodierenden Wachstumszahlen im Sexgewerbe machen der Polizei Sorge. Bedenklich ist die neue Entwicklung hin zu Zuhälterei und Menschenhandel. Der Grund: «Menschenhandel und -schmuggel ist ein lukratives Geschäft mit relativ geringen Risiko», sagt Chefermittler Rüegger, der zudem Leiter der schweizerischen Arbeitsgruppe Menschenhandel/Menschenschmuggel der Polizei ist. Im Gegensatz zum Drogenhandel, wo erwischte Dealer mit harten Strafen rechnen müssen, sind die Strafen bei Menschenhandel niedrig – wenn es denn überhaupt zu einer Anzeige und einem Strafverfahren kommt. Viele Frauen – vor allem mit tiefem Bildungsniveau, geringen Berufschancen und in Armut aufgewachsen wie die Roma aus Ungarn – sind ideale Opfer für Menschenhändler. Sie nutzen die schwierige Situation der betroffenen Frauen geschickt aus und schrecken auch vor falschen Versprechungen und Gewalt nicht zurück.



Roma-Zuhälter überwachen Frauen

Gemäss Rüegger haben die Beobachtungen der Stadtpolizei ergeben, dass die Roma-Zuhälter oft mehrere Frauen am Sihlquai überwachen. Die Männer ziehen mit dem Auto ihre Runden, passen auf die Frauen auf, geben Instruktionen und Befehle. Es herrsche ein ständiger Wechsel unter den Frauen und es gebe auch Hinweise, dass Frauen unter den Zuhältern ausgetauscht werden. Ein formales Einverständnis der Frauen müsse von den Ermittlern kritisch hinterfragt werden.

Momentan laufen in der Stadt Zürich drei Verfahren wegen Menschenhandel; drei mutmassliche Roma-Zuhälter sitzen in Untersuchungshaft. Wie Staatsanwältin Silvia Steiner von der auf organisierte Kriminalität spezialisierten Staatsanwaltschaft ll sagt, sollen die drei Männer Frauen unter Druck gesetzt, geschlagen und finanziell ausgebeutet haben. Fünf der betroffenen Frauen sind noch in der Schweiz, etwa zehn sind bereits wieder in Ungarn. Die Ermittlungen sind zeitintensiv, die Beweisführung hochkomplex. Man könne sich nicht nur auf die Aussagen der Frauen oder Zeugen abstützen, die Untersuchungsbehörden müssten, so Steiner, weitere Beweise erheben. Objektive Beweismittel würden die Glaubwürdigkeit der Opfer beim Gerichtsverfahren stärken. Steiner hat seit 2005 sieben Verfahren wegen Menschenhandel durchgeführt. Dabei waren rund zwanzig Täter und gegen hundert Opfer involviert; die meisten Verfahren führten zu einer Verurteilung. Vor allem die Zuhälter aus Osteuropa würden die Frauen häufig schlagen oder mit Nachteilen für deren Familie im Heimatland drohen.

[Dort herrscht eine ganz andere Geschlechter-Beziehungs-Kultur. Möglicherweise ist das patriachale Züchtigungsrecht des Ehevorstandes dort noch usus. Anm.]

Wie Rüegger ist auch Steiner der Meinung, dass schärfer gegen den Menschenhandel vorgegangen werden muss: «Wir dürfen diesen Handel nicht einfach dem freien Markt überlassen.» Die Zürcher Polizei verstärkt ihren Kampf gegen den Menschenhandel, sowohl Stadt- wie auch Kantonspolizei haben dafür besondere Ermittlungsgruppen eingesetzt.



Traumatisierte Frauen

Auch im FIZ, dem Fraueninformationszentrum an der Badenerstrasse in Zürich, hat man fast täglich mit Opfern von Menschenhändlern zu tun. Das FIZ ist schweizweit die einzige Organisation, die spezialisierte Beratung für Opfer von Frauenhandel anbietet. «Im letzten Jahre waren es 167 Frauen, die sich beim Verein meldeten; gegenüber dem Vorjahr waren es rund ein Viertel mehr», sagt FIZ-Sprecherin Doro Winkler. Die Opfer kommen aus 28 Ländern, wobei der Anteil der Frauen aus Osteuropa auffällig sei. Im Jahr 2006 sei es noch ein Drittel gewesen, im letzten Jahr bereits die Hälfte der Opfer.

Positiv bewertet Winkler die Tatsache, dass rund 60 der 167 Frauen in späteren Verfahren als Zeugin, Auskunftsperson oder Opfer Aussagen gemacht hätten, trotz des Drucks, der sowohl in der Schweiz als auch im Heimatland oft auf sie ausgeübt wird. Den Opferschutz in der Schweiz hält Winkler für ungenügend, so fehle ein langfristiges Aufenthaltsrecht. Viele Frauen seien zudem stark traumatisiert.

Staatsanwältin Silvia Steiner unterscheidet dabei drei Phasen.
  • In einer ersten Phase würden die Frauen jegliche Übergriffe verleugnen und behaupten, dass ihnen nichts passiert sei, sie alles im Griff hätten. Die Frauen würden sogar den Täter noch in Schutz nehmen.
  • In der zweiten Phase komme dann die Ernüchterung, vielfach auch erst nach der Ausschaffung ins Heimatland. Die Opfer würden dann völlig unterschiedlich reagieren. «Einige verweigern sich vollständig, andere werden aggressiv, versuchen mit Alkohol und Drogen die Geschichte zu verdrängen oder bekommen körperliche Beschwerden», hat Steiner festgestellt.
  • Erst in der dritten Phase könne das Trauma aufgearbeitet werden. Dies sei aber erst möglich, wenn die Frauen sich mit der erlittenen Gewalt und Ausbeutung auseinander setzen würden. Man arbeite dabei eng mit dem FIZ zusammen, das psychologische Beratung und Betreuung anbietet, sagt Silvia Steiner.
[Das ist so ein extremer Bewustseinswandel, der fast Züge von Gehirnwäsche hat. Er spiegelt den extremen Wandel im sozialen Status der Frauen von der illegalisierten und somit teilweise und manigfach ausgenutzten Prostitutionsmigrantin zum sozialisierten Beweismittel in der Hand der nationalen Institutionen. Anm.]



Gute Zusammenarbeit mit der Polizei

Auch Doro Winkler lobt die gute Zusammenarbeit mit Polizei und Untersuchungsbehörden: «Wir ziehen trotz verschiedenen Aufträgen alle am gleichen Strick. Wir wollen den Menschenhandel bekämpfen und suchen dazu die interdisziplinäre Zusammenarbeit.» Im letzten Jahr beispielsweise sei fast die Hälfte der 167 Frauen dank der Polizei mit dem FIZ in Kontakt gekommen.

(Tages-Anzeiger)
Erstellt: 17.09.2008, 22:24 Uhr
http://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/sta ... y/16193145





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Sitten-Gemälde aus dem Zürcher Milieu», ein Portrait des abtretenden Sittenpolizisten.


Dirnen-Dok: «Kaum Deutsch, dafür französisch»


Von Regina Castelberg. Aktualisiert um 08:56 Uhr 21 Kommentare


Die Sendung «Reporter» auf SF1 begleitete den Zürcher Sittenpolizisten René Rüegsegger bei seinem letzten Dienst. Doch der Blick hinter die Kulissen des Rotlicht-Milieus war enttäuschend verschämt.

«Komfortabler» Arbeitsort: Eine Prostituierte zeigt Polizist René Rüegsegger den Wohnwagen für die Freier.

«Zwischen Rotlicht und Blaulicht – Ein Sittengemälde aus dem Zürcher Milieu.»
Das klingt fast schon RTL-mässig dramatisch. Wer auf Grund des Titels der gestrigen Reporter-Sendung jedoch eine harte Milieugeschichte, die das Leben schrieb erwartete, zappte wohl bald weiter.



Dirnen sind alte Bekannte

René Rüegsegger schlendert durch sein Quartier, den Kreis 4 in Zürich. Er begrüsst die Dirnen auf der Strasse mit Vornamen, sie grüssen zurück. Zwölf Jahre arbeitet Rüegsegger schon bei der Sittenpolizei, die meisten der Sexworkerinnen sind alte Bekannte. Die Szenerie hat irgendwie etwas Heimeliges und man ist fast versucht zu vergessen, dass das Rotlicht-Milieu für viele Frauen die reine Hölle ist. Aber nur fast.

Reporter Roland Huber, die Stimme aus dem «Off», erzählt nämlich während der ganzen Reportage erschreckende Fakten: 3000 Dirnen arbeiten in Zürich. Fast alle sind Ausländerinnen, 95% von ihnen werden zur Prostitution gezwungen und oft misshandelt. Das klingt schlimm und macht nachdenklich. Doch für den Zuschauer, der sich im Milieu nicht auskennt, ist es nicht ganz einfach nachzuvollziehen. Denn die Reportage unterstreicht das Gesagte zu wenig mit gefilmten Szenen, die diese Fakten auch belegen können.



Freiwillig Sex in einer Kloake

Dem ruhigen Polizisten René Rüegsegger kommt man als Zuschauer nur teilweise näher. Dann zum Beispiel, wenn er mit den Prostituierten spricht und man merkt, dass er sie nicht nur anständig behandelt, sondern sich wirklich auf sie einlässt. Oder wenn er aus einem Bordell kommt und sich fragt, warum es Männer gibt, die freiwillig Sex in so einer Kloake haben wollen. Näher kommt der Reporter nicht an ihn heran.

Dass der Sittenpolizist einem eher fremd bleibt, liegt wohl auch daran, dass zu viel Sendezeit für Nebenschauplätze eingesetzt wurde. So lässt sich Rüegseggers Chefin minutenlang in einem kargen Polizeibüro darüber aus, dass auch Prostituierte Respekt verdienen und Menschen mit Gefühlen sind. Solche Platitüden tragen nun wirklich nicht viel dazu bei, das Berufsleben eines Sittenpolizisten und auch das harte Leben einer Frau auf dem Strassenstrich besser zu verstehen.



Blasen ohne Gummi

Die Reportage zeigt jedoch ein paar Szenen, die das Elend der Frauen erahnen lassen: Zum Beispiel der Blick in einen kleinen, schmuddeligen Wohnwagen, der für zwei Freier Platz bietet – und von den Polizisten als «komfortabel» beschrieben wird - im Gegensatz zu anderen Arbeitsstätten der Prostituierten im Kreis 4.

