"Die Aussteigerin": Buch von Jeanne Cordelier

Berichte, Dokus, Artikel und ja: auch Talkshows zum Thema Sexarbeit werden hier diskutiert
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Aoife
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Beitrag von Aoife »

@Arum: Du haettest voellig Recht, wenn es dein Forum waere, fuer das du die juristische Letztverantwortung traegst. Ich habe die weitgehende Einschraenkung des Rechts auf freie Meinungsaeusserung in D nicht erfunden, und bei einem Thema, wegen dem selbst die Bundeskanzlerin eine Strafanzeige erhalten hat ist es mein gutes Recht tu sagen, dass wir das hier so nicht wollen. Dieses "wir" beinhaltet keineswegs deine private Meinung, die du selbstverstaendlich anderswo und auf eigenes Risiko vertreten kannst wie du willst.

Liebe Gruesse, Aoife
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Zwerg
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Beitrag von Zwerg »

Bzgl. des Begriffes "Uns":

Das Sexworker Forum hat, auch wenn wir versuchen es unseren UserInnen nicht anmerken zu lassen, eine EigentümerIn - und auch Letztverantwortliche. Deshalb kann die letzte Entscheidung "verantworte ich das" nur von Aoife kommen, die nunmehr seit fast einem Jahr Sexworker.at leitet und auch EigentümerIn der Domain ist.

Nina777 und ich selbst wurden von Aoife beauftragt, einen Teil der Verantwortung mitzutragen - sie zu unterstützen. Gemeinsam mit den anderen ModeratorInnen dieser Plattform versuchen wir dies, so gut, wie es uns möglich ist. Ein "Uns" ist somit bereits gerechtfertigt.

Zusätzlich darf man den Sinn des Forums nicht aus den Augen verlieren: Die politische, wirtschaftliche und auch gesellschaftliche Stellung von SexarbeiterInnen von SexarbeiterInnen zu hinterfragen - und gegebenen Falls auch zu verbessern. Die Zielgruppe unserer Gemeinde ist somit klar definiert - und auch, was unser Streben ist. Dabei müssen wir jedoch Alles vermeiden, was kontraproduktiv wäre... und deshalb sprechen wir bisweilen auch von "wir vertreten dies nicht" - weil es unserem Ziel zuwider läuft.

Ich glaube nicht, dass man das "Jemanden etwas vorschreiben" nennen kann. Ich bin eher geneigt es als Hinweis zu sehen, dass wir da nicht mitgehen können... wollen... und schon gar nicht werden. Und auch, dass wir manche Aussagen hier im Forum nicht wollen - und dies als Verantwortliche, deren Namen auf den gemeinsamen Aussendungen, Schattenberichten usw. als Unterschrift auftauchen.

Wie ich selbst noch Eigentümer des Forums war, habe ich es immer mit meinem/unserem (!) Wohnzimmer verglichen. In das wir/ich Leute einlade(n) und unser Thema diskutieren - Freundschaften bilden, Aktionen planen usw. - und so wie in jedem Wohnzimmer, gibt es eine(n) Letztverantwortliche(n) - der die Strafe bekommt, wenn es zu laut wird - oder aber, wenn illegale Dinge besprochen werden. Verantwortung zu übernehmen heißt auch, bewusst und umsichtig Verantwortung auszuüben.

Nicht falsch verstehen! Ich fordere keinen Dank ein, für unser Engagement - aber ich ersuche um Rücksichtnahme, dass wir manchmal - speziell im Hinblick auf die Öffentlichkeitswirkung - sehr umsichtig sein müssen. Wenn wir dies nicht wären, hätten wir keine Chance auch politisch etwas bewirken zu können. Und auch darum geht es uns...

christian

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fraences
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Beitrag von fraences »

Ich bin auch für freie Meinungsauesserung, aber in eine Community, die den politischen; wirtschaftlichen,gesellschaftlichen Ziel verfolgt unsere Stellung als SW zuverbessern steht dies an zweite Stelle, wenn sie uns schadet oder ein schlechtes Licht auf uns wirft. Ich überlege oft kann ich das so schreiben, wie wirkt es auf den der es liest, was löst es aus in der Öffentlichkeit?Nuetz es unsere Ziele oder wird es gegen uns verwendet? Im Zwiespalt bin ich wenn es um das Thema Menschenhandel geht, wir können nicht verleugnen, aber als selbststaendige SW auch nicht damit in einem Topf geschmissen werden und letztendlich unter irrsinnige Gesetze darunter in unsere freie Ausübung unsere Taetigkeit beschraenkt werden.liebe gruesse,fraences
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)

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Re: RE: "Die Aussteigerin": Buch von Jeanne Cordel

Beitrag von Aoife »

          Bild
Arum hat geschrieben:Laura María Agustín hat diesen Unterschied kürzlich sehr genau auf den Punkt gebracht. Man solle nicht von freien Entscheidungen reden, sondern lediglich von Optionen, das heisst, von mehr oder weniger schlechten Möglichkeiten. Die Betonung der Selbstbestimmtheit täuscht darüber hinweg, dass die Prostitution für manche Frauen auch nur eine Flucht aus einer wesentlich ungerechten Situation darstellt.
Ich kann hier keinerlei Wioderspruch zu meinen Aussagen sehen. Auch Frauen, die die Prostitution als beste einer Reihe von schlechten Möglichkeiten gewählt haben sind besser dran, wenn sie selbstbestimmt und freiberuflich arbeiten können.

