Prostitution ist nichts Verwerfliches! Kurier 20.05.10
Rotlicht-Milieu
Der Straßenstrich erregt die Wiener.Die Politik sucht nach Lösungen.
Betroffene Frauen erzählen im KURIER von ihren Sorgen.
Clara hat gerade ihr Wirtschaftsstudium abgeschlossen und einen lukrativen Job gefunden. Einen sehr lukrativen Job. Als Escort-Dame bietet sie ihren Körper für Geld an.
„Das ist nichts Verwerfliches“, stellt sie im KURIER-Gespräch klar. „Ich mache das, weil es mir Spaß macht. Prostitution setzt immer Freiwilligkeit voraus. Alles andere ist Menschenhandel
und Nötigung – und sollte strafrechtlich verfolgt werden. Mit meinem Beruf hat das aber nichts zu tun.“ Ihre Kollegin Katrin, die mit zehn Jahren Erfahrung ein „alter Hase“ im Geschäft ist, nickt zustimmend.
Clara und Katrin sind zwei junge Frauen, die dem Branchen-Klischee völlig widersprechen: Sie sind selbstbewusst, reflektiert, emanzipiert. Was ein Zuhälter ist, wollen sie nur aus Erzählungen wissen. „Das ist nicht mehr wirklich üblich“, sagt Katrin. Ein Kondom ist hingegen selbstverständlich, schlechte Erfahrungen mit Freiern habe sie nicht. „Ich gehe aber auch jederzeit, wenn mir etwas nicht passt.“ Die beiden haben es im Vergleich zu anderen Sexarbeiterinnen gut erwischt. Das wissen sie auch.
Recht-Los „Ein Problem haben aber alle“, sagt Christian Knappik, der als Administrator der Diskussionsplattform sexworker.at den Erfahrungsaustausch von mehr als 4500 registrierten Usern beobachten kann.
„DieGesetzgebung ist widersprüchlich und macht ihnen das Leben zur Hölle.“ Denn Prostitution ist in Österreich zwar erlaubt, gilt aber vor dem Gesetz als sittenwidrig
„Ich kann nicht angestellt werden, weil sich mein Arbeitgeber
dann der Zuhälterei strafbar macht. Ebenso kann ich meinen
Lohn nicht einklagen, wenn ein Freier nicht zahlt. Meine Arbeit ist nicht als Erwerbstätigkeit anerkannt“, sagt Katrin. Dennoch prüft das Finanzamt in den Clubs und Bars,ob ein Anstellungsverhältnis vorliegt. „Das ist absurd“, sagt Knappik.
78 Prozent der in Österreich legal arbeitenden 5150 Sexarbeiterinnen sind Migrantinnen (aus der EU weiten Statistik des Vereins Tampep). Der „Markt“ der Legalen ist seit den 1980er-Jahren um mehr als die Hälfte gewachsen. Ein Grund ist die Möglichkeit für neue EU-Staatsbürger und Asylwerber, in Österreich legal als Sexarbeiterinnen zu arbeiten. „Ich bin Rumänin. Als selbstständige Sexarbeiterin darf ich arbeiten, als Putzfrau nicht. Der Staat gibt vielen Frauen wenig andere Möglichkeiten, als sich zu verkaufen“, sagt Carmen.
Alle drei Frauen zahlen Steuern und Sozialversicherung. Trotzdem haben sie kaum Rechte, sondern vor allem Pflichten. Eine ist, ein Mal wöchentlich zur Zwangsuntersuchung zu gehen, um den sogenannten „Deckel“ zu bekommen – einen Ausweis, den sie stets mit sich führen müssen. „Was sich da abspielt, ist unter jeder Kritik“, sagt Katrin.
Von Montag bis Freitag zwischen 8 und 12 Uhr fertigt die MA 15 (zuständig für Gesundheit und Soziales) mit durchschnittlich vier Ärzten rund 2000 Frauen und Männer ab.
Schlangen bis vor die Tür, Mütter, die stundenlang mit ihren Kindern warten. Eine Frau wird beim KURIER-Lokalaugenschein Montag früh in Handschellen von der Polizei vorgeführt. Informationen zu Gesundheit und Geschlechtskrankheiten sind weder auf Deutsch noch in anderen Sprachen zu finden. Katrin erzählt von einem„Kübel mit Schaum, in dem das gebrauchte Besteck liegt“ und von nassem Besteck, mit dem sie untersucht wurde.
Sterilisierte Geräte sind üblicherweise nicht nass. „Ich glaube, dass das direkt aus dem Kübel kommt“, sagt sie.
Die Zwangsuntersuchung, die es seit 1873 gibt, wird in nur mehr drei EU-Staaten durchgeführt. Die UNO sieht darin einen Verstoß gegen die Menschenrechte und hat Österreich deswegen eine Rüge erteilt. Auch die Weltgesundheitsorganisation spricht sich gegen Zwangsuntersuchungen aus.
Ohne Gummi „Wen schützt das?“, sagt Carmen. „Die Freier wollen dann eher ohne Gummi, weil sie glauben, die Frauen sind gesund. Aber wenn ich Aids habe, bringt eine wöchentliche Untersuchung nichts.“
Clara arbeitet illegal, weil sie sich die Untersuchungen am Magistrat nicht antun will. „Ich gehe aber ein Mal die Woche freiwillig zu einem Arzt meines Vertrauens.
Ich lasse mich nicht wie ein Virus behandeln, denn das bin ich nicht.“
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Ich lasse mich nicht wie ein Virus behandeln!
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