Genehmigungspflicht für Bordelle

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fraences
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Genehmigungspflicht für Bordelle

Beitrag von fraences »

Ministerin fordert Konzessionen für Bordelle

Die Prostituierten protestieren

Geht es nach Familienministerin Kristina Schröder, brauchen Prostitutionsstätten bald behördliche Anmeldungen. Betroffene sprechen von "Kriminalisierung". VON SIMONE SCHMOLLACK


BERLIN taz | Wenn Carmen zur Arbeit geht, zieht sie sich schick und teuer an, schminkt sich, steckt sich die Haare hoch und richtet sich auf viele Stunden in Restaurants, im Theater und in Hotelzimmern ein. Carmen, 29, ist Edelprostituierte, ihren Escort-Service kann man im Internet buchen. Dann begleitet Carmen Männer ins Konzert, geht mit ihnen essen und anschließend ins Bett.

In Deutschland soll es Schätzungen zufolge rund 400.000 SexarbeiterInnen geben, über 80 Prozent von ihnen sind Frauen. 1,2 Millionen Männer sollen täglich ihre Dienste in Anspruch nehmen. Carmen heißt in Wirklichkeit anders, sie will anonym bleiben, denn die Berlinerin hat einen Mann und ein Kind. Seit vier Jahren verdient die Geisteswissenschaftlerin ihr Geld mit Prostitution, ganz legal und ohne ihr Gewerbe irgendwo angemeldet zu haben.


Das könnte sich aber bald ändern. Denn Familienministerin Kristina Schröder (CDU) will dafür sorgen, dass Prostitutionsstätten, wie Wohnungen und angemietete Zimmer im Sexgewerbe heißen, künftig eine Konzession haben müssen. So wie Kneipen, Cafés und Dönerbuden.


Erlaubnispflicht mit Kontrollmöglichkeiten


Bislang brauchen Prostitutionsstätten aller Art, also auch Bordelle, Sex- und Swingerklubs, diese Behördenzulassung nicht. Ende des Monats will das Familienministerium Eckpunkte für eine Gesetzesinitiative vorlegen, mit der für den "Betrieb aller Arten von Prostitutionsstätten eine Erlaubnispflicht mit entsprechenden Kontrollmöglichkeiten eingeführt wird".

Kristina Schröder, die seit einer Woche im Mutterschutz ist, will damit Menschenhandel und Zwangsprostitution "nachhaltig bekämpfen". Trotz intensiver Bemühungen von Bund und Ländern sei das bisher nicht gelungen, heißt es aus dem Ministerium. Im Jahr 2009 hat das Bundeskriminalamt (BKA) 710 Opfer des "Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung" gefunden, fast 90 Prozent von ihnen waren Frauen. Tampep zufolge, einer Organisation, die sich international um Prostitution kümmert, sind 47 Prozent der Prostituierten MigrantInnen. Die Vereinten Nationen schätzen, dass in Europa jedes Jahr 40.000 Frauen Opfer von Menschenhandel werden.

Sexarbeiterinnen wie Carmen und Juanita Rosita Henning vom Prostituiertenverein Dona Carmen in Frankfurt am Main sehen hinter dem Vorstoß allerdings eher eine "repressive Wende in der Prostitutionspolitik". "Es geht weniger um die Bekämpfung von Zwangsprostitution als vielmehr um eine umfassende polizeiliche Reglementierung der Prostitution", sagt Juanita Rosita Henning: "Wir sollen entrechtet und wieder kriminalisiert werden."

Seit 2002 ist Prostitution in Deutschland nicht mehr strafbar, damals trat das aus drei Paragrafen bestehende Prostitutionsgesetz in Kraft. Seitdem können sich Prostituierte regulär kranken- und rentenversichern. Ähnlich liberale Regelungen gibt es in der Schweiz, den Niederlanden und in Australien.


