Zuhälterunwesen, Prozesse, Menschenhandel

Beiträge betreffend SW im Hinblick auf Gesellschaft bzw. politische Reaktionen
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Arum
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Beitrag von Arum »

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nina777 hat geschrieben: Der Bande wird vorgeworfen, mehrere Jahre lang mindestens 22 junge Frauen aus Rumänien nach Deutschland gebracht zu haben. Hier sollten sie unter der Kontrolle der Angeklagten als Prostituierte arbeiten.
Ach, ist die Geschichte immer noch nicht zu Ende?
Nun, so ganz lückenlos war diese Kontrolle ofensichtlich nicht. Wie schon mal in einem anderen Draht erwähnt, so glaube ich wenigstens, ich hab mal in einem Club, der nicht zum PC-Imperium gehörte, eine sehr gute Zeit erlebt mit einer Rumänin, die normalerweise in zwei der PC-Laden tätig war. Sie war in diesem anderen Club um zu schauen, ob es ihr dort besser gefallen würde. Und wo ich selber auch mal im PC war, kann ich nur bestätigen, dass dieser anderer Club wesentlich besser aussieht als wenigstens der Wuppertaler Pussy Club. Auch haben die Frauen dort mehr Spielraum, waren sie nicht dem 20-Minuten-Takt, der im PC vorherrschte, unterworfen.

Trotzdem, es war ihr letzter Tag und sie erzählte mir, sie hätte sich doch entschieden ins PC zurückzukehren. 'Dort verdien ich mehr, und ich möchte viel viel Geld verdienen', hat sie mir gesagt, und das war zwei., drei Monaten schon nach den Razzien, die zum Ende des ursprünglichen Konzepts geführt hatten. Schlimm, hat sie gesagt, wären die Razzien überhaupt gewesen.

Wie dem auch sei, es war den Frauen anscheinend also gestattet, sich ausser Haus frei herum zu bewegen. Und ich erinnere mich auch noch ganz genau, wie bei meinem einzigen PC-Besuch die Barfrau/Empfangsdame ganz erstaunt war, als sich eine SW zur Arbeit meldete, die eigentlich einen freien Tag hatte. Das gab's also. Habe ich vielleicht auch schon mal erzählt, aber trotzdem.

Das besagt alles natürlich nicht, dass alle Damen im PC aus freien Stücken dort gearbeitet haben, und vielleicht trifft der Verdacht der Zwangsprostitution für die erwähnte Zahl von 22 Frauen zu, aber das war meiner Erfahrung nach unbedingt nicht für alle so der Fall.
Guten Abend, schöne Unbekannte!

Joachim Ringelnatz

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nina777
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Schweiz Limmattal/Albis

Beitrag von nina777 »

27.11.2010

Saunaclub-Geschäftsführer verurteilt

Das Obergericht hat einen Schweizer Geschäftsführer eines Dietiker Erotikclubs zu einer bedingten Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu 140 Franken verurteilt. Der Angeklagte hat acht ausländische Prostituierte illegal beschäftigt.


Es war am 19. Mai 2009, als in einem Dietiker Erotikclub an der Moosmattstrasse für einmal mehr Blaulicht als Rotlicht angesagt war. Die Polizei führte eine Razzia durch und stiess auf acht Prostituierte, die an einen UNO-Weltkongress erinnerten. Drei Bulgarinnen, zwei Rumäninnen, eine Nigerianerin, eine Brasilianerin sowie eine Dame aus Venezuela boten ihre Liebesdienste an. Allerdings verfügten sie weder über ein gültiges Visum noch über eine legale Arbeitsbewilligung. Was den heute 50-jährigen Geschäftsführer in Teufels Küche, beziehungsweise vor die Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis brachte.

Freispruch in Dietikon

Für die zuständige Staatanwältin war der Fall klar. Sie verurteilte den Kaufmann per Strafbefehl wegen mehrfacher Beschäftigung von Ausländerinnen ohne Bewilligung zu einer bedingten Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu 160 Franken sowie zu einer Busse von 3000 Franken. Der Verteidiger des Geschäftsführers erhob Einsprache und verlangte vor einem Jahr am Bezirksgericht Dietikon einen vollen Freispruch.

Der Anwalt bestritt dabei die Stellung seines Klienten als Arbeitgeber. Dieser habe den Frauen gegen einen Eintritt für 90 Franken lediglich die Räume zur Kontaktaufnahme mit den Kunden zur Verfügung gestellt. Das Dietiker Gericht folgte diesem Argument und kam zu einem Freispruch. Schliesslich habe der Angeschuldigte von den Sex-Arbeiterinnen auch keine Personalien verlangt, schrieb der Dietiker Einzelrichter.

Schuldiger Arbeitgeber

Die Staatsanwaltschaft legte Berufung gegen den Freispruch ein und gelangte damit am Freitag vor das Zürcher Obergericht. Diesmal mit Erfolg. So stuften die Oberrichter den Angeschuldigten sehr wohl als Arbeitgeber ein. So sei die Entscheidung alleine bei ihm gelegen, welche Frauen im fraglichen Saunaclub arbeiten durften oder nicht, sagte der Referent Martin Burger. So habe der Angeklagte gewisse Damen nach einem Gespräch auch abgelehnt und wieder nach Hause geschickt. Für den Mitrichter Daniel Bussmann war entscheidend, dass der Club die Preise für die Frauen festgesetzt habe. Konkret 140 Franken für 30 Minuten Einsatz.

Aufgrund des Schuldspruchs erhielt der Angeklagte eine bedingte Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu 140 Franken. Von einer zusätzlichen Busse sahen die Oberrichter ab und hielten dem Beschuldigten zugute, dass er heute die Arbeitsbewilligung der Prostituierten überprüfe. Allerdings wurden dem unterlegenen Geschäftsführer sämtliche Gerichtskosten von insgesamt 4500 Franken auferlegt.

http://www.20min.ch/news/zuerich/story/ ... t-21242196
I wouldn't say I have super-powers so much as I live in a world where no one seems to be able to do normal things.

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Arum
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Beitrag von Arum »

Sehr ausführlicher Artikel zur Zwangsprostitution, diesbezüglichen Polizeiarbeit und allgemeinen Rechtslage:

http://www.welt.de/print/wams/vermischt ... dchen.html

ZITAT:

Dies ist die Geschichte eines Mädchens, das nie eine Chance hatte. Das einmal glaubte, doch endlich eine zu bekommen, und seine Heimat Nigeria verließ, um in Europa sein Glück zu finden. Es ist die Geschichte Tausender schutzloser Frauen, die wie Ware gehandelt, misshandelt, ausgebeutet, deren Leben zerstört werden - mitten in Deutschland. Mädchen wie Yamina, die aus Nigeria, Rumänien, Thailand oder Albanien in die reichen Länder Europas gelockt werden mit dem Versprechen, sie könnten hier als Kosmetikerin, Putzfrau oder als Model arbeiten. Stattdessen landen sie auf dem Straßenstrich in Palermo, Lyon oder Madrid. Oder in einem Bordell in der deutschen Provinz.

Es ist eine Geschichte, die auch von der Unfähigkeit moderner Staaten wie Deutschland erzählt, Opfern gerecht zu werden und Täter hart anzupacken. Von Gesetzen, die längst hätten geschrieben werden müssen. Von Gerichten, die Schuldige laufen lassen, und Behörden, die dem Phänomen Menschenhandel voller Ignoranz begegnen. Aber auch von Polizisten, Jugendamts- und Heimmitarbeitern, die hingebungsvoll zu retten versuchen, was oft nicht mehr zu retten ist.

ZITAT ENDE


Bin mal gespannt, was Ihr von diesem Artikel haltet..
Guten Abend, schöne Unbekannte!

Joachim Ringelnatz

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Aoife
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RE: Zuhälterunwesen, Prozesse Menschenhandel

Beitrag von Aoife »

Österreich: International gesuchte Zuhälterin auf der A4 gefasst

Sie gilt als Anführerin einer kriminellen Vereinigung, die im Zusammenhang mit Zuhälterei, Zuführung zur Prostitution, Menschenhandel und Vergewaltigung steht: Eine 31-jährige Rumänin, die seit 2008 per EU-Haftbefehl gesucht wurde, ist in der Nacht auf Freitag auf einem Parkplatz der A4 bei Neusiedl am See geschnappt worden.

Brutal vergewaltigt und misshandelt
"Den Opfern wurde vorgetäuscht, in Belgien warten ein fester Job und ein neues Leben auf sie.

Jetzt soll auch ermittelt werden, ob die gefasste Banden- Chefin mit der skrupellosen Verbrechergruppe rund um die 13 in Wien befreiten Sex- Sklavinnen in Zusammenhang stehen könnte.

Quelle: http://www.krone.at/Burgenland/Internat ... ory-232528
It's not those who inflict the most, but those who endure the most, who will conquer. MP.Vol.Bobby Sands
'I know kung fu, karate, and 37 other dangerous words'
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Marc of Frankfurt
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mit Textbericht einer Razzia

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Arum hat geschrieben:Bin mal gespannt, was Ihr von diesem Artikel haltet..

Das ist schon ein einzigartiges Machwerk von vier bezahlten Männern aus dem Springer Verlag. (Unterhaltungsliteratur mit schaurigen Fallgeschichten und vielen dramatisch verwobenen Detailinfos als Argument und Anklage gegen Prostitution bzw. für die Durchsetzung von noch mehr Regelementierung und Polizei-Kontrolle, die wir Sexworker vielfach nicht wünschen und uns schwächen, weil zur Sache degradieren: Z.B. Sexworker-Datei mit Körpermerkmalen bei der Polizei in München...).


Schade daß die Prostituierten-Beratungsstelle "Nachtfalter" www.nachtfalter-essen.de der katholischen Caritas im Bistum Essen, die auch beim Bündnis der Sozialberatungsstellen für Sexworker www.bufas.net mitarbeitet, es durch ihre professionelle Mitarbeiterin Angelika Wöhrle nicht versucht(?)/erreicht hat, auch eine faire Berichterstattung der anderen Seite, nämlich der freiwillig selbstbestimmten professionellen Sexarbeit für die das Sexworker Forum steht, mit in den Bericht aufnehmen zu lassen. Zumal die Sozialarbeiterin Angelika Wöhrle von Nachtfalter vermutlich auch für die Journalisten-Clique die Fallquelle/der Gatekeeper gewesen ist zum Fall der Prostitutions-Migrantin/Menschenhandelsopfer Yamina aus Nigeria aus dem Krefelder Eros-Center (mit Frankfurter Betreiber/Eigentümer).





Sicherheitskopie mit einigen Anmerkungen [in Klammern]
"Osusu" = nigerianisches Investmentsparen vgl. Gameya:
Welt am Sonntag
Springer Verlag
28. November 2010
Autor: Jörg Eigendorf, Marc Neller, Uwe Müller und Lucas Wiegelmann|
http://www.welt.de/print/wams/vermischt ... dchen.html

Die Wegwerfmädchen

[Fall1] Yamina, 15, wurde mit einer Lüge nach Deutschland gelockt. Man zwang sie zur Prostitution - so wie Tausende andere Frauen, die jedes Jahr hierher verschleppt werden. Die Geschichte eines Schicksals, das es so nicht geben dürfte

An einem Spätsommertag fasst Yamina den Mut, der Hölle zu entkommen. Sie zieht Jeans und ein T-Shirt über ihre billigen Dessous und verlässt den schummrigen kleinen Kellerraum, in dem sie seit etlichen Wochen lebt. Ganz selbstverständlich geht sie den schmalen Gang entlang, vorbei am Empfang. Die breitschultrigen Männer dort beachten sie nicht. Wo sollte die zierliche Nigerianerin schon hingehen. Yamina erreicht die Eingangstür, daran hängt ein Schild: "Weiblichen Personen unter 18 Jahren ist der Eintritt verboten". Yamina ist 15. Sie drückt die Klinke und tritt ins Freie.

Das Mädchen weiß nicht, in welcher Stadt sie ist, noch nicht mal, in welchem Land. Sie weiß nur, sie ist draußen. Hinter ihr liegt der "Erotic Tempel Crazy Sexy" mit seinen leuchtend lila Herzen an der Hauswand - jenes Bordell, an dem Freier für 30 Euro mit ihr gemacht haben, was sie wollten. Ringsherum eine Ansammlung von Baumärkten, Möbelhäusern und Parkplätzen. Yamina schaut zu, wie die Autos von der Straße abbiegen und vor dem Eroscenter halten. Es ist Mittagszeit, da kommen die Männer. Viele sind jenseits der 50, gehen nach dem Besuch im Baumarkt noch ins Bordell. Yamina spürt ihr Herz pochen. Wohin soll sie gehen? Vor nicht einmal zwei Monaten ist sie den Slums von Lagos entkommen. Sie kann nicht lesen und nicht schreiben. Sie kennt niemanden in diesem Land, außer ihre Zuhälterin, die sie "Madame" nennt. Yamina verlässt der Mut. Sie dreht sich um und kehrt zurück in die Hölle.