Einmal fragt Rüegsegger eine Prostituierte, ob sie denn Oralsex ohne Gummi anbiete. Sie versteht ihn nicht. Dann fragt er: «Blasen? Blasen ohne Gummi?». Das versteht die junge Frau und bejaht. Ja, Rüegsegger kennt seine Klientel. Und sieht es als seine Mission, dass diese sich mehr um sexuell übertragbare Krankheiten kümmert. Dieser Einsatz eines angehenden Pensionärs für die Gesundheit der Prostituierten rührt einen irgendwie. Zumal Rüegsegger selber sagt, dass sich im Milieu heutzutage kaum jemand noch um die Gefahr einer Ansteckung mit dem HI-Virus oder Hepatitis schert.

«Reporter» hat mit diesem Beitrag einen interessanten Protagonisten gefunden, der durchaus mehr im Mittelpunkt hätte stehen dürfen. Zudem: Eine etwas weniger reisserische Sprache der «Off»-Stimme («die ungarischen Dirnen können kaum Deutsch, dafür etwas französisch») und überhaupt ein bisschen weniger Gesprochenes, dafür ein paar aussagekräftige Szenen mehr – dann hätte aus einem netten Porträt über einen netten Polizisten eine eindrückliche Reise in eine unromantische Welt werden können.


http://www.bazonline.ch/schweiz/%20/Dir ... y/18758682





«Eine Ungarin macht's ohne Kondom für 30 Franken»

Von Tina Fassbind. Aktualisiert am 08.10.2008


René Rüegsegger kennt sich im Zürcher Rotlichtmilieu aus. 37 Jahre lang ging er als Sittenpolizist auf Streife. «Heute wird im Chreis Cheib viel schneller zur Waffe gegriffen und der Preisdruck in der Prostitution ist enorm.»
«Mit der Zeit war bekannt, dass ich Polizist bin, und ich wurde auch nicht mehr angebaggert»: René Rüegsegger ist nach 37 Jahre auf Streife bei den Prostituierten bekannt. (Bild: Tina Fassbind)


René Rüegsegger war 37 Jahre lang bei der Zürcher Stadtpolizei tätig.
Von 1979 bis 1991 arbeitete er unter anderem als Revierdetektiv im Kreis 4, dann war er kurze Zeit bei der Einbruchtruppe und der Betäubungsmittelfahndung. Die letzten 12 Jahre arbeitete er bei der Fachgruppe Milieu-/Sexualdelikte. Rüegsegger machte seine Arbeit «immer mit Herzblut», wie er selber sagt. Nun wird er erst einmal für ein paar Wochen in den Süden ziehen. «Ich bin kein Wintermensch», gibt er zu, «deswegen gehe ich Anfang nächstes Jahr nach Südamerika.»

Das Schweizer Fernsehen SF1 zeigt heute Mittwoch um 22.20 Uhr in der Reihe Reporter den Dokumentarfilm «Zwischen Rotlicht und Blaulicht – ein Sitten-Gemälde aus dem Zürcher Milieu», ein Portrait des abtretenden Sittenpolizisten.



? Herr Rüegsegger, Sie waren in den letzten 12 Jahren bei der Sittenpolizei tätig und wurden mit gröbsten Sexualstraftaten konfrontiert. Warum haben Sie sich ausgerechnet dieses Umfeld ausgesucht?

Ich bin kein Büropolizist. Für mich ist die Nähe zu Personen und die Arbeit an der Front wichtig. Das hat sich bei dieser Fachgruppe am besten ergeben, weil man dort oft auf Patrouille geht. Es gab Wochen, da mussten wir wegen zwei Vergewaltigungsfällen ermitteln, dann war es wieder wochenlang ruhig. Unsere Aufgabe bestand darin, die Spuren zu sichern und den Täter zu befragen. Das Opfer selbst sahen wir nicht. Die betroffenen Frauen werden immer durch Polizistinnen betreut.


? Was ging in Ihnen vor, wenn Sie einem Vergewaltigter gegenüber sassen?

Das waren ganz normale Arbeitsabläufe, bei denen ich versucht habe, vom Täter die Wahrheit zu erfahren. Emotionen haben da keinen Platz. Ich liess die Befragten cool und gelassen reden. Wenn der Täter dabei log, lag es an uns, ihm dies nachzuweisen.


? Wie haben Sie die Zusammenarbeit mit den Prostituierten erlebt?

Nach all den Jahren im Kreis 4 und im Milieu haben mich die Frauen natürlich gekannt. Mit der Zeit war bekannt, dass ich Polizist bin, und ich wurde auch nicht mehr angebaggert. Zwischen uns hat sich ein gutes Verhältnis gebildet. Sie haben mich jeweils angerufen, wenn sie Hilfe benötigt haben. Im Gegenzug bekam ich ab und zu eine Information von ihnen. So konnten einige Vergehen aufgedeckt und geklärt werden. Es war eben ein Geben und Nehmen.



? Wie hat sich die Situation der Prostituierten in den letzten Jahren verändert?

Mit dem Inkrafttreten der Personenfreizügigkeit kamen immer mehr Menschen aus dem Osten zu uns. Das Sihlquai ist bereits jetzt von Ungarinnen überflutet. Es ist absehbar, dass bei der Erweiterung der Personenfreizügigkeit noch mehr Sexworkerinnen aus Osteuropa kommen werden. Die Frauen aus dem Europäischen Raum verdrängen die Schweizerinnen. Heute stammt nur noch ein sehr geringer Anteil der Prostituierten aus der Schweiz. Das Problem am Ganzen: Man kann mit den Prostituierten aus dem Ausland nicht kommunizieren. Sie können konkrete Fragen, zum Beispiel nach Zuhältern oder anderen Hintermännern, auf Grund von sprachlichen Schwierigkeiten nicht beantworten. Das erschwert unsere Arbeit zunehmend.


? Ist das Milieu brutaler geworden?

Ja, das Milieu hat sich komplett geändert. Als ich früher im Kreis 4 patrouillierte, war alles noch ziemlich friedlich. Es gab dort zwar immer auch kriminelle Elemente, aber heute wird viel schneller zur Waffe gegriffen als früher. Bei der Prostitution ist vor allem der Preisdruck im Vergleich zu früher enorm. Eine Ungarin macht es ohne Kondom für 30 bis 50 Franken, was besonders erschreckend ist. Schweizerinnen verlangen am Sihlquai 80 Franken für orale Befriedigung und 100 Franken für Geschlechtsverkehr. Klar, dass die Freier zu den billigeren Prostituierten gehen.


?Haben Sie auch schon brenzlige Situationen erlebt?

Wir wurden einmal von einer Horde im Hinterhof angegriffen. Es kam zu einer wüsten Rangelei, bei der wir über Autos fielen. Richtige Probleme hatte ich aber in meiner ganzen Tätigkeit nie. Wenn ich in Bedrängnis geraten wäre, dann wären viele Leute für mich eingestanden. Sie kannten mich alle und wussten genau, wie weit sie mit mir gehen konnten. Die menschliche Würde wurde immer respektiert.


? Sind Sie froh, dass Sie jetzt, da die Sitten rauer geworden sind, aussteigen können?

Froh nicht, aber ich fühle mich gesundheitlich so fit, dass ich jetzt noch etwas erleben kann. Ich will noch auf Reisen gehen, das kann ich mit 70 nicht mehr tun. Natürlich könnte ich noch zwei, drei Jahre anhängen - meine Vorgesetzten hätte da sicher nichts dagegen. Aber der Nachwuchs soll schliesslich auch eine Chance haben. Es wird allerdings ein paar Jahre dauern, bis jemand den gleichen Status im Milieu erreicht hat, den ich jetzt habe. Mein Nachfolger muss bei seiner Arbeit einfach so natürlich wie möglich bleiben, dann hat er Erfolg. Und wenn nichts hilft, kann er sich immer auf mich beziehen. Dann kommt er sicher weiter.

http://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/sta ... y/14511315





Schweizer Fernsehen
(30 Minuten)
[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=ypIGrbb4RgQ[/youtube]

Quelle:
http://sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=43657#43657





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Zürcher Rotlichtviertel

«S schönscht Plätzli»



Von Dominik Gross

Das Sexmilieu wird nach und nach aus dem Quartier verdrängt. In den Aussenquartieren müssten die Prostituierten unter gefährlichen Bedingungen arbeiten. Ein Steifzug durch den Sündenpfuhl.

[Mit der Auswahl des Wortes 'Sündenpfuhl', wird der Mißstand, der im vorhergehenden Satz geschildert wird gerechtfertigt. Das ist praktizierte journalistische Doppelmoral. Anm.]

In einem kleinen Studio unweit der Langstrasse im Zürcher Kreis 4 sitzt die 52-jährige Dominikanerin Marta (Name geändert) neben einem Elektroofen, feuchte Kälte strömt durch die offene Ladentüre. Dürr ist sie, schwarze gestreckte Haare umrahmen ihr Gesicht mit den hohlen Wangen und den aufgespritzten roten Lippen. Hinter einer Trennwand steht ein schmales Bett. Sehr gemacht sieht es nicht aus, ein Tuch mit Palmenmuster liegt darauf, am Fussende ein Handtuch. Wie sie da sitzt, mit hängenden Schultern, in Mantel, langem Jupe und dunklen Strümpfen, scheint Marta nicht unbedingt auf den nächsten ­Freier zu warten: «Von der Arbeit in diesem ­Milieu habe ich die Schnauze voll», sagt sie abschätzig in einer Mischung aus Spanisch, Deutsch und Italienisch.

Seit dreissig Jahren ist sie in der Schweiz und arbeitet im Sexgewerbe, seit zwölf Jahren geschieden von ihrem Schweizer Exmann, den sie einst in dessen Ferien in der Dominikanischen Republik kennenlernte. Plötzlich springt sie auf, wild gestikulierend räumt sie auf mit der Vorstellung aller romantischen Grossstadtträumer vom anrüchigen, glamourreichen Rotlicht. Alles habe sie hier gesehen: Messerstechereien, Faustkämpfe unter Frauen, Drogen: «Dealende Frauen stecken sich Plastikkugeln voll mit Koks da rein», ruft sie, und ihre langen glitzernden Fingernägel weisen zwischen ihre gespreizten Beine. Ihre letzte Hoffnung auf ein Auskommen ausserhalb des Sexgewerbes ist die Sozialhilfe. Einen Antrag hat sie gestellt.