Polizei und BKA können jederzeit stürmen



Wenn Prostitutionsstätten künftig eine Konzession brauchen, hat das direkte Auswirkungen für Frauen und Männer im Sexgeschäft, warnt Juanita Rosita Henning: "Die Polizei und das BKA können jederzeit und ohne Ankündigung Prostitutionsstätten stürmen." Viele Prostituierte betreiben ihr Gewerbe in ihrer Wohnung. Juanita Rosita Henning: "Wenn die Beamten kommen, dringen sie in die Privatsphäre der Prostituierten ein."

Der Bundesrat hat bereits im Februar und auf Grundlage eines Papiers der Innenministerkonferenz vom vergangenen November eine "stärkere Reglementierung des Betriebs von Prostitutionsstätten" gefordert. Der Beschluss sieht unter anderem eine Kondompflicht vor und regt an, Konzessionen wieder zu entziehen, wenn bestimmte "hygienische und sicherheitsrelevante Aspekte" nicht gegeben sind. Darüber hinaus sollen Personen, die Zimmer an Prostituierte vermieten, dies den zuständigen Behörden melden.

Carmen will auch in den nächsten Jahren als "Begleiterin" arbeiten. Für das Finanzamt gibt sie sich als Event-Managerin aus. Diesen Status wird sie in absehbarer Zeit wohl nicht ändern.
http://www.taz.de/1/politik/deutschland ... testieren/
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Beitrag von ehemaliger_User »

Hotels brauchen eine Genehmigung, wenn sie gleichzeitig mehr als 8 Gäste beherbergen.

Wenn es der CDU tatsächlich um den Schutz der Frauen vor Menschenhandel ginge und nicht um Eindämmung von Prostitution, warum sollen dann Flatrateangebote verboten werden? Warum wehrt sich die CDU dann vehemennt gegen die Absicht der FDP, Opfern von Menschenhandel ein unbeschränktes AUfenthalts- und Arbeitsrecht zuzugestehen?

Warum nur eine Genehmigungspflicht für Bordelle, Escort und Strassenprostitution ist davon nicht betroffen?

Nichts gegen eine Bordellgenehmigung. Wenn es der Bundesregierung
Ernst ist, die lage der Frauen zu verbessern, dann müssen auch die Sperrgebietsverordnungen fallen und die Kriminalisierung von SexdienstleisterInnen aufhören! (§ 184e StGB)

Wenn ich mir manche Geschäftsführer (laut Handelsregister) von Bordell-GmbHs anschaue: die haben nicht mal solide kaufmännische Grundkenntnisse, oder Entscheidungsbefugnisse. Es liegt nahe, dass sie weisungsbegebundene "Strohpersonen" sind. Und dann soll eine Genehmigungspflicht greifen?

In Stuttgart müsste das "Madeleine" laut Richterspruch seit 1.1.2011 geschlossen sein. Weil laut Grundbuch in diesem Haus keine Prostitution stattfinden darf. Die Stadt kann bis heute keinen juristisch haltbaren Beweis antreten, dass die Mieterinnen des Hauses der Prostitution nachgehen.

Ist eine Absteige ein Bordell? Ich kenne Hotels, in denen Agenturen Appartements als Dauermeiter belegen. Ist dann das Hotel auch ein Bordell? Bin ich Bordellbetreiber, wenn ich in meinem Haus zwei Wohnungen an selbständige SexdienstleisterInnen vermietet habe? Muss ich als Vermieter meine MieterInnen kontrollieren, ob sie der Prostitution nachgehen?

Wenn es der Regierung wirklich ernst wäre, die Situation zu verbessern, warum weden dann SexdienstleisterInnen in die Beratungen nicht eingebunden, sondern nur Strafverfolger und die Helferindustrie?
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Jupiter
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RE: Genehmigungspflicht für Bordelle

Beitrag von Jupiter »

@ehemaliger_User, steht "Bordell" im Gesetzesentwurf? Ich lese dies nur in der Presse.
In der Bundesratsvorlage stand "Prostitutionstätte".

