Nur für das Geld?

Ein nahezu unerschöpfliches Thema: Psychologische Betrachtungsweise der Sexarbeit
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friederike
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Beitrag von friederike »

Liebe Aoife,

gute Idee!
Ohnehin wollte ich Euch vorschlagen, Threads zu guten (das heisst künstlerischen) Filmen über Prostitution und Prostituierte aufmachen (Bunels "Belle de Jour", Viscontis "Rocco", Bojena Horackovas "À l'Est de moi", ...), oder literarischen Büchern (Joseph Kessels "Belle de Jour", Alberto Moravias "Römerin", ..). Es gibt schon so etwas ähnliches, aber das könnte man noch vertiefen.

Was hieltet Ihr von einer solchen Idee?

LG
Friederike

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Aoife
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Beitrag von Aoife »

          Bild
friederike hat geschrieben:Was hieltet Ihr von einer solchen Idee?
Ja super! :003

Wobei wir das Forum keineswegs so top down führen, dass nur wir threads aufmachen dürften :002
Diese Möglichkeit besteht für jeden registrierten user (einfach den button "neues Thema" oben oder unten an dem Inhaltsverzeichnis des entsprechenden Unterforums klicken), wenn wirklich jemand einmal etwas übersehen haben sollte und einen neuen thread aufmacht für einen Beitrag, der besser anderswo dazupasst, so können wir das immer noch zusammenführen.

Liebe Grüße, Aoife
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rainman
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Beitrag von rainman »

Friederike hat geschrieben:

"die Prostitution ist meiner Meinung nach mehr einer künstlerischen Tätigkeit zuzuordnen..."

Hast Du dabei konkret an die Schauspielkunst gedacht? Diese Ansicht findet man gelegentlich in der Fachliteratur. Ist ja auch ganz gut nachvollziehbar.

Liebe Grüße

rainman

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friederike
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Beitrag von friederike »

Lieber rainman,

mit "künstlerisch" meine ich im Gegensatz zu einer "ausführenden Tätigkeit", dass Sexarbeit ein Einbringen der eigenen Person und deren unmittelbare Teilnahme beinhaltet. Mir ist klar, dass es ein abgestumpftes Hinhalten des eigenen Körpers gibt - dies ist in der Tat etwas anderes!

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Beitrag von ehemaliger_User »

Deshalb sollte für die Sozialversicherung in der Art der Künstlersozialkasse eine ABsicherung eingeführt werden, sehe ich genau so wie Friederike.
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Marc of Frankfurt
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Beitrag von Marc of Frankfurt »

Nur für das Geld?

Ein kommentierter Pressebericht von Laura Agustin:

http://www.lauraagustin.com/kids-who-se ... -in-the-uk

rainman
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Beitrag von rainman »

ehemaliger_User hat im Beitrag 26 geschrieben: "Das trifft für die SexarbeiterInnen zu, aber nicht für die Kunden! Viele wollen eine wie auch immer geartete Beziehung zu den SexarbeiterInnen."

Das entspricht ganz meiner Meinung. Allein der Umfang des in diesem Forum veröffentlichten Threads "Wenn Kunden sich verlieben" erscheint in dieser Hinsicht verdächtig.

Liebe Friederike, für mich bist du ein Phänomen. Natürlich ist auch mir bewusst, dass eine SW, die Erfolg haben will, nicht so daliegen kann wie ein nasser Sack. Aber wenn du so viel persönlich-künstlerisches Engagement in deine Arbeit einfließen lässt, wie schaffst du es dann, die Situation stets unter Kontrolle zu halten?

Liebe Grüße

rainman

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Beitrag von Arum »

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rainman hat geschrieben: Aber wenn du so viel persönlich-künstlerisches Engagement in deine Arbeit einfließen lässt, wie schaffst du es dann, die Situation stets unter Kontrolle zu halten?
Das hört sich schon fast so an, als wären Künstler lautere Gefühlsmenschen, die nur daduch Kunst schaffen können, dass sie bereit sind ständig die Kontrolle zu verlieren.

Stimmt aber nicht, so sage ich aus meiner eigenen künstlerischen Berufspraxis heraus: Kontrolle gehört wesentlich zum Künstlerberuf, wie kreativ auch immer. Der Künstler, ob nun Maler, Musiker, Schriftsteller oder Filmdirektor, der nicht, wenn auch instinktiv, versteht wie er sowohl Kontrolle als auch Übersicht bewahren muss, auch wenn es mal tüchtig zur Sache geht, bringt's nicht weit. Oder endet in der Klapsmühle, aber ist damit noch lange nicht der wahre Künster.