«Männer wollen doch immer mehr»

Mehr erotischen Enthusiasmus versprüht ihre Kollegin Esperanza*, gerade auf dem Sprung nach Hause zu Mann und Kind. «Weisch, Schätzeli, ich mache das als Hobby», sagt sie fröhlich und fügt augenzwinkernd hinzu, das sei hier ja eh nur ein Massagesalon. Also kein Sex? Ihr üppiger Körper gerät in Bewegung: «Ja, wenn du bitzeli die Eier kützelest, dann wollen doch Männer immer mehr, aber weisch, mit meinem Mann habe ich schon lange keinen Orgasmus mehr.» Mit den Freiern sei dies manchmal anders, meint sie kichernd und setzt ihr tiefes, grosses Décolleté in Szene: «La Prostituçion ist nicht so schlimm, wie du denkst», dann entschwindet sie in die Dunkelheit hinaus.



Zürichs «Strichplan»

Später am Freitagabend auf der anderen Seite der Bahngeleise am Sihlquai: An einem Auto unter der Kornhausbrücke lehnen acht sehr junge Frauen in langen Lackstiefeln und knappen Hotpants und verkriechen sich in ihren kurzen Daunenjacken. Auf die ­Frage, worauf sie warten, formuliert eine sogleich ihr Angebot: «Blasen, ficken, alles total hundert Franken.» Mehr ist den Prostituierten mit ihren mädchenhaften Gesichtern und osteuropäischen Zügen nicht zu entlocken, auch Reden kostet. Unterdessen rollen die nächsten Kunden heran, mit Zürcher, Glarner oder Schwyzer Autonummern. Strassenprostitution ist in der Stadt Zürich gemäss dem «Strichplan» von 1991 nur an bestimmten Orten erlaubt. Mit den heutigen Realitäten stimme dieser nicht mehr überein, bestätigt Rolf Vieli, Leiter der Stadtentwicklungsprogramme «Langstrasse Plus» und «Projekt Rotlicht»: «Abgesehen vom Sihlquai stehen alle da, wo sie nicht stehen dürften, und keine steht da, wo sie dürfte.»

Die Venezolanerin Maria* arbeitet schon seit zehn Jahren an der Langstrasse, einer laut Strichplan verbotenen Zone. Nach dem Anwerben auf der Strasse führt sie ihre Kunden in ihre Wohnung im Quartier, ein Zimmer hat sie da für die Arbeit reserviert. Am Sihl­quai würde sie nie arbeiten: «Zu viele Frauen, die fixen. Ich bin eine saubere, gesunde, schöne Frau.» Im Kreis 4 dagegen fühlt sie sich am richtigen Ort. Nicht respektlose Freier, Drogenszene oder Schlägereien machten ihr das Leben schwer, sondern die Polizei, die das Strassenstrichverbot immer noch konsequent umsetzen wolle und Prostituierte oft scharfen Kontrollen unterziehe.

Im Strichplan manifestiere sich eine gesellschaftliche «Doppelmoral», die man endlich beenden wolle, sagt auch Rolf Vieli. Die Prostitution an sich ist in Zürich seit über achtzig Jahren legal, während das Anschaffen auf der Strasse an vielen Orten noch immer verboten ist. Das «Projekt Rotlicht» solle hier Verbesserungen bringen, immer mit dem Ziel, «das Milieu mit seinen Eigenheiten und Problemen nicht einfach in andere Stadtkreise zu exportieren und die Arbeitsbedingungen der SexarbeiterInnen zu verbessern». [n]Das Nebeneinander von Rotlicht, Galerien, Barszene und Wohnbevölkerung[/b] im Kreis 4 solle dabei für alle möglichst verträglich gestaltet werden, sagt Vieli.



Leben mit dem Milieu

Lea Boesiger von der Isla Victoria, der Beratungs-, Betreuungs- und Kontaktstelle für Sexarbeiterinnen im Kreis 4 - einem Projekt der Zürcher Stadtmission -, traut dem nicht so ganz. Sie wünscht sich eine offenere Kommunikation unter den verschiedenen Szenen. Wenn sich beispielsweise ansässige KünstlerInnen für das Milieu interessierten, dann nur theoretisch: «Manchmal kommt jemand zu mir, um über eine Abschlussarbeit über Prostitution zu reden, obwohl die eigene Nachbarin eine Prostituierte ist. Das ist elitär, so jemand sollte mit der Frau direkt reden, das sind Menschen, absolut kommunikativ!» Sie vermutet, dass die Prostitution für die AnwohnerInnenschaft im Kreis 4 manchmal eine dankbare öffentliche Projektionsfläche für private Probleme sei: «Hier gibt es viele Semi­intellektuelle, die noch ein bisschen links sind und Ressentiments aller Art gerne vertuschen. Das ergibt eine Stimmung der unterschwelligen Diskriminierung, die ätzender ist als offene Beschimpfungen wie ‹Schiiss-Nutte› oder ‹Schiiss-Usländerin›.» Als Mitarbeiterin bei Isla Victoria sei sie aber auch nicht ganz neutral, gibt sie zu. Anders als Vieli befürchtet Boesiger gerade wegen der städtischen Initiativen, die von einer allgemeinen Quartieraufwertung begleitet werden, eine Verdrängung des Milieus aus Aussersihl. «Dies wäre für die Lebensbedingungen der Sexarbeiter­Innen verheerend.» In Aussenquartieren und Vorstädten gäbe es kein soziales Netz. «Da sind Sexarbeiterinnen viel isolierter, dementsprechend wird ihre Arbeit unsicherer. Kontaktorte, die es im Kreis 4 auch ausserhalb des Milieus gibt, wie die vielen Beauty-Salons und anderes Kleingewerbe, fallen da weg.»

Auch dem arabisch-deutschen Türsteher der Longstreet Bar ist deshalb nicht mehr wohl: «Guck dich um, Mann, bald gibts hier nix mehr Rotlicht, nur noch Anwälte und Ärzte, das wird das totale Schickimicki-Viertel.» In den nächsten Minuten entdecken er und sein Kollege mit Kennerblicken doch noch einige Prostituierte, Dealer und Zuhälter unter den wenigen Leuten, die am späten Sonntagabend noch unterwegs sind. «Man kennt sich», sagt der Türsteher. «Probleme mit Drogen oder anschaffenden Frauen gibts hier aber selten, ich sag: ‹Hier nicht!›, und die Leute akzeptieren das meistens.» Für die Puffs interessieren sich die Türsteher nicht: «Ich hab genug Nummern von weiblichen Gästen im Telefonspeicher», sagt der eine, der andere zieht wie zum Beweis ein Foto seines kleinen Sohnes aus dem Portemonnaie. Da schlendert ein dicker Typ mit Irokesenschnitt vorbei, an jedem Arm eine hoch gestiefelte Kreolin: Er habe keine Zeit, er müsse arbeiten gehen. Die Ladys nicken bestätigend. «Aber eis», ruft er strahlend, «chasch schriibe: Dä Chreis vier isch s schönscht Plätzli i eusere Schwiiz!»





«Die Frauen können nicht wählerisch sein»

WOZ: Als Heilsarmistin sprechen Sie jede Woche mit Sexarbeiterinnen in Zürich. Wie muss man sich das vorstellen?

Cornelia Zürrer Ritter: Wir besuchen sie, wo sie arbeiten - auf der Strasse und in den Wohnungen. Wir schauen, ob sie Beratung brauchen. Viele sind Ausländerinnen, haben Sprachprobleme und wissen nicht, welche Hilfsangebote es gibt. Wir vermitteln ihnen Adressen oder gehen auch mal mit auf ein Amt. Manchmal wollen sie auch nur reden. Wir sind einfach für sie da.

WOZ: Ist Gewalt bei diesen Gesprächen ein Thema?

Cornelia Zürrer Ritter: Oh ja! Sexarbeiterinnen sind mit verschiedenen Formen von Gewalt konfrontiert, physischer wie psychischer.

WOZ: Männer kommen ja für Sex, sie kaufen sich eine Dienstleistung ein - wo kommt die Gewalt ins Spiel?

Cornelia Zürrer Ritter: Im Voraus wird immer genau abgemacht, was die Leistung ist. Das ist nicht immer Verkehr. Es gibt auch Frauen, die nur mit Massage arbeiten. Es kann dann sein, dass ein Mann eine Frau zum Verkehr zwingt, also klar über die Abmachung hinausgeht. Manchmal lassen Männer die Frauen auch nicht mehr gehen. Normalerweise dauert das Geschäft ja eine Viertelstunde. Es kommt vor, dass einem Mann das nicht genügt, er aber auch nicht mehr bezahlen will. Oder er zwingt die Frau, ohne Kondom zu arbeiten, obwohl es anders vereinbart wurde.

WOZ: Können die Frauen sich wehren?

Cornelia Zürrer Ritter: Sie sind natürlich nicht dumm. Sie schauen, dass sie einigermassen geschützt sind, etwa, indem sie nicht alleine arbeiten, sondern dort, wo es noch andere Sexarbeiterinnen hat. Das sorgt für eine gewisse Kontrolle. Aber es kommt immer wieder vor, dass eine trotzdem in eine blöde Situation gerät.

WOZ: Zum Beispiel?

Cornelia Zürrer Ritter: Die Frauen weisen manchen ab. Minderjährige etwa. Auch solche auf Drogen oder Alkoholisierte, solche, die ihnen suspekt sind, etwa wenn mehrere gleichzeitig kommen. Da gibt es immer wieder Männer, die versuchen, eine Tür aufzubrechen, und auch verbal ausfällig werden. Diese Form von Gewalt ist im Milieu sehr verbreitet.

WOZ: Und wenn einer die Tür aufkriegt, dann schlägt er die Frau zusammen?

Cornelia Zürrer Ritter: Dieses Jahr wurde zweimal eine Frau auf dem Heimweg überfallen, eine gar mit dem Messer attackiert. Beide Male nahm der Täter der Frau das Geld ab, das sie in der Nacht verdient hatte.

WOZ: Haben sie Anzeige erstattet?

Cornelia Zürrer Ritter: Ja. Aber sie kannten die Täter nicht, die wurden nie ausfindig gemacht. Meistens erstatten die Frauen schon gar keine Anzeige.

WOZ: Weshalb nicht?

