Geht noch weiter:
Gesendet: Donnerstag, 05. Dezember 2013 um 03:42 Uhr
Von: "Klaus Fricke" <Kl>
An:
annette.widmann-mauz@bundestag.de
Cc:
hoererservice@deutschlandradio.de
Betreff: Chancen der Selbstorganisation von Kunden der Sexarbeit
Sehr geehrte Frau Widmann-Mauz,
mit Interesse habe ich ihr gestriges Interview zum Thema Prostitutionsgesetz im Deutschlandfunk gehört und auch nachgelesen (
http://www.deutschlandfunk.de/prostitut ... _id=270768)
Zu meiner Person
60 Jahre, verheiratet mit einer Sexarbeiterin, Sprecher des "Haus9" Vermietung von Betriebsstätten zur gewerblichen Tätigkeit an selbständig in der Sexarbeit tätige Menschen - Bremen. Kaufmännischer Angestellter und Diplom Sozialpädagoge.
Im Interview räumten sie ein, dass es durchaus verantwortungsbewusste Kunden von sexuellen Dienstleistungen gibt und meinten, dass die Einführung einer Strafbarkeit der wissentlich und willentlichen Nutzung von nicht selbstbestimmt tätigen Sexarbeiterinnen, die Bereitschaft dieser (und anderer Kunden) von Sexarbeit fördern würde, mit größerer Sensibilität auf Anzeichen von Straftaten des Menschenhandels, der sexuellen Ausbeutung und der Zuhälterei zu achten und diese zur Anzeige zu bringen.
Dies mag ihre Ansicht sein, ich gebe aber zu bedenken, dass die
Drohung mit strafrechtlichen Konsequenzen bei nicht wenigen Kunden und auch bei Sexarbeitenden auch dazu führen könnte, dass
diese konspirativerer Formen des Kontaktes suchen. Ausserdem gebe ich zu bedenken, dass es vielleicht sinnvoll sein könnte, dass sich
Kunden der Sexarbeit, sofern sie besorgt sind, zuerst an eine Beratungseinrichtung wenden, die für Sexarbeitende Unterstützung, Betreuung und Beratung anbietet, bevor der Kontakt zur Strafverfolgung gesucht wird.
Schliesslich geht es, sofern tatsächlich eine Schädigung der Interssen von Sexarbeiterinnen durch Dritte vorliegt, zuerst um die Wahrung der Interessen und den Respekt vor dem Willen der Sexarbeiterin.
Mir geht es aber um einen anderen Aspekt ihres Interviews und einen konkreten Fall, der damit verbunden ist.
Die Deutsche Aids Hilfe hatte für Mitte Dezember 2013 ein Seminar für Kunden der Sexarbeit ausgechrieben, dass jetzt kurzfristig abgesagt wurde. Als Gründe wurden mir bislang dafür die Intervention der BzgA, auf die Sie ja einen gewissen Einfluss in Ihrer Position haben, genannt.
Ich bedauere die Absage sehr. Als langjähriger und seit 1999 auch bekennender Kunde der Sexarbeit, hatte ich mich sehr gefreut, an dem Seminar teilnehmen zu können. Ich hatte damit die Hoffnung verbunden, andere Kunden kennenzulernen, um mit diesen über die Möglichkeit zu sprechen, den Kunden der Sexarbeit (mehrer Millionen Bürger) eine Stimme in der derzeitigen Debatte zu geben, mit der sowohl die Diskussion um
"best practice" als Konsument von sexuellen Dienstleistungen, als auch die Einmischung in die gesellschaftliche und politische Diskussin zur Sexarbeit verbunden werden könnte.
Ich denke hier wurde eine Chance vertan, die Potentiale einer solchen Initiative zu nutzen. Zivilgesellschaftliche Selbstregulation ist gegenüber primär auf Repression setzenden Strategien zumeist effektiver und effizienter.
Gegenüber dem Primat der Repression, ist die Selbstregulierung im Gemeinwesen zivilisatorisch ein Fortschritt und Repression nahezu ausschliesslich ein Rückschritt.
Ich würde mich sehr freuen, wenn von Ihrer Seite ein Impuls käme, der die beabsichtigte Selbstorganisation von Kunden der Sexarbeit mit neuem Schwung versorgen könnte.
Ich danke für ihre Antwort
Klaus Fricke