Ob der Zuhälter an sich Handaufhalter ist, oder notwendiger Freund, um den Handaufhaltern Bauamt, Polizei usw das Geld weiterzureichen - ohne diese Zwänge erübrigt er sich und wenn er sich aufdrängt darf er nicht auf Behördlichen Schutz hoffen, wenn dort keine Nutznießer sitzen. Da der Mensch an sich nicht zu verändern ist (garantiert unbestechliche Beamte wird es niemals geben) läßt sich das Problem Zuhälterei nur durch Freiberuflichkeit (die den Beamten die Zuständigkeit entzieht) lösen.

Liebe Grüße, Aoife
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friederike
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RE: "Die Aussteigerin": Buch von Jeanne Cordelier

Beitrag von friederike »

Allfällige Konflikte lassen sich, wenn ich die Diskussion nicht missverstanden habe, recht schnell auflösen: Herr Bin Laden war weder unbewaffnet noch Zivilist im kriegsrechtlichen Sinn. Die Strafanzeige gegen die Bundeskanzlerin entstammt der Aufgeregtheit eines älteren Herren und wird zu nichts weiterem führen. Eigentlich ist diese Debatte aber eher Off-Topic - eigentlich geht es doch um die Damen und Herren Zuhälter. Diese sind vermutlich meist bewaffnet, aber Zivilisten. Deswegen muss Navy Seals wohl hier zuhause bleiben.

Das von Danielle/Jeanne geschilderte Beispiel ist ja lebensecht und zeigt die praktischen Schwierigkeiten. Sie hat sich freiwillig in ihre Situation begeben, weil sie falsche Hoffnungen in ihren vermeintlichen Freund gesetzt hat. Bis dahin wäre ich der Meinung, dass kein strafrechtlich relevanter Tatbestand vorliegen sollte. Strafbar aber wird es natürlich dann, wenn der Zuhälter über das Geld verfügt, das ihm erst gehört, wenn die Frau es ihm schenkt. Und selbstverständlich dann, wenn er sie am Ausstieg hindert oder dafür eine "Abfindung" verlangt.

Liebe Grüsse,
Friederike

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Aoife
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Re: RE: "Die Aussteigerin": Buch von Jeanne Cordel

Beitrag von Aoife »

          Bild
friederike hat geschrieben:Eigentlich ist diese Debatte aber eher Off-Topic - eigentlich geht es doch um die Damen und Herren Zuhälter.
Ganz klar - und hier wird IMHO nicht mit (menschlich durchaus nachvollziehbaren) Gewaltphantasien, sondern nur durch strukturelle Änderungen etwas zu bewirken sein.

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friederike
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Beitrag von friederike »

Ja, genau - und da sind wir wieder beim Thema, das rainman aufgebracht hat: das Zuhälterunwesen ist nicht zwangsläufig mit Prostitution verbunden, sondern blüht im Schatten der Gesetze zur Regulierung und Unterdrückung der Prostitution.

Ich glaube sowieso nicht, dass es den Befürwortern solcher Gesetze wirklich darum geht, Frauen vor Zuhältern zu schützen oder bulgarische Banden fernzuhalten. Diese Geschichten sind willkommene Zusatzargumente zur Durchsetzung ihrer totalitäten Moralvorstellungen.

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Jupiter
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RE: "Die Aussteigerin": Buch von Jeanne Cordelier

Beitrag von Jupiter »

Eine wirklich freie Entscheidung gibt es nicht, da jede Entscheidung durch die unterschiedliche persönliche Prägung, Erfahrungen beeinflusst ist.
Jeder sollte sich aber auf Grund seines persönlichen Umfelds, Erfahrungsschatzes usw. entscheiden können. Bedient er sich dabei weiterer Personen für seine Tätigkeit, so ist dies nicht verwerflich, solange hier nicht eine Übervorteilung durch gewisse Monopole vorliegt.

Gruß Jupiter
Wenn du fühlst, dass in deinem Herzen etwas fehlt, dann kannst du, auch wenn du im Luxus lebst, nicht glücklich sein.

(Tenzin Gyatso, 14. Dalai Lama)