Cornelia Zürrer Ritter: Zum einen, weil sie ihre Rechte nicht kennen. Zum andern, weil sie dann mit einer Ausschaffung rechnen müssen. Die Prostitution ist für diese Frauen oft das Einzige, was sie machen können. Auf dem normalen Arbeitsmarkt haben sie keine Chance, weil sie keine Bewilligung haben.

WOZ: Gibt es Faktoren, die Gewalt im Milieu begünstigen?

Cornelia Zürrer Ritter: Sehr problematisch ist es, wenn Frauen an Orten anschaffen müssen, wo es sehr anonym ist, wo es keine Kontrolle gibt. In Zürich etwa das Sihlquai.

WOZ: Gäbe es keinen sichereren Ort?

Cornelia Zürrer Ritter: Im Kreis 4, wo die Kontrolle besser wäre, ist das Anschaffen offiziell verboten. Es sind oft Drogenprostituierte oder illegalisierte Frauen, die in dieser Hierarchie zuunterst sind. Das hat für mich ein gewisses System: Es trifft diejenigen, die schon vorher mehrheitlich Opfer sind, auch im Heimatland keine Perspektive hatten, keine Ausbildung, keine Gesundheitsversorgung - also all die Migrantinnen, die dann auch hier keine Chance auf einen normalen Job haben, auf eine Arbeitsbewilligung. Sie müssen dann eben auch in der Anonymität so einen Job ausüben: da, wo die Gefahr, kontrolliert zu werden, am geringsten ist, aber die Gefahr, Opfer von Gewalt zu werden, am grössten.

WOZ: Sie könnten trotzdem auch Männer abweisen, wenn ihnen einer suspekt ist ...

Cornelia Zürrer Ritter: Kaum, denn diese Frauen können es sich nicht leisten, wählerisch zu sein. Diejenigen, die zuunterst in der Hierarchie sind, nehmen dann vielleicht die Männer, die anderswo abgewiesen wurden.

Interview: Esther Banz

WOZ vom 20.11.2008
www.woz.ch/artikel/inhalt/2008/nr47/Leben/17159.html





Isla Victoria - Zürcher Stadtmission seit 1922:

www.stadtmission.ch/islavictoria/islawho.htm



Sicherheitstipps:

www.sexworker.at/sicherheit





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Angela Montanile:

«Da kommt etwas auf uns zu»


Angela Montanile ist Chefin der Sittenpolizei von Zürich. Sie sorgt sich um junge Mädchen, die so viel trinken und Drogen konsumieren, dass sie nicht mehr wissen, was war. Und sie wundert sich über Männer, die sich in klebrigen Absteigen bedienen lassen.


Von Daniela Niederberger



Bild

Polizistin Montanile
Bild: Marc Wetli



Frau Montanile, wie und warum wurden Sie Polizistin?

Es war vor zwanzig Jahren, ich arbeitete auf der Bank. Über Mittag sass ich einmal im Café und las das Tagblatt. Dort stand: Die Stadtpolizei stellt ab 1. Oktober 1988 auch Frauen ein. Ich ging wieder zur Arbeit und dachte mir nichts weiter. Beim nächsten Familientreffen sagte der Vater meines damaligen Freundes er war bei der Seepolizei : «Hör zu, du musst dich da melden.»



Was machen Sie als Chefin der Zürcher Sittenpolizei?

Ich bin verantwortlich für die kriminalpolizeiliche Verfolgung und Bekämpfung strafbarer Handlungen gegen die sexuelle Integrität sowie allgemein strafbarer Handlungen im Sexmilieu. Es geht um Vergewaltigung, Schändung, Menschenhandel, Förderung der Prostitution, Pornografie. Wir ermitteln und kontrollieren auf Patrouillen Salons und Sexarbeiterinnen auf der Strasse. Hier geht es um ausländerrechtliche Fragen. Wer ist am Arbeiten? Ist mit den Papieren alles in Ordnung? Wir versuchen, Kontakte zu den Frauen zu knüpfen und zu helfen, wenn sie Probleme haben.



Welches sind grössere Fälle der letzten Zeit? Geschichten, die Ihnen nahegingen?

Nahe gingen mir Fälle von Vergewaltigungen, in denen junge Frauen einen Filmriss geltend machten. Sie waren im Ausgang, tranken zu viel, konsumierten vielleicht Drogen, und irgendwann setzt das Erinnerungsvermögen aus. Sie können sich an nichts erinnern. Sie haben Angst und hegen den Verdacht, es sei «etwas» passiert. Wir versuchen, mit Spurensicherung und Ermittlungen zu helfen. Manchmal stellt sich heraus, dass diese jungen Frauen nicht Opfer eines sexuellen Übergriffes wurden, sondern bloss so zugedröhnt waren, dass ihr Körper den Aus-Schalter betätigte. Das Konsum- und Partyverhalten der jungen Leute beschäftigt uns sehr. Es kommt aber tatsächlich auch vor, dass sogenannte K.-o.-Tropfen verabreicht werden.



Werden sie häufig eingesetzt?

Das ist schwer zu sagen. Die Substanz ist im Körper nur sehr kurze Zeit nachweisbar. Gesicherte Fälle sind selten. Manche Personen sagen schnell einmal, man habe ihnen etwas ins Getränk geschüttet. Weil sie nicht mehr wissen oder wissen wollen, was sie alles konsumiert haben an Alkohol und Drogen, weil sie den ganzen Tag nichts gegessen und viel zu lange nicht geschlafen haben. Das haut den gesündesten Menschen um. Dieses «Fun um jeden Preis» ist erschreckend und macht nachdenklich.



Haben Sie mehr mit Partygängern als mit Freiern und Dirnen zu tun?

Die vielen Nachtschwärmer und die «Abenteuertouristen», die aus der ganzen Schweiz und aus dem Ausland nach Zürich kommen, beschäftigen uns immens. Bei den Prostituierten haben wir dann viel zu tun, wenn sie ausserhalb der bewilligten Zonen ihre Freier suchen. Auch kommt es vor, dass Freier sich den Prostituierten gegenüber nicht korrekt verhalten, etwa, weil sie zu viel getrunken haben.



Verlangen die Freier abartigere Dinge?

Das nicht.
Dem normalen Freier geht es um Geschlechtsverkehr und/oder orale Befriedigung. Fetischismus oder Sadomasochismus sind Nischenprodukte. Das ist eine Art kleine Familie, da gibt es selten Probleme.



Haben junge Leute einen anderen Umgang mit Sex?

Was da die Runde macht, das bereitet mir Sorgen! In happy slapping-Filmen wird auf Menschen eingedroschen, es sind harte Pornos im Umlauf, und es wird mit Tieren verkehrt. Glücklicherweise gibt es jene, die solche Filme nach einem Blick löschen. Aber es gibt die anderen, die damit nicht umgehen können. Wer zu oft solche Bilder sieht, auch all die perfekt retouchierten Körper und Gewaltszenen, wird früher oder später Probleme haben, Echtes von Inszeniertem zu unterscheiden. Da kommt etwas auf uns zu. Fünfzehn-, sechzehnjährige Mädchen, nur weil sie keine fünfzig Franken in der Tasche haben und unbedingt ein Rauchi kaufen wollen, befriedigen als Gegenleistung einen Dealer oral! Das sind Fakten. Diese jungen Frauen haben sich völlig verloren. Die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit, der Gefühle und der Einstellung zum eigenen Körper ist meiner Meinung nach gestört. Ich hoffe, dass das, was wir alles sehen müssen, nur einen kleinen Teil der heranwachsenden Jugend betrifft. Wir beschäftigen uns berufshalber mit Negativem. Ich frage mich: Wohin führt dieses exzessive Ausprobieren und Konsumieren?



Die Zahl der Prostituierten in Zürich steigt Jahr für Jahr. Gibt es immer mehr Freier?

Das ist schwer zu sagen. Viele Frauen, vor allem aus den neuen EU-Ländern und aus Deutschland, kommen hierher. Es ist eine Wellenbewegung von Norden nach Süden. In Hamburg gibt es nichts mehr zu verdienen, weil «billigere» Frauen aus dem Osten und Norden dorthin ziehen. Also geht die Hamburgerin nach München. Und die Münchnerin, weil die Preise sinken, zieht in die Schweiz. Hier lässt sich noch Geld verdienen.



Sind die Preise so hoch?

Das Preisniveau in Zürich ist, verglichen mit anderen Städten, stabil. Eine Sexworkerin, die eine gefestigte, sichere Basis hat und nicht um ihren Platz kämpfen muss, verlangt ihren Preis und bekommt diesen von den Freiern bezahlt. Wenn aber eine Frau ihren Lohn abgeben oder ein Tagesbudget erfüllen muss und sie es nicht schafft, mit zwei Freiern 200 Franken zu verdienen, so wird sie, aus Angst vor Repressalien, eben fünf Freier zu 40 Franken bedienen.



Es gibt noch Zuhälter? Ich dachte, diese Zeiten seien vorbei?

Es gibt nach wie vor Zuhälter. Meiner Meinung nach arbeitet keine Frau freiwillig mit einem Zuhälter. Sondern weil sie muss. Vielfach bestehen Abhängigkeiten, familiäre, wirtschaftliche oder psychische. Ich fragte einmal eine junge Frau: «Es kann doch nicht sein, dass Sie hundert Franken abgeben müssen, wenn Sie hundert Franken verdienen?» Ganz verwundert antwortete sie: «Was habt ihr denn? Er gibt mir doch zu essen!»



Die geben alles ab?

Ja, den Frauen bleibt meistens nichts. Sie werden ausgebeutet, missbraucht und wie Ware behandelt. Was für uns völlig unverständlich ist: dass einige dieser Frauen das nicht so sehen und empfinden. Für sie ist das normal. Unter diesen Frauen stammen viele aus dem Ostblock. Es sind Opfer von Menschenhandel, ob sie nun ihr Einverständnis zur Prostitution gegeben haben oder nicht.



Viele Männer vermutlich Freier sagen gerne, Frauenhandel gebe es nicht. Auf der anderen Seite warnen Frauenorganisationen, es sei ganz schlimm. Was stimmt?

Für die meisten Freier stellt sich diese Frage wohl nicht, weil sie Sex kaufen und sich nicht mit dem Menschen dahinter beschäftigen wollen. Nach den Kampagnen der vergangenen Zeit gibt es ab und zu Freier, die Opferhilfestellen kontaktieren, weil sie das Gefühl haben, eine Frau könnte ein Opfer von Menschenhandel sein. Es gibt traurige und erschreckende Geschichten. Das Wichtigste ist für manche dieser Frauen schlicht, dass sie etwas zu essen haben.