Dies ist die Geschichte eines Mädchens, das nie eine Chance hatte. Das einmal glaubte, doch endlich eine zu bekommen, und seine Heimat Nigeria verließ, um in Europa sein Glück zu finden. Es ist die Geschichte Tausender schutzloser Frauen, die wie Ware gehandelt, misshandelt, ausgebeutet, deren Leben zerstört werden - mitten in Deutschland. Mädchen wie Yamina, die aus Nigeria, Rumänien, Thailand oder Albanien in die reichen Länder Europas gelockt werden mit dem Versprechen, sie könnten hier als Kosmetikerin, Putzfrau oder als Model arbeiten. Stattdessen landen sie auf dem Straßenstrich in Palermo, Lyon oder Madrid. Oder in einem Bordell in der deutschen Provinz.

Es ist eine Geschichte, die auch von der Unfähigkeit moderner Staaten wie Deutschland erzählt, Opfern gerecht zu werden und Täter hart anzupacken. Von Gesetzen, die längst hätten geschrieben werden müssen. Von Gerichten, die Schuldige laufen lassen, und Behörden, die dem Phänomen Menschenhandel voller Ignoranz begegnen. Aber auch von Polizisten, Jugendamts- und Heimmitarbeitern, die hingebungsvoll zu retten versuchen, was oft nicht mehr zu retten ist.

Der Handel mit Frauen, Mädchen und manchmal auch Jungs zur sexuellen Ausbeutung blüht wie nie zuvor. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs Ende der 80er-Jahre ist die Zahl der Sexsklavinnen ständig gestiegen. Nach Schätzungen der Europäischen Kommission werden inzwischen Jahr für Jahr 120 000 Mädchen und Frauen aus aller Welt nach Westeuropa verschleppt und zur Prostitution gezwungen. Die Internationale Arbeitsorganisation rechnet vor, dass der Menschenhandel jedes Jahr weltweit fast 32 Milliarden US-Dollar Gewinn abwirft. 28 Milliarden davon werden mit sexueller Ausbeutung verdient, der Rest mit der Ausbeutung der Arbeitskraft. Neben dem Drogen- und dem Waffenhandel gilt die Versklavung mittlerweile als das lukrativste Geschäft der organisierten Kriminalität.

Ein Gesetz, das die rot-grüne Bundesregierung im Jahr 2001 beschloss, hat die Situation in Deutschland kaum verbessert. Im Oktober 2001 verabschiedete sie mit den Stimmen von FDP und PDS das Gesetz "zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten". Die Parlamentarier meinten es gut. Sie wollten Prostituierten den Zugang zur Sozialversicherung und den Ausstieg aus dem Milieu erleichtern und die Kriminalität in der Szene eindämmen. Frauen sollten ihren Lohn von Freiern einklagen können und ihre Arbeit in Verträgen regeln. Seit 2001 ist Sex gegen Geld keine "gewerbsmäßige Unzucht" mehr, sondern eine "sexuelle Dienstleistung". So der Plan.

Längst weiß man, dass das Gesetz nicht den Frauen geholfen hat, sondern den Zuhältern. Es hat den Menschenhandel erleichtert, weil es die Vermittler von schnellem Sex legalisiert, es sei denn, ein Zuhälter zwingt Frauen zur Prostitution. Doch so etwas ist kaum nachzuweisen. Schon vor drei Jahren offenbarte eine Studie des Bundesfamilienministeriums, dass die Reform keine der Erwartungen erfüllt hat. Die damalige Familienministerin Ursula von der Leyen, CDU, legte einen Sechs-Punkte-Katalog vor, um "den Schutz von Prostituierten wirksam zu verbessern". Geschehen ist seither so gut wie nichts.

Ebenfalls nicht praxistauglich ist ein Gesetz, mit dem 2005 die Strafvorschriften für Menschenhandel verschärft wurden. Es schützt die Opfer nur unzureichend. Die Betroffenen müssen fürchten, im Eilverfahren ausgewiesen zu werden, wenn sie der Polizei nicht sagen, wer ihre Peiniger sind. Das hat inzwischen auch die EU-Kommission erkannt: "In viel zu wenigen Fällen gibt es für die Opfer Gerechtigkeit", sagt Cecilia Malmström, die als Kommissarin für Inneres in der EU zuständig ist für das Thema Zwangsprostitution (siehe Interview S. 21). Die Europäische Kommission will es nun genau wissen. Sie fördert ein Projekt, das den Umfang des internationalen Menschenhandels ermitteln soll. Seit Anfang 2010 sitzen zwei Forscher der Universität Göttingen daran. Doch die Arbeit ist schwierig. Jedes Land definiert Menschenhandel anders, offizielle Daten lassen sich nur sehr schwer vergleichen. Vor allem aber spielt sich das Geschäft mit erzwungenem Sex in hochkriminellen Strukturen ab. Es hat eine perfekte Tarnung: Der Menschenhandel kommt im Gewand der legalen Prostitution daher - in gewöhnlichen Bordellen mit Frauen, die sich aus Angst vor der Gewalt ihrer Zuhälter und auch der Abschiebung in die Heimat fast nie der Polizei offenbaren.


[Forts. Fall1 oder neuer Fall2] Yamina ist eine Ausnahme.

Einige Wochen nach ihrem Fluchtversuch machte die Polizei im Eroscenter an der Mevissenstraße in Krefeld eine Razzia. Sie fanden Yamina, nahmen sie mit auf die Wache und übergaben das Mädchen an Menschen, die sich seiner annahmen. Gut zwei Jahre später, an einem Novembernachmittag, sitzt im Besprechungszimmer eines Mädchenheims eine schlanke Nigerianerin mit dunkler Haut, die ihre Hände in einen Schlüsselbund krallt. Yamina, 17 Jahre alt [oben war sie 15 Jahre alt? Andere Person?], trägt braune Turnschuhe, Jeans, ein graues T-Shirt und goldene Kreolen, die viel zu groß sind für ihr schmales Gesicht. Im Heim gilt sie als fröhlich, als Mensch mit einnehmendem Lächeln, der neugierig fragt und genau zuhört. "Sie hat eine außergewöhnliche Auffassungsgabe", sagt eine ihrer Betreuerinnen. Als Yamina im Sommer vor zwei Jahren nach Deutschland kam, konnte sie nur ein paar Brocken Englisch und kaum lesen und schreiben. Inzwischen hat sie so gut Deutsch gelernt, dass sie den Hauptschulabschluss mit einem Notendurchschnitt von 2,7 geschafft hat. Jetzt ist sie auf dem Weg zur mittleren Reife, liest moderne deutsche Lyrik. Darauf ist Yamina stolz, darüber redet sie gern. Wenn das Gespräch aber auf die Zeit im Bordell kommt, dann spricht sie nur noch zögerlich. Oder gar nicht mehr. Und ihre Augen füllen sich mit Tränen.

Nur wenige Menschen dürfen bis heute wissen, wo Yamina lebt. Sie muss immer noch fürchten, dass die Menschenhändler sie wieder auf den Strich schicken. Denn Yamina hat nicht erwirtschaftet, was ihre Zuhälterin von ihr verlangt hatte: 52 000 Euro sollte das Mädchen abarbeiten, nachdem sie es nach Deutschland hatte schleusen lassen, dazu 3500 Euro für einen falschen Pass, Reiz- und Bettwäsche, die sie Yamina noch auf dem Weg ins Bordell in einem Supermarkt kaufte. Plus 130 Euro Tagesmiete für das Zimmer im Eroscenter. Wenn die Zuhälterin einmal in der Woche in das Bordell kam, um Yamina das Geld abzunehmen, was noch übrig war, musste das Mädchen auch die 50 Euro für deren Anfahrt bezahlen.

Um all diese Ansprüche zu erfüllen, hätte Yamina rund 2000 Euro in der Woche verdienen müssen. [= 285 pro Tag bei 7tagewoche. Anm.] Bei 30 Euro pro Freier, was in Etablissements wie dem Eroscenter dem Durchschnittswert entspricht [falsch: nicht Durchschnittswert, sondern Minimal- oder Einstiegspreis für weitere Preisverhandlungen was sich Kobern nennt.], hätte sie jede Woche fast 70 Männer abfertigen müssen [aber: 10 Kunden pro Tag ist für manch clevere Sexworker im hochfrequentierten Laufhaus mit inszenierter professionelle Sexdienstleistung, die oftmals nur wenige minuten dauert kein Problem. Duch Extraleistungen läßt sich viel mehr verdienen und die Kundenfrequenz reduzieren.]. Macht 70-mal Geschlechts-, Oral-, Analverkehr und unzählige Demütigungen [Analverkehr ist ein treures Extra. Die 30-Euro-Session dauert max. 15 Minuten und wird daher für positiv professionell an die Sache herangehende Sexworker als leicht verdientes schnelles Geld interpretiert.]. Vier bis fünf Jahre hätte es gedauert, bis Yamina abgezahlt hätte, was ihre Zuhälterin "Schulden" nennt. [Das ist quasi der Zeitpreis für die evt. illegale/informelle Migration raus aus der Armut in den wohlhabenden Westen. Vergleichbar evt. den Strapazen, die ein Ausbildungsgang kostet. Anm.]

"Die ersten Worte, die ich auf Deutsch gelernt habe, waren 'Komm her' und 'Wie viel?'", sagt Yamina, und senkt die Augen. Bis heute brenne in ihrem Zimmer auch nachts ein schwaches Licht, sagt sie. Weil sie aus Albträumen hochschreckt. Selten kommen darin das Eroscenter und die Männer vor. "Ich träume von der Madame, dass sie mich holen kommt und von mir Geld will."

Es reicht ein kurzer Abriss von Yaminas Leben, um zu verstehen, warum sie so empfänglich für das Versprechen auf bessere Zeiten in Europa war. Sie wurde in Lagos geboren, Nigerias größter Stadt, ihre Eltern hat sie nie richtig kennengelernt. Ihr Vater hatte zwei Frauen, die sich ständig stritten. Schon bald musste die leibliche Mutter die Familie verlassen. Wenig später starb der Vater. Die Stiefmutter nutzte Yamina aus, schickte sie nicht in die Schule, sondern auf den Markt, um dort Bananen zu verkaufen. Wenn Yamina sich weigerte, gab es Schläge. Eines Tages brachte die Stiefmutter das Kind zu einem Priester in einem nahe gelegenen Dorf. Er erzählte von einer Schwester, die in Europa lebe und dort eine Verkäuferin in ihrem Kosmetikgeschäft suche. Yamina durfte mit der Frau telefonieren, jener Frau, die sich später als ihre Zuhälterin herausstellen würde: die Madame, wie es in Nigeria heißt.

Ein Mann, der sie einige Wochen später zum Flughafen in Lagos brachte, drückte ihr einen falschen Pass in die Hand, in dem ein anderer Name stand und ein anderes Alter. Yamina war plötzlich 22. Außerdem steckte er ihr 1250 Euro in die Tasche, damit sie sich glaubhaft als Touristin ausgeben konnte, sollte sie von den Grenzbeamten in Paris kontrolliert werden. Yamina war für einen Moment misstrauisch, dachte aber nicht lange darüber nach. Nach der Landung in Paris erwartete sie ein Schlepper, der ihr das Geld und den Reisepass wieder abnahm. Yamina wurde nach Brüssel gefahren, wo sie zum ersten Mal ihre Zuhälterin traf.

"Sie war sehr nett zu mir, wie eine große Schwester", erinnert sie sich.

Der Menschenhandel in Nigeria ist in Frauenhand. Meist sind es ehemalige Opfer, die sich irgendwann freikaufen und den Nachschub für den europäischen Markt organisieren. Sie nutzen die alten Kontakte. "Das Netzwerk der Frauenhändler ist nicht hierarchisch gegliedert wie etwa die Mafia, es gibt keine klaren Befehlsstrukturen", schreiben die österreichischen Politikwissenschaftlerinnen Mary Kreutzer und Corinna Milborn in ihrem 2008 veröffentlichten Buch "Ware Frau". Die Knotenpunkte dieser Struktur seien die Madames. Demnach schließen sich zehn oder 15 Frauen zusammen und sparen gemeinsam an, bis sie das Geld haben, ein Mädchen nach Europa zu bringen. "Osusu" nenne sich diese Form des nigerianischen Investmentsparens. Die Schleuser sind nur Dienstleister, die mehr oder weniger gut bezahlt werden. Das ist die afrikanische Art des Menschenhandels. [oder des in der Community gemeinsam oranisierten sozialen Aufstiegs und der Migration. Anm.]

Meist allerdings kommen die Frauen aus Osteuropa, aus Ungarn, Bulgarien, Tschechien, Rumänien. Denn die Menschenhändlerbanden brauchen keine aufwendige Beschaffungslogistik und keine gefälschten Papiere, die Frauen kommen legal über die Grenze. Das macht den Markt auch für Händler aus Deutschland so attraktiv.