Gruß Jupiter
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Beitrag von ehemaliger_User »

@Jupiter

Was ist der Unterschied?

Für die Prostitutionsstätte "Strasse", "im Auto" oder "hinterm Busch" wird wohl die Genehmigungspflicht nicht greifen.
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Aoife
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Beitrag von Aoife »

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ehemaliger_User hat geschrieben:Für die Prostitutionsstätte "Strasse", "im Auto" oder "hinterm Busch" wird wohl die Genehmigungspflicht nicht greifen.
Aber die angebliche Notwendigkeit sie durchsetzen zu müssen wird zur weiteren Aushöhlung des Rechts auf Intimsphäre ohne staatliche Einflußnahme mißbraucht werden ...

Nur ein klein wenig O.T.: Vor ein paar Tagen habe ich folgende Bemerkung gelesen:

"Wenn Homosexuelle zwar Sex haben, aber nicht heiraten dürfen, so müssten eigentlich Heterosexuelle dagegen klagen, derart diskriminiert zu werden"

Tatsächlich werden hier kulturell bestehende Vorurteile gegen sexuelle Minderheiten benutzt, um die Menschenrechte ALLER außer Kraft zu setzen.

Liebe Grüße, Aoife
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Jupiter
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RE: Genehmigungspflicht für Bordelle

Beitrag von Jupiter »

Ich denke da nur speziell an die Münchner-Verhältnisse.

Da ist das Hotelzimmer sogar Prostitutionstätte !!!!!!!!!

In der Stadt (Sperrbezirksverordnung) darf ich mir keine Escortdame ins Hotel kommen lassen. Dies Verbot wird mit Scheinfreiern kontrolliert. Die Münchner Agenturen können dazu ein besonderes Lied singen.

Gruß Jupiter
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Marc of Frankfurt
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Anal-yse des geplanten Gesetzes

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Hier die Antwort von Dona Carmen e.V. Frankfurt:

www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=8055

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Beitrag von ehemaliger_User »

Man stelle sich folgenden Fall vor:

Ich vermiete eine Wohnung in z.B. Esslingen (90.000 Einwohner, keine Sperrgebietsverordnung, keine Schule/Kindergärten in der Umgebung).

Meine Mieterin arbeitet, ohne dass ich das weiss (geht mich auch nichts an), als Sexdienstleisterin. Dadurch werde ich als Vermieter kriminalisiert!

Oder muss ich in den Mietvertrag schreiben "Prostitution nur mit meiner Genehmigung?" Brauch ich einen "Blockwart", der kontroliiert?
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Ariane
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Beitrag von Ariane »

Sex ist Privatsache, bezahlter Sex nicht, schliesslich möchte der Staat an seinen ausserhalb des ehelichen Beischlafs wild kopulierenden Untertanen mitverdienen. In England wird seit der letzten Gesetzesnovellierung jeder Vermieter, der an Sexarbeiter Räume, Wohnungen vermietet, wo Sexwork ausgeübt wird, strafrechtlich geahndet; wenn zwei SDLs sich eine gemeinsame Arbeitswohnung mieten, gilt dies als Bordell (vor der Novellierung ab 3 Sexworker) und ist verboten. Nur Frauen, die alleine in einem Apartment, auch in der eigenen Wohnung :016 arbeiten, werden geduldet. Aufgrund häufiger Raubüberfälle inkl. Vergewaltigung durch Männer, die sich zuvor als Kunde ausgeben, meist in Arbeitswohnungen der allein arbeitenden Frauen (bislang selten aber auch im Hotel), Typen, die meist im Duo arbeiten, sind allein werkelnde Frauen auch hier ähnlich verletzlich wie auf der Strasse. Wahrscheinlich blüht uns bald ähnliches. In Berlin werden gerade kleine Wohnungsbordelle überfallen und die Frauen mit Schusswaffe bedroht, 2-3 Fälle waren mir aus den letzten Jahren bekannt, der letzte ist vor einigen Tagen passiert.
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