[Sehr ausweichend beantwortet die Frage zum Menschenhandel! Anm.]



Gibt es Frauen, die ohne Zwang zu Dirnen werden?

Zuerst einmal: Solange das Recht auf Selbstbestimmung gewahrt wird, ist Prostituierte gemäss geltendem Recht ein Beruf wie jeder andere. Meine Gegenfrage: Nehmen wir an, eine Frau geht in die Prostitution und verdient im Monat 5000 Franken. Würde sie dasselbe tun, wenn sie ein Angebot hätte, bei dem sie gleich viel verdiente, ohne dass sie ihren Körper verkaufen müsste? Ich glaube nicht. Wenn diesen Frauen eine Ausstiegsmöglichkeit geboten würde, gäbe es gewiss einige, die sich neu orientieren würden. Aber was soll eine Frau tun, die zwei Jahre im Sexgewerbe arbeitete und sich dann um einen normalen Job bewerben will? Beim Vorstellungsgespräch wird die Frage nach dem beruflichen Werdegang gestellt. Für die Zeit, in der sie angeschafft hat, kann sie keinen Arbeitsnachweis und kein Zeugnis vorlegen. Die wenigsten Frauen trauen sich zu sagen, sie hätten sich prostituiert. Es müsste Ausstiegsprogramme geben für Prostituierte. Ohne dass beim neuen Arbeitgeber alle bis hin zur Generaldirektion von deren Vergangenheit wüssten.



Reden Sie mit den Frauen im Kreis 4? Oder ist das wegen der Sprache nicht möglich?

Wir reden oft mit den Frauen und Männern, ob im Kreis 4 oder anderswo. Bei der Polizei sind wir multikulturell. Es sind bald alle Sprachen vertreten, ausser vielleicht Thailändisch, aber die meisten Thailänderinnen sprechen gut Englisch.



Was erzählen Ihnen die Frauen?

Ich spreche hier von Frauen, die seit mehreren Jahren in der Schweiz sind und die wir seit längerem kennen. Eine Geschichte wiederholt sich immer wieder: Eine Frau kommt aus wirtschaftlichen Gründen hierher und heiratet einen Schweizer (oder einen Ausländer mit Niederlassungsbewilligung), um eine Arbeitserlaubnis zu erhalten. Weil sie sich für die Reise und die Heirat verschuldete, muss sie erst ihre Schulden abarbeiten. Manchmal gibt der Ehemann, weil die Frau gut verdient, seinen Job auf, um sich von ihr aushalten zu lassen. Irgendwann klopft das Betreibungsamt bei der Frau an, weil der Gatte insolvent ist. Wegen der Gütergemeinschaft muss die Ehefrau nun für die von ihm angehäuften Schulden aufkommen. Wie soll sie aus dem Sexgeschäft jemals herauskommen? Solche Frauen müssen sich still und brav verhalten, weil ihnen sonst mit der Scheidung gedroht wird. Viele Frauen ernähren mit der Arbeit in der Schweiz ihre Familien im Herkunftsland.



Ich sah im Schweizer Fernsehen einen Dokumentarfilm übers Milieu. Ein Sittenpolizist ging zur Kontrolle in ein Hinterhofpuff. In der kleinen Wohnung sagt der Polizist: «Da klebt es überall am Boden.» In einem kleinen Raum lag eine widerliche Matratze mit einem verfleckten Leintuch. Wird Ihnen nicht manchmal fast übel?

Ich war schon in Bordellen, wo mir Ameisen über die Schuhe spazierten. In der Küche sassen die Frauen zwischen Essensresten und übervollen Aschenbechern. Im Zimmer hing die Tapete herunter, und von den Matratzen wollen wir nicht reden. Ich begreife die Männer nicht, dass die sich da nackt hinlegen und sich bedienen lassen.



Was für Männer frequentieren diese Orte?

Es sind dieselben, die in die Wohnwagen am Sihlquai oder auf den Strassenstrich gehen. In einem gewissen Segment von Bordellbetrieben hat es in jedem Zimmer Waschgelegenheiten. Die Frau ist frisch geduscht und auch der Freier geht vor dem Service unter die Brause. In diesen Betrieben ist das Leintuch frisch gewaschen oder wenigstens das Badetuch auf dem Bett. Beim Strassenstrich steigt die Frau in den Wagen und bedient den Freier irgendwo. Fragen sich die Männer eigentlich nie, ob und wann sich die Frauen waschen? Oder sind ihnen Hygiene und Gesundheit in dem Moment egal?



Bei Kontrollen im Bordell sehen Sie auch die Freier.

Bei einer normalen Kontrolle wollen wir den Betrieb und die Frauen bei der Arbeit nicht unnötig stören. Das heisst, wenn gerade ein Freier da ist, der sich bedienen lässt, lassen wir die beiden ihr Geschäft in Ruhe abwickeln. Bei der Routinekontrolle geht es um ausländerrechtliche Fragen. Und nicht darum, Freier zu kontrollieren oder zu identifizieren.



Melden Sie sich vorher an? Achtung, wir kommen um 15 Uhr. Schaut, dass alle Kunden in den Zimmern sind?

Wir klingeln an der Türe und werden eingelassen. Meistens empfängt uns die Geschäftsführerin oder der Geschäftsführer. In vielen Betrieben haben die Frauen einen Aufenthaltsraum, oft eine kleine Küche. Ist Mary am Bedienen und Betty gerade frei, setzen wir uns mit Betty kurz hin. Sie bringt uns die Ausweise aller Frauen, die gerade am Arbeiten sind. Wir gehen nicht in die Bedienzimmer und sagen: «Aufstehen, bitte.» Die Prostitution ist legal und das Freiern auch. Wir wollen niemanden blossstellen. Es ist erlaubt, zu einer Dirne zu gehen. Unsere Gesellschaft hat diesbezüglich eine liberale Haltung. Was die eigenen Moralvorstellungen angeht, muss das jeder mit sich selbst vereinbaren.



Offiziell gibt es kaum Freier, niemand kennt sie. Eine geheimnisvolle Spezies. Wie sieht sie aus?

Wie der typische Freier aussieht? Jesses. Wenn Sie das nächste Mal beim Einkaufen sind, betrachten Sie den Mann neben Ihnen in der Schlange. Er könnte einer sein. Es sind ganz normale Männer. Studien aus Deutschland sagen, der typische Freier ist irgendwo zwischen 25 und 40, durchschnittlich intelligent und gut integriert in der Gesellschaft.



Weshalb gehen Männer ins Puff?

Ich kann nur wiedergeben, was diese Studien sagen. Die meisten Freier gaben Abenteuerlust als Motivation an, sich ins Milieu zu begeben. Es gehe um den Kick und die Vorstellung, vielleicht doch etwas moralisch Verwerfliches zu tun. Der Mann hat die Möglichkeit, sich eine Frau auszusuchen, das darf nicht unerwähnt bleiben. Interessant war folgende Aussage. Die Männer stünden zu Hause unter Leistungsdruck. Sie müssten immer leistungsfähig und tolle Liebhaber sein. Ein Nein werde oft fehlinterpretiert. Bei einer Prostituierten fällt dieser Druck weg. Sie dürfen sich hinlegen und müssen niemandem etwas beweisen.



Wie hat sich das Milieu in den letzten Jahren verändert?

Das Sexgewerbe ist ein wichtiger Wirtschaftszweig geworden. Da wird viel Geld umgesetzt. Dass der eine oder andere für sich eine Scheibe abschneiden will, ist nachvollziehbar. Es werden Marktanalysen und Businesspläne gemacht. Wir haben viele leerstehende Industriegebäude; die sind prädestiniert für Bordellbetriebe, es ist anonym und hat genügend Parkplätze. Dort entstehen Saunalandschaften mit erotischen Dienstleistungen im Angebot. Oasen, wo der Mann das Bademänteli anzieht.



Steigen da auch Milieufremde ein?

Ja. Man denkt gerne an goldkettenbehangene Stänze aus vergangener Zeit. Heute gibt es viele Geschäftsfrauen und -männer, denen niemand ansieht, dass sie ihr Geld in der Sexindustrie verdienen. Viele haben mit der Prostitution direkt nichts zu tun.



Gab es Polizisten, die die Seite wechselten?

Das kommt sehr selten vor.



Ihre Polizisten haben regelmässig Kontakt zu Dirnen. Man kennt sich, ist vielleicht per du. Da kann auch zu viel Nähe entstehen.

Wenn bestimmte Kulturen ihren Charme spielen lassen, muss ein Mann schon wissen, wer er ist und was er macht. Doch: Küsschen rechts, Küsschen links, diese Zeiten sind vorbei. Es müssen klare Grenzen festgelegt und auch eingehalten werden. Der Umgang ist von gegenseitigem Respekt geprägt.



Wie merken Sie, ob ein Polizist einer Frau zu nahe steht?

Durch eigene Wahrnehmungen, durch Meldungen von Mitarbeitern und auch durch Informationen aus dem Milieu.



Was, wenn eine Dirne einem Polizisten Sex offeriert?

Ich kann nur von uns reden, und bei uns kommt so etwas nicht vor. Wir haben eine klare Linie, man kennt und respektiert sich. Die Frauen kennen die Grenzen.



Ihre Mitarbeiter kommen nicht in Versuchung?

Nein.



Weshalb? Reden Sie Ihren Mannen regelmässig ins Gewissen?

Es wäre falsch, wenn ich das müsste. Nein, das hat mit Berufsethik zu tun, mit Professionalität und Persönlichkeit. Wenn einer merkt, der Kollege verhält sich nicht richtig, kommt er zu mir. Menscheln tut es überall. Ich meine: Man betritt ein Bordell. Was läuft? Ein Porno, unübersehbar. Andererseits hat man die Sexszenen irgendwann gesehen und nimmt sie nur noch am Rande wahr.



Kam es schon vor, dass Sie einem Freier die Kappe waschen wollten? Auch was Aids angeht?