[Fall 2] Alina aus Bukarest ist eine schwarzhaarige Frau mit hübschem, etwas magerem Gesicht, sie lebt mit ihrem Mann und ihren Kindern auf einem Bauernhof. Zu einem Treffen ist sie nur unter der Bedingung bereit, dass es in einer Wohnung irgendwo im Westen von Bukarest stattfindet. Das kleine Appartement hat kein Namensschild an der Tür, es gehört einer rumänischen Nichtregierungsorganisation, die Alina seit ihrer Rückkehr nach Rumänien betreut. Wer hier Zuflucht findet, soll unauffindbar sein für die, die sie gequält und ausgebeutet haben. Sogar der Name der Organisation muss geheim bleiben.

Vor dem Haus aus schmutzigem Beton riecht es nach Urin und Müll, in den Hinterhöfen der Nachbarhäuser liegen alte Cognacflaschen und Plastiktüten voller Abfall. Trotzdem ist es hier für Alina schöner als alles, was sie in Deutschland gesehen hat. Sie sitzt auf einem abgewetzten Sofa, erzählt ihre Geschichte und zieht ihren Mantel vor der Brust zusammen, als könne er sie vor den Erinnerungen beschützen. Alina war 26, als sie einen Anruf einer Freundin aus Deutschland bekam. Sie könne zu ihr in eine Kleinstadt in der Nähe von Hamburg kommen und als Kellnerin arbeiten. Die junge Frau träumte davon, sich ein kleines Haus leisten zu können. Ein Jahr, dann hätte sie genügend Geld verdient und würde nach Rumänien zurückkehren. Im Autobus kam sie nach Deutschland, ganz problemlos. Schon nach einer Woche stellte sich heraus, dass der Barbesitzer ein Zuhälter ist. Er ist Koreaner, sein Komplize ein russischer Barmann. Sie schlugen Alina und ihre Freundin, die sie nach Deutschland gerufen hatte, zusammen und sperrten sie ein. Noch in derselben Nacht kamen Freier aufs Zimmer. Einer nach dem anderen. Deutsche, Türken, Italiener, sie durften zehn Minuten lang mit ihnen machen, was sie wollten, Beißen und Schlagen inklusive. Einzige Regel: Kondom benutzen. "Der Besitzer wollte gesunde Ware", sagt Alina. "Es war einfach nur eine Qual." [Safer Sex ist eigentlich eine fürsorgliche Selbst- und Fremdschutzmaßnahme, wird hier aber als Argument gegen Menschenhandel vorgebracht. Anm.]

Alina und ihre Freundin konnten noch in der Nacht fliehen. Sie sprangen aus dem Fenster im ersten Stock und rannten im Pyjama in einen nahe gelegenen Wald. Sie versteckten sich in einem Erdloch. Irgendwann in der Nacht fühlten sie sich sicher genug herauszukommen. Sie klingelten beim ersten Haus, zu dem sie kamen. Ein Mann öffnete, er rief die Polizei. Alina kam ins Frauenhaus, ihre Freundin ins Krankenhaus. Nachdem beide später bei der Polizei ausgesagt hatten, reisten sie nach Rumänien zurück, die internationalen Hilfsorganisation IOM bezahlte die Fahrt. Was aus den Tätern geworden ist, weiß Alina nicht. Sie und ihre Freundin wurden nie wieder nach Deutschland bestellt, um die Aussage vor Gericht zu wiederholen.

Im Präsidium der rumänischen Polizei in Bukarest, einem repräsentativen Bau mitten in der Hauptstadt, will man schon nicht mehr hören, dass der Handel mit Frauen auch deshalb blüht, weil das Land ein Eldorado für Kriminelle ist, wie es immer heißt. Der Chef der Abteilung zur Bekämpfung des Menschenhandels, Spiru Barbuceanu, sieht das ganz anders. Wenn man ihm zuhört, könnte man glauben, das Problem habe sich erledigt. "Im ersten Halbjahr 2010 haben die rumänischen Behörden 24 Opfer in Deutschland identifiziert", sagt er. "Der Trend ist rückläufig. Damit sind wir sehr zufrieden."

Diese Daten sind mehr als fraglich. Die EU-Kommission etwa kommt zum Schluss, dass gerade Länder wie Bulgarien und Rumänien immer noch viel zu wenig gegen den Menschenhandel tun. "Die dortigen Behörden müssen besser darin werden, die entsprechenden Netzwerke zu zerschlagen", sagt Innenkommissarin Malmström. Weil sie so ineffektiv arbeiten, tauchen immer mehr rumänische Frauen in den Datensätzen deutscher Polizeidienststellen auf. Alleine die Münchner Polizei gibt an, dass in diesem Jahr die Zahl der rumänischen Prostituierten in der Stadt über 50 Prozent größer ist als noch 2009.

Allerdings stehen die Münchner Beamten vor dem gleichen Problem wie die Kollegen in Hamburg, Frankfurt, Köln oder Berlin. Ihre Erhebungen sagen bisher nichts darüber aus, wer freiwillig anschafft und wer unter Zwang. Sie wissen nur, dass die Dunkelziffer hoch ist, vermutlich sehr hoch. Dafür sprechen einige Kennzahlen und Beobachtungen aus der Praxis.

So wurden 2008 bundesweit nur 173 Täter wegen "Menschenhandels zum Zwecke der Prostitution" verurteilt. Im selben Jahr wurden aber 648 Menschen des Mordes oder Totschlags überführt, obwohl es in Deutschland offensichtlich weitaus weniger Morde gibt als Menschenhandelsdelikte. In einem vertraulichen Bericht vom Februar dieses Jahres gibt sogar die Bund-Länder-Projektgruppe des Bundeskriminalamts zu, dass die offiziellen Fall- und Verfahrenszahlen "wenig über das tatsächliche Ausmaß dieses Deliktes" aussagen. Der Grund: "Betroffene sind weder anzeige- noch aussagebereit." Das alles deckt sich mit den Erfahrungen von Frauen wie Angelika Wöhrle.

[Fallquelle zu Fall1] Wöhrle ist Sozialarbeiterin, eine zierliche Frau mit einem unverwüstlichen Gemüt. Seit drei Jahren arbeitet sie für die Caritas in Essen, sie ist zuständig für die Beratungsstelle "Nachtfalter". Oft ist sie auf den Straßenstrichen in Essen und der Umgebung unterwegs, manchmal allein. Es kommt vor, dass auch sie von Freiern angesprochen wird. "80 Prozent der Prostituierten in Deutschland kommen aus Rumänien und Bulgarien", schätzt Wöhrle. "Und viele davon sind von Menschenhandel betroffen." Gäbe es in Deutschland tatsächlich nur 173 Straftaten im Jahr, 173 Menschenhändler und ebenso viele Opfer, dann würde ihr Verein fast jedes zweite dieser Opfer betreuen. Frauen, die wie Alina nach Deutschland, Italien oder Frankreich kamen, weil sie glaubten, als Au-pair oder als Bardame ein besseres Leben beginnen zu können.

Auch Yamina dachte, sie würde in Europa als Verkäuferin arbeiten. Bis sie mit ihrer Zuhälterin in Düsseldorf einkaufen ging. Wie selbstverständlich legte die Frau dem Mädchen Reizwäsche in den Einkaufskorb. Als Yamina einwandte, dass sie die Slips und Büstenhalter nicht brauchte, war von der "großen Schwester" nichts mehr zu spüren: "Sie war sehr böse und hat mich noch im Geschäft gefragt, ob ich mir nicht denken könne, wofür ich hier sei?"

Yamina hält inne, wenn sie sich daran erinnert. Was sie nun noch preisgibt, wird von einem lauten, nervösen Klackern des Schlüsselbundes zwischen ihren Fingern übertönt. Sie ist kaum noch zu verstehen, als sie erzählt, wie die Zuhälterin sie in das Eroscenter in der Mevissenstraße nach Krefeld brachte.

Dort lernte ein schwarzes Mädchen Yamina an, wie sie sich schminken und was sie sagen soll. Und dass sie drei Finger heben müsse, um vom Freier die 30 Euro abzukassieren. Yamina aber weigerte sich. Tagelang konnte sie die 130 Euro Miete fürs Zimmer nicht bezahlen, es gab Ärger. Die Türsteher wollten "keine Geschichten hören", sagt sie. "Sie kommen jeden Abend, halten die Hand auf und sagen: 'Gib Geld'." Fünf Tage lang verdiente die Nigerianerin viel zu wenig, dann hatten es die Aufseher satt. Die Zuhälterin musste ihr Opfer abholen.

Und sie rächte sich. Tagsüber wurde Yamina in den Kofferraum eines Kombis eingesperrt. Die Zuhälterin hatte einen Helfer, der das Mädchen bewachte. "Er musste sie anrufen, bevor er mir etwas zu essen geben durfte", sagt Yamina. Oft durfte er nicht. "Sie hat mir gedroht, dass sie mich nach Italien an eine Madame verkauft, die ihre Mädchen verprügelt." Nach drei Wochen war ihr Widerstand gebrochen. Yamina wehrte sich nicht mehr, zurück ins Eroscenter zu gehen. Sie bekam Alkohol von den anderen Frauen, um Geist und Körper zu betäuben. Um das über sich ergehen zu lassen, was die Kunden sonst offenbar nirgends ausleben können.

Yamina weint. Ihre Betreuerin nimmt sie in den Arm. Eine Psychotherapie hat das Mädchen bis heute abgelehnt. Und auch jetzt redet sie nur, weil sie warnen und Mut machen möchte: anderen Mädchen, die aussteigen und sich an die Polizei wenden sollten. "Verdrängung ist ihr zentraler Kompensationsmechanismus", steht in einem Gutachten, das eine Psychologin im Kinderheim erstellte.

Und das ist wohl auch gut so. Ein anderes nigerianisches Mädchen, das wenig später im Eroscenter aufgegriffen wurde, hat inzwischen drei Selbstmordversuche hinter sich - einen, nachdem es bei der Polizei ausgesagt hatte. Die junge Frau lebt mit 19 Jahren immer noch im Heim, ihre Psyche ist zerrüttet. Über zwei Jahre lang hatte sie sich für ihre Zuhälterin in verschiedenen Etablissements prostituieren müssen.

Das Geschäft nimmt den schnellen Verschleiß der Frauen in Kauf. [Das ist ein intrinsisches Problem der Prostitution, so wie vieler Bühnenkünste, wo Jugendlichkeit vermarket wird. Anm.] Mussten früher die Zuhälter noch darauf achten, dass ihre Prostituierten, ihr Humankapital, möglichst lange durchhielten, so spielt das seit der Osterweiterung der EU kaum noch eine Rolle. Der Nachschub ist schier unerschöpflich, trotz großer Nachfrage. [Preis und letztlich Menschenwürde sind marktabhängig im entfesselten Kapitalismus. Anm.] Für die Bordelle sei es wichtig, häufig neue Damen anzubieten, sagt Sozialarbeiterin Wöhrle, "Freier wollen Frischfleisch". Und sie kriegen es. Es ist schon fast eine Art Wanderzirkus, bei dem die Zuhälter sehr genau wissen, in welchem Bordell sie ihre Mädchen unterbringen können [Vgl. den Wanderzirkus von Schaustellern und Unterhaltungskünstlern. Anm.]. So warb etwa das Eroscenter in Krefeld auf seiner Homepage kürzlich "mit unseren vielen Girls aus aller Welt", mit "Kiara" und "Gabriella", die angeblich aus Brasilien zurück sind. Zu vermuten ist, dass Kiara und Gabriella ein paar Wochen lang in einem anderen Etablissement gearbeitet haben - möglicherweise unter anderem Namen. Aber das passt nicht zum Bild, das die Bordellbetreiber gerne von sich zeichnen. "Das sich im Industriegebiet Krefeld befindende Bordell ist mehr ein familiär geführtes Haus", heißt es auf der Internetseite des Eroscenters. "Wir bieten unseren Damen ein angenehmes Arbeitsklima."

Welche Mädchen in diesen offiziellen Laufhäusern nun Opfer von Zwangsprostitution sind oder nicht, das weiß möglicherweise nicht einmal der Bordellbetreiber. Oder besser gesagt: Er will es gar nicht wissen. [So wie wir Konsumenten oftmals nicht wissen wollen, ob unser T-shirt im Sweatshop mit Kinderarbeit im Entwicklungsland produziert wurde. Anm.] So ist beispielsweise das Eroscenter offiziell gar kein Bordell, sondern eine gewerbliche Zimmervermietung mit Sitz in Frankfurt am Main. Die Türsteher lassen sich von den Mädchen oder deren Zuhältern die Pässe zeigen und berufen sich darauf, dass sie ja nicht wissen konnten, dass die Papiere gefälscht seien. Nachfrage bei der WVB Wohnheim Verwaltungs- und Betreuungsgesellschaft, der Betreibergesellschaft des Eroscenters mit Sitz in Frankfurt am Main: Die Geschäftsführerin war nicht ans Telefon zu bekommen, sondern ließ lediglich über eine Telefonaushilfe ausrichten, dass es keine Vorfälle mit minderjährigen Mädchen in ihrem Betrieb gegeben habe.