Also, da sehe ich überhaupt keinen Unterschied zur Prostitution.


LG,

Arum
Guten Abend, schöne Unbekannte!

Joachim Ringelnatz

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friederike
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Beitrag von friederike »

Lieber rainman,

danke für das "Phänomen", aber ich meine etwas ganz Reales aus Fleisch und Blut zu sein und wollte auch nichts Hochfliegendes sagen.

Was ich meine: es gibt Berufe, die ein intensives Einbringen der eigenen Persönlichkeit erfordern, wie zum Beispiel künstlerische Berufe am oberen Ende der Skala. Solche Berufe motivieren aber im Erfolgsfall auch mehr, man KANN NICHT ein guter Pianist sein, wenn man lediglich Geld verdienen will. Gute Prostitution sehe ich eher in diesem Bereich.

Am anderen Ende stehen ausführende Tätigkeiten, die keine höhere Motivation erfordern und wohl auch nicht bringen. Ich habe einmal eine Fabrik besucht, in der scheussliche Porzellanfiguren am Fliessband bemalt wurden, jede Arbeiterin hatte eine Farbe usw. So etwas kann man in der gewünschten Qualität NUR des Geldes wegen machen.

Gruss,

Friederike

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Beitrag von rainman »

@Arum

Arum hat geschrieben: "Das hört sich schon fast so an, als wären Künstler lautere Gefühlsmenschen, die nur dadurch Kunst schaffen können, dass sie bereit sind ständig die Kontrolle zu verlieren."

Um Gottes Willen nein! So meine ich das nicht. Aber Kunst im Zusammenhang mit Sexarbeit war mir ganz neu, und ich hätte den Begriff "persönlich-künstlerisches Engagement" auch sicher nicht gebracht, wenn Friederike ihn nicht eingeführt hätte. Was du über die Kontrolle bei künstlerischer Arbeit sagst, ist absolut nachvollziehbar.


@ Friederike

Das verstehe ich sehr gut. Vor einiger Zeit habe ich einmal mit einer deiner Kolleginnen diskutiert. Wir kamen u.a. auf den Unterschied zwischen Erotik und Sex im Prostitutionsgeschehen zu sprechen. Ich denke, das geht in die gleiche Richtung.


Liebe Grüße

rainman

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Aoife
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Beitrag von Aoife »

          Bild
rainman hat geschrieben:Aber Kunst im Zusammenhang mit Sexarbeit war mir ganz neu, und ich hätte den Begriff "persönlich-künstlerisches Engagement" auch sicher nicht gebracht, wenn Friederike ihn nicht eingeführt hätte.
Mir war dieser Gedanke schon vertraut - wobei ich jedoch (möglicherweise aufgrund meines eigenen energetischen Zugangs) die Feinzuordnung eher in Richtung Heilkunst als bei den darstellenden Künsten sehe.

Liebe Grüße, Aoife
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friederike
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Beitrag von friederike »

Liebe Aoife,

wieder einmal: das sehe ich genauso.

LG,
Friederike

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Ariane
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ausgesprochen

Beitrag von Ariane »

ausgesprochen intelligente Schlussfolgerung, der ich mich nur anschliessen kann, da ich selbst in diesen Koordinaten denke, danke Aoife! Du hast es sehr gut auf den Punkt gebracht.

          Bild
Aoife hat geschrieben:          Bild
rainman hat geschrieben:Aber genau wie beim Heizungsmonteur muss die schnöde Leistung gegen Geld unbedingt im Vordergrund stehen, die Tatsache, dass mit der Prostitution ein Lebensunterhalt bestritten wird und im Gegenzug Steuern bezahlt werden.
Stimmt schon. Und trotzdem: Wie annainga's Gedankenexperiment zeigt, würden einige von uns auch dann ihr Geld in der Prostitution verdienen wollen, wenn es finanziell gleichwertige Alternativen gibt. Insbesondere wenn man den Job schon kennt, was die Einstiegsmotivation angeht, so denke ich dass Sami da naturgemäß recht hat, weil der Beruf ja nicht bekannt ist und auch nicht wie in manchen anderen Berufen die interessanten und sozialen Aspekte beworben werden.