Ich begann als junge Polizistin zu Zeiten des Platzspitzes. Ich sah, wie Männer junge Frauen, offensichtlich schwerstabhängig, für Sex kauften. Das war furchtbar. Die Freier haben dort schamlos die Notsituation der Frauen ausgenutzt. Ich habe im Gespräch mit Freiern auch schon versucht, das Bewusstsein hinsichtlich Hygiene und Gesundheit zu fördern. HIV beziehungsweise Aids ist in vielen Köpfen heute eine behandelbare und keine todbringende Krankheit mehr. Sehr aktuell sind Geschlechtskrankheiten. Syphilis breitet sich aus. Viele Männer haben scheinbar ein psychisches Problem, wenn sie ein Präservativ anziehen sollten. Sie behaupten, sie könnten nicht mit Gummi. Aber was ist mit Angehörigen, mit weiteren Sexualpartnern, die vielleicht zu Hause warten? Viele sind der irrigen Meinung, dass für die Ausübung der Prostitution ein Gesundheitsattest vorgelegt werden muss. Dem ist nicht so.



Die HIV-Zahlen steigen vor allem bei heterosexuellen Männern. Das hat sicher mit dem Milieu zu tun.

Nicht nur. Wir haben eine sehr liberale Sex-Mentalität. Da wird ausprobiert, werden die Sexualpartner gewechselt, werden die Lebenspartner betrogen, Heteros beanspruchen immer mehr die Dienste von Transsexuellen und so weiter. Vor allem im privaten Bereich gehen die Menschen anscheinend immer noch davon aus, dass es Präservative nicht braucht. Sie denken, die ist mit dem soundso lange verheiratet und der ist mit jener zusammen, die sehen gesund aus, also ist alles gut.



Malen Sie sich das so aus?

Nein. Man muss nur mit offenen Sinnen durchs Leben gehen. Ich möchte nicht wissen, wie viele HIV-positive Menschen es gibt, die nicht ahnen, dass sie das Virus haben.



Besteht die Gefahr, dass einem die Beschäftigung mit all dem Negativen den Geist vergiftet?

Nein, aber man wird mit der Zeit schon kritisch. Meine Generation Polizisten hat vieles erlebt: Riviera, Platzspitz, Letten. Heutzutage findet eine Vermischung des Prostitutionsmilieus mit dem der Drogen statt. Es gibt mittlerweile Prostituierte, die bieten ihren Freiern vor allem Drogen an und die Möglichkeit, in Ruhe zu konsumieren. Die Prostituierten rutschen dadurch in die Drogenabhängigkeit und in die Illegalität hinein. Wir beobachten dieses Phänomen vor allem im Langstrassenquartier. Dort gibt es zu den Happy Hours alles zu kaufen, von Sex bis Freebase. Da denke ich manchmal: Gopfriedstutz, wann sehen wir eine positive Entwicklung über einen längeren Zeitraum?



Wie imprägnieren Sie sich gegen all das Schlechte?

Indem ich nach vorne schaue. Es sind ja ernsthafte Bemühungen im Gange, dass es wieder besser wird, auch dank Projekten wie «Langstrasse plus». Es ziehen jetzt Vertreter aus verschiedenen Kreisen am gleichen Strick. Aber solange die Nachfrage etwa beim Kokain so breit gefächert und ungebrochen ist vom Fünfzehn- bis zum Siebzigjährigen , ist es schwierig.



Erschienen in der Weltwoche Ausgabe 03/09
http://www.weltwoche.ch/ausgaben/2009-0 ... ns-zu.html





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Marktforschung

Beitrag von Marc of Frankfurt »

ZÜRICH

50 Prozent mehr Ost-Prostituierte



von Marco Lüssi

Die Zahl der Prostituierten aus Osteuropa wächst rasant: Von dort stammt fast die Hälfte der Frauen, die 2008 von der Stapo Zürich neu registriert worden sind.

Strassenstrich am Sihlquai. (Bild: Burla)

Von den 605 Frauen, die 2008 in Zürich in die Prostitution eingestiegen sind, stammen 298 aus den neuen EU-Staaten, so die neusten Zahlen der Stapo Zürich.

Das entspricht einer Zunahme von rund 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr: 2007 wurden erst 203 Einsteigerinnen aus den osteuropäischen Staaten registriert.

«Der grösste Teil der Frauen stammt aus Ungarn», sagt Stadtpolizei-Sprecher Marco Cortesi. Hinzu kommen zahlreiche Polinnen und Rumäninnen.

Viele der Ostereuropäerinnen sind auf dem Strassenstrich tätig und arbeiten unter widrigsten Bedingungen. Cortesi: «Oft sind sie Opfer von Menschenhandel und müssen ­ihren Verdienst an Zuhälter abgeben.»

Während die Zahl derer, die auf der Strasse anschaffen, steigt, gibt es in ­Zürich weniger Bordelle: ­Deren Zahl ist von 345 auf 302 gesunken. «Wir stellen fest, dass es weniger Etablissements gibt, die bestehenden aber grösser sind als früher», so Cortesi. [Marktbereinigung, Konzentration, Anm.]

Die Gesamtzahl der Neueinsteigerinnen ist mit 605 tiefer als 2007 (645). Daraus lässt sich jedoch nicht schlies­sen, dass es heute weniger Sexworkerinnen [schön hier diesen Fachbegriff zu lesen :-)] gibt: «Die Dunkelziffer ist gross, viele bleiben nur kurz und werden nicht registriert», so Cortesi.

Total dürfte es in Zürich über 4000 Frauen geben, die ihren Körper verkaufen. [Ernüchternd hier diese Formulierung zu lesen :-((]

http://www.20min.ch/news/zuerich/story/ ... e-26468458





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Beitrag von nina777 »

03.03.2009

Immer mehr Freier wollen Sex ohne Gummi

Von Zürcher Prostituierten wird zunehmend Sex ohne Kondom verlangt. Im Internet häufen sich die Tipps, wie man einfach zu ungeschütztem Geschlechtsverkehr kommt. Politiker verlangen Gegenmassnahmen.


Auf dem Strassenstrich und in Internet-Foren für Freier häufen sich die Nachfrage nach Sex ohne Gummi. Ein Freier gibt in einem Sexforum gar den Tip, in das Kondom zu stechen, damit es platzt und so «gefühlsechten Sex» ermöglicht.

Laut der «Limmattaler Zeitung» werden zudem vermehrt Adressen und Namen von Prostituierten ausgetauscht, die ihre Liebesdienste «garantiert alles ohne», also ohne Kondom, anbieten.

Der zunehmende Druck, ungeschützten Sex zu haben, entrüstet Politike. FDP-Kantonsrätin Carmen Walker Späh hat zusammen mit der CVP und der GLP eine Anfrage für ein «Konzept gegen die Auswüchse im Sexgewerbe» beim Regierungsrat deponiert.

http://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/kan ... y/24405924

http://www.20min.ch/news/zuerich/story/ ... t-17434681
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Beitrag von nina777 »

26. März 2009
Zürcher Puffmutter muss Mehrwertsteuer entrichten

Die Betreiberin eines Bordells in Zürich muss auf den Umsätzen aus ihrem Etablissement Mehrwertsteuer zahlen. Das Bundesgericht hat ein weiteres Mal bestätigt, dass auch sittenwidrige oder sogar illegale Geschäfte steuerpflichtig sind.

Die Eidg. Steuerverwaltung hatte im Jahr 2002 von der Bordellbetreiberin 95#000 Franken Mehrwertsteuer für Umsätze aus ihrem Etablissement nachgefordert. Vor Bundesgericht hatte die Frau erfolglos argumentiert, dass der Dirnenlohn als sittlich missbilligtes Geschäft gar nicht Gegenstand der Mehrwertsteuer bilden könne.

Das Gericht erinnert daran, dass im schweizerischen Steuerrecht der Grundsatz der Wertneutralität gilt. Damit würden selbst Umsätze aus sittenwidrigen oder illegalen Tätigkeiten wie etwa Drogenhandel von der Mehrwertsteuer erfasst. Die Besteuerung von Erotik-Salons im Speziellen habe es bereits 2007 für zulässig erklärt.

Korrekterweise seien zudem die von den Sexarbeiterinnen erzielten Umsätze der Bordell-Betreiberin selber zugerechnet worden. Gegen eine selbständige Tätigkeit der Damen spreche etwa der Umstand, dass in dem Betrieb auch Sex-Partys stattgefunden hätten, bei denen die Chefin selber die Tarife festgelegt habe

http://www.sonntagszeitung.ch/home/arti ... wsid=72640
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ju
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Re: LokalNachrichten: ZÜRICH

Beitrag von ju »

          Bild
Marc of Frankfurt hat geschrieben:Zürich

Projekt für männliche Sexarbeiter: Hermann
http://www.malesexwork.ch/zuerich/index.html.
Die Adresse hat sich geändert: http://www.zah.ch/herrmann-zh/zuerich/index.html

Und in 20min ist vorgestern ein Artikel über den Männerstrich in Zürich erschienen, der vielleicht manche interessiert: http://www.20min.ch/news/schweiz/story/19885641 Ein paar Stichwörter daraus: Laut Schätzungen der AIDS-Hilfe ca 500 bis 700 männliche Prostituierte in Zürich, überwiegend jung, zwischen 18 und 26 Jahren; viele aus Osteuropa, Brasilien, Thailand; die meisten bleiben nur kurz in einer Stadt, weil schon nach 3 Monaten der "Neuheitswert" abnimmt; die Freier sind überwiegend älter - Zitat: "das reinste Altersheim"; 60% der Männer die bezahlten Sex mit Männern suchen, sehen sich als heterosexuell. Die Polizei hat mit dem Männerstrich wenig zu tun, es gibt nur selten Drogen- oder Gewaltprobleme. Die AIDS-Hilfe macht sich mehr Sorgen, weil gerade die Altersgruppe, die bei den Freiern am Stärksten vertreten ist, über gesundheitliche Gefahren im Zusammenhang von MSM wenig informiert ist.