Derartige Zustände sind nur möglich, weil in Deutschland jede Eckkneipe besser kontrolliert wird als ein Bordell, für dessen Betrieb es immer noch keine genauen Rechtsvorschriften gibt. Die Politik hat sich allzu lange nicht darum gekümmert. "Dieser Zustand ist unhaltbar", sagt etwa Hartfrid Wolff, der Innen- und Rechtsexperte der FDP. Er sitzt in seinem Abgeordnetenbüro gegenüber dem Reichstag. Die Realität hat er zuletzt erst wieder in seinem Wahlkreis Waiblingen bei Stuttgart kennengelernt. Dort hat ein Flatrate-Bordell eröffnet. Die Männer zahlen einmal, dürfen dafür so lange und so oft sie wollen und können. Wolff findet das menschenverachtend. "Wir müssen die Betriebsstätten der Prostitution stärker und möglichst bundesweit regulieren." Er fordert zudem ein Verbot von Flatrate-Bordellen. Er verlangt eine Zuverlässigkeitsprüfung der Bordellbetreiber und eine Buchhaltungsprüfung. "Das sollte Pflicht sein", sagt Wolff. Es mag anachronistisch anmuten, dass es ein Liberaler ist, der eine lange Zeit der Tatenlosigkeit beenden will und sagt, der Umgang mit Prostitution und Menschenhandel sei viel zu liberal. "Hier", sagt Wolff, "ist der Staat in der Pflicht."

Dabei sagt der Politiker nur, was Fachleute seit vielen Jahren fordern. Männer wie der Münchner Kriminalhauptkommissar Uwe Dörnhöfer, spezialisiert auf Prostitutionskriminalität. "Es gibt gesellschaftlich eine Tendenz, Prostitution als einen Teilbereich von Wellness anzusehen." Dazu passt, dass laut Augenzeugen im Saarland ein amtierender Bürgermeister bei einer Bordelleröffnung dabei gewesen sein soll [Soll das heißen es soll kein Informationsrecht mehr geben?].

Dabei wäre es durchaus möglich, mehr Mädchen aus den Fängen von Menschenhändlern und Zuhältern zu befreien. Kaum eine Razzia im Bordell vergeht, ohne dass Uwe van Rieth und Ludwig Rust von der Krefelder Polizei eine Frau mit auf die Wache nehmen.

Es ist ein kühler Abend im Oktober, kurz vor 20 Uhr, als van Rieth, ein Kollege und eine Praktikantin mit ihrem Van auf dem Parkplatz vorm Eingang des Eroscenters parken. Sie kennen sich aus. Hauseingang, hinunter in den Keller; dorthin, wo van Rieth vor gut zwei Jahren Yamina rausgeholt hat. Die Damen hier sind nach Herkunft auf die Etagen verteilt: asiatisch, europäisch, südamerikanisch. Die Afrikanerinnen leben und arbeiten im Keller.

Auf dem Gang ist es warm und feucht wie in einem Badezimmer nach dem Duschen. Die Zimmer, die vom Korridor abgehen, sind jeweils etwa zehn bis zwölf Quadratmeter groß. Das rote Licht ist so schummrig, dass die Polizisten Taschenlampen brauchen. Über den Zimmertüren hängen rote Glühbirnen: Leuchten sie, ist es das Signal, dass ein Freier im Zimmer ist. Als van Rieth und seine Kollegen in den Keller kommen, leuchtet kein rotes Licht. Vor den Zimmern Nummer 14 und 17, am Kopfende des Korridors, sitzen zwei schwarze Frauen in Reizwäsche.

"Polizei - Police!", ruft van Rieth. Die Frauen blicken panisch, stammeln in schlechtem Englisch.

"I just came here. I don't know, I don't know", sagt eine Frau in Tigerdessous und Badeschlappen, sie nennt sich Oghale.

"Where do you come from?"

"Novara, Italy. Small town."

"Why did you come to Germany? "

"Studies!"

[Fall4] Oghale legt drei Dokumente auf ein Bett, das nicht einmal eine Decke hat: einen nigerianischen Pass, eine italienische ID-Card und eine italienische Aufenthaltsgenehmigung. Sie ist 28 Jahre alt, vielleicht. Sie hat keine Arbeitserlaubnis in Deutschland. "You come with us", sagt van Rieth. Sie solle ihre Sachen zusammenpacken, denn wahrscheinlich werde sie nicht zurückkommen.

Es dauert sieben Minuten, weniger Zeit als für einen Freier, bis Oghale ihr gesamtes Hab und Gut in einem kleinen Rollkoffer verstaut hat: Deo, Shampoo, Creme, ein Schokoriegel und ein paar Kleidungsstücke, vor allem Reizwäsche [Arbeitskleidung]. Der große Röhrenfernseher, auf dem "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" im Schneegestöber läuft, gehört zum Inventar dieses Zimmers, für das auch sie 130 Euro Miete pro 24 Stunden zahlt. Für ein Bett mit Kissen, einen Nachttisch und einen Schrank, in dem noch ein Teller mit Reis steht. Oghale greift hastig ein paar 10- und 20-Euro-Scheine aus ihrem Schrank und stopft sie in ihren Koffer. Auch die Frau aus Zimmer 14 muss mitkommen. Vorm Ausgang des Bordells warten drei Türsteher.

Rieth ist einsfünfundachtzig groß und durchtrainiert. Aber er sieht geradezu schmächtig aus im Vergleich zu dem Mann, der sich vor ihm aufbaut und ihn um einen Kopf überragt.

"Hat sie Geld dabei?", fragt der Riese.

"Money, money? Sie hat noch Mietschulden. Können wir das noch eben abrechnen? Ich schreibe auch eine Quittung." Oghale schweigt, blickt unsicher zu den Kommissaren. "Ich werde sie jetzt bestimmt nicht durchsuchen", sagt van Rieth kühl und geht weiter.

Zwei afrikanische Frauen, zwei Festnahmen. Eine Trefferquote von hundert Prozent. Aber Kontrollen sind eher die Ausnahme als die Regel, in Krefeld wie anderswo. Acht Monate sind seit van Rieths letzter Razzia im Eroscenter im Februar dieses Jahres vergangen.

Polizeiwache Krefeld, siebter Stock, dort hat van Rieth sein Büro. "Unsere Hauptaufgabe ist die Verfolgung von sexuellen Missbrauch und Vergewaltigung. Das Rotlichtmilieu machen wir praktisch nebenher." Seit 16 Jahren schon, und seit sechs Jahren mit dem Kollegen Rust. Zwei Beamte, die im Rotlichtmilieu ab und an kontrollieren, das ist immer noch mehr als in vielen anderen Dienststellen. Der Kommissar holt Kaffee, der Abend kann noch lang werden. In seinem Büro wartet Oghale auf ihr Verhör. Van Rieth, ein Mittvierziger mit blondem Haarkranz und Schnäuzer, ein nüchterner Mann, bietet ihr einen Kaffee an. Oghale lehnt ab. Mühsame zwei Stunden liegen vor ihnen. Der Polizist versucht der Prostituierten klarzumachen, dass er auf ihrer Seite steht, dass sie ihm vertrauen kann [Was für ein verzweifelter einseitiger naiver Versuch, wo doch die Menschenhandelsgesetze, evt. die tatsächliche Lage und vielfach auch die persönlichen Interessen und Motive und auch Lebenserfahrungen in den Herkunftsländer der Migranten dem fundamental entgegen stehen. Anm.]. "Wir können Ihnen nur helfen, wenn Sie mit uns reden." Sie sieht ihn nur verständnislos an [Die Menschenhandelsgesetzgebung will doch nur Opferzeugenausssagen mit dem Zweck der Täterergreifung. Es geht doch nur zweitrangig um Opferschutz. Anm.]. Van Rieth steckt in einem Dilemma: Einerseits muss er ahnden, dass sich Oghale in Deutschland illegal aufhält, andererseits kann er ihr aber helfen, wenn sie ihm vertraut und erzählt, wer ihre Hinterleute sind. Denn sagt sie gegen ihre Zuhälter aus, hat sie gute Chancen, erst einmal in Deutschland zu bleiben. Nach zwei Stunden soll Oghale, die im Laufe der Jahre mit vielen Pässen unterwegs war, ihre Aussage unterschreiben. "Mit welchem Namen denn?", fragt sie.

Es ist 23.20 Uhr, für van Rieth endet ein 15-Stunden-Tag. Dabei war der Besuch an der Mevissenstraße eine vergleichsweise einfache Aufgabe. Denn Bordelle wie das Eroscenter, das einzig verbliebene Laufhaus in Krefeld, sind leicht zu kontrollieren. Es gibt eine offizielle Adresse, ein angemeldetes Gewerbe und die Türsteher sind durchaus kooperationsbereit. "Das ist keine Pädophilen-Klientel, die da hingeht", sagt van Rieth. Minderjährige Mädchen wie Yamina seien dort eher die Ausnahme. Was ihn sorgt, sind ganz andere Orte. Etablissements in privaten Wohnungen, dort, wo vielleicht organisiert Kinder angeboten würden. Irgendwo auf dem Land. "Dort", sagt van Rieth, "kommen wir gar nicht hin."

Wie es besser laufen könnte in Deutschland, das zeigt das Beispiel München. Die bayerische Landeshauptstadt ist vorbildlich, zumindest was die Erfassung und Kontrolle von Prostitution betrifft. [Sexworker sehen den Registrierungszwang ganz anders.] Die personelle Ausstattung ist mit 20 Mitarbeitern im Kriminalkommissariat im Vergleich spitze: acht Beamte für die Kontrolle, zwölf ermitteln bei Verstößen. Alle Prostituierten müssen sich bei der Polizei melden, bevor sie ihre Arbeit in der Stadt aufnehmen. Sie werden wie ihre Zuhälter in der Datei "Prost/Zu" - kurz für Prostitution/Zuhälterei - erfasst, mit persönlichen Merkmalen bis hin zum Tattoo. Der Datenschützer war einverstanden.

Entsprechend gut ist das Datenmaterial, über das die Münchner verfügen: Im vergangenen Jahr hat die Polizei in der Großstadt 2500 Prostituierte registriert, von denen im Schnitt 650 [26%] im Einsatz waren. Das ist eine Verdoppelung in nur zehn Jahren. Wäre die Situation in Deutschland überall wie in München, dann gäbe es rund 125 000 Prostituierte zwischen Flensburg und Passau. Das Bundeskriminalamt geht aber von 400 000 aus. Trotzdem erlauben die Münchner Zahlen ein paar Rückschlüsse auf die Situation im ganzen Land.

Nur jede vierte Prostituierte hat demnach einen deutschen Pass [25%]. Wenn eine der Frauen arbeitet, dann hat sie einen bis drei Freier am Tag, die im Schnitt rund 100 Euro zahlen. [so. da steht 30 Euro.] Das Gewerbe macht in München etwa 25 Millionen Euro Umsatz im Jahr, auf Deutschland hochgerechnet wären das etwas mehr als eine Milliarde. "Jeder Betreiber, der illegal Prostituierte beschäftigt, hat ein Problem", sagt Hauptkommissar Dörnhöfer selbstbewusst. "Er weiß ganz genau, dass wir am längeren Hebel sitzen." Bei Menschenhandel aber, da sitzt er am kürzeren Hebel. "Menschenhandel``, den können wir kaum unterbinden, diesem Phänomen stehen wir oft hilflos gegenüber. Denn auch uns sagt keine der Frauen von sich aus, dass sie zur Prostitution gezwungen wird. Die Angst ist zu groß."

In kaum einem Bereich der Kriminalität ist die Strafverfolgung so schwierig. "Wenn wir ein Mädchen aus einem Bordell herausholen, dann haben wir Wochen, manchmal Monate Arbeit vor uns", sagt Kommissar van Rieth von der Kripo Krefeld. Selten ist der Fall so eindeutig wie bei Oghale, die wegen fehlender Papiere und Aussagebereitschaft, aber vorhandener italienischer ID sehr schnell nach Italien ausgewiesen wurde. [Also konnte sie mit Recht nicht in die Deutsche Polizei und Justiz vertrauen, wenn sie denn in Deutschland bleiben wollte. Anm.] Meist ist es viel komplizierter, wie bei Yamina.

Van Rieth kann sich noch gut daran erinnern, wie er Yamina eines Abends im Eroscenter vorfand. Er hatte keinen Zweifel, dass sie minderjährig war. Und als er sie nach ein paar Tagen im Kinderheim besuchte, "war sie gar nicht mehr von der Schaukel herunterzukriegen".