Und doch möchte ich noch einen Schritt über annainga's Experiment hinausgehen: Ich selbst habe zumindest die Erfahrung gemacht, dass sogar wenn keine realistischen Alternativen bestehen das nicht als Zwangslage empfunden werden muß, sondern dass die neben dem Hauptziel "Geldverdienen" naturgemäß auftretenden Nebeneffekte in ihrer Summe als ganz überwiegend positiv erlebt werden können. Und so scheint mir rainman's "Neideffekt" noch weit über den erwähnten geschlechterspezifischen Verlustaspekt hinauszugehen: Wir rühren IMHO an der puritanischen Grundmoral der industriellen Gesellschaft. Wer glaubt, ein anständiger Mensch müsse sein Brot im Schweisse seines Angesichts verzehren, Geld müsse man "verdienen", in offensichtlich anders gelagerten Fällen mit "easy come, easy go" und ähnlichen Weisheiten das *unverschämte* Glück der Anderen schlechtredet, der kann sein Weltbild nur retten, wenn er eine Putophobie entwickelt. Nicht in der Vermischung von Sexualität und Geld scheint mir das Problem zu liegen, in der Werbung beispielsweise funktioniert das ja auch problemlos, sondern in der Panik, die dadurch ausgelöst wird, wenn jemand Geld bekommt ohne dafür pflichtbewußt leiden zu müssen. So kann auch der im Eingangsposting erwähnte Arzt es nicht ertragen, wenn sein Einkommen mit einer interessanten Tätigkeit in Verbindung gebracht wird. Nur dafür, dass er sich im Interesse seiner Mitmenschen aufopfert, kann er es sich erlauben, ein wenig Geld zu nehmen. Auch die von Marc an anderer Stelle dargestellte Untersuchung, die besagt, dass fast jeder denkt dass bei bedingungslosem Grundeinkommen er selbst weiterarbeiten, alle anderen aber faulenzen würden, zeigt meines Erachtens nur eine Rationalisierung, weil die Menschen sich selbst ja irgendwie erklären müssen, warum sie dagegen sind. Der eigentliche Grund aber ist, dass ihre Konditionierung ihnen sagt dass "so etwas" einfach nicht sein darf.

Und so können auch die positiven Aspekte der Prostitution nicht wahrgenommen werden, das würde ja das von klein auf mühsam anerzogene Weltbild zum Einstürzen bringen. Also müssen Prostituierte drogenspchtig, zuhälterhörig. menschenhändlergezwungen oder rein triebgesteuert sein und das "nur" wegen dem Geld machen. Die Feststellung, dass viele Andere wirklich nur wegen dem Geld arbeiten (dein Heizungsmonteur, rainman?) kann hier nichts klären, denn wenn der Job selbstzerstörerisch ist, ist das ja "moralisch hochstehend".

Liebe Grüße, Aoife
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friederike
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Beitrag von friederike »

Liebe Ariane,

vielen Dank - Du hast das wirklich schön gesagt: genau das ist das Thema dieses Threads.

Lieben Gruss,

Friederike

pipapo
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Beitrag von pipapo »

@gerd2: Seh ich ähnlich, v.a. Die Beziehungsarbeit, die man heutzutage mitkauft, in den verschiedenen Dienstleistungsbereichen. Etwa die Callcenteragents, die mir ständig was ins Ohr flöten. Das ist für mich an der Grenze zum Telefonsex. Unangenehm, wenn man es nicht bestellt [so eine Elektrokette, so eine Festnetzanbieter] alles säuseln eine voll [und ich hab das nicht bestellt].
mfg

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Beitrag von ehemaliger_User »

Ich habe neulich eine interessante Beobachtung gemacht. Eine Sexdienstleisterin, zu der ich einen besonders guten Draht habe, war nach zwei Tagen, an denen sie jeweils über 30 Gäste hatte, total aufgedreht. Mit vollem Körpereinsatz erzählte sie ihren Kolleginnen während einer Pause an der Bar des Hauses ein Geschehnis aus ihrem Tag. Ein Aussenstehender hätte den Eindruck haben können, sie sei auf Koks.

Später sprach ich sie darauf an. Ihre Antwort: "Wenn es so super läuft schiessen die Hormone durch meinen Körper. Da bracuh ich keine Drogen. Ich fühle mich dann so gut, dass ich stundenlang weitermachen kann. Ist einfach ein geiles Gefühl"
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Arum
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Beitrag von Arum »

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Aoife hat geschrieben:          wobei ich jedoch (möglicherweise aufgrund meines eigenen energetischen Zugangs) die Feinzuordnung eher in Richtung Heilkunst als bei den darstellenden Künsten sehe.