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Beitrag von Melanie »

Eine Männerwelt für sich

In der Stadt Zürich arbeiten männliche Prostituierte weitgehend im Versteckten

Die Stadt Zürich verfügt über die grösste Stricherszene in der Schweiz. Mehrere hundert Sexarbeiter bieten Freiern ihre Dienste an, ohne dass die breite Öffentlichkeit davon Notiz nimmt.

ekk. Eine kleine Wohnung im Zürcher Niederdorf mit einer zweckmässig eingerichteten Küche, einem Aufenthaltsraum, einem Computerzimmer und einer winzigen Toilette, in der es eisig kalt ist: Die Anlaufstelle «Herrmann» an der Häringstrasse richtet sich an männliche Sexarbeiter, die sich in einschlägigen Nachtklubs oder in der Umgebung auf der Strasse prostituieren. Hier erhalten sie kostenlos Verpflegung, decken sich mit Kondomen ein, können das Internet benutzen und bekommen Unterstützung in alltäglichen und medizinischen Fragen. Die HIV-Prävention und Aufklärung über weitere sexuell übertragbare Krankheiten sind wichtige Pfeiler der Gassenarbeit, die bei «Herrmann» geleistet wird. Die Anlaufstelle wird von der Zürcher Aids-Hilfe betrieben und erhält unter anderem einen Beitrag von der Stadt Zürich. «Herrmann» ist an drei Tagen pro Woche nachmittags während jeweils dreier Stunden geöffnet.

Offiziell sind sie «Touristen»

Christian Conrad, der die Beratungsstelle leitet, schätzt, dass sich in der Stadt Zürich stets 500 bis 700 Männer aufhalten, die sich prostituieren. «Zürich verfügt über die grösste Szene in der Schweiz.» Nur ein kleiner Teil der Stricher halte sich jedoch auf dem Strassenstrich auf, wo im Schutz der Dunkelheit Kontakte zu Freiern geknüpft werden. Der grössere Teil biete sich in Bars, in Saunas, in Sex-Kinos oder im Internet an. Aus dem Shop-Ville, das früher als Treffpunkt der Stricher bekannt war, sei die Szene mittlerweile praktisch verschwunden. Unter dem Label «Mc Clean» sind im Hauptbahnhof überwachte Toilettenanlagen entstanden, die sich fürs schnelle Geschäft mit dem Sex nicht eignen.

«Viele unserer Klienten leben unter schwierigen Bedingungen»,
sagt Christian Conrad. Der Konkurrenzdruck führe dazu, dass Freier ungenierter ungeschützten Geschlechtsverkehr verlangten und dieser Wunsch vermehrt auch erfüllt werde. Manche ausländische Sexarbeiter gehen Schein-Partnerschaften mit Männern ein: Sie lassen eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft eintragen, womit die Voraussetzungen für den Erhalt einer Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz geschaffen werden. Andere Stricher geraten laut Conrad in komplizierte Abhängigkeitsverhältnisse mit Freiern, etwa wenn ihnen diese Wohngelegenheiten anbieten und sie mit diesen darüber hinaus sexuell verkehren. Es komme vor, dass sich Freier weigerten, für erbrachte Leistungen zu zahlen, sagt Conrad. Von Gewaltanwendungen gegenüber Sex-Workern ist ihm konkret derzeit aber nichts bekannt. «Ich vermute allerdings, dass Männer aus Scham tendenziell dazu neigen zu schweigen, wenn sie Opfer von Gewalt geworden sind.»

Für die Polizei eine «unauffällige Szene»

Auch der Polizei sind zurzeit keine Fälle von Gewalt in der Szene bekannt, wie Peter Rüegger, Leiter Kommissariat Ermittlungen bei der Zürcher Stadtpolizei, auf Anfrage erklärt. In Einzelfällen gebe es sie wahrscheinlich schon, vermutet er – jedoch wohl nicht im gleichen Ausmass wie auf dem Strassenstrich am Sihlquai, wo sich Frauen prostituieren und von wo immer wieder Berichte über gewalttätige Freier an die Öffentlichkeit dringen. «Die Szene der männlichen Sexarbeiter ist in Zürich aus unserer Sicht zurzeit unauffällig», fasst Rüegger zusammen.


Politisches Hickhack um «Herrmann»

ekk. Vor gut zehn Jahren, im Herbst 1998, hatte es in der Stadt Zürich um das Stricher-Projekt «Herrmann» eine grosse politische Auseinandersetzung gegeben: Das Zürcher Stimmvolk hiess am 29. November 1998 einen Kredit von 30 000 Franken für die Beratungsstelle gut. Zuvor hatte die SVP gegen die Vorlage das Referendum ergriffen und in einem hitzigen Abstimmungskampf gegen das Projekt mobilgemacht. Ihre Beschwerde begründete die Partei mit der angeblich einseitigen Information in der Abstimmungszeitung. Darin sei lediglich von einem Betriebsbeitrag von 30 000 Franken für ein Aids-Präventions-Projekt die Rede. Gemeinderat Mauro Tuena vertrat damals an der Delegiertenversammlung der städtischen SVP ein dezidiertes Nein, wie die NZZ Anfang November 1998 berichtete. Danach sagte Tuena, die SVP habe aus moralischen Gründen das Referendum ergriffen. Sie wolle nicht «mit Steuergeldern einen Sexualakt zwischen Männern» unterstützen. Die Rede war des Weiteren von «abartigen und widernatürlichen Sexualpraktiken».

http://www.nzz.ch/nachrichten/zuerich/e ... 22470.html
„Wenn du eine weise Antwort verlangst, musst du vernünftig fragen.“
Johann Wolfgang von Goethe

marlena
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Beitrag von marlena »

«Viele unserer Klienten leben unter schwierigen Bedingungen»,
sagt Christian Conrad. Der Konkurrenzdruck führe dazu, dass Freier ungenierter ungeschützten Geschlechtsverkehr verlangten und dieser Wunsch vermehrt auch erfüllt werde. Manche ausländische Sexarbeiter gehen Schein-Partnerschaften mit Männern ein: Sie lassen eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft eintragen, womit die Voraussetzungen für den Erhalt einer Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz geschaffen werden. Andere Stricher geraten laut Conrad in komplizierte Abhängigkeitsverhältnisse mit Freiern, etwa wenn ihnen diese Wohngelegenheiten anbieten und sie mit diesen darüber hinaus sexuell verkehren. Es komme vor, dass sich Freier weigerten, für erbrachte Leistungen zu zahlen, sagt Conrad. Von Gewaltanwendungen gegenüber Sex-Workern ist ihm konkret derzeit aber nichts bekannt. «Ich vermute allerdings, dass Männer aus Scham tendenziell dazu neigen zu schweigen, wenn sie Opfer von Gewalt geworden sind.»

Das erschüttert und zeigt ganz klar wie sehr auch Männer sich seelisch und körperlich unterdrücken lassen und das das Thema Machtmissbrauch leider nicht nur ein rein weibliches Thema ist...

Liebe Grüße

Marlena
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Beitrag von nina777 »

29.4.2009

Teilzeitdirnen sind wieder in der Stadt

ZÜRICH – Nur zu besuch! Mit dem wärmeren Wetter kommen Prostituierte aus dem Osten für wenige Tage ans Sihlquai.


«Sie sind jung, schön und sie machen alles», sagt Vera L., Prostituierte am Sihlquai. So beschreibt sie die jungen Frauen aus dem Osten, die in diesem Frühling den angestammten Sexworkerinnen Konkurrenz machen.

«Die Frauen bleiben oft nur übers Wochenende oder für ein paar Tage, um hier etwas Geld zu verdienen», sagt Vera. Die Konkurrenz kommt vor allem aus Ungarn, Tschechien oder Polen. «Aber auch Deutsche schaffen bei uns an», sagt Vera L.

Sex für 50 Franken

Diese Teilzeit-Prostituierten bieten ihre Dienste zu Dumpingpreisen an: Weniger als 50 Franken für Geschlechtsverkehr. Viele geben sich auch für Sex ohne Gummi her.

«Die Kolleginnen aus dem Osten, die das ganze Jahr hier arbeiten, sind kein Problem. Die haben sich an die lokalen Gegebenheiten angepasst», sagt Lyssa, eine Freundin von Vera L.. «Aber die Kurzzeit-Amateure gefährden Geschäft und Gesundheit. Aids ist für die ein Fremdwort.»

Keine Handhabe

«Auch wir registrieren in diesem Frühling eine hohe Zunahme von Damen aus den osteuropäischen EU-Ländern, vor allem aus Ungarn» sagt Marco Cortesi von der Zürcher Stapo. Bis zu 100 neue Gesichter tauchen pro Woche am Sihlquai auf. «Solange sie ihre Papiere bei sich tragen, haben wir keine Handhabe. Wir können nicht wegen ihres Geschäftsgebarens gegen sie vorgehen. Prostitution ist nicht verboten», sagt Cortesi.

Um den Schutz vor Aids müssen sich die Freier selbst kümmern. Erst wenn ein infizierter Freier Anzeige erstattet, kann die Polizei gegen fahrlässige Prostituierte vorgehen. Bis dahin sind sie aber meist nicht mehr im Land.

http://www.blick.ch/news/schweiz/zueric ... adt-117985
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Beitrag von nina777 »

11.5.2009
Drei-Säulen-Strategie fürs Rotlichtmilieu

Die Stadt Zürich will mehr Transparenz schaffen – konkrete Massnahmen sind in Planung

Mit dem Projekt «Rotlicht» will Zürich die Verhältnisse im Milieu verbessern. Dazu ist eine Strategie entwickelt worden, die auf drei Säulen aufbaut. Nun sollen konkrete Massnahmen folgen. Ein Teilbereich des Projekts betrifft die Kabarett-Tänzerinnen.

. Mit einer Vier-Säulen-Strategie war die Stadt Zürich in den neunziger Jahren erfolgreich: Indem sie auf die vier Pfeiler Prävention, Repression, Therapie und Überlebenshilfe setzte, gelang es ihr, in der Drogenszene aufzuräumen, wo zuvor himmeltraurige Zustände geherrscht hatten. Nun soll eine Drei-Säulen-Strategie die undurchsichtige Situation im Rotlichtmilieu verbessern.

Gesundheitsprobleme

Dies ist das erste Resultat des Projekts «Rotlicht», das vor knapp zwei Jahren im Polizeidepartement initiiert worden ist. Unter der Federführung von Rolf Vieli, der auch das Projekt «Langstrasse Plus» leitet, wurde seither eine umfassende Bestandesaufnahme der Situation im Milieu erarbeitet. Diese diente als Grundlage für die Formulierung der Strategie, die vom Zürcher Stadtrat kürzlich gutgeheissen wurde, wie der Projektleiter auf Anfrage erklärt.