Auf van Rieths Schreibtisch liegt ein Aktenordner, gut zehn Zentimeter dick: der Fall Yamina. Vernehmungsprotokolle, Korrespondenz mit Behörden und Betreuern. Van Rieth kennt all die Gesichter zu diesen Namen: Yaminas Vormund beim Jugendamt, die Opferanwälte, die Leiter und Betreuer der Mädchenheime, mit vielen duzt er sich. Es ist ein gut funktionierendes Netzwerk entstanden [Helfer- und Anti-Menschenhandels-Industrie], ein Glück für Mädchen wie Yamina.

Derjenige, der alles koordiniert, ist der sorgeberechtigte Amtsvormund: In Yaminas Fall ist das Simone Hartung (Name geändert), eine Frau, die trotz mehr als 70 weiterer Mündel unermüdlich für das Mädchen kämpft. Viele Gespräche haben die beiden miteinander geführt, unzählige Stunden miteinander verbracht. Hartung ist neben Yaminas Heimbetreuerin die engste Vertrauensperson. Sie hat Yamina beim Gang in einige Mädcheneinrichtungen begleitet, zu Ärzten, Anwälten, zur Polizei.

Ein solches Netzwerk bedeutet aber auch: hohe Kosten. Die Unterbringung in einem Mädchenheim in Deutschlands größeren Städten kostet zwischen 110 und 160 Euro am Tag. [Also so teuer wie ein Arbeitsplatz/Zimmer im Eros Center.] Hinzu kommen Arztbesuche, Klinikaufenthalte und Anwaltsrechnungen. Da kommen schnell 5.000 Euro im Monat zusammen. Für die Folgen der Zwangsprostitution kommen die Steuerzahler auf, den Gewinn streichen Schleuser, Zuhälter und Bordellbesitzer ein [Allgemeines ökonomisches privatwirtschaftliches Prinzip: Kosten sozialisieren, Gewinne privatisieren.]. Laut einer Studie im Auftrag des niederländischen Justizministeriums aus dem Jahr 2003 verdient ein Zuhälter an einer einzigen Sexsklavin im Durchschnitt 250 000 Dollar.

So viel Profit macht skrupellos. [Vgl. die Gier-Diskussion bei den mit Boni und Aktienbeteiligungen gutbezahlten Bankern und Managern.] Kurz nach der Jahrtausendwende hat van Rieth schon einmal eine 14-jährige Nigerianerin aus dem Eroscenter geholt. Das Mädchen kam ins Asylantenheim. Ein schlimmer Fehler: Sie wurde gekidnappt, kurzfristig in Belgien untergebracht und dann bei einer Razzia in Duisburg wieder aufgegriffen.

Entsprechend groß waren die Vorsichtsmaßnahmen, als van Rieth und Rust Yamina erst einmal im Präsidium hatten. Eine Nacht blieb sie in Polizeigewahrsam. Anschließend ging es in eines der Mädchenheime in der Region, nur ein kleiner Kreis von Beteiligten wusste, in welches. Es dauerte lange, bis Yamina Vertrauen gewann. Wie fast alle Opfer von Menschenhandel sagte sie erst einmal nicht die Wahrheit. "Normalerweise erzählen die Frauen uns, dass sie aus irgendeinem Bürgerkriegsland kommen, dann müssen sie nicht fürchten, sofort abgeschoben zu werden", sagt van Rieth. Auch sonst gleichen sich die Geschichten: "Da gibt es immer irgendeinen weißen Mann, der sie mit dem Schiff nach Europa gebracht hat [Retter, Fluchthelfer, Shugar Daddy, Freier, Liebeskasper?]. Hier in Deutschland verlieren sie dann ihre Pässe in der Telefonzelle. Die Mädchen verlieren und finden ständig Pässe. Spätestens dann wissen wir, dass sie lügen." [Die harten Überlebensstrategien der undokumentierten/informellen Migranten.]

So auch Yamina: Sie sei von einem weißen Mann abgeholt worden und mit dem Schiff nach Deutschland gekommen. Dann sei sie erst in einen großen Bus gestiegen, später dann in einen kleinen Bus, der sie nach Krefeld ins Eroscenter gebracht habe. Die Hauptkommissare van Rieth und Rust verzweifelten. Monate vergingen, ohne dass sie die entscheidenden Details bekamen, um die Zuhälterin festnehmen zu können. Das passierte erst, als nach einem halben Jahr ein Nigerianer im Auftrag der Polizei zu ihr ins Mädchenheim kam, offiziell ein Dolmetscher. "Er hat geschafft, was uns allen nicht gelungen ist", sagt van Rieth. "Er hat ihr wirklich klarmachen können, worum es geht." Fortan erzählte Yamina den Polizisten Details über Details: den Vornamen der Zuhälterin, Einzelheiten zur Einreise, ihre Aufenthaltsorte, sogar die Farbe einer Hauseingangstür. Stundenlang fuhr die Polizei mit ihr durch Düsseldorf, bis Yamina einen ihrer vorübergehenden Wohnorte erkannte. "Es war beeindruckend, was das Mädchen alles im Kopf behalten hatte" [informelle Kulturkompetenz der Clandestinas] , sagt van Rieth.

Die Ermittlungen kamen in Gang. Wochenlang wurde die Frau observiert, telefonisch abgehört. Dann der Zugriff. Van Rieth koordinierte den Einsatz an vier Orten von der Zentrale in Krefeld aus. "Wir konnten uns sehr sicher sein, wo die Madame sich aufhält", sagt der Kommissar. Und so gelang der Ermittlungskommission, was sonst sehr selten ist: Eine Menschenhändlerin wurde gefasst. Fast ein Jahr nachdem die Krefelder Polizei Yamina aus ihrem Martyrium im Eroscenter befreit hatte.

Doch was nun folgte, steht beispielhaft für die Kapitulation des deutschen Rechtswesens vor den Tätern. Die Gründe dafür, warum so wenige Frauen, die in die Hände von Menschenhändlern geraten sind, Schutz beim Staat suchen, sind wohl auch bei den deutschen Behörden zu suchen.

Schöffengericht Krefeld, der Prozess. Yamina hat sich entschieden, nicht zu kommen. Sie will nicht aussagen, nicht noch einmal all die Details. Und sie will ihrer Zuhälterin nicht noch einmal begegnen, Naomi Achebe. Überhaupt gibt es wenige Menschen, die gehört werden sollen. Ein Verhandlungstag ist angesetzt, nicht einmal den nutzt das Gericht aus. Am frühen Nachmittag verurteilt der Richter die Angeklagte rechtskräftig "wegen gewerbsmäßigen Menschenhandels zum Zwecke sexueller Ausbeutung" sowie "Zuhälterei". Doch dann passiert das schwer Begreifbare: Achebe, eine 45-jährige Frau, die mindestens ein Mädchen nach Europa gelockt, ins Bordell geschleust, ausgebeutet und möglicherweise dessen Leben zerstört hat, verlässt den Saal als freier Mensch. Die Gefängnisstrafe ist für zwei Jahre auf Bewährung ausgesetzt. Hinzu kommt ein Schmerzensgeld im höheren vierstelligen Bereich.

So läuft es meistens. Es gibt nur wenige Verfahren und die enden oft mit Bewährungsstrafen. Im vergangenen Jahr kamen drei Männer und eine Frau vor dem Landgericht Gießen mit Strafen von ein bis zwei Jahren auf Bewährung davon, nachdem sie eine junge Rumänin ausgebeutet und in verschiedenen Bordellen und Wohnungen in Reiskirchen und Offenbach zur Prostitution gezwungen hatten. Und erst im Oktober kam in Bonn eine 30-jährige Menschenhändlerin nach nur einem Verhandlungstag auf Bewährung frei, obwohl das Gericht sie wegen Zuhälterei, Menschenhandels und räuberischer Erpressung für schuldig befunden hatte.

Wie gut die bestehenden Gesetze sind, ist eine Sache. Die andere aber ist, wie konsequent die Gerichte sie anwenden. So drohen laut Strafgesetzbuch bei einer Verurteilung wegen Menschenhandels bis zu zehn Jahre Haft.

Dass es die für Yaminas Zuhälterin nicht geben würde, war schon klar, bevor der Prozess begann. Die Staatsanwaltschaft brachte den Fall nicht vor die Strafkammer des Landgerichts, sondern nur vors Schöffengericht [wovon hängt das ab???], das nicht mehr als vier Jahre verhängen darf. "Das ist eine geständige Täterin, die erstmals auffällig geworden ist. Da sind Bewährungsstrafen üblich", sagt Oberstaatsanwalt Hans-Dieter Menden knapp. "Diese Strafe ist angemessen für das, was sie getan hat." Viel mehr sagt er nicht, das Gespräch ist schnell beendet.

Die entscheidenden Fragen beantwortet Menden nicht. War Yaminas Zuhälterin Naomi Achebe wirklich so geständig, wie sie hätte sein können? Hat sie dem Gericht bei der Aufklärung des Falls so sehr geholfen, dass eine milde Strafe gerechtfertigt ist? Oder war es nicht so, dass sie immer nur das zugegeben hat, was nicht mehr zu leugnen war?

Eines jedenfalls zeigt dieser Fall: Die Spielräume, die die Strafverfolger haben, um die Strafe zu senken, sind groß. Die Täterin hat genug gestanden, um dem Opfer eine Aussage vor Gericht zu ersparen. Dafür wurde sie mit einem milden Urteil belohnt. Oft geht es in diesen Fällen nicht mehr darum, ob eine Strafe angesichts des Verbrechens gerecht erscheint. Sondern es geht darum, was das kleinere Übel ist. Das ist die Entscheidung, vor der auch die Anwälte der Opfer jedes Mal aufs Neue stehen.

"Wenn mir ein Mädchen sagt, dass es auf keinen Fall das alles vor Gericht noch einmal durchmachen will, dann hat das für mich absolute Priorität", sagt Yaminas Anwältin Katrin Keller. Sie hat sich darauf spezialisiert, Opfer sexuellen Missbrauchs zu vertreten. Sie sagt: "Für ein umfassendes Geständnis sind wir auch bereit, bei unserer Strafforderung große Abstriche zu machen." Außerdem, auch das ist ihr wichtig, bekomme Yamina nun Schmerzensgeld. "Davon hat sie wirklich etwas. Das geht jetzt jeden Monat auf ihrem Konto ein." Nach Lage der Dinge kann es also im Sinne des Opfers sein, dass der Täter nicht die härteste Strafe bekommt. Aber das erklärt nicht, warum die Staatsanwaltschaft diesen vergleichsweise gut dokumentierten Fall nicht genutzt hat, mehr über die Hintermänner und -frauen Achebes zu erfahren. Und warum hat das Gericht kein Exempel statuiert, um Menschenhändler abzuschrecken?

"Das sind alles berechtigte Fragen", sagt der zuständige Richter Jochen Grefen, bei dem in Krefeld die meisten Missbrauchsfälle landen. Fragen, deren Beantwortung in der Eile des Prozesses ausblieb. Für dieses Gespräch aber hat sich Grefen Zeit genommen. Auch er argumentiert, dass Achebe Klartext gesprochen und Yamina damit den schweren Gang in den Gerichtssaal erspart habe. Man merkt aber, dass er sich die Sache nicht leicht macht. Wie kann man den Opfern gerecht werden? "Da findet erst allmählich ein Umdenkensprozess statt", sagt Grefen. Was er nicht mitbekommt: Für manche Opfer fangen die wahren Demütigungen erst an, wenn die Richter Recht gesprochen haben. Wenn es um Opferrenten geht oder um die für die Opfer meist noch viel wichtigere Frage: Darf ich in Deutschland bleiben - oder werde ich abgeschoben?

Yaminas Jugendamtsbetreuerin hat für ihr Mündel eine Opferrente beim Landschaftsverband Rheinland beantragt. Der Antrag wurde zweimal abgelehnt. Der Sachbearbeiter argumentiert, dass Yamina, die in den acht Wochen schätzungsweise 150 bis 200 Freier bedienen musste, beleidigt und bespuckt wurde und sogar ungeschützten Geschlechtsverkehr über sich ergehen lassen musste, sich "ohne jegliche Gewaltanwendung" prostituiert habe. Sie hätte das Eroscenter verlassen können und habe es nur deshalb nicht getan, "weil sie nicht wusste, wohin sie sich wenden sollte". Und ein Opfer sexuellen Missbrauchs? Sei Yamina auch nicht. "Sie waren zum Zeitpunkt des Aufenthaltes im Eroscenter mit 15 Jahren zwar noch sehr jung", heißt es in dem Bescheid, der dieser Zeitung vorliegt. "Ihnen war aber bewusst, welche Tätigkeiten Sie dort verrichten." Und er widerspricht dem Urteil des Krefelder Gerichts - es hatte Yamina bescheinigt, sie habe nicht die Möglichkeit gehabt, sich den "Vorgaben und den Weisungen der Angeklagten zu entziehen". Der Landschaftsverband sieht das offenbar anders: "Ein gewalttätiger Zwang, im Eroscenter zu wohnen, wurde auf Sie nicht ausgeübt." Ergo: kein Geld für Yamina.