Nun, selber hauptberuflich künstlerisch tätig, glaube ich doch dass die Unterschiede da nicht so gross sind als Du vielleicht meinst.
So ist jede künstlerische Äusserung immer schon eine sowohl sehr bewusste Eigenerfahrung, als auch eine Entäusserung: die Erfahrung muss ja irgendwie so dargestellt werden, dass sie glaubhaft rüberkommt, womit nach herkömmlicher Sicht ein gewisses Mass an 'Verlogenheit' mitzuschwingen beginnt, wo man sich da doch eher der künstlerischen Technik hingibt, als demjenigen, was sich da ausdrucken möchte. Oftmals entdeckt man sogar, dass es dies letztere eigentlich gar nicht gibt, es gibt nur die Lust zum Ausdruck, die Lust zum Spiel mit der eigenen technischen Fähigkeiten, ohne damit blosse Effekthascherei treiben zu wollen, seinem Gegenüber dahingegen gerade etwas Gutes tun wollen. Man lässt ihn sozusagen seine Freiheit spüren.

Der leider schon verstorbene niederländische Schrifsteller Frans Kellendonk hat das mal schön auf den Punkt gebracht mit dem Satz 'oprecht veinzen', auf Deutsch 'aufrichtige Verstellung'.

Und ein gewisses Element der (versuchten) Heilung ist jeder Kunstform inne, also so gross sind da die Unterschiede zur Prostitution doch nicht, würde ich meinen.
Und auch für den Künstler gilt: es ist nicht grundsätzlich so, dass der finanzielle Verdienst seine Kunst korrumpiert. Oder andersherum, der Künstler der wenig verdient, ist damit nicht notwendigerweise der Bessere. Das hat mit der Sache nichts zu tun. Der künstlerische Wert entscheidet.

...

Zu diesem Thema ist übrigens Folgendes noch interessant:

http://www.welt.de/print/wams/vermischt ... dizin.html

Placebos wirken trotz der Enttarnung als Schein

Reizdarm Scheinmedikamente wirken nur, wenn der Patient nicht weiß, dass kein Wirkstoff enthalten ist. So die Placebo-Theorie. In einer Studie berichten Forscher in "Plos one" nun, dass das nicht immer stimmt. Sie hatten 80 Patienten mit Reizdarmsyndrom in zwei Gruppen aufgeteilt: Die eine Hälfte bekam keine Behandlung, die andere ein Scheinmedikament. Allerdings wussten diese Patienten Bescheid, dass sie wirkstofflose Pillen schluckten. Dennoch besserte sich ihr Zustand. "Das zeigt, dass Placebos mehr bewirken als nur positives Denken", sagt Ted Kaptchuk von der Harvard Medical School. "Schon das bloße Durchführen eines medizinischen Rituals scheint einen merklichen Nutzen zu haben."

....

Ich denke mal, solches gilt auch für die schöne, vorgegaukelte Liebe, die Prostitution heisst...



LG,

Arum
Guten Abend, schöne Unbekannte!

Joachim Ringelnatz

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Ariane
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RE: Nur für das Geld?

Beitrag von Ariane »

Eine interessante Diskussion, auch wohin sie sich entwickelt.
Bzgl. der Hormon-Kicks bei der von ehemaliger_User erwähnten Kollegin: hab in meiner Vergangenheit zwar keine 30 Gäste täglich gehabt, aber in meiner Bordell-Zeit das ein oder andere Mal 10-15 Gäste, eher die Ausnahme. Es hing ganz vom Verhalten der Kunden und des Miteinanders ab, ob ich nach der Schicht fit und euphorisch war, ob Tag oder Nacht, am Ende einer Nacht, also morgens kaum. Aber während meiner Zeit als Party Girl und Gastgeberin hab ich dies immer erlebt, dass ich total aufgekratzt war, schon kurz vor der Party, da konnte ich bis 1 Stunde vor der Party aus irgendwelchen Gründen noch übellaunig gewesen sein, Liebeskummer oder Bauchschmerzen haben, die Party wirkte nur positiv und war kein Placebo, ob sechs Gäste oder mehr, meist kam es zu mehrmaligen Sex mit einem Gast und ich fühlte mich pudelwohl, ob mit oder ohne Orgasmus, da hatte mich auch der ein oder andere mal gefragt, ob ich gekokst hätte. *g* Man kann auch ohne Drogen in einen Rauschzustand kommen und vor allem bei klaren Bewusstsein sein. Das was in jüngerer Zeit "flatrate Poppen" genannt wird kann sich durch aus in jedem Bordell oder einer Sex Party, Swingerclub oder Privatorgie entwickeln, ohne sich dabei und/oder danach schlecht zu fühlen, im Gegenteil, so meine Erfahrung und vieler Kolleginnen, die ich kennenlernte. Hängt wohl generell vom eigenen Temperament, Motivation etc. ab. Ich habe aber auch durchaus euphorisierende Erlebnisse mit einem einzigen Gast erlebt, im Escort hab ich selten und unregelmässig Termine und Sex, das lag bzw. liegt immer an der sog. Chemie, im wahrsten Sinne, auch Gespräche können euphorisieren, die auch high machen können (Eros Begriff bei Platon).