Bei den Recherchen im Milieu bestätigte sich laut Vieli unter anderem, dass Geschlechtskrankheiten wieder im Vormarsch sind. Um die Gesundheitsvorsorge vieler Prostituierten stehe es schlecht; vereinzelt würden illegal anwesende, schwangere Frauen kurz vor der Entbindung zur Prostitution gezwungen. Zudem seien Tendenzen für eine zunehmend gefährliche Vermischung von Drogen- und Rotlichtmilieu festzustellen. «Es ist klar, dass mehr Transparenz und mehr Kontrollen nötig sind. Wir möchten das Milieu besser steuern können – ohne die an sich legale Prostitution zu verdammen», sagt Vieli. Dazu gehöre es auch, Überzeugungsarbeit bei Salon-Betreibern zu leisten, damit diese Verträge einhielten und die Gesundheitsvorsorge ihrer Angestellten unterstützten. Das wichtigste Ziel sei, den Schutz der Prostituierten zu verbessern und die Belastung der Wohnbevölkerung in der ganzen Stadt durchs Milieu zu verringern.

Die Schlagworte der neuen Drei-Säulen-Strategie lauten «Quartierverträglichkeit», «Gesundheitsschutz» und «Selbstbestimmung der sich prostituierenden Menschen». In jedem der drei Bereiche wird die Projektgruppe im Auftrag des Stadtrats in den kommenden Monaten konkrete Massnahmen ausarbeiten. Diese sollen gegen Ende dieses Jahres in die breite politische Diskussion eingebracht werden, wie Vieli ausführt. «In diesem Zusammenhang müssen wir uns auch fragen, wie die rechtlichen Rahmenbedingungen geändert werden müssten, um die Situation langfristig zu verändern.»

Striptease und sexuelle Dienstleistungen

Missstände ortet Rolf Vieli beispielsweise in der Szene der Kabarett-Tänzerinnen, bei denen es sich häufig um junge Frauen aus der Ukraine, aus Russland, aus Rumänien oder aus der Dominikanischen Republik handelt. «Viele landen später in der Prostitution, wo sie unter Umständen die Möglichkeit der Selbstbestimmung verlieren. Vor diesem Abstieg müssen sie geschützt werden.»

Frauen, die mit einer sogenannten L-Bewilligung als Tänzerinnen im Kabarett arbeiten dürfen, ist es ausdrücklich verboten, sich zu prostituieren. Dass aber vielerorts sowohl Striptease als auch sexuelle Dienstleistungen angeboten würden, sei ein offenes Geheimnis, sagt auch Peter Rüegger, Chef Ermittlungen bei der Stadtpolizei Zürich: «Viele Frauen verschwinden freiwillig mit Kunden im Séparée, um ihr Gehalt aufzubessern. Vereinzelt kommen aber immer wieder auch Fälle ans Licht, in denen die Frauen zur Prostitution gezwungen wurden.» Mit Kontrollen in den derzeit rund dreissig Kabaretts in Zürich versucht die Stadtpolizei, Fälle von Ausnützung zu verhindern. Zudem wird überprüft, ob die Tänzerinnen über die nötige Arbeitsbewilligung verfügen. Die Beweisführung sei schwierig, wenn ein Verdacht auf illegale Prostitution bestehe, sagt Rüegger. «Der Freier ist in der Regel nicht besonders auskunftsfreudig, wenn er von der Polizei befragt wird, und die betroffenen Frauen haben Angst, ihre Bewilligung zu verlieren.»

Dass es in der Szene der Kabarett-Betreiber «schwarze Schafe» gibt, die Prostitution zulassen oder gar fördern, stellt auch Maurus Ebneter nicht in Abrede. Er ist Mediensprecher des Asco, des Verbands schweizerischer Konzertlokale, Kabaretts, Dancings und Diskotheken. In den letzten Jahren habe der Verband in Zusammenarbeit mit Frauenorganisationen und Behörden aber viel zu besseren Arbeitsbedingungen der Tänzerinnen beigetragen. «Wenn sich eine Tänzerin am Feierabend oder an einem freien Tag privat mit einem Kunden trifft, geht das den Kabarett-Besitzer jedoch nichts an», sagt Ebneter.

Peter Rüegger von der Stadtpolizei sieht das ein wenig anders: Man dürfe sich nicht der Illusion hingeben, dass Tänzerinnen mit L-Bewilligung an den meisten Orten lediglich tanzten. Er würde gerne mehr Kontrollen durchführen – ganz im Sinne des Projekts «Rotlicht»: «Denn je mehr Kontrollen wir machen, desto besser werden die Regeln eingehalten.»

http://www.nzz.ch/nachrichten/zuerich/d ... 29841.html
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Marc of Frankfurt
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Beitrag von Marc of Frankfurt »

Wie Zürich mit «Rotlicht» die Prostituierten schützen will


Zwangsprostitution, Geschlechtskrankheiten und Drogen: Die Stadt Zürich ortet Missstände im Rotlichtmilieu und präsentiert eine Strategie, mit der sie diese bekämpfen will.
Mit «Rotlicht» gegen Zwangsprostitution: Die Stadt Zürich will verhindern, dass Tänzerinnen in die Prostitution gedrängt werden.
Bild: Doris Fanconi

Immer mehr Prostituierte sind mit Geschlechtskrankheiten angesteckt, Drogen- und Rotlichtmilieu vermischen sich und Zuhälter zwingen selbst hochschwangere Frauen zur Prostitution. Diese Beobachtung schilderte Rolf Vieli, Leiter des Projektes Langstrasse Plus gegenüber der «NZZ».

Vieli ist es auch, der im Auftrag des Zürcher Stadtrates mit einer neuen Strategie gegen diese Missstände ankämpfen wird. Das Projekt mit dem Namen «Rotlicht» wird von drei Säulen getragen:

«Quartierverträglichkeit»,
«Gesundheitsschutz» und
«Selbstbestimmung der sich prostituierenden Menschen».


In jedem dieser Bereiche wird eine Projektgruppe in den kommenden Monaten konkrete Massnahmen ausarbeiten.


Prostituierte sollen geschützt werden

«Es ist klar, dass mehr Transparenz und mehr Kontrollen nötig sind. Wir möchten das Milieu besser steuern können – ohne die an sich legale Prostitution zu verdammen», sagt Vieli gegenüber der «NZZ». Das wichtigste Ziel sei dabei, die Prostituierten zu schützen und die Belastung der Wohnbevölkerung zu vermindern.

Vieli nimmt insbesondere die rund dreissig Kabaretts in Zürich ins Visier. Viele junge Frauen aus der Ukraine, aus Russland, aus Rumänien und der Dominikanischen Republik arbeiten dort erst als Tänzerinnen, landen später aber in der Prostitution. «Dort verlieren sie unter Umständen ihre Möglichkeit zur Selbstbestimmung», so Vieli. (fsc)

Erstellt: 11.05.2009, 11:05 Uhr
http://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/sta ... y/29089214





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Beitrag von nina777 »

19.5.2009

Vor allem Ungarinnen im Sexgewerbe

Die Zahl osteuropäischer Frauen, die im Zürcher Sexmilieu anschaffen, nimmt massiv zu.

Allein in den letzten drei Jahren ist in der Stadt der Zustrom ausländischer Prostituierten aus den acht osteuropäischen Ländern der Union von 158 Frauen im Jahr 2006 auf 298 im letzten Jahr angewachsen. Alle Neueinsteigerinnen haben in der Schweiz keinen Wohnsitz. Auffällig viele Prostituierte reisen aus Ungarn ein – mit über 200 sind es mehr als doppelt so viele wie 2006.

Wird Meldepflicht eingeführt?

Diese Zahlen resultieren aus der Kontrolltätigkeit der Fachgruppe Milieu-/Sexualdelikte der Stadtpolizei in Etablissements und auf dem Strassenstrich, wobei die Dunkelziffer von illegal anwesenden und der Polizei nicht bekannten Prostituierten aus dem Ausland sehr hoch ist. Dies schreibt der Stadtrat in seiner Antwort auf eine Schriftliche Anfrage von Susi Gut und Markus Schwyn von der Partei für Zürich. Das Polizeidepartement befürchtet nun, dass die Zahl einreisender «Sexworkerinnen» aus den beiden neuen EU-Staaten Rumänien und Bulgarien ungefähr in derselben Grössenordnung liege wie bei den ungarischen Neueinsteigerinnen. Jetzt prüft der Stadtrat im Rahmen des laufenden Projekts «Rotlicht» unter anderem die Einführung einer Meldepflicht. Im Fokus des Projekts «Rotlicht» steht auf der einen Seite das Selbstbestimmungsrecht der Strichjungen und Prostituierten sowie die Gesundheitsvorsorge. Auf der anderen Seite hat es sich zum Ziel gesetzt, die negativen Einflüsse des Sexmilieus auf die Wohnbevölkerung auf ein erträgliches Mass zu reduzieren.

http://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/sta ... y/26330353
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Beitrag von nina777 »

25.5.2009

Trotz Verbot

Langstrasse wird zum Strassenstrich

Trotz Verbot werben Prostituierte auf dem Trottoir der Zürcher Langstrasse aktiv um Freier. Dies ist gemäss städtischem Strichplan verboten


Neuerdings werben Prostituierte nicht mehr nur in Kontaktbars, sondern auch direkt an der Langstras­se um Freier. «Seit Anfang Jahr stellen wir eine starke Zunahme von Prostituierten an der Langstrasse und in den Seitenstrassen wie Diener- oder Brauerstrasse fest», sagt Stapo-Sprecher Marco Bisa. Diese versucht die ­Strassenprostitution mit mehr Personenkontrollen zu bekämpfen. Die Verzeigungen haben zugenommen: «Allein in den letzten Wochen kam es zu ein paar dutzend Anzeigen wegen unzulässiger Ausübung der Prostitution», so Bisa. Auch Rolf Vieli vom Projekt Langstrasse Plus beobachtet das Phänomen: Die Prostituierten würden wie am Sihlquai vorwiegend aus Ungarn stammen und Freier «sehr aggressiv» anwerben.

Doch nicht nur die Frauen, sondern auch deren Zuhälter sind den Anwohnern ein Dorn im Auge: «Es haben sich Besitzer von Boulevardcafés bei mir gemeldet», sagt Vieli. Die Zuhälter würden sich rüpelhaft verhalten und für Unruhe sorgen, so Vieli. «Je mehr Frauen um Freier buhlen, desto mehr machen sie das ausserhalb des erlaubten Gebietes», heisst es bei der Frauen-Anlaufstelle Isla Victoria.

http://www.20min.ch/news/zuerich/story/ ... h-20543733
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