Gabriele von Berg, die zuständige Abteilungsleiterin [Landschaftsverband Rheinland], gibt zu, dass die Formulierungen "sehr unglücklich" seien. Sie könne sich gut an den Fall erinnern, und der Sachbearbeiter habe es sich nicht leicht gemacht. "Wir haben nicht zum Ziel, eine Opferrente möglichst abzulehnen", sagt sie. "Wir haben es in diesem Fall sogar gut gemeint." Sie verteidigt die Ablehnung. Sie schließt aber nicht aus, den Fall noch mal zu prüfen. Es sei nicht ganz einfach, das alles nachzuvollziehen. Das Problem seien die Gesetze.

Diese Klage immerhin leuchtet ein. So kommt im Opferentschädigungsgesetz aus dem Jahr 1976 der Begriff "Menschenhandel" gar nicht vor. Dieses Phänomen ist genauso wenig abgedeckt wie Stalking oder psychische Gewalt. Es muss vielmehr einen tätlichen Angriff unmittelbar auf den Körper eines Menschen gegeben haben. Mit anderen Worten heißt das: Wird ein Mädchen über Jahre hinweg unter Druck gesetzt und zur Prostitution gezwungen, hat es keinen Anspruch auf eine Opferrente. Wird es hingegen ein einziges Mal geschlagen und dabei dauerhaft körperlich verletzt, dann hat es einen Anspruch. "Wir fordern seit Langem, dass das geändert wird", sagt von Berg.

Noch aber gibt es kein neues Opferschutzgesetz, obwohl das alte offenkundig nicht mehr taugt. Die Zuhälter zwingen immer neue Mädchen und Frauen, für sie anzuschaffen. Kommissar van Rieth führt wegen der Personalnot immer noch zu wenige Kontrollen durch und sagt: "Die Mädchen sind da draußen, wir müssen sie nur suchen." Ein paar Politiker wie der FDP-Abgeordnete Wolff fordern die Regierung auf, endlich zu handeln, obwohl er weiß, dass dieses Thema in den Chefetagen des Berliner Politikbetriebs nicht das wichtigste ist. "Opfer von Menschenhandel", sagt Wolff, "müssen in den Genuss eines Zeugenschutzprogramms und eines langfristig gesicherten Aufenthalts kommen. Wir wollen ihnen einen Neuanfang in Deutschland ermöglichen."

Yamina kann inzwischen hoffen. Bald wird sie 18 Jahre alt. "Ich will den Führerschein machen und Köchin werden", sagt sie. Ein Praktikum in der Küche eines Altenheims hat sie bereits. Sie will bleiben. Sie hat einen Asylantrag gestellt. [Sie hat damit tortz allen Leids ihr Migratonsziel letztlich doch erreicht und das werden wohl auch alle Bekannten im Herkunftsland erfahren, die möglicherweise ähnliches versuchen werden... Anm.] Aus Erfahrung erwartete ihre Betreuerin Hartung eine lange, harte Verhandlung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Bielefeld, bei der Yamina alle Details noch einmal hätte erzählen müssen. Dass sie in ein Land kam, das sie nicht kannte. Dass sie lange Wochen in Gefangenschaft [muß das nicht in Anführungszeichen schreiben, tatsächlich im Wortsinne gefangen war sie nur im Kofferraum… oder ist die Festnahme bei der Polizei gemeint?] und einem Bordell verbracht hat. Dass sie vor der Polizei ausgesagt hat. Und dass sie die Sprache gelernt und einen Schulabschluss gemacht hat. Anfang vergangener Woche aber hat das Amt signalisiert, auf eine längere Verhandlung verzichten und Yamina Asyl geben zu wollen. Zu eindeutig sei die Aktenlage.

Es ist eine Chance für ein Mädchen, das nie eine bekommen hat.
Siehe auch weiter oben meine Kommentierung zu dieser Fallgeschichte und Prozessberichterstattung über Nigerianische Madams und Voodoo-Zauber aus Bonn:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=88954#88954





p.s.
dieser einseitige und daher höchst fragwürdige Artikel ist die Begleitmusik zu dieser EU Initiative
der Kommission unter Innen-Kommissarin Cecilia Malmström:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=91153#91153

So wird die Öffentlichkeit vorbereitet, manipuliert oder weichgeklopft...
[Sex and Crime-Schockdoktrin.]

Hier der zum Welt-Artikel gleichnamige Tatort Krimi von 2012
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=127272#127272
Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 09.12.2012, 23:22, insgesamt 3-mal geändert.

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27jähriger Heiratsschwindler in Indien

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Ehe und Prostitution sind Konnexinstitute!


Bild


27jähriger Trick-Betrüger und Heiratsschwindler in Indien:

Mann hat in 5 Jahren 60 Frauen betrogen indem er sie geheiratet hat, aber dann an Bordelle verkauft hat.


Prostitution By Marrying Them

When Marriage Becomes A Conduit To Traffic Unsuspecting Women For Prostitution

An Indian man came up with a plan to supply prostitutes to brothels – he simply marries girls and then sells them into prostitution. By doing so, the man has turned marriage into a conduit to supply women for prostitution. By the time he was exposed and caught, he had already duped 60 unsuspecting women into marrying him, and becoming prostitutes thereafter over a 5-year period.

His Modus Operandi

27-year old Vikky Biswarkarma has a simple plan of action. But first he needed to have some status in order to attract unsuspecting women. So Vikky Biswarkarma concocted a story about himself. Vickky Biswarkarma would tell his victims that he was a soldier in the Indian military. In fact Vickky Biswarkarma would give the impression that he is a highly paid soldier.

Next he would pretend to be on holiday and he would tell people that he wanted to get married before returning to work. Often he would get introductions to his victims. A wedding would be hastily arranged, and he would take his new bride back to his “military base.” That would be the last time anyone in the village would see the poor girl. After Vikky Biswarkarma sold off his new wife to a brothel, he would repeat the modus operandi again, moving from village to village so avoid being recognized by relatives of earlier victims.

It is said that Vikky Biswarkarma duped 60 women into being his wives over a 5-year period. Debendra Prasad Singh, district police chief in the eastern state of West Bengal where Vikky Biswarkarma operates, said: “He used to pose as an army man who had come home on holiday and wanted to get married before returning to work. He used to change bases frequently to lure girls from poor families in tea gardens and villages.”

Arrested

West Bengal police arrested Vikky Biswarkarma after receiving a tip off from a non-government organization about his alleged crimes. Police have now charged Vikky Biswarkarma with several offenses, including human trafficking.

But for the victims, the arrest of Vikky Biswarkarma may have come too late. So far, only 9 out of his 60 victims have been traced. The whereabouts and fate of the other 51 victims remain unknown.

Think About It

Vikky Biswarkarma thought he struck gold with his scheme. In India it is customary for the bride’s parents to pay the groom a dowry. So Vikky Biswarkarma would have received dowries for all his 60 wives. He would also have received cash for selling these 60 wives to brothels. Police said that Vikky Biswarkarma sold his wives to brothels in Mumbai and Pune for 70,000-100,000 rupees ($1,500-$2,000) each. But this get-rich-quick scheme is nothing else but human trafficking for prostitution. But then again, how did Vikky Biswarkarma manage to fool so many people over a 5-year period? And why did the parents of the victims not smell a rat when arranging marriage for their daughters?

http://www.abigmessage.com/india-tricks ... -them.html


Mitgift ist in Indien heute offiziell ein Verbrechen:
http://en.wikipedia.org/wiki/Dowry#In_India
http://de.wikipedia.org/wiki/Mitgift

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Albanien-Luxemburg

Beitrag von nina777 »

30.11.2010

Frauen nach Luxemburg eingeschleust
Zuhälter müssen mehrere Jahre hinter Gitter

Angeklagte: Wir waren nur gut befreundet



Weil sie mehrere Frauen zur Prostitution gezwungen haben, müssen zwei albanische Zuhälter drei und vier Jahre ins Gefängnis. Das Gericht hatte sich von Telefonmitschnitten überzeugen lassen, die die Drohungen gegenüber den Prostituierten festhielten.

Die 37 und 39 Jahre alten Männer mit albanischer Staatsbürgerschaft sollen zwischen 2006 und 2009 mehrere Frauen illegal, zum Teil mit gefälschten Visa ins Großherzogtum gebracht und sie unter Drohungen zur Prostitution gezwungen haben.

"Enge Verbundenheit"

Gegenüber Polizei und auch vor Gericht hatten die beiden Beschuldigten stets sämtliche Vorwürfe abgestritten und erklärt, lediglich mit den Frauen befreundet gewesen zu sein. Ihr deutliches Interesse am Geschäft besagter Frauen sowie an deren Tageseinnahmen, das die Ermittler in zahlreichen Telefonmitschnitten dokumentiert hatten, hatten die Angeklagten ebenfalls auf ihre enge Verbundenheit mit den Frauen zurückgeführt.

Die Staatsanwaltschaft hatte aber an den Vorwürfen gegen die beiden Männer festgehalten und eine sechs- und eine fünfjährige Haftstrafe für beide Beschuldigten gefordert und argumentiert, die beiden hätten die Frauen regelrecht ausgenutzt. Denn da die Beschuldigten die Frauen illegal, manche sogar mit einem gefälschten Visum, in Luxemburg eingeschleust hatten, sahen sich diese keiner der hier geläufigen Sprachen mächtig und waren den Männern schutzlos ausgeliefert.

Zahlreiche Drohungen

Die Abhängigkeit der Frauen von den Angeklagten ließ sich dabei nicht nur anhand von zahlreichen auf Band festgehaltenen Drohungen feststellen, sondern wurde auch deutlich bei der Aussage einer 32-jährigen Frau am zweiten Verhandlungstag vor Gericht. Die sichtlich eingeschüchterte Zeugin hatte die von ihre praktizierte Prostitution ohne Umschweife zugegeben, aber jegliche geschäftliche Verbindung zu den Männern abgestritten und diese als „gute Freunde“ bezeichnet.

Auch nach der Urteilsverkündung erklärte einer der Beschuldigten recht erbost, überhaupt nichts mit der ganzen Angelegenheit zu tun zu haben, woraufhin ihm die vorsitzende Richterin Marie-Laure Meyer riet, binnen 40 Tagen von seinem Recht Gebrauch zu machen, Berufung gegen das Urteil einzulegen.

http://www.wort.lu/wort/web/letzebuerg/ ... gitter.php
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Beitrag von nina777 »

01.12.2010

Zuhälter-Prozess

Zehn Jahre und Verwahrung für Sadisten Sandor S.

ZÜRICH - Er tat Frauen Dinge an, die kaum vorstellbar sind.

Mit Milde konnte der sadistische Roma-Zuhälter deswegen nicht rechnen. Er kommt für zehn Jahre hinter Gitter und wird dann verwahrt.


Ende August beginnt in Zürich ein ekelerregender Prozess: Vor Gericht stehen der Zuhälter Sandor S.* (41) sowie seine Kollegen Antal R.* (30) (genannt der Kapitän), Jenö K* (41) (genannt Johnny) und Ferenc A. (40).

Die vier Männer taten «ihren» Prostituierten Unsägliches an. Und haben dafür heute die Quittung erhalten: Haupttäter Sandor S. muss für zehn Jahre ins Gefängnis. Danach wird er verwahrt.

Der Gerichtsvorsitzende sah beim mehrfach vorbestraften Hauptangeklagten aufgrund eines psychiatrischen Gutachtens eine sehr hohe Rückfallgefahr.

Die Staatsanwaltschaft hatte 16 Jahre Haft und anschliessende Verwahrung gefordert. Und die Verteidigung wollte mit ihrem Antrag von milden 12 Monaten bedingt durchkommen.

Das Urteil wurde auf Ungarisch übersetzt. Doch Sandor S. verzog dabei keine Miene.

Sandor S.* ist laut Staatsanwältin Silvia Steiner nicht nur ein Menschenhändler, der Frauen aus Ungarn mit falschen Versprechungen nach Zürich holte und sie hier praktisch versklavte. Sandor ist ist auch ein Sadist.

Prahlen mit Paprika

Er trat der schwangeren Prostituierten Eva so lange in den Bauch, bis sie ihr Ungeborenes verlor. Zwang sie dazu, sich eine scharfe Paprika in die Vagina zu stecken. Danach zog er sich ein Kondom über und zwang Eva, mit ihm zu schlafen, um die brennende Paprika noch tiefer zu schieben. Dann rief er seine Freunde an und prahlte mit seiner Tat.

Sandor rasierte Eva auch die Augenbrauen und versuchte sie zwischen den Beinen mit ätzendem Javel-Wasser verletzen. Wollte ihr Geschlecht mit einem gezackten Brotmesser aufschneiden. Er würgte, prügelte, trat die junge Frau. Einer anderen schwangeren Prostituierten trat er in den Bauch. Das sind nur einige Beispiele aus der Anklageschrift.