Ich bin zwar keine ausgewiesene Tantramasseuse, hab aber durchaus beidseitig die Erfahrung gemacht, daß Berührungen und Ansprache heilsam sind, sofern man selbst ein emphatischer und sensibler Mensch ist. Ich denke, dass jedweder Sex im Einvernehmen gesund ist und es ist sicherlich etwas dran an der These, dass kein oder schlechter Sex, keine persönliche Ansprache (die für Anerkennung und Entwicklung von Subjektivität notwendig ist) unzufrieden macht, was aus meiner Sicht Urquell von Ressentiments, Vorurteilen, Frustrationen ist und Deformationen, die bis hin in die politische Psychologie reichen. Aber das ist ein anderes Thema.

Was Kunst betrifft; ich denke fast jede Kunst und Kulturtechnik wirkt meist therapeutisch für den Tätigen, ob man gestalterisch, schreibend tätig ist oder Performance Kunst macht; ich kann nur aus meiner Sicht sprechen, ich halte Kunst geeigneter gesund zu bleiben, zu werden denn jede Therapie beim Psychologen, die gewissermassen einengt, oft nicht die richtigen Fragen stellt, zu kopflastig ist. Das Verstehen und Analysieren ist das eine, aber eine Heilung kann m.E. nicht erfolgen, ausser Anpassungsleistung. Ich würde noch nicht mal von Heilung im Sinne Verschwindenlassen z.B. eines Schmerzes etc. sprechen, sondern ein verändertes Bewusstsein, auch Körperbewusstsein, das was einen treibt, mitunter quält, in durchaus produktive Prozesse umzuleiten.


@Arum, bzgl. deiner letzten Zeile, ich weiss nicht, welcher Liebesbegriff bei dir gemeint ist; "vorgegaukelte Liebe" als Prostitution zu bezeichnen ist für mich nicht nachvollziehbar, da ich daraus nicht mein Einkommen bestreite. Meinst du der Zwilling vom Liebeskasper ist die sog. Abzockelse, die ihren Kunden schöne Augen macht, sich bemüht aus Liebesbekundungen finanzielle Vorteile zu schlagen? Falls ja, dies scheint wohl ein gesamtgesellschaftliches Phänomen zu sein und ist nicht nur im Bereich der Sexarbeit anzutreffen.
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Re: RE: Nur für das Geld?

Beitrag von Arum »

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Ariane hat geschrieben: Meinst du der Zwilling vom Liebeskasper ist die sog. Abzockelse, die ihren Kunden schöne Augen macht, sich bemüht aus Liebesbekundungen finanzielle Vorteile zu schlagen?
Aber nein, das war weit positiver gemeint. Ich meinte dies im Sinne vom Placebo-Effekt, auch wo demjenigen der den Placebo verabreicht bekommt, bekannt ist, dass es sich um ein Placebo handelt. Also, so wie im Zeitungsartikel.

So sind auch die erotischen Leistungen der SW an sich keine Liebesakte (im Sinne von 'romantischer Liebe'), wie im Prinzip jeder Kunde weiss oder wissen sollte (also der absolute Gegensatz vom Liebeskasperl), aber trotzdem können diese ähnliche oder gar identische Wirkung haben als in einer Liebesbeziehung.

Meine erste Wortwahl ('vorgegaukelt') hat vielleicht damit zu tun, dass ich eben muttersprachlich kein Deutscher bin, und somit nicht immer genau den deutschen Gefühlswert treffe.

LG,

Arm
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Joachim Ringelnatz

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Beitrag von friederike »

Liebe Ariane,

ähnliche Erlebnisse hatte ich als Anfängerin erst einmal (15 Gäste) und fühlte mich ähnlich "euphorisiert". Aber zurück zum Thema: ob Kunst oder Therapie - die persönliche Identifikation ist nicht zu bestreiten, deshalb ist eine Einschränkung auf ein rein finanzielles Motiv nicht zulässig (IMHO).

LG
Friederike