Zwei werden nach Ungarn ausgeschafft

Sandors Zuhälter-Kollegen hingegen kamen mit einem blauen Auge davon und erhielten Strafen, die deutlich unter den Anträgen der Staatsanwaltschaft lagen: Antal R. wurde zu sechs Jahren Gefängnis, Jenö K. zu zwei Jahren und vier Monaten Haft und Ferenc S. zu 18 Monaten bedingt verurteilt.

Jenö K. und Ferenc S. wurden aus der Haft entlassen. Sie haben ihre Strafe bereits in der Untersuchungshaft abgesessen und werden nach Ungarn ausgeschafft.

Der Verteidiger von Antal R. legte noch vor den Schranken des Gerichts Berufung ein.

Auch die Staatsanwaltschaft liebäugelt mit einem Weiterzug ans Obergericht gegen die Urteile für die drei Mitangeklagten.

http://www.blick.ch/news/schweiz/zueric ... r-s-161845

http://bazonline.ch/panorama/vermischte ... y/27344355
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Marc of Frankfurt
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Sadismus ist nicht gleich Zuhälterei!

Beitrag von Marc of Frankfurt »

> "Das Urteil wurde auf Ungarisch übersetzt."

Das finde ich mal eine angemessene Maßnahme, die dem internationalen Verhältnissen in Zeiten von Globalisierung und Migration erstmals entgegen kommt.





> "Sandor S. ist laut Staatsanwältin Silvia Steiner nicht nur ein Menschenhändler, der Frauen aus Ungarn mit falschen Versprechungen nach Zürich holte und sie hier praktisch versklavte. Sandor ist ist auch ein Sadist."

1. Silvia Steiner, das ist die Staatsanwältin, die den Nazi-Begriff Kapo gegen Frauen in der Sexarbeit eingeführt hat, um Stimmung in der Öffentlichkeit zu machen [siehe Posting].

2. Die Erkenntnis, es hier mit einem Sadist zu tun zu haben ist möglicherweise die zentrale Aussage und Offenbarung.

Würde Sexwork&Paysexkonsum fair behandelt und als Teil von Gesellschaft akzeptiert, würde man diese Fallunterscheidung viel mehr in den Vordergrund rücken bei Mißbrauchsfällen in der Prostitution.

Es sollten viel mehr die Eigenschaft Sadist/Mißbraucher/Ausbeuter bestraft werden als die Eigenschaft Vermittler/Zuhälter/Menschenhändler/Prostituierte/Migrant/Personalbeschaffer/Reisebegleiter/Fluchthelfer...

Siehe auch meinen Kommentar zu einem früheren Bericht zu diesem Prozess, wo etwas von der masochistischen Neigung des Opfers geschrieben stand...

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Studie

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Neudefinition Sexwork-Management

Rethinking Management
Ein Forschungsprojekt in Ottawa



Bild


Einladung zur Teilnahme und Befragung
english, 1 page:
http://www.jack-of-all-trades.ca/POWER/ ... ent_EN.pdf


http://www.sciencesSociales.uottawa.ca/ ... /index.asp





.

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Re: Sadismus ist nicht gleich Zuhälterei!

Beitrag von ehemaliger_User »

Marc of Frankfurt hat geschrieben:> "Das Urteil wurde auf Ungarisch übersetzt."die den Nazi-Begriff Kapo gegen Frauen in der Sexarbeit eingeführt hat, um Stimmung in der Öffentlichkeit zu machen [siehe Posting]..
Der Begriff "Kapo" ist in bei uns in Süddeutschland nicht negativ besetzt. Der Begriff kommt aus dem italienischen und hat Eingang in unsere Sprache gefunden. Er bezeichnet bei uns einen Vorarbeiter. Dieser Begriff wird bei uns unter Arbeitern immer noch verwendet - ohne Bezug zu KZs.
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Verfahren eingestellt

Beitrag von nina777 »

1.12.2010

Radebeuler Bordellbetreiber erneut vor Gericht

Einschleusen von Ausländern wird ihnen vorgeworfen. Doch der Nachweis gelingt dem Gericht nicht.


Die Betreiber einer Sauna in Radebeul, die als Bordell genutzt wird, standen gestern erneut vor dem Meißner Amtsgericht. Der 70-jährigen Frau und dem vier Jahre jüngeren Mann wurde Einschleusen von Ausländern zur Last gelegt. Sie sollen Ukrainerinnen, die sich illegal in Deutschland aufhielten, ermöglicht haben, in den Räumen der Sauna gegen Entgelt der Prostitution nachzugehen.

Die Angeklagten wollen sich zu den Vorwürfen nicht äußern. So werden zwei der Ukrainerinnen vernommen, die sich in ihren Aussagen ziemlich widersprechen. Sie sei mit dem Versprechen nach Deutschland gelockt worden, in einem Nachtklub als Tänzerin arbeiten und dabei viel Geld verdienen zu können, erzählt eine. Schon in Polen sei ihr der ukrainische Pass abgenommen worden. Stattdessen habe sie einen gefälschten polnischen erhalten. Nachdem sie über die grüne Grenze illegal nach Deutschland gelangt war, wurde sie nach Dresden in eine Wohnung gebracht. Dort habe sie erfahren, dass sie für Zuhälter auf den Strich gehen sollte. Sie habe das abgelehnt, aber als ihr Schläge angedroht wurden, doch gemacht. „Ich hatte Angst um mein Leben“, sagt die 25-Jährige. In der Sauna sollte sie sich und die anderen Ukrainerinnen als Polinnen ausgeben und Ukrainisch sprechen, weil das dem Polnischen nahe käme, habe man ihr gesagt. Nach einigen Monaten sei ihr die Flucht mit Hilfe eines Bekannten gelungen. Seitdem arbeitet sie in einem Nachtklub als Tänzerin.

Ohne Visum durch die Neiße

Die andere Zeugin erzählt eine haarsträubende Geschichte, strapaziert die Geduld des Gerichtes und macht sich völlig unglaubwürdig. Sie habe eine „Städtetour“ nach Deutschland machen wollen. Welche Stadt sie besuchen wollte, weiß sie nicht mehr. Auch, warum sie dann mit gefälschtem polnischen Pass, ohne Visum und bei Nacht durch die Neiße nach Deutschland „einreiste“, kann sie nicht erklären. Dass sie zuvor schon freiwillig als Prostituierte in der Ukraine und auch in Köln arbeitete, wie sie in früheren Vernehmungen aussagte, streitet sie plötzlich ab.

Entscheidend für das Gericht ist eigentlich nur, ob die Angeklagten davon wussten, dass die Polinnen eigentlich Ukrainerinnen waren. Denn Frauen aus dem EU-Land Polen brauchen weder Visum noch Arbeits- oder Aufenthaltserlaubnis. Das Handeln wäre also nicht strafbar gewesen. „Alle wussten, dass wir Ukrainerinnen waren“, behauptet zwar eine der Prostituierten, nachweisbar ist das aber nicht. Für Außenstehende war auch nicht zu erkennen, ob die Ukrainerinnen ihrem Gewerbe freiwillig nachgingen oder nicht.

Die beiden Angeklagten wurden bereits vor einigen Monaten wegen Einschleusens von Ausländern zu empfindlichen Geldstrafen verurteilt. Im Hinblick auf diese Verurteilungen und weil die Taten nicht zweifelsfrei nachzuweisen sind, stellt das Gericht das Verfahren ein, sehr zum Unmut der Verteidigung übrigens. Die hatte Freispruch gefordert.

http://www.sz-online.de/nachrichten/art ... id=2626639
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Gesetz der Straße

Beitrag von nina777 »

03.12.10

STRASSENSTRICH

Eisenhartes Regiment geführt

Auf dem Bonner Straßenstrich und Bordellen in Bornheim soll die Zuhälterbande ein eisenhartes Regiment geführt haben. Jetzt hat die Bonner Staatsanwaltschaft den mutmaßlichen Kopf der Bande angeklagt.


BONN/BORNHEIM - Offenbar hatten die Männer wahre Familienunternehmen aufgebaut, sogar schon ihre Söhne aus der bulgarischen Heimat mitgebracht und angelernt. Wie Gerichtssprecher Joachim Klages mitteilte, werden dem in Untersuchungshaft sitzenden 39-Jährigen gewerbsmäßige Zuhälterei, Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung, schwere räuberische Erpressung, Freiheitsberaubung und Bedrohung vorgeworfen. Er wird sich demnächst vor dem Landgericht verantworten müssen. Am 30. Juli dieses Jahres waren neun Bulgaren im Alter zwischen 15 und 39 Jahren nach monatelangen verdeckten Ermittlungen der Polizei festgenommen worden. Drei weitere Verdächtige waren geflüchtet.

Die Frauen mussten alle Einkünfte abgeben - ihre Papiere auch

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der 39-Jährige mit einem Sohn, einem Schwager und einem Neffen ab dem Sommer 2008 Frauen aus Bulgarien einschleuste und zur Prostitution zwang. Die Opfer im Alter zwischen 17 und 22 Jahren sollen ununterbrochen unter Beobachtung gestanden und kontrolliert worden sein. Alle Einkünfte mussten sie offenbar genauso abgeben wie ihre Papiere. Um die Frauen gefügig zu machen, sollen sie geschlagen und bedroht worden sein. Laut Anklage drohte der 39-Jährige einer jungen Frau, er werde ihre Eltern umbringen, falls sie nicht mache, was er wolle. Im Mai und Juni 2009 soll er mit Gewalt versucht haben, eine Prostituierte, die auf dem Bonner Straßenstrich auf eigene Rechnung arbeitete, zu zwingen, in Zukunft für ihn zu arbeiten. Als sich die Frau weigerte, soll er sie krankenhausreif geschlagen und ihr gedroht haben, sie zu töten, falls sie nochmals in seinem Bezirk arbeite.

Von der Straße aus in ein Auto gezogen

Zwei Wochen später soll der Angeklagte mit drei Begleitern aufgetaucht sein und die Frau wiederum verprügelt haben. Flüchten konnte anscheinend eine 18-Jährige, die der 39-Jährige und ein Mittäter im Oktober 2009 in Brüssel von der Straße in ein Auto gezogen haben sollen, um sie in Bonn für sich anschaffen gehen zu lassen. Die junge Frau nutzte einen Zwischenstopp, so Klages, um aus dem Auto zu springen, einen Zeugen anzusprechen und aus einem Geschäft heraus die Polizei zu alarmieren. Nachdem eine 20-Jährige aus den Fängen des Clans geflohen war und sich der Polizei anvertraut hatte, erfolgten die Festnahmen. Vor dem Amtsgericht haben bereits drei Prozesse gegen mutmaßliche Mittäter - darunter ist auch der 15-Jährige - begonnen. Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft Anklage gegen elf Bulgaren erhoben.

http://www.ksta.de/html/artikel/1288741387850.shtml
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Beitrag von nina777 »

06.12.10

Zuhälter muss ins Gefängnis

Das Amtsgericht schickt den ersten Zuhälter der bulgarischen Familienbande ins Gefängnis. Die Männer hatten junge Mädchen brutal zur Prostitution gezwungen und "Frauen als Ware angesehen".


BONN/BORNHEIM - Das erste von zwölf Verfahren gegen Zuhälter, die den Bonner Straßenstrich in der Vergangenheit mit Prostituierten aus ihrer Heimat Bulgarien überschwemmt haben sollen, ist nun vor dem Amtsgericht zu Ende gegangen. Ein 20 Jahre alter Angeklagter wurde – wie vom Staatsanwalt beantragt - wegen Zuhälterei, schweren Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung und Körperverletzung nach Erwachsenenstrafrecht zu einer zweijährigen Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt.

„Frauen als Ware angesehen"

Zwar spielte der junge Mann laut Urteil in den „kriminellen Familienstrukturen“ – es sollen die Mitglieder von insgesamt drei Familien beteiligt gewesen sein, die auf dem Straßenstrich und in Hotels in Bornheim agierten - nur eine untergeordnete Rolle. Aber auch der 20-Jährige habe „Frauen als Ware angesehen“ und sein Handeln bis zuletzt verharmlost. Am zweiten Verhandlungstag hatte sich der Angeklagte zu den Vorwürfen geäußert. Seine Einlassung, dass er von den Machenschaften der Verwandtschaft nichts mitbekommen haben will und von einer der Frauen gebeten worden sei, auf sie aufzupassen, werteten Gericht und Staatsanwaltschaft als nicht nachvollziehbar.

15-Jähriger war Zuhälter von 17-Jähriger

Vielmehr dienten die Aufenthalte des 20-Jährigen in Deutschland laut Urteil „ausschließlich dazu, Straftaten zu begehen“. So wurde dem jungen Mann eine 21 Jahre alte Frau zugeteilt, die in Bonn eigentlich auf eigene Rechnung arbeiten wollte. Stattdessen wurde sie von dem verheirateten Familienvater zwischen 17 und sechs Uhr auf den Strich geschickt. Er rief sie regelmäßig an und fragte, wie viel sie bereits verdient habe und kassierte ihre Einnahmen. Die 17 Jahre alte Schwester der Prostituierten wurde offenbar dem 15 Jahre alten Cousin des Angeklagten zugeteilt, der sich demnächst ebenfalls vor Gericht verantworten muss.

Mit Schlägen brutal bestraft

Als die 21-Jährige im Juli dieses Jahres kurzzeitig mit einem Freier davonlief, wurde sie nach ihrer Wiederkehr wie im Milieu üblich von dem 20-Jährigen bestraft – mit Schlägen ins Gesicht und auf den Rücken. Nachdem eine Kollegin ausgepackt hatte, wurden neun Verdächtige am 30. Juli festgenommen. Der Angeklagte und zwei weitere Männer waren damals allerdings bereits in ihre Heimat zurückgekehrt. Dort nutzten der 20-Jährige und sein Großvater die Zeit, um die ebenfalls heimgereisten Schwestern mit einer Anwältin aufzusuchen. Die Frauen mussten vorbereitete Erklärungen, die die Männer entlasten sollten, unterschreiben. Doch die Bonner Polizei ließ sich nicht beirren: Die Beamten reisten nach Bulgarien und vernahmen die Frauen erneut. Wie sich herausstellte, hatten die Opfer nur aus Angst vor Repressalien durch die Zuhälter unterschrieben. Sie reisten für den Prozess sogar aus ihrer Heimat an und packten hier aus.

http://www.ksta.de/html/artikel/1291494293300.shtml
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Beitrag von nina777 »

9.12.2010

Fristlose Kündigung: Staatsdiener dürfen keine Zuhälter sein

Beschäftigte im öffentlichen Dienst, die neben ihrem Beruf als Zuhälter tätig sind, müssen mit fristloser Kündigung rechnen. Das hat das Erfurter Bundesarbeitsgericht im Falle eines Straßenbauarbeiters entschieden, der sich auf illegalem Weg noch Geld dazuverdienen wollte.


Erfurt. Weise die Straftat einen Bezug zur dienstlichen Tätigkeit auf, sei die Kündigung "sozial gerechtfertigt", entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt in einem am Donnerstag veröffentlichten Urteil (AZ: 2 AZR 293/09). Damit bekräftigten die Richter ihre bisherige Rechtsprechung.

Im konkreten Fall war der Kläger, der bei einer Kommune als Straßenbauarbeiter beschäftigt war, wegen gemeinschaftlicher Zuhälterei und Körperverletzung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Vor dem Landgericht hatte er angegeben, dass er bei seinem Arbeitgeber zu wenig verdiene, um seine Familie zu ernähren. Daher wollte er "im Wege der Zuhälterei" Geld dazu verdienen. In Deutschland steht Zuhälterei unter Strafe, wenn die Prostituierten dabei überwacht und ausgebeutet werden.

Verurteilter hielt Kündigung für unwirksam

Der Arbeitgeber kündigte daraufhin dem Mann fristlos, weil der seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt habe. Der Kläger hielt die Kündigung dagegen für unwirksam, weil er die Straftaten in seiner Freizeit begangen habe. Der Kläger verwies darauf, dass es nur beim alten Bundesangestelltentarif Vorschriften gegeben hat, nach denen sich das gesamte private Verhalten am Ansehen des öffentlichen Arbeitgebers zu orientieren hatte. Mit dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst seien diese Vorschriften jedoch weggefallen. Die Kündigung sei daher unwirksam, so der Arbeitnehmer.

Das BAG stellte jedoch klar, dass Arbeitnehmer und damit auch Beschäftigte des öffentlichen Dienstes nach den gesetzlichen Regelungen zur Rücksichtnahme gegenüber den Interessen des Arbeitgebers verpflichtet sind. Gebe es einen Zusammenhang zwischen der begangenen Straftat und dem Arbeitsverhältnis, könne das Interesse des Arbeitgebers unzumutbar beeinträchtigt sein. Dies sei hier der Fall.

http://www.thueringer-allgemeine.de/sta ... -850843290

http://www.welt.de/wirtschaft/article11 ... grund.html
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Zuhälterpärchen

Beitrag von nina777 »

9.12.2010

München: Frauen zur Prostitution gezwungen

Die Polizei in München ermittelt gegen ein Pärchen: Es soll zwei Frauen zur Prostitution gezwungen haben.


Bereits seit Beginn des Jahres 2010 ermittelt die Kriminalpolizei gegen einen 49-jährigen Münchner Kaufmann und seine Lebensgefährtin, eine 26-jährige tschechische Angestellte, wegen Menschenhandels, Zuhälterei und Erpressung.

Die beiden sollen einer 43-jährigen rumänischen und einer 34-jährigen polnischen Prostituierten unzulässige Vorgaben hinsichtlich ihrer Tätigkeit gemacht haben, um deren Einnahmen zu steigern - berichtet die Polizei.

Hätten sich die beiden Frauen geweigert, drohte das Paar ihnen laut Polizei, deren Familien in der Heimat über ihre Tätigkeit als Prostituierte zu informieren. Auch Prügel durch zwei "Bodyguards" sollen den Frauen angedroht worden sein.

In zwei Fällen soll der Mann von den beiden Prostituierten unberechtigte Geldsummen gefordert haben, die er mit Hilfe seiner "Bodyguards" eintreiben wollte. Zudem soll laut Polizei eine der Prostituierten zum Weitermachen gedrängt worden sein, um ihre vermeintlichen Schulden bei ihrem Arbeitgeber abzuarbeiten.

Aufgrund dieser Ermittlungen erwirkte die Polizei einen Durchsuchungsbeschluss für die Bordellwohnungen im Euroindustriepark. Am Dienstagmittag durchsuchten Kripo-Beamte die Wohnung und verhafteten den 49-jährigen Kaufmann.

Bei seiner Vernehmung hielt er sich jedoch bedeckt. Er wurde am Mittwoch dem Ermittlungsrichter vorgeführt, der den Mann gegen Zahlung einer Kaution in fünfstelliger Höhe wieder auf freien Fuß setzte.

Seine Lebensgefährtin machte ebenso keine Angaben und wurde wieder entlassen. Die Ermittlungen dauern an.

http://www.augsburger-allgemeine.de/Hom ... ,4289.html
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Freispruch für Bordellvereinbarung FO

Beitrag von nina777 »

13.12.10

Oralsex ohne Kondom - Puff-Chef vor Gericht

München - Prostituierte, die im Münchner Sex-Club "Pascha" arbeiten wollen, müssen Oral-Sex ohne Kondom anbieten. Die Puff-Bosse mussten sich nun vor Gericht verantworten.

„Ständig wechselnde Schönheiten aus aller Welt versüßen Ihren Aufenthalt und verwöhnen Sie.“ So wirbt der Sex-Club „Pascha“ um Kundschaft. Dazu gehört auch Oralsex ohne Kondom. Das brachte drei Bosse vor Gericht – wegen Zuhälterei. Richter Robert Grain fand jedoch nichts Illegales: Er sprach die Angeklagten, darunter Betriebsleiter Leo E. (51), frei!

Huren, die im „Pascha“ arbeiten wollen, müssen für diese Art von Sex bereit sein. „Das ist Bestandteil des Vertrages“, so Leo E. „Das entspricht dem hohen Niveau unserer Dienstleistung“, wie er der tz nach dem Urteil erklärte. Doch seine Damen würden das alles freiwillig machen. Bei einer Prostituierten, die dazu gezwungen werde, hätte der Kunde kaum seinen Spaß, so Leo E. Und den soll der Freier haben: Schließlich gibt’s im Pascha eine Geld-zurück-Garantie.

Die Staatsanwaltschaft sieht das anders: Der Arbeitsvertrag zwinge die Damen zu Dingen, die sie eventuell nicht wollen. Das erfülle den Tatbestand der Zuhälterei. Nein, argumentierten die Verteidiger: „Die Damen haben das Recht, einen Gast abzulehnen.“ So sah es auch das Gericht: Freispruch! Leo E. freute sich: „Jetzt haben wir Rechtssicherheit!“

http://www.tz-online.de/aktuelles/muenc ... 46348.html
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zum Freispruch

Beitrag von Aoife »

          Bild
nina777 hat geschrieben:Oralsex ohne Kondom - Puff-Chef vor Gericht
Wie verträgt sich das eigentlich mit der bayerischen Kondomvorschrift?

Da werden also Betreiber freigesprochen, weil sie nach Überzeugung des Gerichts keinen Zwang angewendet haben. Heißt das, dass die Frauen jetzt wegen eigenverantwortlich begangenen Ordnungswidrigkeiten belangt werden können?

Liebe Grüße, Aoife
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zum Freispruch der Betreiber die FO fordern

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Die den Prozess auslösende Razzia war am 30.9.08
Kondomverordnung per Großrazzia überprüft, Pascha München:
viewtopic.php?p=43441#43441


Mit dem Urteil ist die 'hidden agenda' der Bayerischen Kondomverordnung als Eingriffsmittel der Polizei gegen Betreiber dienen zu können, kassiert worden.





Der einzelne Sexworker erweist sich mal wieder als das letzte und schwächste Glied der Wertschöpfungskette Prostitution. An ihm/ihr bleiben Rechtsfolgen von fragwürdigen Vorschriften ebenso wie die zusätzlichen Sonder-Steuerzahlungen letztlich hängen.

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Re: zum Freispruch

Beitrag von ehemaliger_User »

Aoife hat geschrieben:Heißt das, dass die Frauen jetzt wegen eigenverantwortlich begangenen Ordnungswidrigkeiten belangt werden können?
Das war doch schon immer so.

Die Betreiber vom "Colosseum" in Augsburg müssen allerdings ungeschützten Verkehr unterbinden, sonsgt droht ihnen ein Zwangsgeld.

Augsburger Allgemeine 6.4.2009

Ausburger Allgemeine hat geschrieben:Verwaltungsgericht entscheidet
Streit um Kondom-Pflicht in Augsburger Bordellen

Eine Bordell-Geschäftsführerin aus Augsburg hat gegen die Kondompflicht in ihrem Haus geklagt. Das Verwaltungsgericht hat nun entschieden.


Von Stefan Krog

Augsburg - Mit einer delikaten Frage hat sich gestern das Augsburger Verwaltungsgericht beschäftigt: Verhandelt wurde dort wegen der Kondompflicht in einem Augsburger Großbordell. Das Ergebnis: Ein Bescheid der Stadt, der die Kondompflicht durchsetzen will, ist rechtens.

In dem Bescheid aus dem Jahr 2007 war den Betreibern aufgegeben worden, dafür zu sorgen, dass es in den öffentlich zugänglichen Räumen zu keinem ungeschützten Verkehr kommt. Andernfalls werde ein Zwangsgeld von 10 000 Euro fällig, drohte das städtische Gesundheitsamt. Dagegen erhob die Geschäftsführerin des Bordells Klage.

Gesetzlich ist in Bayern festgeschrieben, dass in Bordellen ein Kondom zu verwenden ist, um Infektionskrankheiten zu verhindern. Bis 2007 war es in dem Etablissement - und offenbar nicht nur dort - aber üblich, dass es beim oralen Verkehr auch ohne geht. Dafür wurde im Internet geworben.

Doch 2007 nahm die Augsburger Kripo das Haus, das Kundschaft über die Grenzen Augsburgs hinaus anzieht, genauer unter die Lupe. Der Kripo, die dort wegen Zuhälterei ermittelte, ist das Bordell schon länger ein Dorn im Auge. Im Zuge der Ermittlungen gab es einen Tipp ans Gesundheitsamt, den Betreibern in Sachen Kondompflicht mal auf den Zahn zu fühlen.

Die Folge war jener Bescheid, der vorsah, Kunden auf die Kondompflicht hinzuweisen und die Prostituierten dazu zu verpflichten. Ungeschützten Verkehr soll es dort in keiner Form mehr geben. In den Intimräumen sind dafür die Prostituierten, die laut Angaben des Bordells auf selbstständiger Basis arbeiten, zuständig. In den öffentlich zugänglichen Räumen wie dem Kino und dem "Kennenlern-Bereich" ist das Bordell verantwortlich.

Doch dazu sieht sich die Geschäftsleitung nicht in der Lage. Den ungeschützten Oralverkehr habe man schon vor Erlass des Bescheides nach Möglichkeit unterbunden. Es sei aber unmöglich, das Bordell mit allen Winkeln zu überwachen. "Hier wird vom Betreiber etwas verlangt, was nicht durchsetzbar ist. Das ist ja wie beim Rauchverbot", sagte der Anwalt des Bordells.

Die 7. Kammer des Verwaltungsgerichts folgte dieser Argumentation aber nicht. Der Bescheid sei "geeignet und verhältnismäßig", beschied das Gericht.

Gegen das Urteil kann Berufung eingelegt werden.
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